DIN EN ISO 7010 W003:Warnung vor radioaktiven Stoffen oder ionisierenden Strahlen (auch auf abschirmenden Behältern)
Radioaktivität (von französischradioactivité, zulateinischradiare „strahlen“ undactivus „tätig“, „wirksam“, zusammengesetzt also „Strahlungstätigkeit“) ist die Eigenschaft instabilerAtomkerne, spontanionisierende Strahlung auszusenden. Der Atomkern wandelt sich dabei unter Aussendung von Teilchen in einen anderen Kern (Tochterkern) um oder ändert unter Energieabgabe seinenZustand. Die durch den Prozess ausgestrahlte ionisierende Strahlung wird umgangssprachlich auch „radioaktive Strahlung“ genannt.
Die BezeichnungRadioaktivität wurde 1898 erstmals vom EhepaarMarie Curie undPierre Curie für das zwei Jahre vorher vonAntoine Henri Becquerel entdeckte Phänomen geprägt.[1][2]Man nennt den Umwandlungsprozess auchradioaktiver Zerfall oderKernzerfall.Atomsorten mit instabilen Kernen nennt manRadionuklide.
Die beim Umwandlungsprozess frei werdende Energie wird als Bewegungsenergie ausgesandter Teilchen (meistAlpha- oderBeta-Teilchen) oder als Strahlungsenergie vonGammastrahlung abgegeben. Art und Energiespektrum der Strahlung sind für das jeweilige Radionuklid typisch. Diese Strahlungsarten sind für den Menschen – ebenso wieHöhen- undRöntgenstrahlung – nicht direkt wahrnehmbar und können je nach den Umständen schädlich (sieheStrahlenschaden,Strahlenwirkung) oder nützlich (siehe z. B.Strahlensterilisation,Radionuklidtherapie,Brachytherapie) sein.
Nach einer für jedes radioaktiveNuklid charakteristischen Zeit, derHalbwertszeit, hat sich dessen Menge halbiert, somit auch seineAktivität. Halbwertszeiten können im Bereich von Sekundenbruchteilen bis zuQuadrillionen Jahren liegen.
Der Begriff „Radioaktiver Zerfall“ bezieht sich ursprünglich auf die an einem Radionuklid beobachtete Abnahme seiner Strahlungsintensität mit der Zeit (sofern das Radionuklid nicht durch andere Prozesse ständig neu erzeugt wird). Er wird auch für die Abnahme der Menge des Radionuklids benutzt.
Fachsprachlich wird darüber hinaus auch die spontane Umwandlung des einzelnen Atomkerns – und manchmal überhaupt jede spontane Zustandsänderung eines quantenmechanisch beschriebenen Systems – als Zerfall bezeichnet, z. B. „Gammazerfall“ schon für die Emission eines einzigen Gammaquants. Im Wortsinn handelt es sich dabei weniger um einen Zerfall als um eine Umwandlungdes Atomkerns bzw. des Systems.
Radioaktive Substanzen und Strahlung
In der Alltagssprache und in öffentlichen Diskussionen werden radioaktive Substanzen und ihre Strahlung oft nicht unterschieden. So wird vonradioaktiver Strahlung gesprochen.[3][4] Diese Wortkombination ist genau genommen falsch, denn nicht die Strahlung selbst ist radioaktiv, sondern die Substanzen (Strahler), aus denen sie austritt; gemeint istionisierende Strahlung radioaktiver Substanzen. Früher war hierfür der BegriffBecquerelstrahlen (engl.:Becquerel rays) gebräuchlich.[5]
1896 entdeckteAntoine Henri Becquerel beim Versuch, die gerade gefundeneRöntgenstrahlung alsFluoreszenzerscheinung zu erklären, dassUransalze auch ohne vorherige Belichtungfotografische Platten schwärzen. Dies schloss Fluoreszenz als Ursache aus. Wie er später feststellte, konnte diese neue Strahlung lichtundurchlässige Stoffe durchdringen und Luft ionisieren, ohne dabei von Temperaturänderungen oder chemischen Behandlungen der Probe beeinflusst zu werden. 1898 entdecktenMarie undPierre Curie die Radioaktivität vonThoriumoxid und isolierten zwei bis dahin unbekannte weitaus stärker strahlende Substanzen, die sieRadium undPolonium tauften.
1898 gelang esErnest Rutherford durch Untersuchung des Durchdringungsvermögens zwei Strahlungskomponenten zu unterscheiden, die er alsα-(Alpha)- undβ-(Beta)-Strahlung bezeichnete.[8] 1899 konntenStefan Meyer undEgon Schweidler sowieFriedrich Giesel zeigen, dass diese inmagnetischen Feldern in entgegengesetzte Richtungen abgelenkt werden. 1900 entdecktePaul Villard eine dritte Komponente, die sich nicht durch Magnetfelder ablenken ließ und die besonders durchdringend war. Für diese dritte Strahlungsart prägte Rutherford 1903 die Bezeichnungγ-(Gamma)-Strahlung.[9] Bis 1909 hatte sich erwiesen, dass Alphastrahlung ausHeliumkernen und Betastrahlung ausElektronen besteht. Die Vermutung, dass es sich bei Gammastrahlung umelektromagnetische Strahlung handelt, konnte erst 1914 von Rutherford undEdward Andrade bestätigt werden.
Bereits 1903 – sechs Jahre vor dem Nachweis vonAtomkernen – entwickelten Rutherford undFrederick Soddy eine Hypothese, nach der Radioaktivität mit der Umwandlung vonElementen (Transmutation) verbunden ist. Davon ausgehend formulierten 1913Kasimir Fajans und Frederick Soddy dieradioaktiven Verschiebungssätze. Diese beschreiben die Änderung vonMassen- undOrdnungszahl bei Alpha- und Betazerfall, womit die natürlichenZerfallsreihen als eine schrittweise Abfolge dieser Zerfallsprozesse erklärt werden konnten.
1933 gelang esIrène undFrédéric Joliot-Curie erstmals, neue radioaktive Elemente zu erzeugen. Durch den Beschuss von Proben mit α-Teilchen konnten sieNuklide herstellen, die aufgrund ihrer kurzenHalbwertszeiten in der Natur nicht vorkommen. 1934 entdeckten sie bei ihren Versuchen eine neue Art des Betazerfalls, bei derPositronen anstelle von Elektronen abgestrahlt wurden. Seither unterscheidet man zwischen β+- und β−-Strahlung.
1980 sagtenAureliu Săndulescu,Dorin N. Poenaru undWalter Greiner aufgrund theoretischer Überlegungen eine neue Art der Radioaktivität voraus, bei der Kerne emittiert werden, die schwerer als α-Teilchen sind.[10] Der erste experimentelle Nachweis eines solchenClusterzerfalls gelang H. J. Rose und George Arnold Jones 1983 an derUniversity of Oxford.[11] Sie beobachteten, dass223Ra, normalerweise ein α-Strahler, sehr selten unter Aussendung eines14C-Kerns zu209Pb zerfällt.
Physikalische Grundlagen
Nuklidkarte der radioaktiven Zerfallsart. Schwarz gezeichneteNuklide sind stabil, farbige sind instabil. Die diagonale Linie zeigt Nuklide gleicher Protonen- und Neutronenzahl. Man erkennt, dass Nuklide mit mehr als etwa 20 Protonen nur mit einemNeutronenüberschuss stabil sind. Das schwerste stabile Nuklid ist Blei-208 mit 82 Protonen und 126 Neutronen.
Stabilität
In der Natur kommen nach derzeitigem Kenntnisstand 255 stabile[12]Nuklide sowie etwa 100 instabile Nuklide[13] vor. Insgesamt sind etwa 3000 radioaktive Nuklide (Radionuklide) bekannt.[14] Die weitaus meisten aller bekannten Nuklide sind also als radioaktiv nachgewiesen.
Ist Radioaktivität bei einem Nuklid nicht beobachtet worden, gibt es zwei Möglichkeiten:
das Nuklid ist im absoluten Sinn stabil, d. h., es gibt nach dem Wissensstand der Physik keinen energieärmeren Zustand, in den es übergehen (zerfallen) könnte;
das Nuklid könnte zwar theoretisch zerfallen, aber es wurde bisher kein Zerfallsereignis oder eindeutiges Zerfallsprodukt sicher nachgewiesen (observationally stable nuclide).
Ein Beispiel der ersten Art ist Helium-4. Ein Beispiel der zweiten Art ist Blei-208, das schwerste Nuklid ohne nachgewiesenen Zerfall. Sein Alphazerfall208Pb →204Hg + α würde etwa 0,5 MeV Energie freisetzen. Abschätzungen derHalbwertszeit nach verschiedenen Varianten derGeiger-Nuttall-Regel ergeben mehr als 10100 Jahre, also mindestens das 1090-fache des Alters des Universums. Daher wird dieser Zerfall voraussichtlich nie beobachtet werden. Es gibt noch weitere Nuklide mit möglichem, aber nicht beobachtetem Zerfall. Die Gesamtzahl stabiler Nuklide steht daher heute (2020) noch nicht fest.
Alle Elemente bis zum Blei, außerTechnetium undPromethium, haben ein oder mehrere stabile Isotope; die Anzahl stabiler Isotope geht bis zu zehn (Zinn). Alle Elemente schwerer als Blei sind instabil (radioaktiv).
Einfluss von Kernmasse und Neutronen-Protonen-Verhältnis
Nur zwei sehr leichte Nuklide, der normale Wasserstoff1H und das seltene Helium-Isotop3He, sind mit weniger Neutronen als Protonen stabil. Alle anderen Nuklide „benötigen“ zur Stabilität mindestens ebenso viele (6Li,10B,12C,14N,16O,20Ne,24Mg,28Si,32S,36Ar und40Ca), meist aber sogar mehr Neutronen als Protonen. Das durchschnittliche Verhältnis von Neutronenzahl zu Protonenzahl wächst mit zunehmender Ordnungszahl von 1:1 für sehr leichte Nuklide zu 1,54:1 für die schwersten stabilen Nuklide (siehe auchNeutronenüberschuss). Alle Nuklide mit zu vielen oder zu wenigen Neutronen sind instabil und damit radioaktiv. Kerne mit mehr als 208 Teilchen sind immer instabil.
Die stabilsten Nuklide – also die mit der höchstenBindungsenergie pro Nukleon – sind62Ni,58Fe und56Fe. Unmittelbare Nachbarn wie z. B.63Ni oder60Co sind aber schon radioaktiv. Neben einem ausgewogenen Verhältnis von Neutronen zu Protonen ist es entscheidend, ob die Anzahl der Neutronen und Protonen jeweils gerade (tendenziell stabiler) oder ungerade (tendenziell instabiler) ist. Die Bindungsenergie kann mit derBethe-Weizsäcker-Formel näherungsweise berechnet werden.
Für nicht stabile Nuklide kann man abschätzen, auf welche Art (weiter unten beschriebenen) sie zerfallen:
zu viele Neutronen: Beta-Minus-Zerfall; bei großem Überschuss auch direkte Neutronenemission
zu viele Protonen: Beta-Plus-Zerfall oderElektroneneinfang; bei großem Überschuss auch direkte Protonenemission
zu schwer: Alphazerfall; selten auchClusterzerfall oder Spontanspaltung (Fission)
Ein Gamma-Zerfall tritt in der Regel als Folgeprozess nach einem vorangegangenen Zerfall anderer Art auf.
Allgemein ist dieHalbwertszeit umso kürzer, je weiter das Nuklid von der Stabilität (schwarze Felder der Nuklidkarte) entfernt ist.
Zeitliche Abnahme durch Zerfall
Radioaktiver Zerfall ist keindeterministischer Prozess. Der Zerfallszeitpunkt jedes einzelnen Atomkerns istzufällig.[15] Allerdings gibt es für jedes Radionuklid eine bestimmteZerfallswahrscheinlichkeit (Anzahl pro Zeitspanne); bei makroskopischen Stoffmengen führt dies dazu, dass die Menge des Nuklidsexponentiell abnimmt, wie es dasZerfallsgesetz beschreibt. Die Zerfallswahrscheinlichkeit kann durch dieHalbwertszeit angegeben werden, d. h. den Zeitraum, nach dem die Hälfte der Atomkerne einer Anfangsmenge zerfallen ist. Radioaktive Halbwertszeiten liegen im Bereich von winzigen Sekundenbruchteilen bis hin zu Quadrillionen Jahren. Je kürzer die Halbwertszeit, desto größer ist bei gegebener Substanzmenge dieAktivität dieses Nuklids.
Die Gesamtaktivität einer Ursprungsmenge kann um ein Vielfaches ansteigen, wenn beim Zerfall kein stabiles oder langlebiges Nuklid entsteht. Die Substanz reichert sich mit Radionukliden der Zerfallsreihe an, die jeweils die gleiche Aktivität wie der ursprüngliche Prozess haben. Dabei stellt sich einsäkulares Gleichgewicht ein. Dies erfolgt bei z. B.137Cs nach wenigen Minuten, bei232Th dauert es etliche Jahre.
Zusammenhang zwischen Halbwertszeit und spezifischer Aktivität
DieAktivitätA einer Substanzmenge ist derErwartungswert der Zahl der ZerfälleN pro Zeitspanne. Die tatsächliche Zahl von Zerfällen, die man in einem bestimmten ZeitintervallT beobachtet, schwankt zufällig um den ErwartungswertNT = A·T; die Häufigkeit, mit der dabei eine bestimmte Anzahlk auftritt, folgt einerPoisson-Verteilung. Dieser Prozess steckt z. B. hinter der Unregelmäßigkeit des Knackens einesKontaminationsnachweisgerätes („Geigerzähler“).
Verschiedene Zerfallsarten eines Nuklids in derNuklidkarten-Darstellung: senkrecht: Ordnungszahl (Protonenzahl)Z, waagerecht: NeutronenzahlN
Die häufigsten, wichtigsten und am längsten bekanntenZerfallsarten, auch alsZerfallsmodus (ZM) oderZerfallskanal bezeichnet, sind Alpha-, Beta- und Gamma-Zerfall. Da die Natur dieser Vorgänge zur Zeit ihrer Entdeckung unbekannt war, bezeichnete man die drei Strahlenarten in der Reihenfolge zunehmenden Durchdringungsvermögens mit den ersten drei (Klein-)Buchstaben des griechischen Alphabets: α, β und γ.
Beim Alpha-Zerfall emittiert der Atomkern ein Alphateilchen, das aus zwei Protonen und zwei Neutronen besteht. Hierdurch verringert sich dieMassenzahl um 4 und dieOrdnungszahl um 2.
Beim Beta-Zerfall im engeren Sinn emittiert der Atomkern entweder ein Elektron oder einPositron; dieses entsteht im Atomkern bei der Umwandlung eines Neutrons in ein Proton bzw. eines Protons in ein Neutron. Die Massenzahl bleibt gleich, die Ordnungszahl ändert sich um +1 bzw. −1.
Beim Gamma-Zerfall emittiert der Atomkern ein hochenergetischesPhoton. Massen- und Ordnungszahl bleiben gleich, nur derAnregungszustand des Kerns verringert sich. Gamma-Zerfall tritt meist als unmittelbare Folge eines vorangegangenen Alpha- oder Beta-Zerfalls auf.
Außer diesen drei Umwandlungsarten wurden später weitere entdeckt. Die meisten davon sind selten und nur für die physikalische Forschung selbst von Interesse; eine gewisse praktische Bedeutung hat außer Alpha-, Beta- und Gamma-Zerfall noch dieSpontanspaltung.
MancheNuklide können auf mehrere Arten zerfallen, haben also mehr als einen Zerfallskanal. EineNuklidkarte ist eine graphische Übersicht aller stabilen und instabilen Nuklide einschließlich ihrer beobachteten Zerfallsarten undHalbwertszeiten.
Die Vielzahl existierender Zerfallsarten lässt sich in Kategorien einteilen:
Viele radioaktive Kerne wandeln sich unter Aussendung von Nukleonen, d. h. von Protonen, Neutronen oder leichten Kernen um. Prominentestes Beispiel ist derAlpha-Zerfall. Hierbei spaltet der Mutterkern einen Heliumkern ab. Seltener werden einzelne Neutronen oder Protonen oder ganze Kohlenstoff- oder andere leichte Kerne emittiert (ausgesendet). Alle Zerfälle mit Aussendung von Nukleonen werden durch diestarke Wechselwirkung zusammen mit derelektromagnetischen Wechselwirkung vermittelt.
Beta-Zerfälle
Wenn bei einem Zerfall Elektronen (oder deren Antiteilchen) beteiligt sind, spricht man von einem Beta-Zerfall. Es gibt verschiedene solcher Prozesse. Es muss nicht immer ein Elektron als Produkt entstehen, es kann auch wie beimElektroneneinfang ein Elektron umgewandelt werden. Alle Betazerfälle sind Prozesse derschwachen Wechselwirkung.
Übergänge zwischen Zuständen desselben Kerns
In diesem Fall werden keinerlei Materieteilchen ausgesendet. Entsprechend wandelt sich auch der Kern nicht in einen anderen um; er gibt lediglich überschüssige Energie ab. Diese kann als Gammastrahlung frei werden oder an ein Elektron der Atomhülle abgegeben werden (innere Konversion). Es handelt sich um Vorgänge der elektromagnetischen Wechselwirkung.
Der Kern emittiert einen kleineren Kern (14C bis28Si) mitAc,Zc. Es verbleibt ein schwerer Kern (Massenzahl > ca. 200). Der α-Zerfall wird aus historischen Gründen nicht zu den Clusterzerfällen gezählt.
Der angeregte Kern emittiert ein Elektron-Positron-Paar.
(A, Z)
e−, e+
Die Kurzbezeichnungen ohne Klammern werden in der Isotopenauflistung der deutschsprachigen Wikipedia verwendet, die in Klammern werden häufig auf anderen Webseiten verwendet.
Zerfälle unter Aussendung von Nukleonen
Es gibt verschiedene Arten von Zerfällen, bei denen Nukleonen einzeln oder gebunden emittiert werden. Mit Abstand die größte Bedeutung hat hierbei der α-Zerfall. In all diesen Fällen bleibt die Gesamtzahl der Protonen und der Neutronen jeweils unverändert.
Ein Alpha-Zerfall tritt hauptsächlich bei schwereren und relativ neutronenarmen Nukliden auf. Dabei verlässt einHelium-4-Kern, in diesem Fall Alphateilchen genannt, mit einer Geschwindigkeit von 3 bis 8 Prozent derLichtgeschwindigkeit den Mutterkern. Dies ist trotz der hohenCoulombbarriere aufgrund desTunneleffekts möglich. Der Restkern, auchRückstoßkern oder Tochterkern genannt, hat nach dem Vorgang eine um 4 verringerteNukleonenzahl und eine um 2 verringerteKernladungszahl.
Die allgemeine Formel des Alpha-Zerfalls lautet
Der Mutterkern X mit Nukleonenzahl (Massenzahl) A und Protonenzahl Z zerfällt unter Aussendung eines Alphateilchens in den Tochterkern Y mit einer um 4 verminderten Nukleonenzahl und um 2 verminderten Protonenzahl.
Beispiel: Der Zerfall von Uran-238 in Thorium-234:
Bei besonders schweren Kernen jenseits der Ordnungszahl 90 (Thorium) ist diespontane Spaltung ein weiterer radioaktiver Umwandlungsprozess. Der Atomkern zerfällt in zwei (selten mehr) mittelschwere Tochterkerne und setzt dabei zwei oder drei Neutronen frei:
Natürlich vorkommenden Uranisotope zerfallen zu einem winzigen Teil durch spontane Spaltung:
Neben der meist binären Kernspaltung tritt selten auch eine ternäre Kernspaltung auf, bei der also ein drittes (leichtes) Teilchen auftritt. Meist ist dieses Teilchen ein4He- oder3H-Kern.
Noch seltener treten quaternäre Kernspaltungen auf, in denen zwei weitere leichte Teilchen (auch hier meist4He) entstehen.[16]
Statt einzelner Nukleonen oder Helium-4-Kerne werden in sehr seltenen Fällen auch größere Atomkerne emittiert, die aber verglichen mit dem Mutterkern immer noch klein sind (im Gegensatz zur spontanen Spaltung, bei der die Spaltprodukte von der gleichen Größenordnung sind).Diese Zerfallsform wurde 1980 vorhergesagt und 1983 experimentell bestätigt.
Beispiele:
Spontane Nukleonenemission (p, n, 2p, 2n)
BeiKernreaktionen können sehr kurzlebige Kerne mit besonders großem oder besonders niedrigem Proton-zu-Neutron-Verhältnis entstehen, die dann einzelne Nukleonen emittieren. Atomkerne mit sehr hohem Protonenüberschuss könnenProtonen abgeben, Atomkerne mit hohemNeutronenüberschuss könnenNeutronen abgeben.
Beispiel: Bor-9 spaltet ein Proton ab, um den Überschuss auszugleichen:
Beispiel: Helium-5 sendet dagegen spontan ein Neutron aus:
Dies geschieht sehr schnell (typische Lebenszeit der Mutterkerne: 10−22 s bis 10−18 s).
Da Kerne mit ungeradzahliger Protonen- bzw. Neutronenzahl (noch) weniger stabil sind als Kerne mit gerader, kann bei geradzahligen Kernen auch ein Zwei-Protonen- bzw. Zwei-Neutronen-Zerfall auftreten, bei dem zwei Nukleonen gleichzeitig emittiert werden.
Beispiel: Der Zerfall vonBeryllium-16 in Beryllium-14:
Beide Zwei-Nukleonen-Prozesse treten nahe der theoretischen Stabilitätsgrenze, dem „Rand der Nuklidkarte“ auf. Außerhalb davon kann es keine gebundenen Atomkerne geben.[17]
Ein Beta-Zerfall tritt bei einem unausgewogenen Verhältnis von Neutronen zu Protonen im Kern auf. Die dabei entstehende Betastrahlung besteht entweder aus Elektronen (β−) oder Positronen (β+), die den Kern mit – je nach Nuklid – bis zu 99,9 Prozent der Lichtgeschwindigkeit verlassen.
Der Mutterkern X mit Nukleonenzahl A und Protonenzahl Z zerfällt unter Aussendung eines Elektrons und eines Elektron-Antineutrinos in den Tochterkern Y mit gleicher Nukleonenzahl und um 1 erhöhter Protonenzahl.
Beispiel: Der Zerfall von Kohlenstoff-14 in das stabile Isotop Stickstoff-14:
Beta-Minus-Strahlung lässt sich durch wenige Meter Luft oder z. B. durch eine Plexiglasplatte vollständigabschirmen.
Neutrino und Antineutrino unterliegen nur derschwachen Wechselwirkung. Wegen dieser äußerst seltenen Wechselwirkung mit Materie sind sie nur schwer nachzuweisen und für Lebewesen ungefährlich.Sonnen-Neutrinos durchqueren fast ungeschwächt Teile der Sonne und die ganze Erde.
Beta-Plus-Zerfall (β+)
BeimBeta-Plus-Zerfall wird im Kern einProton in einNeutron umgewandelt; dabei werden einPositron und ein Elektron-Neutrino emittiert. Die Nukleonenzahl des Kerns ändert sich dabei nicht, seine Ordnungszahl verringert sich um 1.
Die allgemeine Formel lautet
Der Mutterkern X mit Nukleonenzahl A und Protonenzahl Z zerfällt unter Aussendung eines Positrons und eines Elektron-Neutrinos in den Tochterkern Y mit gleicher Nukleonenzahl und um 1 verminderter Protonenzahl.
Beispiel: Der Zerfall von Stickstoff-13 in das stabile Isotop Kohlenstoff-13:
Eine andere Möglichkeit zur Umwandlung eines Protons in ein Neutron besteht imElektroneneinfang, auch ε-Zerfall oder manchmalinverser β-Zerfall genannt. Dabei wird ein Elektron aus derAtomhülle in den Kern „gezogen“. Nach der typisch betroffenenElektronenschale, der K-Schale, wird der Elektroneneinfang auch alsK-Einfang bezeichnet. Ein Proton des Kerns wird in ein Neutron umgewandelt und ein Elektron-Neutrino emittiert. Die Veränderung des Kerns ist gleich wie beim β+-Zerfall: die Nukleonenzahl bleibt unverändert, die Ordnungszahl verringert sich um eins. Der Elektroneneinfang konkurriert daher mit dem β+-Zerfall. Da der β+-Zerfall die Energie für das emittierte Positron aufbringen muss, kommt energetisch nicht für jedes Nuklid, das mit Elektroneneinfang zerfällt, der β+-Zerfall in Frage. In der vom Elektroneneinfang betroffenen Schale wird ein Platz frei und Elektronen aus den äußeren Schalen rücken nach, wobeicharakteristische Röntgenstrahlung emittiert wird.
Allgemein lautet die Formel für den Elektroneneinfang
Der Mutterkern X fängt ein Elektron aus der Atomhülle ein und wandelt sich unter Emission eines Elektron-Neutrinos in den Tochterkern mit gleicher Nukleonenzahl und um 1 verminderter Protonenzahl um.
Für einige Kerne ist ein einfacher Elektroneneinfang energetisch nicht möglich, sie können aber durch gleichzeitiges Einfangen zweier Elektronen zerfallen. Da derartige Zerfälle zwei schwache Wechselwirkungen gleichzeitig benötigen, haben sie extrem lange Halbwertszeiten. Direkt nachgewiesen wurden sie erstmals 1986.[18]
Beispiel: Der Zerfall von Xenon-124 in Tellur-124:
Für einige Kerne ist ein einfacher Beta-Zerfall energetisch nicht möglich, sie können aber unter Abstrahlung zweier Elektronen zerfallen. Da derartige Zerfälle zwei schwache Wechselwirkungen gleichzeitig benötigen, haben sie extrem lange Halbwertszeiten. Direkt nachgewiesen wurden sie erstmals 1987.
Beispiel: Der Zerfall von Zirkonium-96 in Molybdän-96:
Ob beim doppelten Beta-Zerfall stets zwei Neutrinos emittiert werden oder ob auch ein neutrinoloser doppelter Beta-Zerfall vorkommt, ist bisher (2016) nicht beantwortet. Könnte der neutrinolose Fall nachgewiesen werden, so hätten sich die Neutrinos gegenseitigannihiliert, was bedeuten würde, dass Neutrinos ihre eigenen Antiteilchen sind. Damit wären sie sogenannteMajorana-Teilchen.
Ein Gamma-Zerfall tritt allgemein auf, wenn einAtomkern nach einem vorherigen anderen Zerfall in einemangeregten Zustand verbleibt. Durch Emission hochenergetischerelektromagnetischer Strahlung (γ-Strahlung) gibt der Atomkern Energie ab und geht in einen Zustand niedrigerer Energie über. DieNeutronen- undProtonenzahl des Kerns ändern sich dabei nicht. Die Bezeichnung Gamma„zerfall“ ist insofern etwas irreführend, aber trotzdem übliche Nomenklatur. Der Gammazerfall erfolgt bis auf wenige Ausnahmen innerhalb kürzester Zeit (10−18 bis 10−12 Sekunden) nach einem vorherigen Zerfall.
Die allgemeine Formel ist
Der angeregte Kern X regt sich unter Aussendung eines Gammaquants ab.
Zerfallsschema von60CoZerfallsschema von99 mTc
Ein bekanntes Beispiel ist die Aussendung von Gammastrahlung durch einen Nickel-60-Kern, der (meist) durch Beta-Zerfall eines Cobalt-60-Kerns entstanden ist:
DasZerfallsschema dieses Prozesses ist in der Grafik am rechten Rand dargestellt.60Co, ein Nuklid mit vielen praktischen Anwendungen, ist ein Beta-Minus-Strahler mit einer Halbwertszeit von 5,26 Jahren. Es zerfällt in einen angeregten Zustand von60Ni*, der praktisch sofort mit einer Halbwertszeit von etwas weniger als 1ps durch Emission von (meist) einerKaskade aus zwei Gammaquanten in den Grundzustand übergeht.
Bei den praktischen Anwendungen von60Co und vielen anderen Radionukliden geht es sehr oft nur um diese Gammastrahlung; die Alpha- oder Betastrahlung wird in diesen Fällen durch das Gehäuse des radioaktiven Präparates abgeschirmt und nur die Gammastrahlung dringt nach außen.
Obwohl die Gammastrahlung aus dem Tochternuklid des Alpha- oder Beta-Zerfalls kommt, ordnet man sie sprachlich immer dessen Mutternuklid zu. Man spricht vom „Gammastrahler“ Cobalt-60 usw., denn die einzige praktisch brauchbare Quelle dieser Gammastrahlung ist ein60Co-Präparat.
Nur wenn der angeregte Zustand einIsomer ist, d. h. eine ausreichend lange Halbwertszeit hat, kann die eigentliche Gammastrahlungsquelle getrennt von ihrer Erzeugung genutzt werden, wie im Falle vonTechnetium-99:
Dieses Technetium-Isotop mit einer Halbwertszeit von sechs Stunden wird in der medizinischen Diagnostik verwendet.
Zur Abschirmung von γ-Strahlung sind unter Umständen dezimeterdicke Beton- oder Bleiplatten nötig, denn sie hat in Materie keine bestimmte Reichweite, sondern wird nurexponentiell abgeschwächt. Es gibt daher für jedes Abschirmmaterial eine von der Gammaenergie abhängigeHalbwertsdicke. Gammastrahlung ist wie Licht elektromagnetische Strahlung, ihrQuant ist aber sehr viel energiereicher und liegt damit weit außerhalb des für das menschliche Auge sichtbaren Spektrums.
Die beim Übergang eines Atomkerns in einen energetisch niedrigeren Zustand freiwerdende Energie kann auch an ein Elektron der Atomhülle abgegeben werden. Diesen Vorgang nennt man Innere Konversion. Die Konversionselektronen haben dementsprechend ganz charakteristische Energien, zeigen also im Gegensatz zu β-Elektronen ein Linienspektrum.
Der angeregte Kern X regt sich ab. Die dabei freiwerdende Energie geht als kinetische Energie auf ein Elektron der Atomhülle über.
Bei innerer Konversion fehlt nach dem Zerfall in der Hülle eine negative Elementarladung und es bleibt einpositives Ion zurück.
Innere Paarbildung
In einigen Fällen erfolgt der Übergang in einen niedrigeren Energiezustand durch die Emission eines Elektron-Positron-Paars (innere Paarbildung). Dies geschieht dann, wenn die Energiedifferenz hoch ist und die Emissioneines Gamma-Quants aufgrund der Drehimpulserhaltung nicht möglich ist.
Beim radioaktiven Zerfall entstehenZerfallsprodukte, die sich in der Protonen- und/oder Neutronenzahl oder in dem Anregungszustand von den Ursprungskernen unterscheiden. Zerfallsprodukte können stabil oder ihrerseits radioaktiv sein. Im letztgenannten Fall wird sich einer oder mehrere radioaktive Zerfälle anschließen, bis schließlich ein stabiles Nuklid als Endprodukt entstanden ist. Diese Aufeinanderfolge radioaktiver Zerfälle heißtZerfallsreihe oderZerfallskette.
So zerfällt das IsotopUran-238 unter Aussendung einesAlpha-Teilchens inThorium-234, dieses wandelt sich dann durch einenBeta-Zerfall inProtactinium-234 um, welches wieder instabil ist und so fort. Nach insgesamt 14 oder 15 Zerfällen endet diese Zerfallsreihe beim stabilen KernBlei-206. Da manche Kerne auf verschiedene Weisen zerfallen können (sieheZerfallskanal), können von einem Mutterkern mehrere Zweige der gleichen Zerfallsreihe ausgehen (die sich auch wieder treffen können). So gehen zum Beispiel etwa 64 % der Atome einerBismut-212-Probe durch einen Beta-Zerfall inPolonium-212, die übrigen etwa 36 % durch einen Alpha-Zerfall inThallium-208 über.
Eine ursprünglich reine Probe eines Radionuklids kann auf diese Weise mit der Zeit in ein Gemisch verschiedener Radionuklide übergehen. Dabei sammeln sich langlebige Nuklide stärker an als kurzlebige.
Alphastrahlung wird durch ein Blatt Papier, Betastrahlung durch ein Metallblech von einigen Millimeter Dicke vollständig absorbiert; zur hinreichenden Schwächung von Gammastrahlung braucht man – je nach Energie dieser Strahlung – mehrere Zentimeter bis Dezimeter eines Materials möglichst hoher Dichte (sieheAbschirmung (Strahlung)).
α-Strahlung kann schon mit einem Blatt Papier, dünner Pappe oder durch Luft abgeschirmt werden. Zur Abschirmung von β−-Strahlung (Elektronen) werden dünne Schichten ausPlexiglas oderBlech verwendet, wobei Materialien mit geringer Ordnungszahl auf Grund geringerer auftretender Bremsstrahlung sich besser eignen. Zur Abschirmung von γ-Strahlung werden Materialien hoher Ordnungszahlen verwendet, z. B.Blei. Gleiches gilt für β+-Strahlung, weil bei deren Absorption durchAnnihilation γ-Strahlung entsteht.[19]
Generell steigt die Reichweite ionisierender Strahlung mit ihrer Energie und fällt mit derDichte des Abschirmmaterials. α-Strahlung der kinetischen Energie von 5 MeV hat in Luft eine Reichweite von 3,6 cm, dagegen in Gewebe nur 0,04 mm.[20][21] Hauptsächlich gibt ionisierende Strahlung Energie durchStöße mit den Atomen des Abschirmmaterials ab, dabei werden Atomeionisiert oderangeregt, wodurch wiederum Sekundärelektronen undRöntgenstrahlung innerhalb des Abschirmmaterials entstehen.
Radioaktivität in der Umwelt
Radioaktivität kommt in unserer Umwelt teils natürlich (ohne Zutun des Menschen) vor, teils wurde oder wird sie durch menschliche Tätigkeiten erzeugt („anthropogen“). Ursachen natürlicher radioaktiver Strahlung sindprimordiale Radionuklide mit ihren Folgeprodukten sowie Nuklide, die durch diekosmische Strahlung in derErdatmosphäre erzeugt werden. Menschlich verursachte Radioaktivität weist meist eine von der natürlichen abweichendeIsotopenzusammensetzung auf, denn sie enthält auch kurzlebige, nicht inZerfallsreihen oderSpallationsprozessen entstehende Radionuklide.
Die primordialen Radionuklide stammen aus dem Material derUrerde und sind wegen ihrer großen Halbwertszeit heute noch vorhanden. Zu ihnen gehören das im menschlichen Körper stets enthalteneKalium-40 und die alsKernbrennstoff wichtigenIsotope desUrans. WeitereRadionuklide entstehen indirekt als ständig nachproduzierte Zerfallsprodukte der radioaktivenZerfallsreihen dieser primordiale Nuklide, wie das überall aus dem Erdboden austretende GasRadon. Diese Nuklide bezeichnet man alsradiogen. Weitere,kosmogene Radionuklide werden laufend in der Atmosphäre durchKernreaktionen mit der kosmischen Strahlung erzeugt. Zu ihnen gehörtKohlenstoff-14, der ebenso wieKalium-40 durch denStoffwechsel in alle Organismen gelangt.
Die Strahlung der überall vorhandenen natürlichen Radionuklide wird alsterrestrische Strahlung bezeichnet.
Vom Menschen erzeugte oder freigesetzte Radioaktivität
Schon lange vorEntdeckung der Radioaktivität wurden durch menschliche Tätigkeiten wie Bergbau und Kohleverbrennung radioaktive Stoffe freigesetzt.Paracelsus beschrieb 1567 dieSchneeberger Krankheit. Metallerze und Kohle enthalten mehr Radionuklide als die durchschnittliche Biosphäre; Schachtanlagen befördern Radon aus dem Erdinnern an die Oberfläche.
Mit der Förderung von Uran, dem Bau von Kernkraftwerken und vor allem dem Bau und dem oberirdischen Test von Kernwaffen wurde Radioaktivität in die Biosphäre entlassen, die globale Auswirkungen hatte.
Medizinische Anwendungen oder Materialuntersuchungen mit ionisierender Strahlung tragen nicht zur menschlich bedingten Radioaktivität bei. Soweit überhaupt radioaktive Stoffe genutzt werden, sind dies kurzlebige Nuklide in geringen Mengen, wie z. B. in derPositronen-Emissions-Tomographie.
Bestimmte langlebige Nuklide aus dem radioaktiven Abfall der Kernenergienutzung könnten künftig durchTransmutation in weniger aufwändig zu lagernde kurzlebigere Nuklide verwandelt werden.
AlsAktivität bezeichnet man die Anzahl der Zerfallsereignisse pro Zeitspanne, die in einer Probe eines radioaktiven oderradioaktiv kontaminierten Stoffes auftritt. Angegeben wird die Aktivität üblicherweise in der SI-EinheitBecquerel (Bq). 1 Becquerel entspricht einem Zerfall pro Sekunde.
Zu den Größen und Maßeinheiten, die sich auf die Wirkung ionisierender Strahlung (aus radioaktiven oder anderen Quellen) beziehen, gehören
dieEnergiedosis mit der MaßeinheitGray, die die absorbierte Energie pro Masse inJoule/Kilogramm (J/kg) beschreibt,
dieÄquivalentdosis mit der MaßeinheitSievert, entspricht der Energiedosis, korrigiert um festgelegte Wichtungsfaktoren für verschiedene Strahlungsarten und
dieIonendosis mit der MaßeinheitCoulomb/Kilogramm (C/kg), die die Menge der verursachten Ionisierungsvorgänge beschreibt.
Für Nachweis und quantitative Messung der Strahlung gibt es viele Arten von Detektoren, die jeweils für bestimmte Strahlenarten geeignet sind. Ein bekanntes Beispiel ist derGeigerzähler.Ionisationskammern undNebelkammern sind zum Nachweis von Alpha-, Beta- und Gammastrahlung verwendbar,Szintillationszähler undHalbleiterdetektoren dienen der Detektion von Beta- und Gammastrahlen.
Für denStrahlenschutz werden zur Messung verschiedene Typen vonDosimetern undDosisleistungsmessern verwendet. Sie enthalten jeweils einen oder mehrere der vorstehend genannten Detektoren.
Die allererste Messung, die eine quantitative Aussage über die Strahlung ergab, wurde vonPierre Curie undMarie Curie mit Hilfe einesElektroskops durchgeführt. Dieses maß die Abnahme einer elektrischen Ladung aufgrund der durch die Ionisation hervorgerufenen Leitfähigkeit der Luft. Das gleiche Messprinzip wird noch heute (2016) imFüllhalterdosimeter benutzt.
Anwendungen
Technische Anwendungen
Radionuklidbatterien werden in der Raumfahrt zur Stromversorgung undRadionuklid-Heizelemente zur Heizung verwendet. Jenseits derJupiter-Umlaufbahn reicht die Strahlung der weit entfernten Sonne nicht mehr aus,[22] um mitSolarzellen in praktikabler Größe den Energiebedarf der Sonden zu decken. Ebenfalls können starkeStrahlungsgürtel, wie sie z. B. Jupiter umgeben, den Einsatz von Solarzellen unmöglich machen. In derUdSSR wurden sehr leistungsstarke Radionuklidbatterien mitStrontium-90-Füllung verwendet, umLeuchttürme und Funkfeuer am Polarkreis zu betreiben.
Wichtige Anwendungen, die die Radioaktivität von Stoffen ausnutzen, sind die Altersbestimmung von Objekten und die Materialprüfung.
Eine technische Anwendung ist die Dickenmessung und Materialprüfung mittels Durchstrahlung. Hierbei wird ein Material mit Gamma-Strahlen bestrahlt und ein Zähler ermittelt aufgrund der durchdringenden Strahlen und desAbsorptionsgesetzes die mittlere Dichte bei bekannter Schichtdicke oder umgekehrt die Schichtdicke bei bekannter Dichte. Die Strahlung kann auch auf einem Röntgenfilm hinter der Materialschicht ein Bild erzeugen. In dieser Form wird dieDurchstrahlungsprüfung bei Werkstoffen angewandt.
Auchradiometrische Füllstandmessungen in Großbehältern mit Schüttgut oder Granulaten werden mit Gamma-Durchstrahlung von einer zur anderen Behälterwand ausgeführt.
In der Geophysik und Biologie eignen sich radioaktive Substanzen als Tracer, um das Fließverhalten z. B. von Grundwasser im Boden oder Blut in einem Gewebe zu untersuchen. Dazu wird eine bekannte Menge des Stoffs an einer bestimmten Stelle eingeleitet und die zeitliche und räumliche Verteilung der Aktivität gemessen.
Beiradioaktiver Leuchtfarbe wird einefluoreszierende Substanz mit der ionisierenden Strahlung einer ebenfalls in der Farbe enthaltenen radioaktiven Substanz zum Leuchten angeregt.Tritiumgaslichtquelle sind eine ähnlich funktionierende Anwendung, nur dass hier das radioaktive Gas Tritium als Energiequelle für die Fluoreszenz dient.
Radioaktive Sonden haben den großen Vorteil, dass nur sehr kleine Stoffmengen benötigt werden und sie meist nur in Spuren eingesetzt werden. In derTracerdiffusion reichen meist wenige kBq aus, um Diffusionskoeffizienten in Festkörpern zu ermitteln. BeiGestörter Gamma-Gamma-Winkelkorrelation sind nur ca. 1010 bis 1012 Atome pro Messung notwendig. Damit kann mit der Methode z. B. die Bindung von toxischen Metallen, wieCadmium,Quecksilber oderBlei in-situ in biologischenZellen untersucht werden. Mit beta-NMR werden pro Messung nur ca. 108 Atome benötigt.
In der nuklearmedizinischen Diagnostik kommt meist dieSzintigrafie zum Einsatz. Dabei werden geringe Mengen einer γ-strahlenden Substanz (Tracer) am Patienten angewendet („appliziert“), zum Beispiel in eine Vene gespritzt oder eingeatmet. Die vom Tracer ausgehende Strahlung wird außerhalb des Körpers von einer aufSzintillationsdetektoren beruhenden Gammakamera registriert und ergibt eine zweidimensionale bildliche Darstellung. Moderne Weiterentwicklungen der Methode erlauben mittels Computertomographie dreidimensionale Darstellungen (Single Photon Emission Computed Tomography, SPECT); ein weiteres bildgebendes Verfahren in der Nuklearmedizin, das auch dreidimensionale Bilder liefert, ist diePositronen-Emissions-Tomografie (PET). Mit radioaktiven Stoffen können auch bestimmte Laboruntersuchungen durchgeführt werden, zum Beispiel derRadioimmunassay.
In der nuklearmedizinischen Therapie werden reine oder überwiegende β-Strahler verwendet. Die häufigsten Anwendungsgebiete sind dieRadioiodtherapie bei gutartigen und bösartigen Erkrankungen derSchilddrüse, dieRadiosynoviorthese bei bestimmten Gelenkerkrankungen und die Radionuklidbehandlung zur Schmerzlinderung beiKnochenmetastasen.
In derStrahlentherapie wurden früher häufig Radionuklide in Form vonumschlossenen Gammastrahlern verwendet, bei denen keine radioaktive Substanz entweichen und vom Körper aufgenommen werden kann. Auf Grund des Gefährdungspotentials für das medizinische Personal werden diese zur Bestrahlung des Körpers von außen vermehrt durch harteRöntgenstrahlung ersetzt, die mit Elektronen-Linearbeschleunigern erzeugt wird. Anwendung finden die umschlossenen Gammastrahler zum Beispiel noch in derBrachytherapie oderRadiochirurgie.
Kontamination (Verunreinigung) mit radioaktivem Material, die unter Umständen zu lange andauernder Bestrahlung führen kann, z. B. bei Kontamination der Haut
Inkorporation (Aufnahme) radioaktiver Substanz in den Körper durch Einatmen (Inhalation) oder Essen/Trinken (Ingestion).
Diese Begriffe werden in Berichterstattung und Öffentlichkeit manchmal verwechselt. Entsprechend wird beispielsweise der Ausdruck „verstrahlt“ heute (2016) oft falsch anstattkontaminiert benutzt;Verstrahlung bedeutet ursprünglich – analog derVerbrennung – eine durch Bestrahlung hervorgerufene erhebliche Schädigung oder Verletzung.
Für die zum Teil gefährlichebiologische Wirkung ist nicht die Radioaktivität an sich, sondern die von ihr ausgehende ionisierende Strahlung verantwortlich.
Die Folgen der Wirkung niedrig dosierter Strahlung (Niedrigstrahlung) auf Umwelt und Lebewesen werden vielfach diskutiert. Sie sind schwer nachzuweisen.[23] Dabei ist auch die Festlegung zulässigerGrenzwerte umstritten.
Warnzeichen nach ISO 21482, das nur direkt auf den gefährlichen radioaktiven Strahlern angebracht wird
Da das bisher verwendeteStrahlenwarnzeichen (Trefoil-Symbol:☢) oft nicht als Warnung vor starken radioaktiven Strahlern erkannt wurde und Menschen ein stark strahlendesNuklid aus seiner Abschirmung entnahmen (zum Beispiel derGoiânia-Unfall), kam es vor allem in Entwicklungsländern schon zu tödlichen Unfällen. Am 15. Februar 2007 gab deshalb dieIAEO bekannt, dass direkt an Strahlern der Strahlungskategorie 1, 2 und 3[24] ein neues, auffälligeres Warnschild angebracht werden soll. Dieses warnt mit Hilfe von aussagekräftigeren Symbolen vor der tödlichen Gefahr durch ionisierende Strahlung und fordert zur Flucht auf. Am Behälter selbst soll weiterhin nur das alte Symbol angebracht werden, da er die Strahlung soweit abschirmt, dass sie keine unmittelbare Gefahr darstellt. Durch die Normung alsISO-Norm 21482 soll das neue Warnschild für gefährliche Strahlenquellen möglichst schnell und international verbindlich eingeführt werden. In Deutschland ist das Warnschild weder in eine nationale Norm übernommen noch in die Unfallverhütungsvorschriften eingefügt. Es ist auch nicht im Entwurf der Neufassung der DIN 4844-2, die Warnschilder regelt, enthalten. In Österreich ist es in der OENORM ISO 21482 genormt.
Bei schwachen Strahlenquellen soll keine Änderung der Kennzeichnung erfolgen.[25] Die Entwicklung von Symbolen zur Warnung der Nachwelt vor radioaktiven Gefahren ist Gegenstand derAtomsemiotik.
E. Rutherford:Radio-Activity (= Cambridge Physical Series). Cambridge University Press, Cambridge 1904 (englisch,archive.org).
E. Rutherford, E. Aschkinass:Die Radioaktivität. Erg. aut. dt. Ausgabe Auflage. Julius Springer, Berlin 1907 (archive.org).
Alfred Romer (Hrsg.):The Discovery of Radioactivity and Transmutation (= Classics of Science.Band2). Dover Publications, New York 1964 (englisch,archive.org).
Das„Glossar Strahlenschutz“ desForschungszentrums Jülich erläutert viele Begriffe rund um die Radioaktivität (Einheiten, Dosimeter, Dosisbegriffe, Alpha-, Beta-, Gammastrahlung, Strahlenschutz etc.)
↑Pierre Curie, Marie Curie, G. Bémont:Sur une nouvelle substance fortement radio-active contenue dans la pechblende. In:Comptes rendus hebdomadaires des séances de l'Académie des sciences.Band127, 1898,S.1215–1217 (Online).
↑Ernest Rutherford:Uranium Radiation and the Electrical Conduction Produced by It. In:Philosophical Magazine. 5. Folge, Band 47, Nummer 284, 1899, S. 116,doi:10.1080/14786449908621245.
↑Ernest Rutherford:The Magnetic and Electric Deviation of the Easily Absorbed Rays from Radium. In:Philosophical Magazine. 6. Folge, Band 5, Nummer 25, 1903, S. 177,doi:10.1080/14786440309462912.
↑Aureliu Săndulescu, Dorin N. Poenaru, Walter Greiner:New type of decay of heavy nuclei intermediate between fission and α decay. In:Soviet Journal of Particles and Nuclei. Band 11, Nummer 6, 1980, S. 528 (=Fizika Elementarnykh Chastits i Atomnoya Yadra. Band 11, 1980, S. 1334).
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↑NUBASE2016. (txt) Atomic Mass Data Center, Nuclear Data Section derIAEA, 2017, abgerufen am 10. August 2018 (basierend auf G. Audi, F.G. Kondev, Meng Wang, W.J. Huang, S. Naimi:The NUBASE2016 evaluation of nuclear properties. In:Chinese Physics C.Band41,Nr.3, 10. März 2017,doi:10.1088/1674-1137/41/3/030001 (iaea.org [PDF;1,9MB; abgerufen am 10. August 2018]).).
↑Hanno Krieger:Grundlagen der Strahlungsphysik und des Strahlenschutzes. 4. Aufl., Vieweg+Teubner, Wiesbaden 2012,ISBN 978-3-8348-1815-7, S. 150–160.
↑Radioaktive Zerfälle können deshalb inZufallsgeneratoren zur Erzeugungechter Zufallszahlen verwendet werden, siehe z. B. Ammar Alkassar, Thomas Nicolay, Markus Rohe:Obtaining True-Random Binary Numbers from a Weak Radioactive Source. In:Computational Science and Its Applications – ICCSA 2005.Band3481. Springer Berlin Heidelberg, 2005,ISBN 978-3-540-25861-2,S.634–646,doi:10.1007/11424826_67.
↑Achim Rahn:Strahlenschutz – Technik: Fachkundekurs für Strahlenschutzbeauftragte gemäß Fachkunderichtlinien Technik zur Strahlenschutzverordnung (StrlSchV) und Röntgenverordnung (RöV). Hüthig Jehle Rehm,ISBN 978-3-609-68452-9,S.58ff. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
↑Hans Albrecht Bethe, Julius Ashkin:Passage of radiations through matter. In: Emilio Segrè (Hrsg.):Experimental Nuclear Physics. Volume 1, Part II. John Wiley & Sons, New York 1953.