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Hof und Hofstaat (19. Jahrhundert)

Aus Historisches Lexikon Bayerns

Vermählung Herzog Maximilians in Bayern (1808-1888) mit Ludovika Wilhelmine Prinzessin von Bayern (1808-1892) in der Tegernseer Schlosskirche am 9. September 1828. Bei der Trauung waren viele Mitglieder des Hofstaates anwesend. Kolorierte Lithographie von Franz Xaver Nachtmann (1799-1846), 1828. (Kaiserin Elisabeth Museum Possenhofen e.V.)

vonMaximilian Vissers

Hof und Hofstaat in Bayern stellten auch nach der zu Beginn des 19. Jahrhunderts erfolgten Trennung von Hof- und Zivilverwaltung den Ort der Staatsrepräsentation und das Kommunikationsforum der bayerischen Könige dar, an welchem sich Adlige, Künstler und Gelehrte versammelten. Der Hofstaat umfasste im 19. Jahrhundert zeitweise bis zu 2.000 Personen, neben den leitenden Hofbeamten auch das gesamte Personal bis hin zu den Tagelöhnern. Verwaltet wurde der Hof von fünf Hofstäben und fünf Hofintendanzen, die sich um den Unterhalt der Gebäude, die Versorgung der Mitglieder des königlichen Hauses, Organisation von Festen und die Personalführung kümmerten. Unter Max I. Joseph (1752-1825, Kurfürst von Pfalzbayern 1799-1806, König von Bayern ab 1806) wurden mehrere Veränderungen des Hofes und seiner Organisation durchgeführt, die das gesamte 19. Jahrhundert prägten. Trotz vielfacher Einsparungen kostete die Hofhaltung im 19. Jahrhundert bis zu 3 Millionen Gulden jährlich.

Begriff

Es gibt viele Definitionen des Begriffs Hof. Die prägnanteste liefert ein anonymer Verfasser von Zedlers Universallexikon, wenn er schreibt: „Der Hof wird genennet, wo sich der Fürst aufhält.“ (Zedler, Universallexikon, Bd. 13, Sp. 405) Daraus lassen sich mindestens drei Dimensionen ableiten, um das Phänomen „Hof“ zu fassen: eine örtliche, eine soziale und eine politische.

Örtliche Dimension

DerMünchner Königshof wechselte Jahr für Jahr seinen Standort zwischen derWinterresidenz in der Stadt und der Sommerresidenz im Schloss Nymphenburg. Daneben gab es eine Anzahl von Jagd- und Lustschlössern, deren Beliebtheit von Monarch zu Monarch variierte. KönigMaximilian I. Joseph (1756-1825, reg. 1806-1825) besuchte beispielsweise während der Jagdsaison im Herbst vor allemBerchtesgaden undTegernsee, wohingegen PrinzregentLuitpold (1821-1912, reg. 1886-1912) und sein SohnLudwig III. (1845-1921, reg. 1912-1918) das Jagdschloss Luitpoldshöhe im Spessart bevorzugten. Neben dem Haupthof existierten mehrere Nebenhöfe der Prinzen und Prinzessinnen des Königlichen Hauses. Sie lagen über das Gebiet des Königreichs verstreut. Die Anwesenheit von Mitgliedern derlandesherrlichen Familie besonders in den zu Beginn des 19. Jahrhunderts hinzugewonnenen Landesteilen des Königreichs versinnbildlichte den Herrschaftsanspruch der Wittelsbacher. So residierte KronprinzLudwig (1786-1868), der spätere König Ludwig I. (reg. 1825-1848), seit seinerHochzeit mit Therese von Sachsen-Hildburghausen 1810 zunächst in Innsbruck und Salzburg und nach der im Münchener Vertrag 1816 vereinbarten Abtretung des Inn- und Salzachkreises an das Kaisertum Österreich inAschaffenburg undWürzburg. Zumeist galten außerhalb der Hauptresidenz, wo bis 1918 das spanische Hofzeremoniell in Kraft blieb, weniger strenge Regelungen. Die bayerischen Könige nutzten diese Möglichkeit der zeremoniellen Lockerung unterschiedlich: WährendLudwig II. (1845-1886, reg. 1864-1886) sich ins Private zurückzog, setzte sie etwa Maximilian I. Joseph zur Inszenierung und Popularisierung ihrer Herrschaft ein.

Soziale Dimension

Der Monarch erfüllte eine doppelte Funktion als Oberhaupt des Staates und Chef des regierenden Hauses. Seine Rechte gegenüber den Mitgliedern seiner Familie regelte das Königliche Familienstatut vom 5. August 1819. Das vom Hoffourier in unregelmäßigen Abständen herausgegebene Hof- und Staatshandbuch des Königreichs Bayern verzeichnete sämtliche Personen, die am Hof beschäftigt waren. Sie werden als „Hofstaat“ bezeichnet, wobei zwischen den Hofstaaten des Königs, der Königin sowie der übrigen Mitglieder des regierenden Hauses unterschieden wird. Wie der Begriff „Staat“ nahelegt, herrschte innerhalb des Gesamthofstaats eine strenge Hierarchie: Jede Personalentscheidung bedurfte der persönlichen Zustimmung des Königs. Die von ihm beauftragten Obersten Hofbeamten und Hofintendanten organisierten jeweils spezifische Bereiche des Hoflebens. Der Obersthofmeister war der höchste Hofbeamte und erfüllte am Hof eine Stellvertreterfunktion. Damit übte er auch die Aufsicht über die Nebenhöfe aus. Die Hofmeister der Nebenhöfe wurden dem Rang nach unterschieden zwischen „Obersthofmeister/in“ (Königin, Kronprinzenpaar) und „Oberhofmeister/in“ (übrige Prinzen und Prinzessinnen des Königlichen Hauses). Die Leitungen weiblicher Hofstaaten waren jeweils doppelt besetzt: Die Oberaufsicht über das Personal und die Finanzen lag bei einem Ober(st)hofmeister, die Hofdamen unterstanden dem Befehl der Ober(st)hofmeisterin. Neben den Angehörigen der Hofstaaten im engeren Sinn hatten auch weitere Personen dauerhaften Zutritt zum Hof. Diese Gruppe wird gemeinhin als „Hofgesellschaft“ bezeichnet. Im Königreich war der Hofzutritt durch eine „Hofrangordnung“ geregelt, wobei nur deren oberste drei Klassen dauerhaftes Zutrittsrecht hatten. Wesentliche Bestimmungen stammten dabei noch aus der Zeit des Kurfürstentums, was das dynastische Bewusstsein und den Herrschaftsanspruch der Linie Zweibrücken-Birkenfeld unterstreicht. Maximilian I. Joseph hatte die Hofrangordnung seiner Vorgänger am 21. März 1800 erneuert. Ihre Kernbestimmungen galten trotz einiger Modifikationen, etwa durch KönigMaximilian II. (1811-1868, reg. 1848-1864), bis zum Sturz der Monarchie. Die Hofgesellschaft war eine elitäre, vomUradel dominierte Gruppe. Sie stand aber keineswegs nur dem traditionellen Münchener Hofadel offen, sondern wurde von den Königen gezielt genutzt, um Adelige aus dem In- und Ausland an den Hof und damit an die bayerische Monarchie zu binden.

  • Vier Generationen des Hauses Wittelsbach im Wintergarten der Münchner Residenz. Das Bild entstand als Collage nach einzelnen Porträtaufnahmen. Mit Ausnahme König Max I. Joseph (reg. 1799-1825) sind auf diesem Bild alle Herrscher des Königreiches Bayern versammelt. Collage von Josef Albert (1825-1886), um 1863. Gestaltung: Stefan Schnupp (bavarikon) (© Bayerische Schlösserverwaltung)
    Vier Generationen des Hauses Wittelsbach im Wintergarten der Münchner Residenz. Das Bild entstand als Collage nach einzelnen Porträtaufnahmen. Mit Ausnahme König Max I. Joseph (reg. 1799-1825) sind auf diesem Bild alle Herrscher des Königreiches Bayern versammelt. Collage vonJosef Albert (1825-1886), um 1863. Gestaltung: Stefan Schnupp (bavarikon) (© Bayerische Schlösserverwaltung)

Politische Dimension

Aufgrund der 1804 erlassenen Domanial- und Fideikommisspragmatik, in der Kurfürst Max IV. Joseph (der spätere König Maximilian I. Joseph) die Unteilbarkeit seiner Ländereien festlegte und infolgedessen als Monarch der staatlichen Verwaltung unterworfen und zum Staatsorgan wurde, verlor der Hof seine Funktion als politisches Handlungsinstrument. Weiterhin blieb er jedoch das wichtigste Kommunikationsforum der gesellschaftlichen Eliten im Königreich und das bedeutendste kulturelle Zentrum. Die Könige Maximilian I. Joseph und Maximilian II. versammelten am Münchener Hof Gelehrte aus dem In- und Ausland. Zum einen geschah dies sicherlich aus persönlicher Neigung, zum anderen spielten dabei aber auch politische Gesichtspunkte eine Rolle. Max I. Joseph beauftragte 1817 den ZoologenJohann Baptist Spix (1761-1826) und den BotanikerCarl Friedrich Philipp Martius (1794-1868) mit einer Expedition in das bis dahin wenig erforschte Brasilien. Dem Anspruch nach knüpften die beiden Naturforscher damit an die Südamerika-ExpeditionAlexander von Humboldts (1769-1859) an und stärkten den Ruf des Münchener Hofes als Förderer von Kultur und Wissenschaft.

König Maximilian II. zog Gelehrte aus dem protestantischen Norden an die Isar und beabsichtigte damit den Ruf der Haupt- und Residenzstadt alsWissenschaftsstandort zu festigen, was den Widerstand der etablierten Münchener Wissenschaftselite im sogenannten „Nordlichterstreit“ herausforderte. Der augenscheinlich konfessionell motivierte, im Kern aber aus der Angst um den Verlust eigener Einflussmöglichkeiten geborene Konflikt ähnelte demjenigen aus der zweiten Hälfte der Regierungszeit Max I. Josephs, als führende Vertreter der Bayerischen Akademie der Wissenschaften gegen die Besetzung von Akademiestellen mit protestantischen Gelehrten opponierten. In beiden Fällen ergriff der König jeweils für die neu hinzu Gekommenen Partei und sicherte so die Attraktivität Münchens als Wissenschaftsstandort. Mit dem Maximiliansorden für Wissenschaft und Kunst schuf Maximilian II. 1853 ein Pendant zum preußischen Orden Pour le Mérite für Wissenschaften und Künste. Ordensträgern gewährte er Zutrittsrechte zum Hof.

Maximilians Vater, König Ludwig I., förderte vor allem dieSchönen Künste. Unter seinem Regiment erfuhr nicht nur die Stadtresidenz einen bedeutenden Ausbau durch den HofbauintendantenLeo von Klenze, sondern erhielten zudem München und andere Städte (z.B. Aschaffenburg) ihr bis heute erhalten gebliebenes, klassizistisches Gepräge. Durch seine Bauten (z.B. das Siegestor in der Münchener Maxvorstadt, die Walhalla beiRegensburg und dieBefreiungshalle beiKelheim) kommunizierte der Monarch seine deutschnationale Gesinnung. Sein Engagement trug München im Gebiet des Deutschen Bundes den Ruf eines „Musenhofes“ ein.

  • Anton Clemens Graf von Törring-Seefeld (1725-1812) war von 1802 bis 1812 Obersthofmeister unter Max I. Joseph (1756-1825). Zuvor war er bereits als Hofkammerpräsident und ab 1799 Oberstkämmerer gewesen. Zwischen 1793 und 1807 war Törring-Seefeld, der auch schriftsstellerisch tätig war, Präsident der Akadamie der Wissenschaften. Abb. aus: Wappen-Kalender des Kgl. Bayerischen Haus-Ritter-Ordens vom Heiligen Georg, München 1807. (Bayerische Staatsbibliothek, Bavar. 5200 u-1807)
    Anton Clemens Graf von Törring-Seefeld (1725-1812) war von 1802 bis 1812 Obersthofmeister unter Max I. Joseph (1756-1825). Zuvor war er bereits als Hofkammerpräsident und ab 1799 Oberstkämmerer gewesen. Zwischen 1793 und 1807 war Törring-Seefeld, der auch schriftsstellerisch tätig war, Präsident der Akadamie der Wissenschaften. Abb. aus: Wappen-Kalender des Kgl. Bayerischen Haus-Ritter-Ordens vom Heiligen Georg, München 1807. (Bayerische Staatsbibliothek, Bavar. 5200 u-1807)
  • Clemens von Törring-Seefeld (1758-1832), Sohn von Anton Clemens, war seit 1799 Hofmusik-Intendant und ab 1806 Oberstkämmerer, zuletzt wurde er unter Ludwig I. (1786-1868) 1825 zum Obersthofmeister ernannt. Abb. aus: Wappen-Kalender des Kgl. Bayerischen Haus-Ritter-Ordens vom Heiligen Georg, München 1832. (Bayerische Staatsbibliothek, Bavar. 5200 u-1832)
    Clemens von Törring-Seefeld (1758-1832), Sohn von Anton Clemens, war seit 1799 Hofmusik-Intendant und ab 1806 Oberstkämmerer, zuletzt wurde er unter Ludwig I. (1786-1868) 1825 zum Obersthofmeister ernannt. Abb. aus: Wappen-Kalender des Kgl. Bayerischen Haus-Ritter-Ordens vom Heiligen Georg, München 1832. (Bayerische Staatsbibliothek, Bavar. 5200 u-1832)
  • Max Joseph Freiherr Pergler von Perglas (1817-1893) war zwischen 1877 und 1893 Oberstkämmerer und seit 1880 zusätzlich Oberstzeremonienmeister. Foto: J. Leeb, 1886. (Stadtarchiv München, C1886052 lizenziert durch CC BY-ND 4.0)
    Max Joseph Freiherr Pergler von Perglas (1817-1893) war zwischen 1877 und 1893 Oberstkämmerer und seit 1880 zusätzlich Oberstzeremonienmeister. Foto: J. Leeb, 1886. (Stadtarchiv München, C1886052 lizenziert durchCC BY-ND 4.0)
  • Franz von Pocci (1807-1876). Der Zeichner, Schriftsteller und Komponist machte Karriere in den Ämtern des Münchner Hofes. 1830 wurde der wegen seiner Zeichnungen als "Kasperlgraf" bekannte Schriftsteller zum zweiten Zeremonienmeister und 1842 zum Hofmusik-Intendanten ernannt. 1863 wurde er Oberstzeremonienmeister und im folgenden Jahr Oberstkämmerer. Foto von Franz von Hanfstaengl (1804-1877), 1857. (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv habe-001723)
    Franz von Pocci (1807-1876). Der Zeichner, Schriftsteller und Komponist machte Karriere in den Ämtern des Münchner Hofes. 1830 wurde der wegen seiner Zeichnungen als "Kasperlgraf" bekannte Schriftsteller zum zweiten Zeremonienmeister und 1842 zum Hofmusik-Intendanten ernannt. 1863 wurde er Oberstzeremonienmeister und im folgenden Jahr Oberstkämmerer. Foto vonFranz von Hanfstaengl (1804-1877), 1857. (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv habe-001723)
  • Architekt Leo von Klenze (1784-1864), der viele Bauten für König Ludwig I. entwarf, war von 1819 bis zu seinem Tod Hofbau-Intendant. Lithografie von Auguste Couder (ca. 1790-1873). (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv port-014945)
    Architekt Leo von Klenze (1784-1864), der viele Bauten für König Ludwig I. entwarf, war von 1819 bis zu seinem Tod Hofbau-Intendant. Lithografie vonAuguste Couder (ca. 1790-1873). (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv port-014945)
  • Karl Philipp Freiherr von Kesling (1763-1843), war zwischen 1799 und 1843 Oberststallmeister am Münchner Hof. Graphik von Carl Schleich d. Ä. (1788-1840), 1822. (Stadtarchiv München, DE-1992-HV-BS-A-20-81)
    Karl Philipp Freiherr von Kesling (1763-1843), war zwischen 1799 und 1843 Oberststallmeister am Münchner Hof. Graphik vonCarl Schleich d. Ä. (1788-1840), 1822. (Stadtarchiv München, DE-1992-HV-BS-A-20-81)

Veränderung der Hoforganisation unter König Maximilian I. Joseph

Seit den Reformen HerzogWilhelms V. (1548-1626, reg. 1579-1597) Ende des 16. Jahrhunderts hatte sich der Hofstaat in vier „Hofstäbe“ gegliedert: den Obersthofmeister, den Oberstkämmerer, den Obersthofmarschall und den Oberststallmeister. Jeder Stab erfüllte spezifische Zwecke. Aufgaben und Pflichten der den Stäben nachgeordneten Behörden und Bediensteten waren in Dienstinstruktionen niedergelegt und wurden nach Bedarf erneuert. Der Obersthofmeister war nicht nur Stellvertreter des Landesherren am Hof, sondern hatte darüber hinaus den Vorsitz im Geheimen Rat sowie in der Geheimen Konferenz inne. Er bildete damit ein Bindeglied zwischen dem Hof und der zentralen Staatsverwaltung.

Die bayerische Monarchie stand an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert unter großem Handlungsdruck. Der Krieg gegen das revolutionäre Frankreich verstärkte jahrzehntealte Missstände beim Militär und in der Verwaltung, sodass das Land 1799 kurz vor dem Staatsbankrott stand. Im Zusammenspiel mit seinem leitenden MinisterMaximilian Graf von Montgelas (1759-1838) sowie weiteren Vordenkern eines neuen Beamtentums machte sich der neue Kurfürst an die Reform des gesamten Staatswesens. Der Hof als Symbol absolutistischer Herrschaft stand seit der Aufklärung massiv in der Kritik, da die dort zelebrierte Prunkentfaltung spätestens seit der Französischen Revolution von Teilen des dritten Standes als hauptursächlich für den maroden Zustand der Staatsfinanzen angesehen wurde. Die Reform des Hofes war damit Teil einer „Revolution von oben“, mit der die bayerische Regierung Kritik und soziale Unruhen zu verhindern versuchte.

Der nun folgende Prozess der Trennung von Hof und Zivilverwaltung nahm seinen Anfang mit dem kurfürstlichen Erlass über die Neuerrichtung vonStaatsministerien am 25. Februar 1799. Die Einteilung der Geschäftsbereiche folgte dem Sach- und dem Ressortprinzip, sämtliche Hofbeamten verloren ihre Ministerposten. Auf die Reform der obersten Verwaltungsbehörden folgte diejenige der Staatsfinanzen. Im Zuge dessen wurden nicht nur das Staats- und Dynastievermögen von den privaten Finanzen der königlichen Familie getrennt, sondern erstmals auch ein verbindlicher Hofetat aufgestellt, welcher der staatlichen Finanzaufsicht unterlag. Durch den Erlass ähnlich lautender Organisations-Reskripte am 15. Januar 1804 reformierte der Kurfürst die Leitung seiner Hofstäbe. Seither wachten sogenannte Ökonomieräte darüber, dass die Stäbe die ihnen zugewiesene Etats einhielten. Außerdem kamen zu den vier seit dem 16. Jahrhundert bestehenden Hofstäben nun fünf Hofintendanzen hinzu: die Hoftheater-, Hofmusik-, Hofjagd-, Hofgarten sowie die Hofbauintendanz. Um dem mit der Erlangung der Königswürde 1806 erhöhten Repräsentationsbedürfnis gerecht zu werden, errichtete der König 1806 den Oberstzeremonienmeister als fünften Hofstab. Er bestand als Amt bis 1918, war aber seit 1837 dem Oberstkämmerer unterstellt.

Die folgende Aufstellung illustriert die reformierte Hoforganisation:

HofdepartementsNachgeordnete Hofstellen
ObersthofmeisterstabKabinetts-/Privatdispositionskasse
Hofkirchensprengel
Leibgarden
Hofärzteschaft
Hofapotheke
Schlossverwaltungen
OberstkämmererstabKämmerer
Kammerbedienstete
Leibärzte
ObersthofmarschallstabOberstküchenmeister
Oberstsilberkämmerer
Truchsessen
Proviantkammer
Hofküche
Hofkeller
Mundschenke
Konditorei
Silberkammer
Tafelwaschkammer
Fischerei
Oberststallmeisterstab(Vize-Oberststallmeister)
Adlige Stallmeister
Pagerie (Edelknaben + Lehrpersonal)
Livréebedienstete
Marstall
Futtermeisterei
Hof- und Landgestüt
Zentralveterinärschule
OberstzeremonienmeisterstabZwei Zeremonienmeister
Aïde des Ceremonies
HofjagdintendanzOberjäger und Jagdzeugmeister
Fasanenmeister
Revierjäger in den Leibgejägen
HoftheaterintendanzHoftheater: Residenztheater;
später Isartortheater sowie Hof- und Nationaltheater
HofmusikintendanzVokalmusik
Instrumentalmusik
HofgartenintendanzHofgärtner in den Lust- und Küchengärten
HofbauintendanzHofbauinspektion München
Brunnen- und Maschineninspektion München

Hofetat und Zivilliste

Seit der Finanzreform 1803/4 wurde der Hofetat für jedes Geschäftsjahr neu bestimmt. Um Kritik aus den Reihen der durch die Verfassung vom 26. Mai 1818 etablierten Ständeversammlung entgegenzuwirken, erließ der König am 22. Juli 1819 ein Finanzgesetz, in dem er den Hofetat erstmals für eine Dauer von sechs Jahren festlegte. Es veranschlagte jährliche Kosten in Höhe von 2.745.000 Gulden. Das entsprach 8,8 Prozent der gesamten Staatsausgaben. Die Kritik an hohen Repräsentationskosten riss aber nicht ab. Ludwig I. senkte deshalb den jährlichen Bedarf des Hofes um 400.000 Gulden, wofür ihm der liberal-gesinnte Landtag 1834 die Einrichtung einer permanenten Zivilliste zubilligte. Erst König Ludwig II. hob diesen Betrag auf knapp drei Millionen Gulden an.

Hofstäbe und Hofintendanzen im langen 19. Jahrhundert

Der Hof blieb auch im gesamten 19. Jahrhundert das zentrale Instrument, mit dem Fürsten ihren Rang- und Herrschaftsanspruch nach innen und außen kommunizierten. Dabei waren folgende Parameter maßgeblich: die Hofgröße, die Besetzung der Hofämter mit adeligem Personal und die Wahrnehmung des jeweiligen Hofes durch Auswärtige.

Der Münchener Königshof umfasste im 19. Jahrhundert 1.500 bis 2.000 Personen. Der weitaus größte Teil der Beschäftigten stand im Dienst des königlichen Haupthofes, wie die Verhältnisse des Jahres 1839 illustrieren: Insgesamt beschäftigte der Hof seinerzeit rund 1.960 Personen, davon waren 1.750 am Haupthof tätig. Die übrigen knapp 200 taten ihren Dienst an einem der elf Nebenhöfe. Die Anzahl der Nebenhöfe schwankte mit derjenigen der volljährigen Prinzen und Prinzessinnen sowie deren Alter. In der Regel erhielten jene bei Erreichen des Jugendalters einen eigenen Hofstaat zugebilligt und erst mit der Heirat eine eigenständige Hofhaltung. Seiner Stellung entsprechend war der Hofstaat des Kronprinzen nach derjenigen seines Vaters personell am stärksten besetzt. Weibliche Hofstaaten umfassten häufig nicht mehr als ein Dutzend Bedienstete. Ausnahmen bildeten hier die Hofhaltungen der königlichen Witwen. Ein eindrückliches Beispiel ist die Kurfürstin-WitweMaria Leopoldine (1776-1848), deren Hofhaltung finanziell wie personell zumindest zeitweise an diejenige der regierenden Königin heranreichte. Für die auf Außenwirkung bedachten bayerischen Könige spielte die Hofgröße aber auch deshalb eine Rolle, weil sich dadurch die Bedeutung des eigenen Throns sowie dessen finanzielle Potenz demonstrieren ließ. Als sich 1814 auf demWiener Kongress andeutete, dass Bayern Souveränitätsrechte zugunsten des Deutschen Bundes einbüßen sollte, vergrößerte Max I. Joseph seinen Hof kontinuierlich von rund 1.500 auf 1.800 Personen, um so seinen Ranganspruch gegenüber den anderen Mächten zu verdeutlichen.

  • Maria Leopoldine von Österreich-Este (1776-1848). Sie war von 1795 bis 1799 Gemahlin von Kurfürst Karl Theodor (1724-1799, Kurfürst von Pfalzbayern 1777-1799), Gemälde von Joseph Hauber (1766-1834), 1797, Schloss Nymphenburg. (© Bayerische Schlösserverwaltung, Maria Scherf / Rainer Herrmann, München)
    Maria Leopoldine von Österreich-Este (1776-1848). Sie war von 1795 bis 1799 Gemahlin von Kurfürst Karl Theodor (1724-1799, Kurfürst von Pfalzbayern 1777-1799), Gemälde vonJoseph Hauber (1766-1834), 1797, Schloss Nymphenburg. (© Bayerische Schlösserverwaltung, Maria Scherf / Rainer Herrmann, München)
  • Maximilian Karl Theodor Graf von Holnstein (1835-1895) wurde 1866 zum Oberststallmeister ernannt. Er wurde für mehrere Jahre zum engsten Vertrauten von König Ludwig II. von Bayern (1845-1886). (Gemeinfrei via Wikimedia Commons)
    Maximilian Karl Theodor Graf von Holnstein (1835-1895) wurde 1866 zum Oberststallmeister ernannt. Er wurde für mehrere Jahre zum engsten Vertrauten von König Ludwig II. von Bayern (1845-1886). (Gemeinfrei viaWikimedia Commons)

Neben der Größe war entscheidend, ob und wie die leitenden Hofämter besetzt wurden. Nur ein Monarch, der alle Würden rangkonform, das heißt mit Mitgliedern des Uradels, besetzte, konnte darauf bauen, dass andere Fürsten seinen Ranganspruch anerkannten. Anders als Preußen und Österreich gelang es den bayerischen Königen allerdings auch im 19. Jahrhundert nicht, Mitglieder fürstlicher Häuser für den eigenen Hofdienst zu rekrutieren. Dennoch definierten sie bei der Besetzung der Hofchargen hohe Standards. Dabei unterschieden sie zwischen Ämtern mit eher zeremonieller Funktion (Obersthofmeister, Oberstkämmerer, Oberstzeremonienmeister) und solchen, bei denen der Versorgungsaspekt im Vordergrund stand (Obersthofmarschall, Oberststallmeister): Erstere wurden wie schon im Kurfürstentum mit Angehörigen des katholischen, bayerischen Uradels besetzt; die Amtsinhaber der zweite Gruppe entstammten zwar ebenfalls dem Uradel, jedoch handelte es sich dabei zumeist um Personen, die das besondere Vertrauen des Monarchen genossen. Dieses war nötig, denn immerhin beinhalteten die Aufgabenbereiche von Obersthofmarschall und Oberststallmeister viele täglichen Verrichtungen des Königs und dessen Familie wie deren Versorgung mit Speisen und Getränken an der Hoftafel.

Der Einfluss von Hofbeamten auf den König konnte in einigen Fällen immens sein, wie die Vorgänge im November 1870 im Vorfeld der „Reichsgründung“ zeigen: Der zunächst kritische König Ludwig II. sandte seinen OberststallmeisterMaximilian Karl Theodor Graf von Holnstein (1835-1895) zum preußischen KanzlerOtto von Bismarck (1815-1898), um mit diesem die Bedingungen für die Zustimmung zu einer Kaiserkrönung des HohenzollernkönigsWilhelm I. (1797-1888. reg. 1861-1888) auszuhandeln. Im Gegenzug für die Unterzeichnung des „Kaiserbriefes“ durch Ludwig II. handelte Graf Holnstein als führender Abgesandter seines Herrn nicht nur besonderePrivilegien für das Königreich Bayern aus (z.B.Postregal), sondern erreichte darüber hinaus die Zusage über Gelder, derer der verschuldete König dringend für die Sanierung seiner Kabinettskasse bedurfte.

Die bayerischen Könige legten großen Wert auf Außenwirkung. In Abgrenzung zu seinem unpopulären VorgängerKarl Theodor (1724-1799, reg. 1777-1799) inszenierte sich Max I. Joseph als nahbar und gegenüber den Bedürfnissen seiner Untertanen aufgeschlossen. Er schuf gezielt informelle Anlässe wie Spaziergänge durch die Münchener Innenstadt, um mit seinen Untertanen ins Gespräch zu kommen. Am Hof lockerte er das Zeremoniell, zeigte sich der Öffentlichkeit im Frack oder zu Kriegszeiten in Uniform. Entgegen älterer Forschungsmeinung zielte dies keineswegs auf eine Verbürgerlichung der Monarchie ab. Vielmehr sicherte er seine Königsherrschaft durch diese Art der öffentlichen Legitimation. Die Außenrepräsentation des „guten Vaters Max“ blieb über das 19. Jahrhundert hinweg vorbildlich. Der junge Maximilian II. Joseph setzte nach Abdankung seines Vaters im Zuge derAffäre Lola Montez bewusst auf Volksnähe. Das Königspaar zeigte sich in den Jahren 1848/49 häufig bei öffentlichen Kundgebungen und schuf so ein monarchisches Gegennarrativ zu demjenigen der Revolutionäre.

Zur Popularisierung der Monarchie trug zudem die Hinwendung einzelner Monarchen zum Brauchtum hin: Mitglieder der Königsfamilie traten in volkstümlicherTracht auf, nahmen persönlich an großen Volksfesten wie demOktoberfest teil oder ließen Bilder undFotografien von sich bei alltäglichen Tätigkeiten verbreiten. Der Hof spielte bei der „Invention of Tradition“ (Eric Hobsbawm) eine wichtige Rolle. Man denke etwa an den „Kasperlgrafen“Franz Pocci (1807-1876), der seit 1830 verschiedene leitende Hofämter bekleidete, oder die Popularisierung der Zither durch HerzogMaximilian in Bayern (1808-1888). Der Ausbau desEisenbahnnetzes schuf weitere Möglichkeiten der Herrschaftskommunikation. Prinzregent Luitpold und sein Sohn Ludwig III. nutzten den Hofzug, um auf den Bahnhöfen entlang ihrer Reiseroute mit den Menschen in Kontakt zu treten. Weitere ritualisierte Termine im Festkalender des Hofes waren: Geburts- und Namenstage der königlichen Familie, Fronleichnamsprozessionen, Neujahresempfänge, Hofbälle sowie hohe Kirchenfeste.

  • Eine Familie bewirtet Max I. Joseph und seine Töchter auf ihrem Hof oberhalb des Tegernsees. Gemälde von Lorenzo Quaglio (1793–1869), 1838. (Münchner Stadtmuseum, Sammlung Graphik / Gemälde lizenziert durch CC BY-SA 4.0)
    Eine Familie bewirtet Max I. Joseph und seine Töchter auf ihrem Hof oberhalb des Tegernsees. Gemälde vonLorenzo Quaglio (1793–1869), 1838. (Münchner Stadtmuseum, Sammlung Graphik / Gemälde lizenziert durchCC BY-SA 4.0)
  • König Max I. Joseph begegnet bei einem Spaziergang am Tegernsee einer dort ansässigen Familie. Gemälde von Joseph Petzl (1803-1871), 1826. (Münchner Stadtmuseum, Sammlung Graphik / Gemälde lizenziert durch CC BY-SA 4.0)
    König Max I. Joseph begegnet bei einem Spaziergang am Tegernsee einer dort ansässigen Familie. Gemälde vonJoseph Petzl (1803-1871), 1826. (Münchner Stadtmuseum, Sammlung Graphik / Gemälde lizenziert durchCC BY-SA 4.0)
  • Die Grafik illustiert eine Annekdote, wonach König Max I. Joseph beim Spazierengehen im Englischen Garten von einem Parkaufseher, der den Monarchen nicht erkannte, in Gewahrsam genommen wurde wegen verbotenen Streunens seiner Hunde auf den Parkwiesen. Die König soll sich mit dem Parkwächter, wie angeordnet, zur Residenzwache begeben haben und dann diesen für seine Pflichterfüllung belohnt haben. Graphik aus: Hans Reidelbach, Charakterzüge und Anekdoten als Bilder der Güte und Wohlthätigkeit aus dem Leben der bayerischen Könige Max Joseph I., Ludwig I. und Max II., München 1895, 26. (Bayerische Staatsbibliothek, 4 Bavar. 1501 cb)
    Die Grafik illustiert eine Annekdote, wonach König Max I. Joseph beim Spazierengehen im Englischen Garten von einem Parkaufseher, der den Monarchen nicht erkannte, in Gewahrsam genommen wurde wegen verbotenen Streunens seiner Hunde auf den Parkwiesen. Die König soll sich mit dem Parkwächter, wie angeordnet, zur Residenzwache begeben haben und dann diesen für seine Pflichterfüllung belohnt haben. Graphik aus: Hans Reidelbach, Charakterzüge und Anekdoten als Bilder der Güte und Wohlthätigkeit aus dem Leben der bayerischen Könige Max Joseph I., Ludwig I. und Max II., München 1895, 26. (Bayerische Staatsbibliothek, 4 Bavar. 1501 cb)
  • Herzog Maximilian in Bayern (1808-1888) war künstlerlisch sehr begabt. Wegen seiner Leidenschaft für das Zitherspielen, wurde er auch Zithermaxl genannt und trug dazu bei, dass die Zither zum bayerischen Nationalstrument wurde. (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv port-013350)
    Herzog Maximilian in Bayern (1808-1888) war künstlerlisch sehr begabt. Wegen seiner Leidenschaft für das Zitherspielen, wurde er auch Zithermaxl genannt und trug dazu bei, dass die Zither zum bayerischen Nationalstrument wurde. (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv port-013350)
  • Prinzregent Luitpold (1821-1912) war, anders als sein Vorgänger, ein passionierter Jäger und veranstaltete sowohl im Alpengebiet als auch im Spessart häufig Hofjagden. Das Foto entstand im September 1906 bei der königlichen Hofjagd in Hinterstein-Hindelang im Allgäu. (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv port-034321)
    Prinzregent Luitpold (1821-1912) war, anders als sein Vorgänger, ein passionierter Jäger und veranstaltete sowohl im Alpengebiet als auch im Spessart häufig Hofjagden. Das Foto entstand im September 1906 bei der königlichen Hofjagd in Hinterstein-Hindelang im Allgäu. (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv port-034321)
  • Festlich geschmückte Hoftafel im alten Herkulessaal (heutiger Max-Joseph-Saal) der Münchner Residenz für das Bankett zum St. Georgi-Ritter-Ordensfest am 23. April 1896. Foto: Georg Böttger (1821-1901). (Stadtarchiv München, C1896088 lizenziert durch CC BY-ND 4.0)
    Festlich geschmückte Hoftafel im alten Herkulessaal (heutiger Max-Joseph-Saal) der Münchner Residenz für das Bankett zum St. Georgi-Ritter-Ordensfest am 23. April 1896. Foto:Georg Böttger (1821-1901). (Stadtarchiv München, C1896088 lizenziert durchCC BY-ND 4.0)
  • Festzug der Sankt-Georgi-Ritter am 24.April 1911 durch die Innenhöfe der Münchner Residenz während des Ordensfestes. Hinter dem Schwertträger schreitet Prinzregent Luitpold (1821-1912) als Stellvertreter des Großmeisters. Foto von Max Stuffler (1867-1926). (Stadtarchiv München, Stu1-1475 lizenziert durch CC BY-ND 4.0)
    Festzug der Sankt-Georgi-Ritter am 24.April 1911 durch die Innenhöfe der Münchner Residenz während des Ordensfestes. Hinter dem Schwertträger schreitet Prinzregent Luitpold (1821-1912) als Stellvertreter des Großmeisters. Foto vonMax Stuffler (1867-1926). (Stadtarchiv München, Stu1-1475 lizenziert durchCC BY-ND 4.0)
  • In Bayern gehörte es zum Brauch, dass der Monarch am Gründonnertag zwölf ausgewählten Männern vor dem versammelten Hofstaat die Füße wusch. Dieser Ritus hielt sich bis 1918 und wurde traditionell im alten Herkulessaal der Residenz abgehalten. Die Grafik zeigt Prinzregent Luitpold (1821-1912) am Gründonnerstag 1891. Reproduktion nach Oscar Consée. (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv port-034320)
    In Bayern gehörte es zum Brauch, dass der Monarch am Gründonnertag zwölf ausgewählten Männern vor dem versammelten Hofstaat die Füße wusch. Dieser Ritus hielt sich bis 1918 und wurde traditionell im alten Herkulessaal der Residenz abgehalten. Die Grafik zeigt Prinzregent Luitpold (1821-1912) am Gründonnerstag 1891. Reproduktion nach Oscar Consée. (Bayerische Staatsbibliothek, Bildarchiv port-034320)
  • Hofzug der Pfälzischen Ludwigsbahn für König Maximilian II. von Bayern (1811-1864), 1864. (gemeinfrei via Wikimedia Commons)
    Hofzug der Pfälzischen Ludwigsbahn für König Maximilian II. von Bayern (1811-1864), 1864. (gemeinfrei viaWikimedia Commons)
  • Offizieller Empfang König Ludwigs III. am Bahnhof Pfarrkirchen, Juni 1914. (Haus der Bayerischen Geschichte, Augsburg)
    Offizieller Empfang König Ludwigs III. am Bahnhof Pfarrkirchen, Juni 1914. (Haus der Bayerischen Geschichte, Augsburg)

Die Hofdienerschaft

Die Hofdienerschaft war hierarchisch strukturiert. An der Spitze standen die Stabchefs, diesen folgten Hofchargen zweiter Klasse (z.B. Oberstsilberkämmerer, Oberstküchenmeister) sowie die Vorstände nachgeordneter Behörden (z.B. der Hofapotheke). In der Regel besetzten Adelige die Spitzenpositionen. Bei den Intendanten sowie den Vorständen von Hofbehörden, wo man Fachwissen und eine entsprechende Ausbildung benötigte, gab es zuweilen bürgerliche Amtsträger. In den meisten Fällen erhob der König diese jedoch nach einer bestimmten Dienstzeit in den persönlichen Adelsstand. Das probate Mittel war dabei der 1808 geschaffene Verdienstorden der Bayerischen Krone. Auf die Leitungspositionen folgten dem Rang nach absteigend: die Offizianten, dann die livrierte Dienerschaft und darunter einfaches Dienstpersonal sowie Tagelöhner.

Gemäß den Bestimmungen der Staatsdienerpragmatik vom 1. Januar 1805 hatten regulär am Hof beschäftigte Personen Anspruch auf eine Pension sowie Hinterbliebenenfürsorge. Wer sich im Dienst durch besonderen Fleiß oder vergleichbare Leistungen hervortat, der konnte auf die Auszahlung einer Gratifikation hoffen. Außerdem erstattete der Hof seinen Bediensteten Reisekosten. Eine wichtige Neuerung der Reformära war dabei die Umwandlung sämtlicher Naturalbezüge in Geldzahlungen. Mit dieser Maßnahme versuchte Max I. Joseph, Diebstähle und Unterschlagungen durch Hofbedienstete zu unterbinden. Auch beim Besuch auswärtiger Höfe erhielten einfache Hofbedienstete tendenziell eher Geld als materielle Geschenke. Letztere (z.B. Tabakdosen, Schmuck) blieben aber weiterhin unter Angehörigen des Kammerdienstes verbreitet.

Den zahlreichen Privilegien auf der einen Seite stand auf der anderen ein enormer Disziplinierungsdruck gegenüber. Angehörige des einfachen Dienstes waren in Schlafsälen untergebracht und durften den Hof nur mit Zustimmung ihrer Vorgesetzten verlassen. Essen erhielten sie von der Hofküche. Urlaub wurde ihnen nur in Ausnahmefällen genehmigt. Wenn Hofbedienstete heiraten wollten, benötigten sie dafür eine Genehmigung des Königs. Ihr Alltag war streng reguliert, was unter anderem feste Aufsteh- und Schlafzeiten beinhaltete. All diese Regeln wurden tendenziell lockerer, je höher ein Bediensteter in der Hierarchie stand.

Quellen und Forschungsstand

Die Quellenlage zu den Höfen der sechs bayerischen Monarchen des 19. Jahrhunderts sowie des Prinzregenten Luitpold ist unter anderem aufgrund von Verlusten im Zweiten Weltkrieg unterschiedlich. Umfangreiche Bestände zu den Hofstäben und Hofintendanzen sowie Nachlässe der einzelnen Monarchen lagern im Geheimen Hausarchiv der Wittelsbacher. Weitere Unterlagen finden sich in den Beständen der Abteilungen I und II desBayerischen Hauptstaatsarchivs, hier vor allem die Bestände der Hofamtsregistratur, des Hofzahlamtes, der Ministerien des Äußeren sowie der Finanzen, des Reichsheroldenamtes und der Adelsmatrikel. Weitere Quellen zum Hof finden sich in den Archiven verschiedener bayerischer Adelsfamilien, die Hofämter innehatten. Von wenigen Ausnahmen abgesehen (z.B. Grafen von Rechberg und Rothenlöwen), lagern diese Bestände heute instaatlichen Archiven (z.B. die Archive der GrafengeschlechterPreysing undTörring im Staatsarchiv München). Neben den Archivquellen gibt es auch eine Vielzahl von gedruckten Quellen. DieBayerische Staatsbibliothek hat sämtliche Ausgaben der Hof- und Staatshandbücher aus dem 19. Jahrhundert digitalisiert. Dies gilt insbesondere für die Hofrangordnungen, Kammerordnungen, vereinzelte Dienstinstruktionen sowie Dokumentationen höfischer Feste, sofern zu diesen Festprogramme, Abläufe oder Berichte vorliegen. Auch Amts- und Intelligenzblätter, Zeitungen und Gesellschaftszeitschriften wie die „Eos“ sowie die im 19. Jahrhundert gedruckten Tagebücher und Memoiren (u.a. die desRitters von Lang (1764-1835) bieten Einblicke in den höfischen Alltag.

Allgemein steckt die Forschung zu den bayerischen Höfen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts in den Anfängen. Außer der sozialhistorischen Untersuchung von Max Brunner zur Hofgesellschaft unter König Maximilian II. Joseph und dem institutionengeschichtlichen Längsschnitt von Walter Prem zur Entwicklung der Hofstäbe seit dem 16. Jahrhundert fehlen systematische Untersuchungen zum Hof. Es gibt jedoch bereits einige Spezialuntersuchungen zu einzelnen Hofbehörden (z.B. Hofbau- und Hoftheaterintendanz). Mehrere Forschungsprojekte, vor allem an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg, befassen sich gegenwärtig mit der Erforschung von Grundstrukturen und Darstellungsformen des bayerischen Königshofes im „langen“ 19. Jahrhundert.

Leiter der Hofstäbe im 19. Jahrhundert

AmtInhaberAmtszeitLebensdaten
ObersthofmeisterAnton Clemens Graf von Törring-Seefeld1804-18121725-1812
Maximilian Emanuel Graf von Rechberg und Rothenlöwen1817-18191736-1819
Maximilian Carl Graf von Thurn und Taxis1819-18251745-1825
Clemens Graf von Törring-Seefeld1825-18351758-1837
Carl Graf von Rechberg und Rothenlöwen1835-18471775-1847
Cajetan Peter Graf von und zu Sandizell1847-18631782-1863
Carl Graf von Butler-Clonebough (kommissarisch)1863-18641810-1864
Otto Freiherr von Lerchenfeld-Aham (kommisarisch)1864-18651817-1884
Gustav Graf zu Castell-Castell1865-19081829-1910
Albrecht Graf von Seinsheim1908-19141841-1915
Wilhelm Freiherr von Leonrod1914-19181865-1943
OberstkämmererMaximilian Emanuel Graf von Rechberg und Rothenlöwen1804-18171736-1819
Maximilian Carl Graf von Thurn und Taxis1817-18191745-1825
Clemens Graf von Törring-Seefeld1819-18251758-1837
Carl Graf von Rechberg und Rothenlöwen1825-18391775-1847
Cajetan Peter Graf von und zu Sandizell1839-18471782-1863
Johann Nepomuk Freiherr von Poissl1847-18621783-1865
Franz Graf von Pocci1862-18771807-1876
Max Joseph Freiherr Pergler von Perglas1877-18931817-1893
Ludwig Freiherr von Malsen1893-18951828-1895
Albrecht Graf von Seinsheim (zugleich Obersthofmarschall; ab 1908 zugleich Obersthofmeister)1895-19131841-1915
Hans Freiherr von Lassberg1913-19181854-1952
ObersthofmarschallLudwig Joseph Freiherr von Gohren1799-18191749-1819
unbesetzt1819-1825
Friedrich Ludwig Camill Marquis von Montperny18251791-1844
Anton Freiherr von Gumppenberg1825-18421787-1855
Friedrich Graf von Saporta (Hofmarschall)1842-18511794-1853
Otto Freiherr von Lerchenfeld-Aham1851-18521817-1884
Ludwig Freiherr von Zoller1852-18551817-1858
Carl Graf von Butler-Clonebough1855-18641810-1964
Ludwig Freiherr von Malsen1864-18681828-1895
Max Graf von Holnstein aus Bayern1868-18791853-1895
Max Joseph Freiherr Pergler von Perglas1879-18801817-1893
Gustav Graf zu Castell-Castell (kommissarisch)18801829-1910
Ludwig Freiherr von Malsen1880-18951828-1895
Albrecht Graf von Seinsheim (zugleich Oberstkämmerer, ab 1908 zugleich Obersthofmeister)1895-19131841-1915
OberststallmeisterKarl Ludwig Philipp Freiherr von Kesling1799-18431763-1843
Wilhelm Freiherr von Freyberg (Viceoberstallmeister)1843-18561793-1860
Otto Freiherr von Lerchenfeld-Aham (Viceoberstallmeister, ab 1864 Oberststallmeister)1856-18651817-1884
Gustav Graf zu Castell1865-18671829-1910
Max Graf von Holnstein aus Bayern1867-18941853-1895
Karl Freiherr von Wolfskeel1894-19131847-1919
Wilhelm Freiherr von Leonrod1913-19181865-1943
Oberstzeremonienmeister

(ab 1837 dem Oberstkämmererstab unterstellt)

Clemens Graf von Törring-Seefeld1806-18191758-1837
Carl Graf von Rechberg und Rothenlöwen1819-18251775-1847
Cajetan Peter Graf von und zu Sandizell1825-18371782-1863
Johann Nepomuk Graf von Joner-Tettenweis (Erster Zeremonienmeister)1837-18471783-1856
Eduard Graf von Yrsch1847-18631797-1862
Franz Graf von Pocci1863-18641807-1876
Carl Graf von Moy1864-18791827-1894
Max Joseph Freiherr Pergler von Perglas1880-18931817-1893
Ludwig Freiherr von Malsen (kommissarisch; zugleich Oberstkämmerer)1893-18951828-1895
Maximilian Graf von Moy (Zeremonienmeister)1895-19181862-1933
Hofjagd-IntendantSigismund Graf von Preysing-Lichtenegg1804-18101729-1810
unbesetzt1810-1814
Johann Bar (seit 1822 Ritter von; Hofjagdinspektor; ab 1819 Hofjägermeister)1814-18361753-1836
Alois von Coulon (Hofjägermeister)1836-18441780-1855
Max Kaltenborn (Hofjagdinspektor; ab 1858 Intendanzvorstand)1844-18641800-1864
Joseph Federl (Intendanzvorstand)1865-18711804-1871
Max Graf von Holnstein aus Bayern1873-18941853-1895
Karl Freiherr von Wolfskeel1894-19131847-1919
Intendanz dem Oberstkämmerer unterstelltab 1913
Hoftheater-IntendantJoseph Marius von Babo (bis 1804 Kommissar; ab 1804 Intendant)1799-18101756-1822
Karl August Delamotte1811-18211768-1841
Clemens Freiherr von Weichs1821-18241793-1838
Johann Nepomuk Freiherr von Poissl1824-18331783-1865
Karl Theodor Küstner1833-18421784-1864
Eduard Graf von Yrsch1842-18441797-1862
August Freiherr von Frays1844-18471790-1863
Johann Nepomuk Freiherr von Poissl (kommissarisch)1847-18481783-1865
August Freiherr von Frays1848-18511790-1863
Franz Dingelstedt1851-18571814-1881
August Freiherr von Frays1857-18601790-1863
Wilhelm Schmitt (geschäftsführend; seit 1862 Intendanzrat)1860-18681816-1871
Karl Freiherr von Perfall1869-18931824-1907
Ernst Possart1893-19071841-1921
Albert Freiherr von Speidel1907-19121858-1912
Hofmusik-IntendantClemens Graf von Törring-Seefeld1799-18191758-1837
Sigismund Freiherr von Rumling1819-18251747-1825
Johann Nepomuk Freiherr von Poissl1825-18471783-1865
Franz Graf von Pocci1847-18641807-1876
Karl Freiherr von Perfall1864-19071824-1907
Albert Freiherr von Speidel1907-19121858-1912
Klemens Freiherr von und zu Franckenstein1913-19181875-1942
Hofgarten-IntendantFriedrich Ludwig Sckell1804-18241750-1823
unbesetzt1824-1839
Karl Sckell1839-18401793-1840
Ludwig Carl Seitz (Hofgarteninspektor, ab 1843 Intendant)1840-18521792-1866
unbesetzt1852-1853
Ludwig Freiherr von Zoller1853-18551817-1858
als Hofgärtnerei dem Obersthofmarschallstab unterstelltab 1855
Hofbau-IntendantJohann Andreas Gärtner1804-18191744-1826
Leo von Klenze1819-18641784-1864
Eduard Riedl1864-18671813-1885
als Bauabteilung dem Obersthofmeisterstab unterstelltab 1867

Literatur

Quellen

  • Hans-Michael Körner/Ingrid Körner (Hg.), Aus den Lebenserinnerungen von Leopold Prinz von Bayern (1846-1930), Regensburg 1983.
  • Anton Chroust (Hg.), Gesandtschaftsberichte aus München 1814–1848.
    • Abteilung I: Die Berichte der französischen Gesandten, 6 Bänd (Schriftenreihe zur bayerischen Landesgeschichte 18–19 und 21–24), München 1935–1937.
    • Abteilung II: Die Berichte der österreichischen Gesandten, 4 Bände (Schriftenreihe zur bayerischen Landesgeschichte 33, 36–38), München 1939–1942.
    • Abteilung III: Die Berichte der preußischen Gesandten, 5 Bände (Schriftenreihe zur bayerischen Landesgeschichte 39–43), München 1949–1951.
  • Hubert Glaser/Franziska Dunkel/Hannelore Putz (Hg.), König Ludwig I. von Bayern und Leo von Klenze, der Briefwechsel, 3 Bände in 9 Teilbänden (Quellen zur neueren Geschichte Bayerns 5), München 2004-2011.
  • Luise von Kobell, Unter den vier ersten Königen Bayerns, nach Briefen und Erinnerungen, 2 Bände, München 1894. (Band 1) (Band 2)
  • Karl Heinrich Ritter von Lang, Memoiren des Karl Heinrich Ritters von Lang, Skizzen aus meinem Leben, Wirken, meinen Reisen und meiner Zeit, zwei Teile, Braunschweig 1842. (Band 1) (Band 2)
  • Eugen Stollreither (Hg.), Ein deutscher Maler und Hofmann, Lebenserinnerungen des Johann Christian von Mannlich, Berlin 1913.

Weiterführende Recherche

Externe Links

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Empfohlene Zitierweise

Maximilian Vissers, Hof und Hofstaat (19. Jahrhundert), publiziert am 24.09.2024; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Hof_und_Hofstaat_(19._Jahrhundert)>(26.11.2025)