Movatterモバイル変換


[0]ホーム

URL:


Zum Inhalt springen
WikipediaDie freie Enzyklopädie
Suche

Zensuswahlrecht

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

UnterZensuswahlrecht versteht man einWahlsystem, das ein ungleichesWahlrecht vorsieht. Wählen darf nur, wer gewisse Finanzmittel nachweisen kann. Der Nachweis erfolgt durch Steueraufkommen, Grundbesitz oderVermögen. In manchen Systemen, wie dem preußischenDreiklassenwahlrecht, durften zwar auch die Mindervermögenden wählen, ihre Stimme hatte aber weniger Gewicht.

Geschichte

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]

In antiken Stadtstaaten wie derattischen Demokratie oder derRömischen Republik wurden die politischen Rechte (Teilnahme an derVolksversammlung o. Ä.) zu bestimmten Zeiten an ein gewisses Einkommen bzw. einen Mindestbesitz gebunden. Das früheste Beispiel dafür liefert dietimokratische Ordnung des athenischen VerfassungsgebersSolon. Folge der Einteilung der Bürger in verschiedene Zensusklassen war, dass für lange Zeit nur die wohlhabendsten Athener die höchsten Staatsämter bekleiden konnten, während den Ärmsten (denTheten) erst unter der Regierung desThemistokles volle politische Beteiligung zugebilligt wurde.

In der wichtigsten Volksversammlung Roms, derComitia Centuriata, waren alle Bürger auf eine Weise in Zensusklassen eingeteilt, die garantierte, dass die wohlhabenden Bevölkerungsteile (u. a. dieNobilität) in Abstimmungen stets das Übergewicht an Stimmen hatten. So sicherte der Zensus ihnen eine strukturelle Mehrheit gegenüber dem zahlenmäßig weit größeren „einfachen“ Volk (derplebs).

In der Moderne war das Zensuswahlrecht wesentlich von Frankreich geprägt, kam aber auch in anderen Ländern wie Schweden, den USA, Luxemburg, Norwegen oder Spanien zur Geltung.Insgesamt war die Bevorzugung der besitzenden Bürger im 19. Jahrhundert selbstverständlich und bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts nicht ungewöhnlich. Die HistorikerinHedwig Richter stellt heraus, dass das Zensuswahlrecht, das so oft als rückständig abgewertet werde, im Gegenteil einenMeilenstein auf dem Weg zur Gleichheit darstelle, weil es das Wahlrecht strikt dem Individuum zusprichtund nicht einer Familie, einem Rittergut oderAdelstitel. Eszählte nur die Leistung des Individuums für den Staat, und schließlich setzte es die dynamische, egalisierende Kraft des Kapitalismus ins Herz des Staatsgeschehens.[1]

Gegenwärtig ist die Befürwortung eines Zensuswahlrechts innerhalb desLibertarismus verbreitet. So sprechen sich zahlreiche Vertreter des Libertarismus für den Ausschluss von Empfängern staatlicher Unterstützungen sowie Staatsangestellten vom Wahlrecht aus oder ziehen diesen zumindest in Erwägung, darunterHans-Hermann Hoppe,André F. Lichtschlag,[2]Friedrich August von Hayek[3] undMarkus Krall[4]. Auch der Publizist und ehemalige PolitikerKonrad Adam sympathisiert mit einem Zensuswahlrecht.[5] Zudem wird ein Zensuswahlrecht vom Parteichef derFreien SachsenMartin Kohlmann befürwortet.[6]

Deutschland

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]

Wie in nahezu allen Wahlregulierungen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts spielten auch in den deutschen Ländern Besitz oder Steuern eine zentrale Rolle. So existierte ein Zensuswahlrecht in den ersten deutschen Verfassungen zu Anfang des 19. Jahrhunderts (beispielsweise lautVerfassung des Königreichs Bayern von 1818 und Verfassungs-Urkunde des Königreichs Württemberg von 1819). Es wurde zur Forderung der liberalen Opposition in derRevolution von 1848/49, während die demokratische Opposition ein gleiches Wahlrecht für Männer nach dem Prinzip „ein Mann – eine Stimme“ forderte. Gemäß dem kurzlebigenReichswahlgesetz vom April 1849 sollten die Mitglieder der Volkskammer des neu einzurichtenden Reichstagsin gleichen und direkten Wahlen nach dem Prinzip der absoluten Mehrheitswahl gewählt werden, der Wahlzensus wäre also beseitigt worden.

Nach der Revolution galt zum Beispiel bei den Wahlen zumpreußischen Landtag von 1850 bis 1918 ein neuerliches Zensuswahlrecht in Form desDreiklassenwahlrechts (Unterteilung in drei Wählerklassen nach Besitz). Auf Reichsebene ab 1871 durften jedoch alle Männer ab 25 Jahren denReichstag mit gleichem Stimmgewicht wählen. Das allgemeine Wahlrecht für beide Geschlechter wurde vergleichsweise früh nach derNovemberrevolution 1918/19 eingeführt.

Eine theoretische Formulierung des Grundgedankens des Zensuswahlrechts lieferteJustus Möser (1720–1794) in seiner „Aktientheorie“.

USA

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]

In denUSA galt ebenfalls ein Zensuswahlrecht. Da die Einzelstaaten das Wahlrecht festlegten, fanden sich viele unterschiedliche Regulierungen, wobei in einigen Staaten bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts ein Zensuswahlrecht herrschte. Häufig wurde das Zensuswahlrecht zur Diskriminierung von Schwarzen eingesetzt, von denen dann mehr Eigentum als von Weißen gefordert wurde. Erst 1871 (und damit im gleichen Jahr wie im Deutschen Reich) erhielten alle Männer auf Bundesebene das Wahlrecht. Allerdings wurden die Afroamerikaner in den 1890er Jahren wieder weitgehend durch Zusatzregelungen wie denLiteracy tests und derGrandfather clause ausgeschlossen.

Frankreich

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]

Während derFranzösischen Revolution wurde das Zensuswahlrecht in dieFranzösische Verfassung von 1791 aufgenommen, auf dieLudwig XVI. 1791 seinen Eid leistete. DieJakobiner ersetzten es durch ein Gleichheits-Wahlrecht für Männer. Dieses hatte jedoch nicht lange Bestand.Frankreich wurde führend darin, das Wahlrecht an dem Besitz beziehungsweise an der Steuerleistung auszurichten. Das Zensuswahlrecht unterNapoleon I., das auch für das Rheinland gültig war, gilt als wichtiges Vorbild für das Preußische Dreiklassenwahlrecht.

Schweiz

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]

In einigen SchweizerKantonen gab es nach den liberalen Revolutionen um 1830 kurzfristig ebenfalls ein Zensus-Wahlrecht besonderer Ausprägung. Es orientierte sich nicht an Steueraufkommen oder Besitz, sondern privilegierte die Bürgerschaft der Hauptstädte gegenüber der Landbevölkerung, die in den Parlamenten nur eine deutlich unterproportionale Vertretung zugestanden erhielt. Dass ein Zensus-Wahlrecht überhaupt vorübergehend existierte, erklärt sich durch die Orientierung der damaligen Schweizer Liberalen an der vorab großbürgerlichen PariserJulirevolution von 1830, die ebenfalls einen Wahlzensus vorsah. Auch in den katholisch-konservativen Kantonen, wo sich die Revolution nur teilweise durchgesetzt hatte, wurde mit Wahlzensus operiert, der sich vor allem gegen Nicht-Katholiken richtete.

Russland

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]

Nach derRussischen Revolution von 1905 wurde das allgemeine Wahlrecht eingeführt.

Österreich

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]

ZumKurienwahlrecht sieheAbgeordnetenhaus (Österreich)

Literatur

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]
  • Heinz Boberach:Wahlrechtsfragen im Vormärz. Die Wahlrechtsanschauung im Rheinland 1815–1849 und die Entstehung des Dreiklassenwahlrechts (=Beiträge zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien. 15,ZDB-ID 503528-4). Droste, Düsseldorf 1959, (Zugleich: Köln, Universität, Dissertation, 1959).
  • Hans Boldt (Hrsg.):Reich und Länder. Texte zur deutschen Verfassungsgeschichte im 19. und 20. Jahrhundert (=dtv. Band 4443). Deutscher Taschenbuch-Verlag, München 1987,ISBN 3-423-04443-8.
  • Alexander Keyssar:The Right to Vote. The Contested History of Democracy in the United States. Basic Books, New York NY 2000,ISBN 0-465-02968-X.
  • Fritz Schaffer:Abriß der Schweizer Schweizergeschichte. 9., durchgesehene und ergänzte Auflage. Huber, Frauenfeld u. a. 1972,ISBN 3-7193-0430-2.

Einzelnachweise

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]
  1. Hedwig Richter:Demokratie. Eine deutsche Affäre. C. H. Beck, München 2023,ISBN 978-3-406-79737-8, S. 115.
  2. A. F. Lichtschlag:Entzieht den Nettostaatsprofiteuren das Wahlrecht!, in:Die Welt, 19. September 2006.
  3. Friedrich August von Hayek:Die Verfassung der Freiheit. Mohr Siebeck, Tübingen 2005,S. 135.
  4. Jakob Blume: Degussa-Chef Markus Krall:Provokateur mit Kalkül, in: Handelsblatt vom 16. Januar 2020.
  5. Konrad Adam:Wer soll wählen? Kolumne Die Macht der Schwachen. In:Die Welt, 16. Oktober 2006.
  6. MDR Investigativ:Ziel „Zerstörung“? – Die Kandidaten der Freien Sachsen zur Kommunalwahl, YouTube, 6. Juni 2024.
Abgerufen von „https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Zensuswahlrecht&oldid=255641845
Kategorien:

[8]ページ先頭

©2009-2025 Movatter.jp