Wolfgang Merkel

Wolfgang Merkel (*6. Januar1952 inHof) ist ein deutscherPolitikwissenschaftler.
Er war von 2004 bis zu seinerEmeritierung 2020 Direktor der Abteilung Demokratie und Demokratisierung amWissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung und Professor fürVergleichende Politikwissenschaft und Demokratieforschung an derHumboldt-Universität zu Berlin. Merkel zählt zu den angesehensten Vertretern der Vergleichenden Politikwissenschaft im deutschsprachigen Raum. Er prägte maßgeblich die Forschung zu Demokratisierungsprozessen, Systemwechseln und Systemzusammenbrüchen.
Leben und Werk
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Wolfgang Merkel stammt aus einem fränkisch-protestantischen Elternhaus.[1] Die Mutter ist eine promovierte Germanistin und der Vater Rechtsanwalt. Sein Bruder ist der RechtswissenschaftlerReinhard Merkel.[2] Bereits während seiner Schulzeit galt sein Interesse dem Sport und der Politik. Er wurde bayerischer Juniorenmeister imFünfkampf. Politisch engagierte er sich im „Sozialistischen Schülerkollektiv Hof“ bzw. im „Roten-Fahne-Kreis-Hof“. Er distanzierte sich jedoch bereits nach kurzer Zeit von diesen linksrevolutionären Gruppen. AmHumanistischen Gymnasium legte er 1973 das Abitur ab. Nach dem Wehrdienst nahm er 1974 das Studium der Politischen Wissenschaft, Geschichte und Sport/Sportwissenschaft an derUniversität Heidelberg auf. Er legte 1980 das Staatsexamen in diesen drei Fächern ab. Seine Abschlussarbeit trug den Titel „Inkonsistenz und Ambivalenz der Spätschriften Friedrich Engels“. Den linken Heidelberger Studenten und ihren radikalen Positionen stand Merkel ablehnend gegenüber. BeiKlaus von Beyme begann er 1981 seine Doktorarbeit über die Rolle und den Wandlungsprozess derSozialistischen Partei im politischen System Italiens. Im Jahr 1985 wurde er an der Universität Heidelberg im Fach Politische Wissenschaft promoviert. Von 1985 bis 1989 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter vonClaus Offe an derUniversität Bielefeld und von 1988 bis 1989 am Center for European Studies an derHarvard University. Er wurde 1989 wieder Assistent von Beyme amInstitut für Politische Wissenschaft Heidelberg. Dort habilitierte er sich mit der ArbeitEnde der Sozialdemokratie? Machtressourcen und Regierungspolitik im westeuropäischen Vergleich.
Nach seiner 1992 erfolgtenHabilitation im Fach Politikwissenschaft vertrat er zwischen 1993 und 1994 die Professur für Vergleichende Regierungslehre, Wirtschaft und Gesellschaft an derUniversität Mainz. Im Oktober 1994 wurde er als ordentlicher Professor auf diesen Lehrstuhl berufen. Zwischen 1997 und 1998 war er Geschäftsführender Direktor des Instituts für Politische Wissenschaft an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz.
Im Jahr 1999 wechselte Merkel an das Institut für Politische Wissenschaft der Universität Heidelberg und übernahm vonManfred G. Schmidt den Friedrich-Lehrstuhl. Er war bis 2001 dessen Geschäftsführender Direktor. Ab 2002 war er parteiloses Mitglied im ständigen Berater- und Expertenkreis des Ministerpräsidenten vonRheinland-Pfalz,Kurt Beck. Von 2004 bis zu seiner Emeritierung 2020 war er Direktor der Abteilung „Demokratie: Strukturen, Leistungsprofil und Herausforderungen“ am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung und Professor für Politikwissenschaft amInstitut für Sozialwissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin.
Merkel wurde außerdem als Gutachter tätig für dieFritz Thyssen Stiftung, dieDeutsche Forschungsgemeinschaft, dieVolkswagenStiftung, dieBertelsmann Stiftung, dieStudienstiftung des deutschen Volkes, denDeutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) und war Gutachter bzw.Beirat für verschiedene in- und ausländischeFachzeitschriften.[3]
Merkel zählt nebenRoland Sturm zu den führenden Vertretern der vergleichenden Regierungslehre.[4] Merkel beschäftigt sich innerhalb der Vergleichenden Politikwissenschaft thematisch mitDemokratisierungs- undTransformationstheorien. Sein Hauptarbeitsgebiet ist die Demokratieforschung, die sich in Systemtransformation, Sozialdemokratie und Herausforderungen der Demokratie unterteilt. Mit seiner DarstellungSystemtransformation legte er ein Standardwerk vor. Er formulierte mitHans-Jürgen Puhle undAurel Croissant den BegriffDefekte Demokratie und arbeitete ihn weiter aus.
Merkel war im Frühjahr 2002 Gastprofessor am Instituto Juan March in Madrid und an derUniversität Sydney. Im Zeitraum von 2002 bis 2009 hatte er Gastprofessuren amInstituto Universitario de Investigación Ortega y Gasset in Madrid.
Ehrungen und Mitgliedschaften
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Für seine Forschungen wurden Merkel zahlreiche wissenschaftliche Ehrungen und Mitgliedschaften zugesprochen. Im Januar 1996 erhielt Merkel einen ersten Preis derFritz Thyssen Stiftung für den Artikel „Restriktionen und Chancen demokratischer Konsolidierung in post-kommunistischen Gesellschaften Ostmitteleuropas im Vergleich“.[5]
Seit 1998 ist Merkel parteiloses Vollmitglied derGrundwertekommission der SPD. Seit Dezember 2007 ist er ordentliches Mitglied der sozialwissenschaftlichen Klasse derBerlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften.[6] Er wurde in den wissenschaftlichen Beirat und in die Universitätskommission der Universität Heidelberg berufen (2006–2012).
Im März 2010 wurde Merkel der „Frank Cass Prize“ für den Beitrag „Democracy through War?“ verliehen, für den besten Artikel in der Zeitschrift „Democratization“ des Jahres 2008. Anlässlich seines 65. Geburtstages wurde ihm eine Festschrift gewidmet. Merkel ist Mitglied im Beirat desBertelsmann Transformation Index.[7]
Positionen
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Wolfgang Merkel ist Erstunterzeichner des „Offenen Briefs an Kanzler Olaf Scholz“ vom 29. April 2022, der sich gegen die Lieferung weiterer schwerer Waffen an die Ukraine ausspricht, aus Sorge vor einemDritten Weltkrieg im Kontext desrussischen Überfalls auf die Ukraine 2022.[8] Diese Position verteidigte er auch vehement im Februar 2023 in der TalksendungMarkus Lanz und imSpiegel-Streitgespräch mit der PolitikwissenschaftlerinClaudia Major vom 1. Juni 2023.[9] Merkel formulierte in beiden Formaten die Prognose: „Der Ukraine werden nicht die Waffen ausgehen, der Ukraine werden die Menschen ausgehen.“[10]
Schriften (Auswahl)
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Im Zwielicht. Zerbrechlichkeit und Resilienz der Demokratie im 21. Jahrhundert. Campus, Frankfurt am Main 2023,ISBN 978-3-593-51780-3.
- Systemtransformation. Eine Einführung in die Theorie und Empirie der Transformationsforschung. 2., überarbeitete und erweiterte Auflage. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2010,ISBN 978-3-531-14559-4.
- Die Reformfähigkeit der Sozialdemokratie. Herausforderungen und Bilanz der Regierungspolitik in Westeuropa. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2006,ISBN 3-531-14750-1.
- Demokratie in Asien. Ein Kontinent zwischen Diktatur und Demokratie. Dietz, Bonn 2003,ISBN 3-8012-0330-1.
- Defekte Demokratie. Zwei Bände. Springer, Wiesbaden 2003
- mit Hans-Jürgen Puhle:Von der Diktatur zur Demokratie. Transformationen, Erfolgsbedingungen, Entwicklungspfade. Westdeutscher Verlag, Opladen 1999,ISBN 978-3-531-13353-9.
- Ende der Sozialdemokratie? Machtressourcen und Regierungspolitik im westeuropäischen Vergleich (=Theorie und Gesellschaft. Bd. 30). Campus-Verlag, Frankfurt am Main 1993,ISBN 3-593-34975-2.
Literatur
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Aurel Croissant, Sascha Kneip, Alexander Petring (Hrsg.):Demokratie, Diktatur, Gerechtigkeit. Festschrift für Wolfgang Merkel. Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, Wiesbaden, 2017,ISBN 978-3-658-16089-0.
- EintragWolfgang Merkel. In: Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften [vormals Preußische Akademie der Wissenschaften], Jahrbuch 2007, Berlin 2008, S. 68–69 (online).
Weblinks
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Literatur von und über Wolfgang Merkel im Katalog derDeutschen Nationalbibliothek
- Seite von Merkel an der Humboldt-Universität zu Berlin
- Seite von Merkel am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB)
Anmerkungen
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- ↑Aurel Croissant, Sascha Kneip, Alexander Petring:Einleitung. In: Dies. (Hrsg.):Demokratie, Diktatur, Gerechtigkeit. Festschrift für Wolfgang Merkel. Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, Wiesbaden, 2017, S. 1–37, hier: S. 3.
- ↑Hannah Bethke:Grenzen des Rechts. Dem Strafrechtler Reinhard Merkel zum Siebzigsten. In:Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11. April 2020, Nr. 86, S. 14.
- ↑Stipendien, Preise, Forschungsprojekte, Gutachtertätigkeit, Humboldt-Universität zu Berlin, abgerufen am 10. Juli 2020.
- ↑Eckhard Jesse:Politikwissenschaft. In: Rüdiger Voigt (Hrsg.):Handbuch Staat. Wiesbaden 2018, Bd. 1, S. 89–99, hier: S. 95.
- ↑Wolfgang Merkel:Restriktionen und Chancen demokratischer Konsolidierung in postkommunistischen Gesellschaften: Ostmitteleuropa im Vergleich. In:Berliner Journal für Soziologie 4, 1994, S. 463–484 (online)
- ↑Zuwahlen Prof. Dr. Wolfgang Merkel geb. am 6. Januar 1952 in Hof. In:Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften Jahrbuch 2007, Berlin 2008, S. 68 (online).
- ↑Beirat. In: Bertelsmann Transformation Index. Bertelsmann Stiftung, abgerufen am 16. Februar 2023.
- ↑Offener Brief an Kanzler Olaf Scholz,Online auf www.emma.de, zuletzt abgerufen am 30. April 2022.
- ↑»Russland militärisch so unter Druck setzen, dass es im Aufhören mehr Erfolg sieht als im Weitermachen« aufSpiegel.de vom 1. Juni 2023.
- ↑„Ukraine werden die Menschen ausgehen“: Politologe rügt bei „Lanz“ Waffenkurs - und erntet Gegenwind aufMerkur.de vom 9. Februar 2023.
Personendaten | |
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NAME | Merkel, Wolfgang |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Politikwissenschaftler |
GEBURTSDATUM | 6. Januar 1952 |
GEBURTSORT | Hof (Saale) |
- Politikwissenschaftler
- Hochschullehrer (Humboldt-Universität zu Berlin)
- Hochschullehrer (Johannes Gutenberg-Universität Mainz)
- Hochschullehrer (Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg)
- Absolvent der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
- Träger des Bundesverdienstkreuzes am Bande
- Mitglied der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften
- Deutscher
- Geboren 1952
- Mann