Yves Coppens (*9. August1934 inVannes; †22. Juni2022[1]) war einfranzösischerPaläontologe undPaläoanthropologe. Er war Professor amCollège de France, Mitglied derAcadémie des sciences und galt als der bedeutendste französische Forscher auf dem Gebiet derStammesgeschichte des Menschen und generell derSäugetiere. Gemeinsam mitDonald Johanson undTim White veröffentlichte er 1978 dieErstbeschreibung desAustralopithecus afarensis und war daher gleichermaßen führend an der Erforschung des 1974 inÄthiopien entdeckten Skeletts einesAustralopithecus afarensis beteiligt, das unter dem Namen „Lucy“ berühmt wurde.
Nach seiner Schulausbildung inRennes und dem Studium der Naturwissenschaften und der Archäologie an derSorbonne inParis ging Yves Coppens (gesprochen: Koppénns) 1956 ans PariserCentre national de la recherche scientifique (CNRS) und wurde am Institut für Paläontologie der Sorbonne tätig sowie ab 1969 als Vize-Direktor amMuséum national d’histoire naturelle und amMusée de l’Homme.
Jahrelang hielt er sich mehr als die Hälfte des Jahres zu Forschungsaufenthalten in Afrika und Asien auf, wodurch ab 1960 unter seiner Führung mehrere Dutzend Tonnen Tierfossilien eingesammelt wurden; ab 1969 war er als Nachfolger vonCamille Arambourg auch Leiter des französischen Teams derOmo Research Expedition in Äthiopien. Zu den geborgenen Fossilien gehörten u. a. rund tausend fossile Überreste von frühenVormenschen und anderen Vorfahren des heutigen Menschen, darunterAustralopithecus afarensis,Paranthropus aethiopicus,[2]Orrorin tugenensis und drei weitere neueArten. Seine zahllosen Tierfunde insbesondere aus der Zeit von vor 4 bis 2 Millionen Jahren trugen u. a. zu einer lückenlosen Beschreibung der Evolution derSchweineartigen (Suina) und derPferde (Equidae) sowie derFlusspferde bei. Aus dem Formenwandel dieser Gruppen konnte später auf ökologische Veränderungen in Afrika geschlossen werden, die auch eine entscheidende Rolle für dieMenschwerdung spielten. Außerhalb von Fachkreisen bekannt wurde Coppens nach der Veröffentlichung der Erstbeschreibung von „Lucy“ und der aus diesem Fund letztlich abgeleiteten neuenHominiden-ArtAustralopithecus afarensis. In seinem BuchThe Ancestor’s Tale schriebRichard Dawkins, dass Coppens in seiner Heimat als der Entdecker von „Lucy“ gilt, während dies in den USA Donald Johanson zugeschrieben wird (der das Skelett gemeinsam mit dem damaligen Postdoktoranden Tom Gray am 24. November 1974 fand).
1979 wurde Yves Coppens zum Direktor desMusée de l’Homme berufen, 1980 zum Professor für Anthropologie amMuséum national d’histoire naturelle und 1983 zum Professor für Paläoanthropologie amCollège de France. Er veröffentlichte seine Forschungsberichte meist in französischer Sprache, weswegen er im englischen Sprachgebiet und in Deutschland weniger bekannt wurde als englisch publizierende Paläoanthropologen.
Neben intensiverFeldforschung betätigte sich Coppens auch als Evolutions-Theoretiker. 1983 erörterte er unter dem MottoEast Side Story als erster Forscher eine ökologische Hypothese, welche Umstände vor acht Millionen Jahren zur Abtrennung derHominini von den Vorfahren der Schimpansen geführt haben könnten. Die BezeichnungEast Side Story spielt darauf an, dass zu jener Zeit dasRift Valley entstand, das eine vorher einheitliche Population trennte. Dies – so die Hypothese – könnte zur Folge gehabt haben, dass auf der Westseite desGrabenbruchs die Menschenaffen entstanden und auf der Ostseite die Vormenschen. Neuere Fossilfunde u. a. imTschad haben diese Hypothese inzwischen zwar stark relativiert, sie hatte jedoch den Weg zu intensiven Studien über den Zusammenhang von Klimawandel und Artenentstehung eröffnet.
1999 folgte ein Erklärungsversuch für die Entfaltung der Australopithecinen und die Entstehung derGattungHomo in derOmo-Region vonÄthiopien. Aufgrund seiner zahlreichen Tierfossilien-Funde aus der Zeit vor 4 bis 2 Millionen Jahren konnte Yves Coppens nachweisen, dass vor ca. 2,7 Millionen Jahren eine lang anhaltende ökologische Veränderung – die Region wurde allmählich immer trockener undsteppenartiger – zum Verschwinden zahlreicher Tierarten und zu erheblichen Veränderungen am Knochenbau der verbleibenden Arten führte. So reduzierten beispielsweise die Pferde die Zahl ihrer Zehen (eine Anpassung an den harten Steppenboden), bei anderen Pflanzenfressern zeigten die Zähne eine allmähliche Anpassung an härtere Gräser. Parallel zu dieser Entwicklung war nachweisbar, dass aus den frühen Australopithecinen zwei unterschiedliche Nachfolgearten hervorgingen: zum einenAustralopithecus robustus, zum anderen (laut Coppens möglicherweise überAustralopithecus anamensis) die bislang unbekannten ersten Vertreter der GattungHomo. Auf Yves Coppens geht somit die heute allgemein anerkannte Hypothese zurück, dassAustralopithecus robustus infolge einer Anpassung speziell seiner Kauwerkzeuge an eine Kost von härteren Steppengräsern aus den grazilen, frühen Australopithecinen hervorging, während die GattungHomo infolge des zunehmend aufrechten Gangs, des hierdurch bedingten Freiwerdens der Hände für andere Aufgaben als die Fortbewegung und einer schließlich nachfolgenden Vergrößerung ihres Schädelvolumens (und – damit verbunden – des Gehirns) sich mit Hilfe von Werkzeuggebrauch an die veränderten ökologischen Bedingungen Ostafrikas anpasste.
Yves Coppens war 2002 einer der Co-Autoren derErstbeschreibung vonSahelanthropus.[3]
Im Jahr 2002 wurde er auf ausdrücklichen Wunsch des französischen StaatspräsidentenJacques Chirac zum Leiter einer in der Öffentlichkeit alsCommission Coppens bekannt gewordenen Arbeitsgruppe berufen. Deren Aufgabe bestand darin, eine Umwelt-Charta zu erarbeiten um die französische Verfassung mit Vorgaben für denUmweltschutz zu ergänzen. Dieses herausgehobene Ehrenamt sowie mehrere zur Hauptsendezeit im französischen Fernsehen ausgestrahlte Filme zu paläontologischen Themen führten dazu, dass Yves Coppens im Alter von 70 Jahren in seinem Heimatland zum bekanntesten Naturwissenschaftler Frankreichs wurde.
Yves Coppens wurde vielfach geehrt, u. a. mit der Goldmedaille des Kaisers von Äthiopien (1973), demGrand prix Jaffé der Académie des Sciences (1974), demGrand prix scientifique der Fondation de France (1975), demKalinga-Preis derUNESCO (1984) und derCarl Gustaf Bernhard-Medaille der Königlich Schwedischen Akademie der Wissenschaften (1997). Er ist ferner Ehrendoktor der Universitäten vonBologna,Liège,Mons undChicago.
Im Jahr 1985 wurde er Ehrenmitglied(Honorary Fellow) der Royal Society of South Africa.[4] Seit 1988 war er ordentliches Mitglied derAcademia Europaea[5] und seit 1992 assoziiertes Mitglied derAcadémie royale des Sciences, des Lettres et des Beaux-Arts de Belgique.[6] Am 15. Juli 2014 wurde Coppens zum Mitglied derPäpstlichen Akademie der Wissenschaften berufen.[7]
Am 21. März 2008 wurde einAsteroid nach ihm benannt:(172850) Coppens.[8]
Personendaten | |
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NAME | Coppens, Yves |
KURZBESCHREIBUNG | französischer Paläontologe und Paläoanthropologe |
GEBURTSDATUM | 9. August 1934 |
GEBURTSORT | Vannes |
STERBEDATUM | 22. Juni 2022 |