Willy Haas – Sohn eines jüdischen Anwalts – studierte Rechtswissenschaften und war bereits in jungen Jahren mitFranz Werfel,Paul Kornfeld undJohannes Urzidil befreundet und hatte persönlichen Umgang mitFranz Kafka undMax Brod, wodurch sein nachhaltiges Interesse für Literatur geweckt wurde. Zu diesem Kreis, der sich im PragerCafé Arco traf, zählte auchErnst Polak, der Ehemann vonMilena Jesenská.
Von 1911 bis 1912 erschien in Prag im Verlag der Johann-Gottfried-Herder-Vereinigung ein Jahrgang derHerder-Blätter, deren Herausgeber Willy Haas und Norbert Eisler waren. An den letzten beiden Heften (Nr. 4 u. 5) hatOtto Pick mitgearbeitet.[1] In denHerder-Blättern haben viele literarische Freunde erstmals veröffentlicht und Willy Haas selbst verfasste Essays für sie.
Als 1933 seine Berliner Wohnung mehrfach durchsucht wurde, emigrierte er nach Prag, wo er als Zeitungsredakteur, unter anderem für diePrager Presse arbeitete. Die von ihm selbst in Prag gegründete literarische ZeitschriftWelt im Wort musste aus finanziellen Gründen ihr Erscheinen bald einstellen. Nach der deutschen Besetzung Prags 1939 ging er zunächst nachItalien und von dort nachIndien, wo er als Drehbuchautor für mindestens zwei indische Filme vonMohan Bhavnani tätig war.[3][4] Ein regelmäßiges Einkommen erwirtschaftete er zudem mit einer Tätigkeit als Zensor für die britische Armee in Indien. Nach Kriegsende übersiedelte er 1948 nach Deutschland und lebte in Hamburg. Dort war er unter anderem fürDie Welt undWelt am Sonntag sowie für andere Zeitungen, Zeitschriften und den Rundfunk aktiv. Mit seiner Tätigkeit fürDie Welt undWelt am Sonntag wollte er dazu beitragen, „die Einheit des deutschen Schrifttums wiederherzustellen“.[5]
Willy Haas war 1919 bis 1921 mit der Übersetzerin Jarmila Ambrožová, von 1924 bis 1936 mit Hanna Waldeck (ein Sohn, * 1925) und ab 1947 mit der promovierten Historikerin, Frauenrechtlerin und ÜbersetzerinHerta Doctor[6] verheiratet. Diese wurde später für ihren Kampf gegenWeibliche Genitalverstümmelung bekannt.[7][8]Am 4. September 1973 starb er im Alter von 82 Jahren in Hamburg. Willy Haas und seine Ehefrau Herta wurden auf demOhlsdorfer Friedhof in Hamburg im Planquadrat AD 5 südwestlich von Kapelle 8 beigesetzt.[9]
Beimcinefest – Internationales Festival des deutschen Film-Erbes wird seit 2004 alljährlich durch eine internationale Jury derWilly Haas-Preis für je eine bedeutende Publikation zum deutschsprachigen Film bzw. zum Film in Deutschland in den Kategorien Buch und DVD vergeben.
Herder-Blätter, J.G.Herder-Vereinigung zu Prag, 1911. Faksimilie-Ausgabe im Auftrag der Freien Akademie der Künste in Hamburg zum 70. Geburtstag von Willy Haas (7. Juni 1961), 1962.
Das Spiel mit dem Feuer. Prosaschriften. VerlagDie Schmiede, Berlin 1923.
Gestalten der Zeit. Kiepenheuer, Berlin 1930.
Marx und Lenin. Notizen zu zwei neuen Monumentalausgaben. In:Die Literarische Welt. Heft 7, 1932.
Die literarische Welt. Erinnerungen. List, München 1957, ungekürzte Ausgabe, als:Die literarische Welt. Lebenserinnerungen (=Fischer-Taschenbücher 5607). Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main 1983,ISBN 3-596-25607-0.
mit Rolf Italiaander:Berliner Cocktail, Beiträge von Hedda Adlon [u. a.]. Zscolnay, Hamburg 1957, 1959, 1965, 1967, 1974,ISBN 3-552-02633-9.
Bert Brecht (=Köpfe des XX. Jahrhunderts. Band 7,ISSN0454-1383). Colloquium Verlag, Berlin 1958; 6. Auflage. ebenda 1989,ISBN 3-7678-0764-5.
Fragmente eines Lebens. Eckhardt, Hommerich u. a. 1960.
Gestalten. Essays zur Literatur und Gesellschaft. Propyläen-Verlag, Berlin u. a. 1962.
Nobelpreisträger der Literatur. Ein Kapitel Weltliteratur des 20. Jahrhunderts (=Forum imaginum. Band 1,ZDB-ID 503597-1). Moos, Heidelberg 1962; 2., erweiterte Auflage mit bibliographischem Anhang. Moos, München 1963.
Hugo von Hofmannsthal (=Köpfe des XX. Jahrhunderts. Band 34). Colloquium-Verlag, Berlin 1964.
Über die Fremdlinge-Vier weltliche Erbauungsreden, Freie Akademie der Künste in Hamburg, 1966.
Die Belle Epoque, Verlag Kurt Desch, München, 1967.
Rolf Italiaander (Hrsg.),Rosemarie Clausen (Photo):Herder-Blätter. Faksimile-Ausgabe zum 70. Geburtstag von Willy Haas. Freie Akademie der Künste, Hamburg 1962,DNB451967658 (Nachdruck der Zeitschrift, die von Willy Haas und Norbert Eisler in Prag, April 1911 bis Oktober 1912, herausgegeben wurde, vgl.ZDB-ID 281688-x).
HMB:Willy Haas – Filmkritiker, Drehbuchautor. In:Hans-Michael Bock (Hrsg.):CineGraph. Lexikon zum deutschsprachigen Film. Loseblattausgabe, Lieferung 3:G – J, edition text + kritik, München 1985,DNB840832729.
Luisa Valentini:Willy Haas. Der Zeuge einer Epoche (=Europäische Hochschulschriften. Reihe 1:Deutsche Sprache und Literatur. Band 909). Lang, Frankfurt am Main u. a. 1986,ISBN 3-8204-9307-7.
Pascale Avenel:Willy Haas et le périodique „Die literarische Welt“ 1925–1933. Presses Universitaires du Septentrion, Villeneuve d’Ascq 1997,ISBN 2-284-00204-8 (ZugleichDissertationUniversität Lille 1995).
Christoph von Ungern-Sternberg:Haas, Willy. In: Kirsten Hiensohn (Hrsg.):Das jüdische Hamburg. Ein historisches Nachschlagewerk. Wallstein, Göttingen 2006, S. 102,ISBN 3-8353-0004-0.
Christoph von Ungern-Sternberg:Willy Haas 1891–1973. „Ein grosser Regisseur der Literatur“. edition text + kritik, München 2007,ISBN 978-3-88377-858-7 (Zugleich Dissertation Humboldt-Universität Berlin 2006).
Christina Prüver:Willy Haas und das Feuilleton der Tageszeitung „Die Welt“ (=Epistemata. ReiheLiteraturwissenschaft, Band 614). Königshausen & Neumann, Würzburg 2007,ISBN 978-3-8260-3680-4 (Zugleich Dissertation Humboldt-Universität Berlin 2007).
Jyoti Sabharwal:Willy Haas: die Begegnung mit Indien als Exilort (=Europäische Hochschulschriften, Reihe 1,Deutsche Sprache und Literatur, Band 2039). PL[10] Academic Research, Frankfurt am Main 2013,ISBN 978-3-631-64107-1 (DissertationJawaharlal Nehru University,Delhi 2011, 141 Seiten).[11]
Kay Weniger:‘Es wird im Leben dir mehr genommen als gegeben …’. Lexikon der aus Deutschland und Österreich emigrierten Filmschaffenden 1933 bis 1945. Eine Gesamtübersicht. ACABUS-Verlag, Hamburg 2011,ISBN 978-3-86282-049-8, S. 225 f.
Klaus G. Saur:Haas, Willy. In: Karin Peter, Gabriele Bartelt-Kircher, Anita Schröder (Hrsg.):Zeitungen und andere Drucksachen. Die Bestände des Dortmunder Instituts für Zeitungsforschung als Quelle und Gegenstand der Forschung. Klartext-Verlag, Essen 2014,ISBN 978-3-8375-1015-7, S. 463f.
↑Rudolf M. Wlaschek:Juden in Böhmen. Beiträge zur Geschichte des europäischen Judentums im 19. und 20. Jahrhundert. (=Veröffentlichungen des Collegium Carolinum. Bd. 66). 2., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Oldenbourg, München 1997,ISBN 3-486-56283-5, S. 41.
↑Zitiert nach Christoph von Ungern-Sternberg:Haas, Willy. In: Kirsten Hiensohn (Hrsg.):Das jüdische Hamburg. 2006, S. 102.
↑Haas, Herta. In:Ernst Fischer:Verleger, Buchhändler & Antiquare aus Deutschland und Österreich in der Emigration nach 1933: Ein biographisches Handbuch. Elbingen: Verband Deutscher Antiquare, 2011, S. 115
↑Christoph V. Ungern-sternberg:Aus dem Gedächtnis: Herta Haas zum 100. In:Die Welt. 11. Oktober 2007 (welt.de [abgerufen am 9. April 2021]).