Das Problem der Iteration einer rationalen Funktion \(\varphi(z)\) besteht in dert Bildung der Folge \(z_1=\varphi(z),z_2=\varphi(z_1),\dots(z_n=\varphi_n(z_{n-1});\;z_n\) ist “Nachfolger” \(n\)-ter Ordnung von \(z\), \(z\) ist “Vorgänger” \(n\)-ter Ordnung von \(z_n\)) und der Untersuchung der Häufungspunkte \(\zeta\) der Menge \(z_1,z_2,\dots,z_n,\dots\) (auch als Funktion von \(z_4\)). Über diese Frage lagen bisher in der Literatur nur Einzelresultate [
P. Fatou, C. R. 143, 546–548 (1907;
JFM 37.0347.02)]; vgl. ferner das zweitletzte Ref. [l’A., C. R. 166, 599–601 (1918;
JFM 46.0520.05)] insbesondere die folgenden elementaren Sätze vor:
1. Ein
regulärer Konvergenzpunkt \(\zeta\) ist eine Wurzel von \(\varphi(x)-z=0\), für welche \(| \varphi'(\zeta)| <1\) ist. In seiner genügend kleinen Umgebung ist stets \(\lim_{n=\infty}\varphi_n(z)=\zeta\).
2. Unter einer “
zyklischen Gruppe von Konvergenzpunkten” wird eine Gruppe von Punkten \(\zeta,\zeta_1,\dots,\zeta_{p-1}\) verstanden mit der Eigenschaft \(\zeta_1=\varphi(\zeta),\zeta_2=\varphi(\zeta_1),\dots,\zeta= \varphi(\zeta_{p-1})\) und \(| \varphi'(\zeta)|,| \varphi'(\zeta_1)|,\dots,| \varphi'(\zeta_{p- 1})| <1\). In einer genügend kleinen Umgebung von \(\zeta_i\) ist dann \(\lim_{k=\infty}z_{ki}=\zeta_i,\lim_{k=\infty}z_{ki+1}=\zeta_{i+1} \) usw. [
G. Koenigs, Ann. Éc. Norm. (3) 1, Supplém., 1–41 (1884;
JFM 16.0376.01)].
Im ersten Teil der Arbeit betrachtet der Verf. zunächst die abzählbare Menge \(E\) aller Wurzeln von \(z=\varphi_n(z) (n=1,2,3,\dots)\), für welche \(| \varphi_n'(z)| >1\) ist. (In einem Nachtrage wird gezeigt, daß
es entweder eine Wurzel von \(\zeta=\varphi(\zeta)\) gibt, für welche \(| \varphi'(\zeta)| >1\), oder eine solche, für die \(| \varphi'(\zeta)| =1\) ist. Im ersten Falle ist die Existenz von \(E\) klar. Im zweiten Falle läßt sich zeigen, daß
es Punkte \(\zeta_n\) gibt, die zu \(\zeta\) konvergieren und für welche \(| \varphi_n'(\zeta_n)| >1\) ist.) Mit Heranziehung der Untersuchungen von
Montel über Normalfolgen Funktionen (vgl. das Ref. auf S. 519) wird für diese Menge folgendes gezeigt:
In jedem Kreis, dessen Mittelpunkt in \(E\)
liegt, nehmen die Funktionen \(\varphi(z)\) (von einem gewissen Index an), mit
eventueller Ausnahme von zwei Werten, jeden komplexen Wert an. Es lassen sich sogar die Fälle, wo zwei oder ein Wert nicht angenommen wird, genau charakterisieren. In dem ersten Falle ist, wenn als Ausnahmewerte \(a\) und \(\infty\) festgelegt werden (dies läßt sich durch eine lineare Transformation stets erreichen), \(z_1-1=(z- a)^k\;(k>0\) ganz); der zweite Fall tritt dann und nur dann ein, wenn (Ausnahmewert gleich \(\infty)\;\varphi(z)\) ein Polynom ist. Daraus wird geschlossen, daß
\(E\) in sich dicht und \(E'\) perfekt ist. Die Punkte von \(E'\) sind ferner durch die oben erwähnte Eigenschaft
vollständig charakterisiert.
Es wird dann die Struktur von \(E'\) weiter untersucht. \(E'\) kann eine perfekte Menge sein oder auch die ganze Ebene umfassen. Für den ersten Fall werden auch Beispiele angegeben. (Daß der zweite auch eintreten kann, wurde erst durch
Lattés – vgl. das nachst. Ref. – bestätigt.) Endlich wird das Haupttheorem des ersten Teiles im folgenden zusammengefaßt:
In jedem Bereiche \(D\), der keinen Punkt von \(E'\) enthält, ist die Folge \(\varphi(z)\) normal. Konvergiert eine Teilfolge von \(\{\varphi(z)\}\) in einem einzigen Punkte von \(D\), so konvergiert sie somit überall in \(D\). Die Grenzfunktion einer solchen Teilfolge verhält sich regulär in \(D\). Die Menge \(E'\) stellt genau die Menge der (wesentlichen) Singularitäten sämtlicher Grenzfunktionen der Folge \(\{\varphi_n(z)\}\) dar. Mit Rücksicht auf die obige Charakterisierung von \(E'\) merkt man hier eine auffallende Analogie zu dem Picardschen Satze.
Im zweiten Teile werden “reguläre Konvergenzpunkte” und “zyklische Gruppen von Konvergenzpunkten” (vgl. oben) betrachtet. (Solche Punkte brauchen nicht notwendigerweise zu existieren.) Die Menge aller Punkte, deren Nachfolger gegen einen regulären Konvergenzpunkt \(\zeta\) konvergieren, besteht aus einfach zusammenhängenden und durch Punkte von \(E'\) begrenzten Bereichen \(R\). Sie enthält natürlich auch \(\zeta\) selbst. Jeder solche Bereich \(R\) enthält für sich stets einen kritischen Punkt der inversen Funktion \(\psi(z)\) von \(\varphi(z)\) (und zwar wird hier unter \(\psi'(z)\) der Zweig verstanden, der für \(z=\zeta\) gleich \(\zeta\) ist). Dieser Punkt ist Nachfolger eines in \(R\) liegenden Punktes, wo \(\varphi'(z)=0\) ist. Analoge Ergebnisse gelten für zyklische Gruppen von Konvergenzpunkten. Daraus folgt der wichtige Satz:
Für eine vorgegebene rationale Funktion ist die der regulären Konvergenzpunkte (sowie die der zyklischen Gruppen von Konvergenzpunkten) stets endlich.
Damit ist eine Vermutung von
Koenigs (a. a. O. 401) widerlegt. Die einzelnen Bereiche \(R\) können auch in unendlicher Anzahl vorhanden sein; sie hängen dann
nicht miteinander zusammen und die Menge ihrer Randpunkte ist genau mit \(E'\) identisch. (Im Falle der regulären Konvergenz ist jedoch diese Anzahl entweder 1 oder \(\infty\).) Einige interessante Beispiele bilden den Schluß
des zweiten Teiles.
Im dritten Teile werden Beispiele konstruiert, in welchen \(E'\) eine einfache
Jordansche Kurve ist, die an einer überall dicht liegenden Teilmenge keine Tangente besitzt, oder eine stetige, geschlossene Kurve mit überall dicht liegenden durch einfache Vereinigung von (unendlich vielen) gewöhnlichen
Jordanschen Kurven erzeugt wird.
Der vierte Teil enthält die Untersuchung der Konvergenz gegen einen Punkt \(\zeta\), für welchen \[ \zeta=\varphi(\zeta)\quad\text{ und }\quad\vert \varphi'(\zeta)\vert =1,\quad\text{ d. h. }\varphi'(\zeta)=e^{i\alpha} \]
ist, sowie das entsprechende Problem für eine Gruppe von Konvergenzpunkten: Ist \(\alpha\) kommensurabel zu \(2\pi\), dann gehört \(\zeta\) zu \(E'\) und die früher erhaltenen Sätze gelten im wesentlichen auch in diesem Falle. Viel schwieriger gestalten sich die Verhältnisse, wenn \(\alpha\) zu \(2\pi\) inkommensurabel ist. In diesem Falle erhält der Verf. keine abgeschlossenen Resultate.