DerZeitroman ist eine Form desRomans, mit der versucht wird, die Gegenwart vollständig und nachvollziehbar darzustellen. Der Zeitromananalysiert dieGesellschaft bzw. die vorherrschenden Lebensbedingungen sowie deren Auswirkungen auf dasIndividuum. Da vieleAutoren von Zeitromanen ihreEpoche alsKrise oderUmbruch empfinden, können die als Analysen geschriebenen Romane häufig auch als „Zeitkritik“ bezeichnet werden.
Geprägt wurde der Begriff Zeitroman 1810 vonClemens Brentano fürAchim von ArnimsArmuth, Reichthum, Schuld und Buße der Gräfin Dolores.[1] Damit bezeichnete er eine erweiterte Form desGesellschaftsromans, „die jedoch über die alleinige Darstellung der Gesellschaften oder eine ihrer Schichten hinausgreift. Es ist eine Romanform, die durch Darstellungen der Menschen und der Gesellschaft einer Zeit die betreffende Zeit selbst und die Epoche darstellt.[2] Der Zeitroman bemüht sich dabei meistens, wirklichkeitsgetreue Nachzeichnungen und Analysen der Gesellschaft zu einem objektiven Zeitbild zu verbinden und ist daher ein (..) Sondertyp desHistorischen Romans.“[3]
Charakteristisch ist sein sozial-politisches Engagement, das ihn nahe derTendenzliteratur bringt, seine querschnitthafte Simultantechnik und das Nebeneinander von Zeitebenen.
Der Zeitroman ist wesentlich für das 19. Jahrhundert. Als Begründer giltKarl Immermann (Epigonen, 1836;Münchhausen, 1838 f.) – auch wennJoseph von Eichendorff bereits mitAhnung und Gegenwart 1815 einen Zeitroman veröffentlichte. Weitere Beispiele imJungen Deutschland sindHeinrich Laube (Das junge Europa, 1833),Ludwig Tieck (Der junge Tischlermeister, 1836)Karl Gutzkow (Die Ritter vom Geiste, 1850) undJeremias Gotthelf (Zeitgeist und Berner Geist, 1851) sowieTheodor Mundt. Neben Gutzkow gehört in der zweiten Hälfte des 19. JahrhundertsFriedrich Spielhagen zu den erfolgreichsten Vertretern des Zeitromans, zu dem auchBerthold Auerbach mit mehreren Romanen,Gustav FreytagsSoll und Haben (1855) undTheodor FontanesDer Stechlin (1898)[4] zählen.
Beispiele aus dem 20. Jahrhundert sindThomas MannsDer Zauberberg (1924),[5]Franz WerfelsBarbara oder die Frömmigkeit (1929) oderRobert MusilsMann ohne Eigenschaften (1930). Überhaupt spielt das Genre eine wichtige Rolle in derLiteratur der Weimarer Republik. Prominente Beispiele aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg sindGünter Grass’Die Blechtrommel (1959)[6], ebenso wie später die Werke vonHeinrich Böll (Der Engel schwieg, 1949/50, postum 1992 veröffentlicht,Die verlorene Ehre der Katharina Blum, 1974),Siegfried Lenz (Deutschstunde, 1968) oderMartin Walser (Ehen in Philippsburg, 1957).