Wilhelm Cuno im Januar 1919Wilhelm Cuno ist auf der Ehrentafel ehemaliger Schüler des Gymnasiums Theodorianum in Paderborn genannt. (Rechte Seite, Vierter von oben)
Carl Josef Wilhelm Cuno (*2. Juli1876 inSuhl; †3. Januar1933 inAumühle) war ein deutscher Geschäftsmann und parteiloser Politiker. Er war vom 22. November 1922 bis 12. August 1923 deutscherReichskanzler. Cuno vertratkonservative undwirtschaftsliberale Ansichten. Er war Direktor derHAPAG und als Wirtschaftsvertreter bei zahlreichen Konferenzen und Gremien vertreten.
Anschließend sammelte er bei verschiedenen Landgerichten Erfahrung. 1906 heiratete er die Hamburger Kaufmannstochter Martha Wirtz (* 1879). Ein Jahr darauf trat er als Regierungsassessor in die Beamtenlaufbahn ein. Als Beamter imReichsschatzamt unterHermann von Stengel erarbeitete Cuno Gesetzentwürfe, die er in Ausschüssen desReichstages vertrat. ImErsten Weltkrieg wurde er, mittlerweile zumGeheimen Regierungsrat aufgestiegen, vom Fronteinsatz freigestellt. Stattdessen leitete er bis Juli 1916 dieReichsgetreidestelle, war danach kurzzeitig Abteilungsleiter imKriegsernährungsamt und seit Ende 1916 Leiter des Generalreferats für kriegswirtschaftliche Fragen. Dort war eines seiner Hauptarbeitsfelder dasGesetz über die Wiederherstellung der deutschenHandelsflotte, wodurch er die Bekanntschaft des Generaldirektors derHAPAG,Albert Ballin, machte. Ballin berief ihn ins Direktorium der HAPAG. Am 9. November 1918 beging Ballin, ein enger Vertrauter KaiserWilhelms II., aus Verzweiflung über dieNovemberrevolutionSuizid. Wilhelm Cuno trat am 20. Dezember 1918 Ballins Nachfolge als Generaldirektor der HAPAG an.
Die gesamte deutsche Schifffahrt war nach Ende des Weltkrieges in schwieriger Lage, weil viele ihrer Schiffe zu Schaden gekommen waren. Zudem beschlossen dieEntente-Mächte auf derPariser Friedenskonferenz 1919, wo Cuno als Wirtschaftssachverständiger tätig war, die Enteignung der deutschen Handelsflotte alsReparationsleistung. Ein Jahr später gelang Cuno ein Kooperationsvertrag mit denUnited American Lines, was den Wiederaufstieg der HAPAG ermöglichte.
Die bürgerlichen Parteien traten in dieser Zeit mehrfach an denwertkonservativen Wirtschaftsführer heran, der sich schließlich zum Beitritt in dieDeutsche Volkspartei entschloss. Als diese seines Erachtens imKapp-Putsch eine uneindeutige Haltung einnahm, trat er aus der DVP aus und blieb fortan parteilos. ReichskanzlerConstantin Fehrenbach bot ihm 1920 das Finanzressort an, was Cuno ebenso ablehnte wie 1921 das Außenressort. Als Sachverständiger nahm er jedoch an derKonferenz von Genua teil. Von der Gründung im Juni 1922 bis zu seiner Ernennung zum Reichskanzler war Cuno Präsident desÜbersee-Clubs in Hamburg, der denFreihandel förderte.
Cuno (links) mit Reichspräsident Ebert bei der Verfassungsfeier vor dem Reichstag (1923)
Nach dem Rücktritt des ReichskanzlersJoseph Wirth am 14. November 1922 bildete Cuno ein der politischen Mitte zuzuordnendes „Kabinett der Wirtschaft“, das von einer parlamentarischen Minderheit ausZentrumspartei, Deutscher Demokratischer Partei, Deutscher Volkspartei undBayerischer Volkspartei gestützt wurde.[2] Am 22. November 1922 wurde er von ReichspräsidentFriedrich Ebert zum Reichskanzler ernannt.[3] Dieser Schritt erfolgte ohne parlamentarische Absprache oder Wahl, weshalb man ihn als den erstenPräsidialkanzler betrachtet.[4] Mit diesem Schritt wollte Ebert mehrere Ziele erreichen: Die parteiliche Ungebundenheit Cunos sollte die politischen Wogen glätten und gleichzeitig die Finanzkrise des Reiches überwinden. Darüber hinaus verfügte der neue Kanzler über einflussreiche Kontakte in dieUSA, die die Lösung der Reparationsfrage begünstigen sollten.
Sein Versuch, die im Januar 1923 erfolgtebelgisch-französische Besetzung desRuhrgebiets, die der Eintreibung der Reparationsforderungen dienen sollte, durch passiven Widerstand zu bekämpfen, scheiterte daran, dass der Staatshaushalt durch die Ausgleichszahlungen für dieRuhrbesetzung überfordert war. Zudem nahm dieDeutsche Inflation 1914 bis 1923 durch dieHyperinflation ein ungekanntes Ausmaß an. Es kam mit denCuno-Streiks im August 1923 zu massiven Protesten gegen die Regierung. Weil die Reichstagsmehrheit ein neues Kabinett forderte, trat er am 12. August 1923 nach neunmonatiger Amtszeit als Reichskanzler mit seinem Minderheitskabinett zurück.
Trauerzug für Wilhelm Cuno auf dem Ohlsdorfer Friedhof in HamburgKissensteinWilhelm Cuno auf dem Familiengrab auf demFriedhof Ohlsdorf
Nach seinem Rücktritt war Cuno Mitglied des Aufsichtsrats der HAPAG. 1925 wurde er als Kandidat bei derReichspräsidentenwahl gehandelt. Da er selbst die KandidaturPaul von Hindenburgs unterstützte, fand eine Aufstellung zur Wahl nicht statt. 1927 übernahm er erneut die Leitung der HAPAG. Im selben Jahr gründete er den erstenRotary Club Deutschlands inHamburg und wurde zu dessen ersten Vorsitzenden gewählt. 1930 war Cuno maßgeblich an den Verhandlungen zur Freigabe des deutschen Vermögens in den USA beteiligt. Für seine Firma erreichte er einen Unionsvertrag mit der zweitgrößten deutschenReederei, demNorddeutschen Lloyd.
Versuche der DVP, ihn zum Wiedereintritt zu bewegen, scheiterten. 1932 beteiligte er sich an der Gründung desKeppler-Kreises, der dieNSDAP in wirtschaftlichen Fragen beriet.[5] Einem Aufruf führender deutscher Industrieller an Reichspräsident Hindenburg,Adolf Hitler zum Reichskanzler zu ernennen, verweigerte Cuno aber seine Unterschrift. Er sah die Lösung der parlamentarischen Krise in einer überparteilichen Regierung.
Wilhelm Cuno starb 56-jährig an den Folgen eines Herzinfarktes.
Sein Bruder Ludwig (1881–1949) wurde 1923 auf Wunsch der Regierung zum Breslauer Domherrn ernannt.[6]
Wilhelm Cuno wurde auf demOhlsdorfer Friedhof in Hamburg im Planquadrat Z 16 östlich vomNordteich und nördlich derWaldstraße beigesetzt.[7]
Wilhelm Ersil:Aktioneinheit stürzt Cuno. Zur Geschichte des Massenkampfes gegen die Cuno-Regierung 1923 in Mitteldeutschland. Dietz Verlag, Berlin 1963.
Hermann-Josef Rupieper:Wilhelm Cuno. In: Wilhelm von Sternburg (Hrsg.):Die deutschen Kanzler. Von Bismarck bis Schmidt. Königstein/Taunus 1985, S. 231–242.
↑Wilhelm Cuno. In: Die Reichskanzler der Weimarer Republik. Bundesarchiv, archiviert vom Original am 29. September 2017; abgerufen am 6. Oktober 2017.
↑Otto Meissner:Staatssekretär unter Ebert, Hindenburg, Hitler. Der Schicksalsweg des Deutschen Volkes von 1918–1945, wie ich ihn erlebte. 3. Auflage. Hoffmann und Campe, Hamburg 1950, S. 187.
↑Christof Brauers:Die FDP in Hamburg 1945 bis 1953. Start als bürgerliche Linkspartei. Martin Meidenbauer Verlagsbuchhandlung, München 2007,ISBN 978-3-89975-569-5 (Vereinigung Demokratische Offenheit. DemOkrit 3; zugleich: Hamburg, Helmut-Schmidt-Univ., Diss., 2004), S. 85, Fn. 142.
↑J. Negwer:Ludwig Cuno. In:Schlesische Priesterbilder, S. 148–152.