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Dieser Beitrag stammt aus dem SPIEGEL-Archiv.Warum ist das wichtig?

Vierzig Unterschriften hat der protestantische Pfarrer Klaus Onnasch, 52, aus der Synode der nordelbischen Kirche zusammenbekommen, um die Kandidatin zu nominieren. Gewählt werden müßte sie am 21. November von mindestens 71 der 140 Mitglieder des norddeutschen Kirchenparlaments. _(* Vor ihrem Haus in Bordesholm. ) »Das aber«, sagt der Seelsorger aus Kronshagen bei Kiel, »ist ohne weiteres drin.«

Wenn es so kommt, wäre das für die Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der protestantischen Kirche eine Art Quantensprung: Rut Rohrandt, 47, verheiratete Mutter von Markus, 9, und Christian, 5, seit Dezember 1989 Leiterin des Frauenreferats der nordelbischen Kirche, wäre dann weltweit die erste protestantische Bischöfin.

Und »selbst wenn sie nicht gewählt würde«, sagt Pfarrer Onnasch, wäre der Vorgang von Vorteil: »Die Kandidatur allein ist schon ein Signal« - dafür sei es »höchste Zeit«.

Recht hat der Mann: Bislang nämlich war die fast 2000jährige Historie des Christentums eine Geschichte der Frauen-Unterdrückung. Die Christinnen stellten zwar stets die Hälfte der Kirchenmitglieder, doch Leitungsämter waren ihnen bis in die zweite Hälfte dieses Jahrhunderts verschlossen.

Im Jahre 1908 promovierte die erste Theologin, 1919 legte die erste Theologiestudentin ein normales Fakultätsexamen ab, 1927 gab es die ersten Vikarinnen, 1945 mangels männlicher Pfarrer die ersten Vikarinnen mit dem Recht zur Ausübung pfarramtlicher Dienste - sofern sie unverheiratet waren. Akuter Pfarrermangel in den sechziger Jahren führte schließlich dazu, daß Frauen, ob verheiratet oder nicht, auch ordentliche Pfarrerinnen werden durften. Seither steht ihnen kirchenrechtlich der Weg zum Bischofsamt offen.

Andere Kirchen liegen weiter zurück oder haben erst später nachgezogen. Rund 80 Prozent der christlichen Kirchen in aller Welt, errechnete Superintendent Hans Wilhelm Rieke, Präsident der schaumburg-lippischen Landessynode, lehnen die Frauen-Ordination noch immer ab. Für römisch-katholische wie für orthodoxe Amtsträger beispielsweise sind Priesterinnen und gar Bischöfinnen eine Horrorvision.

Aufgeholt dagegen haben die Anglikaner, eine Art Mittelding zwischen Protestanten und Katholiken. Die anglikanische Kirche Irlands weihte im Juni erstmals zwei Priesterinnen. Die Episkopalkirche der USA, eine anglikanische Zweigkirche, war Anfang letzten Jahres noch weiter gegangen: Sie weihte in ihrer Diözese Massachusetts Barbara Harris, 58, ausgerechnet eine geschiedene Schwarze, zur ersten Bischöfin einer christlichen Kirche überhaupt.

Aber vom Tisch ist das Thema auch für die Anglikaner nicht. Deren Londoner Bischof Graham Leonard sieht in der Frauen-Ordination »nicht weniger als das ewige Evangelium auf dem Spiel«.

Für die Evangelische Kirche in Deutschland konstatierte der Evangelische Pressedienst: »Frauen tragen die Kirche - Männer regieren sie.« Etwa 70 Prozent der Hauptamtlichen im kirchlichen Dienst sind Frauen; der Anteil der Theologiestudentinnen ist mittlerweile auf fast 44 Prozent gestiegen, der Anteil der Vikarinnen immerhin auf über 30 Prozent. Doch dann wird es dünn.

Nur zwölf Prozent macht der Anteil der Pfarrerinnen aus. Schaumburg-Lippe, die kleinste der 17 bundesdeutschen Landeskirchen, hat bislang keine einzige zugelassen. Weniger als ein Prozent der Amtsträger stellen Frauen in höheren Rängen: ein Paar Kirchen- und Oberkirchenrätinnen in Landeskirchenämtern sowie drei Pröpstinnen mit Vollmachten knapp unter dem Bischofsrang.

Dafür, daß das Bischofsamt Männern vorbehalten bleibt, kämpfen in Nordelbien nunmehr evangelische Konservative von der »Bekennenden Gemeinschaft« und von der »Kirchlichen Sammlung um Bibel und Bekenntnis«. Die Pastoren Jens Motschmann und Ulrich Rüß etwa warnen, »das Gewissen vieler Amtsträger in der Kirche« werde »beschwert«, wenn »eine Frau Bischöfin wird«.

Gegen die Kandidatin Rohrandt spreche überdies, daß sie »engagiert die feministische Theologie« vertrete und »Verständnis für die Fristenregelung« beim Schwangerschaftsabbruch zeige. Das aber widerspreche »den Aussagen von Bibel und Bekenntnis«.

Zum Schwangerschaftsabbruch hatte die Bischofsanwärterin in der Tat den Vorschlag gemacht, im vereinten Deutschland die Fristenlösung einzuführen, begleitet von einer intensiven Pflichtberatung der Frauen. Auch als Kandidatin für das Bischofsamt, sagt sie nun, bleibe sie bei diesem Vorschlag. Obwohl sie von den drei nordelbischen Bischöfen heftig kritisiert wurde, setzte Rut Rohrandt einen Leitungsbeschluß durch, in dem die 700 Gemeinden zu einem »konsensbildenden Prozeß« in Sachen Abtreibung aufgerufen werden.

Die Kandidatin bezeichnet sich selber als eine »gemäßigte feministische Theologin«, die allerdings »auf keinen Fall die Bibel umschreiben« wolle oder gar eine Frauen-Kirche befürworte. »Die Kirche ist zwar nicht so, wie ich sie mir wünsche«, sagt sie, »aber ich will die Kirche von innen verändern.«

Daß Frauen künftig ebenso wie Männer in alle kirchlichen Leitungsämter aufsteigen müssen, hält sie für eine Selbstverständlichkeit. Ob sie mit solchen Vorstellungen allerdings ihren Gegenkandidaten, den Eckernförder Propst Hans-Christian Knuth, 50, ausstechen wird, ist offen. Auch Knuth, der vom Bischofswahlausschuß nominiert worden ist, gilt unter Kirchenleuten als »vernünftig« und »tolerant« - wie Rut Rohrandt. o

* Vor ihrem Haus in Bordesholm.

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