Zwillingsformel
Das Kennzeichen vonZwillingsformeln (auchPaarformeln oderBinomiale genannt) ist ein formelhaftes, gemeinsames Auftreten zweier durch „und“ (oder andereKonnektoren) verbundener Wörter in der Form „A und B“. Der Terminus „Zwillingsformel“ ist vor allem in derVolkskunde geläufig, während in derHistoriographie der Rechtssprache der Terminus „Paarformel“ dominiert.[1]
Linguistische und rhetorische Aspekte
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Zwillingsformeln sind Ausdrücke, die stets oder überwiegend alsPhraseologismen auftreten. Bei der Bildung von Zwillingsformeln werden vielfach rhetorische Stilfiguren wieOxymoron oderPleonasmus verwendet. Entsprechend können die Wortbestandteilesemantisch in unterschiedlicher Beziehung zueinander stehen undAntonyme (z. B.auf und ab, gut und böse, heiß und kalt, Katz und Maus, Tag und Nacht),Synonyme (z. B.angst und bange, Art und Weise, Weh und Ach) oder identisch (z. B.Hand in Hand, nach und nach, Schritt für Schritt, Seite an Seite, Zug um Zug) sein. Auch bloß assoziative Verbindungen ähnlicher Begriffe zu mehr oder weniger irreversiblen Phrasen (z. B.Pech und Schwefel, Raum und Zeit, Wald und Wiese) sind häufig.
Je nachdem, ob die beiden Wortbestandteile erst zusammen die eigentliche Bedeutung des Ausdrucks ergeben (beispielsweiseHab und Gut für „Besitz“) oder auch schon je für sich allein genommen die gleiche Bedeutung wie der gesamte Ausdruck besitzen, der als Ganzes nur eine rhetorische Verstärkungsfunktion erfüllt (beispielsweiseArt und Weise), spricht man von einemHendiadyoin bzw. einerTautologie. Viele Zwillingsformeln enthalten poetische Stilelemente wiestabreimartigeAlliterationen (z. B.drunter und drüber, frank und frei, gang und gäbe, klipp und klar, verraten und verkauft),Assonanzen (z. B.Geben und Nehmen, Rang und Namen) oderReimelemente (z. B.Lug und Trug, Saus und Braus, schlank und rank), die sie für den Sprachverwender (undlinguistischen Laien) unmittelbar als festgefügte Formel („Redensart“) erkennbar werden lassen und dasMemorieren erleichtern.
In derRechtssprache fassen Paarformeln oft zwei eng verwandte, aber doch zumindest historisch oder formal zu unterscheidende Begriffe zu einemTopos zusammen (z. B.Bausch und Bogen, Form und Frist, Grund und Boden, Handel und Wandel, Haus und Hof,Jahr und Tag,Kind und Kegel, Leib und Leben,Maß und Gewicht, Mord und Totschlag, Stand und Klasse,Treu und Glauben, übergeben und überantworten, Wissen und Gewissen).
Gertraud Fenk-Oczlon formulierte 1989 mehrere Prinzipien, die für die innere Struktur von Binomialen prägend sind, und führte sie auf die Ökonomie des konstanten Informationsflusses zurück. Dieses Grundprinzip sei unter anderem dafür verantwortlich, dass in Binomialen in aller Regel das häufigere Element vor dem selteneren steht („high frequency before low frequency“).[2]
Drillings- und Vierlingsformeln
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]In ähnlicher Weise, aber seltener, werden in der deutschen Sprache auch Drillings- (z. B.heimlich, still und leise oderWein, Weib und Gesang) und vereinzelt auch Vierlingsformeln (z. B.frisch, fromm, fröhlich und frei) gebildet. Die Häufigkeit solcher Sprachfiguren hängt stark von den rhythmischen und strukturellen Eigenheiten der jeweiligenSprache ab. So bilden zum Beispiel imChinesischen phraseologische Vierlingsbildungen eine sehr starke Gruppe.[3]
Literatur
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Harald Burger, unter Mitarbeit von Harald Jaschke:Idiomatik des Deutschen. Niemeyer, Tübingen 1973,ISBN 3-484-25018-6, KapitelPaarformeln, Seite 42–48.
- John M. Jeep:Paarformeln. In:Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage. Band IV, 2020, Sp. 289–294.
- Wolfgang Fleischer:Phraseologie der deutschen Gegenwartssprache. 2., durchgesehene und ergänzte Auflage. Niemeyer, Tübingen 1997,ISBN 3-484-73032-3, KapitelPhraseologische Wortpaare, Seite 106–109.
- Hans-Georg Müller:Adleraug und Luchsenohr. Deutsche Zwillingsformeln und ihr Gebrauch. Peter Lang, Frankfurt am Main 2009,ISBN 978-3-631-59764-4 (doi:10.3726/978-3-653-02105-9) (Analyse und Wörterbuch mit ca. 2000 Beispielen).
Weblinks
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Wernfried Hofmeister:Zwillingsformeln in der deutschen Gegenwartssprache. (Memento vom 18. Juli 2014 imInternet Archive) (PDF; 68 kB) Liste, Stand 25. Juni 2010.
- weitere Beispiele