

Wilhelm Iwan Friederich August von Gloeden (*18. September1856 inVolkshagen; †16. Februar1931 inTaormina) war eindeutscherFotograf, der hauptsächlich inSizilien arbeitete. Er gilt als einer der Pioniere künstlerischerAktfotografie. Berühmt wurde er durch seine Akte sizilianischer Knaben mit antikisierenden Requisiten und Kostümen, die einearkadische Antike suggerieren.Et in Arcadia ego („Auch ich war in Arkadien“) war zu Lebzeiten von Gloeden ein geflügeltes Wort und gab im 21. Jahrhundert einer Ausstellung über sein Werk den Namen.
Aus moderner Sicht ist sein Werk durch die kontrollierte Nutzung von Beleuchtung sowie die häufig eleganten Posen seiner Modelle bedeutungsvoll. Er war zudem der erste Fotograf, der mit Körperschminke (einer Mischung aus Milch, Olivenöl undGlycerin) arbeitete, um die unreine Haut der stets arbeitenden Knaben zu kaschieren.

Wilhelm von Gloeden behauptete, Sohn eines Offiziers und Barons ausMecklenburg zu sein und gab als Geburtsort ein„Schloss Volkshagen beiWismar“ an.[1] Diese Angaben werden in vielen biographischen Texten über von Gloeden wiedergegeben. Anhaltspunkte gibt es jedoch weder für den Barontitel, noch für die Tätigkeit seines Vaters als Offizier, ebenso wenig für die Existenz eines Schlosses Volkshagen bei Wismar.
Von Gloeden stammte aus einem mecklenburgischen Zweig desAdelsgeschlechtsvon Gloeden. Sein Großvater, Iwan von Glöden († 1825), war Offizier und stand während der Befreiungskriege gegen Napoleon in Hamburger Diensten. Sein Vater, Hermann von Gloeden (1820–1862), wurde 1851 Förster in Volkshagen (heuteVölkshagen, beiMarlow östlich vonRostock)[2] und 1856 zum Forstinspektor inDargun berufen.[3] Seine Mutter, Charlotte, geb. Maaßen, war vorher in erster Ehe mit Johann Magnus Wilhelm Raabe († 1848) verheiratet gewesen. Der RechtsprofessorFriedrich Maassen und derParchimer BürgermeisterAugust Drechsler waren Onkel mütterlicherseits, der Jurist und konservative PublizistIwan von Gloeden war ein Onkel väterlicherseits. Am 10. Oktober 1856 wurde Wilhelm von Gloeden in derKirche von Blankenhagen getauft.
Nach dem Tode seines Vaters heiratete seine Mutter 1864 in dritter EheWilhelm Joachim von Hammerstein. Das Verhältnis zu seinem Stiefvater beschreibt von Gloeden als nicht gut.[1] Wichtigster familiärer Bezugspunkt war für ihn seine Halbschwester Sophie Raabe aus der ersten Ehe der Mutter, die ihn jahrelang in Sizilien begleitete.[1]
Von Gloeden studierte Kunstgeschichte und Malerei und pflegte eine leidenschaftliche Liebe zum Theater. Ein schweres Lungenleiden führte dazu, dass er des Klimas wegen 1876 nachTaormina inSizilien übersiedelte. Hier schloss er Freundschaft mit dem Bürgermeister von Taormina, dem deutschen MalerOtto Geleng. Dies und sein im Vergleich zur damals äußerst armen Bevölkerung Süditaliens beträchtlicher Reichtum mögen erklären, warum seineHomosexualität und deren offensichtliche Ausprägung in seiner Arbeit von den Einheimischen toleriert wurde.

Gloeden seinerseits fand sich in einem Italien, das ein mythisches Ideal der Antike wieder aufleben ließ: „Die Lektüre von Homer, von Theokrits Gedichten in Sizilien regten meine Phantasie an. Felsen und Meer, Berge und Täler erzählten mir von arkadischen Hirten und vom Poliphem“. Auch das unverkrampfte Verhältnis der Bevölkerung zur Nacktheit (damals waren Kinder oft nackt in der Öffentlichkeit zu sehen) mag für ihn eine Erlösung von der deutschen Körperfeindlichkeit und Prüderie gewesen sein.
Neben den Knabenakten, mit denen Gloeden 1880 begann, fertigte er auchPorträtstudien der örtlichen Landarbeiter und fotografierte Landschaften. Als seine Familie in den 1890ern durch dieHammerstein-Affäre in finanzielle Not geriet, wurde aus seiner Liebhaberei ein Beruf. Bereits eine lokale Berühmtheit in der Gegend von Taormina, wurde seine Arbeit durch verschiedene Ausstellungen (London und Berlin) schnell in ganz Europa populär.
Sein Atelier fand Erwähnung imBaedeker, was dazu führte, dass Größen wie z. B.Oscar Wilde, der „Kanonenkönig“Friedrich Alfred Krupp,Richard Strauss und der deutsche KaiserWilhelm II. nach Taormina reisten. Etwa um die Jahrhundertwende begann auch das Geschäft mit Postkarten, das weiter zur Berühmtheit Gloedens beitrug. Der Großteil von Gloedens Werk stammt aus der Zeit bis zum Beginn desErsten Weltkriegs. Während des Krieges musste er das Land verlassen, nach seiner Rückkehr 1918 fotografierte er nur noch äußerst wenig. Bei seinem Tod hinterließ Gloeden sein Werk seinem Assistenten Pancrazio Buciunì (der Name taucht verschiedentlich verderbt als Bucinì oder Bucini auf).

Zum Zeitpunkt seiner Ankunft in Taormina war Gloeden noch Hobbyfotograf und dürfte seine ersten fotografischen Kenntnisse von seinem VetterGuglielmo Plüschow erworben haben. Plüschow war bereits inRom als etablierter Fotograf tätig und führte Gloeden dabei sicherlich auch in die Aktfotografie ein.
Mit dieser Kenntnis ausgestattet, von der Landschaft, der historischen Umgebung und der Bevölkerung fasziniert, begann Gloeden sehr rasch, seine Eindrücke fotografisch festzuhalten. Durch dieses Interesse gewann er Kontakt zum ortsansässigen FotografenGiovanni Crupi, der durch seine Ausrüstung und Erfahrung Gloeden weit voraus war. Diesem intensiven Kontakt verdankt Gloeden viel von seinem fototechnischen Wissen, wodurch auch Crupi oft als „Lehrer“ von Gloeden bezeichnet wird. Sicherlich gab es auch eine Reihe gegenseitiger Beeinflussungen, was die Auswahl der Motive betraf. So zeigen die frühen Aufnahmen von Crupi beispielsweise griechische Tempelanlagen in Taormina mit fast zufällig wirkenden ortsansässigen Personen als Attribute. Dieses Thema hat Gloeden aufgegriffen, konzentrierte sich aber zunehmend auf die Menschen und ließ die historische Umgebung als romantische Kulisse im Hintergrund verschwinden.
Durch diese Tätigkeit gewann er Kontakt zur verarmten ortsansässigen Bevölkerung, zeigte sich gleichzeitig an deren ärmlicher Lebenssituation interessiert und versuchte zu helfen. Dieses Interesse am Schicksal der Menschen brach Gloeden zeit seines Lebens nie ab. So richtete er später auch Konten für seine Fotomodelle ein, auf die ein Teil des Gewinnes durch Postkarten und Abzüge eingezahlt wurde.
In der heutigen Literatur zu Gloeden geht sein fotografisches Frühwerk über Landschaft und Bevölkerung Siziliens durch das heutige Interesse an seinen Aktfotografien unter, doch haben gerade diese frühen Aufnahmen das internationale Interesse an seinen Arbeiten und an Taormina als Touristenziel geweckt. Sein soziales Interesse und der Aufschwung von Taormina als Touristenziel verstärkten seine lokale Position und er gewann das tiefe Vertrauen der Bevölkerung.
Gloeden arbeitete ausschließlich mitPlattenkameras, die eine lange Belichtungszeit erforderten. Das bedeutet, dass seine Fotografien sorgfältig inszeniert werden mussten. Dies mag zu der großen, fast archaischen Ruhe beigetragen haben, die seine Fotografien oft ausstrahlen. Er war einer der ersten Fotografen, die Aktaufnahmen im Freien machten, was erst um die Jahrhundertwende populär wurde. Das verwendeteKollodiumverfahren erforderte, dass die Glasplatte sofort am Ort bearbeitet werden musste, so dass Gloeden eine Art mobileDunkelkammer mitführte. Gloeden hinterließ etwa 3.000 Fotografien, von denen der größte Teil von der faschistischen Polizei unterMussolini wegen des Vorwurfs der Pornografie vernichtet wurde. Heute findet sich ein Teil seiner Arbeiten in süditalienischen Museen, der Großteil jedoch dürfte bei privaten Sammlern untergekommen sein, über einen größeren Bestand verfügt das Archiv derBerliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte in Berlin.

In den 1960er Jahren wurde Gloeden im Zuge dersexuellen Revolution wiederentdeckt. Seine Fotografien wurden unter anderem 1977 auf derdocumenta 6 inKassel ausgestellt. Künstler wieRobert Mapplethorpe,Cecil Beaton,Andy Warhol undBruce Weber schätzten und sammelten seine Fotografien. 1978 fertigte der KünstlerJoseph Beuys einMultiple unter dem Titel„von Gloeden-Postkarten“, bestehend aus 13 mit Bleistiftzeichnung versehenen, signierten und nummerierten Postkarten mit Motiven von Fotografien von Gloeden an, das von den EdizioniLucio Amelio in Neapel herausgegeben wurde.[4]
Ein Gutteil der schwulen Nachkriegsfotografie zeigt den Einfluss Gloedens. Bis heute führen Ausstellungen seiner Werke zu Irritationen und Auseinandersetzungen. So warf beispielsweise 2008 das Jugendamt Memmingen zur Eröffnung der Gloeden-Schau inMemmingen dem Kulturamt einen zu sorglosen Umgang mit dem Thema „Knabenliebe“ und einem Künstler vor, der das gleiche tue, was „heutzutage Pädophile undPäderasten in Thailand und Kambodscha tun“ (siehe auchSextourismus). Kunsthallen-ChefJoseph Kiermeier-Debre nannte diese Anschuldigungen ungerechtfertigt und teilweise „infam“. Bundesweit stieß die Schau auf großes Interesse.[5]
InTaormina trägt eine Straße seinen Namen: Via Wilhelm Von Gloden (sic).
| Personendaten | |
|---|---|
| NAME | Gloeden, Wilhelm von |
| ALTERNATIVNAMEN | Gloeden, Wilhelm Iwan Friederich August von (vollständiger Name) |
| KURZBESCHREIBUNG | deutscher Fotograf |
| GEBURTSDATUM | 18. September 1856 |
| GEBURTSORT | Volkshagen |
| STERBEDATUM | 16. Februar 1931 |
| STERBEORT | Taormina |