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Die Schweiz und der Handel mit Raubkunst im Zusammenhangmit dem Zweiten Weltkrieg

Prof. Georg Kreis, Universität Basel

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Zusammenfassung:

Mit Hitlers Machtübernahme suchten zahleiche Künstler undKunstsammler Zuflucht in der Schweiz. Das kleine Land bot denVorteil der Neutralität sowie seiner guten internationalenBeziehungen. Als Nachbarstaat zu Frankreich, zum Dritten Reich,aber auch zum faschistischen Italien spielte die Schweiz fürGeschäfte und Transaktionen im Bereich der Kunst eine wichtigeRolle. Dies, zeigtesich in zwei grundsätzlichverschieden Varianten: die Schweiz wurde einerseits zu einemsicheren, zeitlichbefristetenoder dauerhaften,Aufbewahrungsort für gefährdete Kunstwerke anderseits zu einemUmschlagplatz kleinerer und grösserer Verkäufe vonKunstgegenständen.

I. Die Ausgangslage

Die Schweiz spielte als Nachbarstaat zum Dritten Reich, aberauch zum faschistischen Italien wegen ihrer Unabhängigkeit undihrer guten internationalen Verbindungen für Bewegungen undTransaktionen auch im Bereich der Kunst eine wichtige Rolle.Stephanie Barron (LA County Museum of Art) schieb 1991 unterBerufung auf Helmut F. Pfanner ('The Role of Switzerland for theRefugees' in "The Muses Flee Hitler" ed. by Jarrel C.Jackman and Carla M. Borden, Washington 1983, S. 243):"After Hitler's rise to power neutral Switzerland became ahaven, albeit temporarly, for German artists (and collectors, whoemigrated to keep their collections intact), writers, musicians,actors, theatrical directors, and other political refugees. Manysettled in Swiss cities, hoping to persue their careers withrelatively little disruption. Some stayed only long enough tomake arrangements to emigrate elsewhere in Europe or to Palestineor the United States. Some remained permanently, others returnedto Germany after the war." (vgl. unten, S. 137)

Diese wichtige Rolle konkretisierte sich bezüglichKunstobjekten in zwei grundsätzlich verschiedenen Varianten: a)Die Schweiz wurde zum temporären oder dauerhaftenAufbewahrungsort von gefährdeter Kunst. b) Die Schweiz wurde zumUmschlagplatz kleinerer und grösserer Verkäufe.

II. Die Schweiz als Aufbewahrungsort

1. Der bekannteste Fall, in dem diese Funktion spielte, wardie temporäre Aufbewahrung der von den Wirrnissen des SpanischenBürgerkrieges bedrohten Prado-Sammlung. Sie wurde vor ihrerRückführung im Juni/August 1939 in Genf gezeigt.

2. Daneben gibt es mehrere Fälle von nicht öffentlichbekannten und dem Diskretionsschutz unterstehenden Deposita anprivaten Orten und in Oeffentlichen Sammlungen, wo einzelnePrivatobjekte oder grössere Kollektionen zumeist ohneMagazinierungskosten während des Krieges aufbewahrt worden sind.

3. Die Sammlungen, die mit ihren Besitzern in die Schweizgekommen sind, bilden eine weitere Variante. Der prominentesteFall ist derjenige von Robert von Hirsch (1883 - 1977), der seineerstklassige Sammlung 1933 von Frankfurt nach Basel transferierteund das Recht der Ausfuhr mit einem Geschenk an Hermann Göring(Cranachs "Urteil des Paris") erkaufte. Vgl. J.G.W(ille) in Masterpieces from the Robert von Hirsch, Sale atSotheby's. London 1978, S.5. Einen anderen Fall bildetebeispielsweise das Schicksal des niederländischen KunsthändlersNathan Katz, der über schweizerische Vermittlung 1941 in dieSchweiz fliehen konnte. Vgl. A. Venema, Kunsthandel in Nederland,1940 - 1945, S. 254ff.

4. Eine Abklärung der Frage, ob es"nachrichtenlose" Deposita von Kunstobjekten gibt,müsste Firmen einbeziehen, die auf Lagerhaltungen spezialisiertsind. Da solche Aufbewahrungen raumintensiv sind und viele Firmenin den vergangenen 50 Jahren einen Umbau oder Umzug erfahrenhaben, ist die Wahrscheinlichkeit, hier erblose Objekte zufinden, gering. Kunstobjekte dürften auch eher privatenBekannten anvertraut oder gleich verkauft worden sein.

III. Die Schweiz als Umschlageplatz

1. Die Luzerner Galerie Fischer bot am 30. Juni 1939 125Gemälde und Plastiken "moderner Meister aus deutschenMuseen" an. Zu diesem Verkaufsangebot war es gekommen,nachdem die als "entartet" eingestufte Kunst 1936/37 indeutschen Museen beschlagnahmt und in einer Hauptausstellung inMünchen und in mehreren Wanderausstellungen gewissermassen zurAbschreckung dem eigenen Volk gezeigt worden war. Mit dem Verkaufins Ausland wollte man nach dem propagandistischen auch nocheinen finanziellen Ertrag erzielen. Die beste Dokumentationdieses Verkaufs bietet Stephanie Barron, die 1990 Zugang zumFischer-Archiv hatte, mit dem Aufsatz "The Galerie FischerAuction" in "Degenerate Art. The Fate of theAvant-Garde in Nazi Germany". Los Angeles 1991. S. 135 -169. Eine etwas weniger umfassende Darstellung gibt G. Kreis(vgl. unten).

2. Mit Barrons Dokumentation kann man die Herkunft allerversteigerten Objekte feststellen und insbesondere prüfen, obausser dem beschlagnahmten Gut aus offiziellem Besitz (Museen)und offiziösem Besitz (Kunsthallen) auch Raubgut ausPrivatbesitz angeboten wurde. Die Auktion war in der Zeit ausverschiedenen Gründen, die hier aus Platzgründen nichtaufgeführt werden können, umstritten. Für die Tätigung vonAnkäufen gab es aber sehr gute und ehrenwerte Gründe. Barronübt in ihrer Darstellung von 1991 mit keinem Wort Kritik an denKäufen von 1939. Die meisten Verkäufe gingen an Private unddavon zum grössten Teil nach den Vereinigten Staaten. Nur einkleiner Teil ging an Oeffentliche Kunstsammlungen, insbesonderean das Musée des Beaux-Arts von Liège und an das Kunstmuseum inBasel. Ein Motiv neben anderen war, diese europäischenKunstwerke Europa und der Oeffentlichkeit zu erhalten, statt sienach Amerika und da vor allem in den Privatbesitz verschwinden zulassen.

3. Zu den Ankäufen der Oeffenlichen Kunstsammlung vonBasel-Stadt gibt es eine Monographie, die der Vf. dieserDokumentation unter dem Titel "'Entartete' Kunst für Basel.Die Herausforderung von 1939" (Basel 1990) publiziert hat.Das Besondere dieser Ankäufe besteht darin, dass dasbaselstädtische Kantonsparlament im Hinblick auf die LuzernerAuktion einen speziellen Ankaufskredit bewilligt hat. Zum Aergerdes Auktionators kaufte der Museumsdirektor Georg Schmidt zumTeil auch aus Beständen, die nicht nach Luzern kamen und inBerlin geblieben waren. Ein wichtiger Teil der in Deutschlandkonfiszierten Gemälde wurde von offiziellen Zwischenhändlerndirekt und wiederum zu einem grossen Teil nach den VereinigtenStaaten verkauft. Für die Basler Kunstsammlung steht fest, dasskeines der 21 angekauften Objekte aus Privatbesitz stammte.

4. Inwiefern die Schweiz zur Zeit des Dritten ReichesDrehscheibe des Kunsthandels war und/oder inwiefern Schweizer andiesem Handel beteiligt waren, kann man an dem Buch von Lynn H.Nicholas, einer vormaligen Mitarbeiterin der National Gallery ofArt in Washington entnehmen. Es ist 1994 unter dem Titel"The Rape of Europa" bei Knopf New York in derenglischen Originalfassung und 1995 bei Kindler München inDeutscher Uebersetzung erschienen. Die zur Zeit wohl besteKennerin der Materie macht mit ihrer Gesamtdarstellung eineEinordnung der schweizerischen Vorgänge in das gesamteProblemfeld möglich und legt eine erhebliche Relativierung vonderen Bedeutung nahe. Alles in allem spielte die Schweiz nachdieser Darstellung doch eine ziemlich untergeordnete Rolle.Abgesehen von einer gewissen Kritik bezüglich dem Verhalten inder zweiten Hälfte des Dezember 1945 (vgl. unter Punkt 5) findetsich kein Vorwurf, die Schweiz habe sich fragwürdig verhalten.Erwin Leisers Aeusserungen zum Thema (zuletzt noch am 2. August1996 im Tages-Anzeiger) weisen indirekt in die gleiche Richtung(vgl. auch E. Leiser im Heft du 11/1987 über "HitlersKunstraub für Linz").

5. Dem spektakulärsten "schweizerischen" Fallwidmet Lynn H. Nicholas immerhin einige Seiten (S. 544-551). Erbetrifft Raubgut aus der Pariser Sammlung von Paul Rosenberg, dasvom Luzerner Galeristen Theodor Fischer übernommen und zum Teilan Emil Georg Bührle (1890 - 1956) verkauft worden war. DieseGeschichte ist längstens bekannt und hat auch schweizerischeGerichte beschäftigt. Eine wichtige zeitgenössische Quelle sindzwei Berichte des britischen Kulturgüterschutz-Beamten DouglasCooper von MFAA (Monuments, Fine Arts and Archives) vom 21.Januar 1945 "Report on Visit to Switzerland" (NationalArchives Washington und Getty Center LA). Fischer hatte überGoerings Kunstberater Andreas Hofer und über den KunsthändlerHans Wendland ausgezeichnete Kontakte zum Dritten Reich. BeiKriegsende forderte der Bundesrat dazu auf, allfällige Raubkunstabzugeben (Sammelstelle war das Kunstmuseum Bern). Mit einemBundesratsbeschluss vom 10. Dezember 1945 (AS 1945 AS, S. 1052 -56) stellte er "gutgläubigen Erwerbern"Entschädigungen aus der Bundeskasse in Aussicht, sofern die"bösgläubigen Veräusserer" nicht belangt werdenkönnen. Etwa zur gleichen Zeit muss das EDI (es ist von einemDr. Vodoz die Rede) gegenüber den Vertretern der Alliierten dieBildung einer Untersuchungskommission zu Fragen der Raubkunst inAussicht gestellt haben. Das Versprechen sei aber nie eingelöstworden. Diesbezüglich nimmt, wie unter Punkt 4 angedeutet, LynnH. Nicholas eine kritische Beurteilung vor. Rosenberg mussteunter schwierigen Umständen klagen, erhielt aber am 3. Juni 1948vom Bundesarchiv Recht; die Bilder mussten herausgegeben werden.Im Juli 1951 führte Bührle einen Regressionsprozess gegenFischer und die Eidgenossenschaft. Das Bundesgericht entschied am25. Juli 1952 in einer Raubgutklage Fischers gegen dieEidgenossenschaft. Ein anschliessender Rechtshändel um FischersForderung, an einer von Deutschland der Schweiz bezahltenEntschädigung zu partizipieren, wurde am 2. September 1958entschieden. Wichtige Aspekte dieses Falles sind vom Historikerund Fernsehpublizisten Thomas Buomberger 1993 in einemFernsehfilm aufgegriffen und im Tages-Anzeiger vom 16. Oktober1996 eingehend dargelegt worden. - Als Hortense Anda-Bührle zum100. Geburtstag ihres Vaters die Sammlung der Bührle-Stiftung(nach Washington, Montreal und einer japanischen Stadt) auch derRoyal Academy of Arts in London vom 1.2. bis 9.4.1991 ausstellenliess, führte die Herkunft gewisser Bilder erneut zuDiskussionen.

6. Nicholas legt im genannten Werk in eindrücklicher Weisedar, dass und wie die Kriegswirren und die damit verbundeneInfragestellung der zivilrechtlichen Ordnung dem Kunsthandelinsbesondere in den Niederlanden und in Frankreich enormenAuftrieb gab und dieser Handel, auch wenn er zu einem grossenTeil von individuelle Notlagen lebte, erstens für diese Notnicht primär verantwortlich war und zweitens diese auch nichtper se verschärfte, sondern unter Umständen insofern auchlinderte, als er den Verfolgten mitunter die Möglichkeit gab,sich Mittel zum physischen Ueberleben zu verschaffen. Auch in derSchweiz und über die Schweiz sind wohl zahlreicheEinzelverkäufe und -käufe dieser Art abgewickelt worden, dienur beurteilt werden können, wenn man jeweils die konkretenUmstände kennt.



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