Wudū' (arabisch وضوء,DMGWuḍūʾ;persisch آبدست āb-dast, zusammengesetzt ausāb ‚Wasser‘ unddast ‚Hand‘;türkischabdest) ist die kleine rituelle Waschung imIslam zur Erzielung der rituellen Reinheit(tahāra).
Wie viele Bestandteile desislamischen Ritualrechts unterliegt auch der Wuḍūʾ vielfältigen Kontroversen bezüglich der zugehörigen obligatorischen(farḍ) und freiwilligen (sunna bzw.mandūb) Bestandteile einerseits und der Umstände, die es ungültig werden lassen andererseits(nawaqid). Dies folgt aus der unterschiedlichen Bewertung der Prophetenaussprüche und desKorantextes, deren Argumentationen auf Basis der Regeln derarabischen Sprache geschehen.
Der eigene Zustand der rituellen Reinheit (arab. طهارة, ṭahāra), welcher durch den Wuḍūʾ erreicht wird, ist Voraussetzung für die Gültigkeit desGebets.Dies leitet sich aus denHadithenMohammeds ebenso ab wie aus dem Koran:
„Ihr Gläubigen! Wenn ihr euch zum Gebet aufstellt, dann wascht euch (vorher) das Gesicht und die Hände bis zu den Ellenbogen und streicht euch über den Kopf und (wascht euch) die Füße bis zu den Knöcheln!“
Auf diesen Vers gründet sich der Kern des ritualrechtlich festgelegten Ablaufes der Reinigung, der von allen vier islamischenRechtsschulen anerkannt wird. Je nach Rechtsschule können weitere Pflicht-Bestandteile hinzutreten.
Man verbleibt nach gültigem Wuḍūʾ in diesem Zustand der rituellen Reinheit, bis dieser Zustand aufgehoben wird, beispielsweise durch Stuhlgang, Urinieren, Abgang von Darmgasen, Schlaf u. a. Das heißt, dass nicht notwendigerweise vor jedem nächsten Gebet eine erneute rituelle Reinigung in Form von Wuḍūʾ notwendig ist, solange man sich noch im Zustand der rituellen Reinheit befindet.
DerSchāfiʿital-Ghazālī nennt sechs unabdingbare Bestandteile einer kleinen rituellen Waschung:
Unter gewissen Umständen ist es statthaft, über Kopfbedeckungen wieTurbane und überLedersocken mit feuchten Händen zu streichen (Masah / مسح / ‚Masaḥ‘).[1]Darüber hinaus nennt er 18 empfohlene Elemente, wie das Ausspülen des Mundes, das Überstreichen der Ohren usw. Das Benutzen einesSiwak wird in der Regel gesondert als empfehlenswert behandelt, soll doch Mohammed gesagt haben: „Ein Gebet mit Siwak ist besser als 70 Gebete ohne Siwak.“[2]
Die Notwendigkeit des Wuḍūʾ vor dem Berühren des Koranexemplars (siehe 56:77 ff.) und demUmkreisen der Kaaba während derPilgerfahrt wird von den Rechtsgelehrten im Allgemeinen bejaht.
Über den obligatorischen Gesichtspunkt des Wuḍūʾ hinaus gibt es mannigfaltige Äußerungen über Umstände, für die er empfohlen sei.
Die vorherige Bekundung der Absicht hat Pflichtcharakter bei allen Rechtsschulen außer derhanafitischen. Dies wird zurückgeführt auf den Prophetenausspruch „Die Taten sind entsprechend den Absichten“.[3]
Bedingung beim Berühren einer Person des anderen Geschlechts: Dies geschehe mit einer begehrenden Absicht
DieHanafiten lehnen das Ungültigwerden des Wuḍūʾ durch jegliche Berührungen ab, fügen aber das stimmhafte Lachen im Gebet zu denhadath hinzu.
Bei denMālikiten lässt kurzer, leichter Schlaf den Wuḍūʾ nicht ungültig werden. Bei Berührungen einer Person anderen Geschlechts nehmen sie eine ähnliche Position ein wie die Hanbaliten: Ein lustvoller Gedanke bei der Berührung oder die dahingehende Absicht führen zur Ungültigkeit, ebenso das Berühren des Penis.
Während viele Moscheen undMedersen mit angeschlossenem Gebetssaal der islamischen Welt über Brunnenbecken oder Brunnenschalen verfügen, hat sich in derOsmanischen Architektur die Tradition der aufwändig gestaltetenŞadırvan-Brunnen entwickelt. In wasserarmen Gebieten (z. B. im Süden Marokkos) gab es auch die Möglichkeit einer rituellen Reinigung vor dem Gebet mit Hilfe eines glattpolierten Steines oder trockener Erde bzw. Sand (Tayammum).