Kino:Überdosis Elend
Lilja springt. Ihr Gesicht ist zertrümmert, der Traum von einem einfacheren Leben sowieso. Ihrem Folterer ist sie wenigstens dieses eine Mal entwischt. Ihrer Zukunft, die ihrer Vergangenheit schrecklich ähneln wird, kann sie nicht entkommen. So springt sie von der Autobahnbrücke, und Rammstein singen mit donnernder GarstigkeitMein Herz brennt dazu.
Lilja 4-ever ist ein wuchtiger Film. Einer, nach dem man sich fröstelnd, bedrückt und stumm auf den Heimweg macht. In dieser Passionsgeschichte vom russischen Babystrich zur modernen Leibeigenschaft im schwedischen Sozialstaat war nie etwas gut und wird es auch nicht werden. Lukas Moodyson, der mit seinen FilmenFucking Amal undZusammen bekannt wurde, hat den Plot als freien Fall angelegt, bei dem man schon im Absprung den dumpfen Aufprall hören kann. Bebildert in dokumentarischer Schlichtheit, ausgemalt in schmutzigen Farben, die nur den Engeln auf Liljas Andachtsbildern ein bisschen Glanz lassen. Ihr Leben ist eine Krankheit, an der man nur eingehen kann. Die Konsequenz, mit der Moodyson ihren Verlauf beschreibt, hat auf den ersten Blick etwas ungeheuer Gewagtes. Auf den zweiten aber schimmert hinter der Geschichte einer Zerstörung eine zweifelhafte inszenatorische Programmatik durch. Ein Unbehagen stellt sich ein, wie immer, wenn das Unerträgliche mit dem Unausweichlichen verschmilzt.