Wieluń
Wieluń | ||
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![]() | ||
Basisdaten | ||
Staat: | Polen | |
Woiwodschaft: | Łódź | |
Powiat: | Wieluń | |
Gmina: | Wieluń | |
Fläche: | 16,90 km² | |
Geographische Lage: | 51° 13′ N,18° 34′ O51.21666666666718.566666666667Koordinaten:51° 13′ 0″ N,18° 34′ 0″ O | |
Einwohner: | 22.973(31. Dez. 2016) | |
Postleitzahl: | 98-300 | |
Telefonvorwahl: | (+48) 43 | |
Kfz-Kennzeichen: | EWI | |
Wirtschaft und Verkehr | ||
Straße: | DK 8/E 67Breslau−Warschau | |
DK 45 | ||
DK43 | ||
Eisenbahn: | Herby–Oleśnica | |
Nächster int.Flughafen: | Flughafen Łódź |
Wieluń [ˈvʲɛluɲ] (deutschWelun, älter auchVielin[1]) ist eine Stadt inPolen. Sie ist Sitz desPowiat Wieluński und dergleichnamigen Stadt- und Landgemeinde in derWoiwodschaft Łódź. Sie liegt am Rande desKarstgebietesWyżyna Wieluńska. Größter Arbeitgeber der Stadt ist der polnische NutzfahrzeugherstellerWielton.
Die Stadt wurde zu Beginn desZweiten Weltkrieges als erste – einige Minuten vor demAngriff auf die Westerplatte –bombardiert und durch deutscheSturzkampfbomber weitgehend zerstört.
Geschichte
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Wieluń wurde 1217 gegründet und 1281 von denPiasten als Festung ausgebaut. DerGroßpolnische HerzogPrzemysław II. verlieh dem Ort 1283 dasStadtrecht. Gegen Ende des 13. Jahrhunderts wurde Wieluń zur königlichen Stadt und zum Sitz einesKastellans erhoben. UnterKasimir dem Großen, zwischen 1333 und 1370 König von Polen, erhielt sie eine Stadtbefestigungsanlage. Von 1370 bis 1392 fungierte Wieluń zudem unter demOppelner HerzogWładysław II. als Hauptstadt desHerzogtums Wieluń.
Im 16. Jahrhundert zählte Wieluń innerhalb des Königreichs Polen zu den bedeutendsten Städten. Hier befanden sich eine Filiale derUniversität Krakau und ein stadteigenesTheater. Das Handwerk blühte und war in zahlreichenZünften organisiert. Während desSchwedisch-Polnischen Krieges zwischen 1655 und 1660 wurde die Stadt 1656 von den Schweden erobert und niedergebrannt.
Nach derZweiten Teilung Polens gehörte Wieluń ab 1793 zumKönigreich Preußen, ab 1806 zumHerzogtum Warschau und ab 1815 erneut zumKönigreich Polen, bis dieses 1831 demRussische Zarenreich eingegliedert wurde. Während dieser Phase wurde Wieluń 1867 zur Kreisstadt erhoben.
Nach dem Ende desErsten Weltkrieges kam die Stadt 1918 schließlich an daswieder unabhängige Polen. 1926 erhielt sie Anschluss an das staatlicheEisenbahnnetz.
Während des Krieges und der Besetzung Polens wurde die Stadt 1940 inWelun, ein Jahr darauf inWelungen und 1942 wieder inWelun umbenannt. Sie fungierte zudem bis 1945 als Sitz des deutschenLandkreises Welun imReichsgau Wartheland. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges erhielt sie ihren ursprünglichen Namen wieder.
Zerstörung im Zweiten Weltkrieg
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Als erste Kriegshandlung beim deutschenÜberfall auf Polen wurde Wieluń am frühen Morgen des 1. September 1939 durch deutscheSturzkampfbomber angegriffen und bombardiert. Es handelt sich um das ersteKriegsverbrechen der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg.[2] Der Angriff begann laut Zeitzeugen gegen 4:37 Uhr,[3][4] laut deutscher Einsatzmeldung eine Stunde später.[5] Die erste Angriffswelle machte das Krankenhaus der Stadt dem Erdboden gleich. Die völlig überraschten Einwohner wurden aus Bordwaffen gezielt beschossen.[6] Bei insgesamt drei Bombenangriffen im Lauf des Tages starben bis zu 1200 der damals etwa 16.000 Einwohner.[2] Die Gebäude der Stadt wurden zu 70 Prozent und der Ortskern durch Brände zu 90 Prozent zerstört.[7]

Der Zweck des Angriffs ist unter Historikern umstritten.Rolf-Dieter Müller argumentiert, die Luftwaffe habe militärische Ziele ausschalten wollen, um unmittelbare Wirkung auf dem Schlachtfeld zu erzielen. In Wieluń seien am 31. August eine polnische Division und eine Kavalleriebrigade ausgemacht worden, denen die Angriffe gegolten hätten, jedoch seien wegen Bodennebels diese Ziele verfehlt worden. Der Angriff auf Wieluń sei trotz der verheerenden Wirkung deshalb kein geplanter Terrorangriff gewesen.[8] LautJochen Böhler verzeichnete der erste Einsatzbericht desSturzkampfgeschwaders 76 „keine Feindbeobachtung“. Neuere Forschungserkenntnisse legen vielmehr den Verdacht nahe, dass die Vernichtung der Stadt Ziel des Angriffs gewesen sei, um zugleich die Schlagkraft der deutschen Luftwaffe zu testen. Der Chef des Generalstabes des Heeres,Franz Halder, hatte zwei Wochen vor dem Angriff in seinem Kriegstagebuch vermerkt: „Jagdeinsatz Rot in Gegend Wielun“. Die Luftwaffe flog in diesem Gebiet in den ersten Kriegstagen weitere Angriffe, unter anderem auf die KleinstädteDziałoszyn undKamieńsk, und ließ „Wirkungsbilder“ von anderen bombardierten Ortschaften anfertigen. Halder unterschied in seinem Kriegstagebuch außerdem zwischen „Terrorangriff“ und militärischen Angriffen.[6]Hans-Erich Volkmann unterstreicht, dass die deutsche10. Armee, die in diesem Frontabschnitt den ausschlaggebenden militärischen Faktor bildete, der Ortschaft Wieluń keine operative, geschweige denn eine strategische Bedeutung beimaß, mit der sich eine Bombardierung hätte rechtfertigen lassen. Der zuständige Befehlshaber der Luftwaffe,Wolfram von Richthofen, habe den Angriff auf eigene Faust befohlen. Richthofen habe zwar keinen „Terrorangriff“ beabsichtigt, aber Wieluń als grenznahes militärisches Übungsziel ausgewählt, um möglichst ohne eigene Verluste die Einsatzfähigkeit und Funktionstüchtigkeit der Sturzkampfbomber zu erproben. Volkmann charakterisiert die Zerstörung Wieluńs als einen Angriff auf ein nicht militärisches Ziel und deshalb alsKriegsverbrechen.[9]
Gemeinde
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]DieStadt- und Landgemeinde Wieluń besteht aus der namensgebenden Stadt und 20 Dörfern mit einem Schulzenamt (sołectwo).
Verkehr
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Die Stadt liegt an denLandesstraßen 74 vonBreslau nachWarschau und45 vonOpole nachŁódź und43 vonCzęstochowa nach Wieluń und denWoiwodschaftsstraßen 481 und486.
Wieluń liegt an derBahnstrecke Herby–Oleśnica, früher gab es dieRosenberger Kreisbahn, die auch Wieluń bediente.
Demographie
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Die überwiegende Mehrheit der Stadtbewohner bekennt sich zurrömisch-katholischen Konfession.
- Entwicklung der Einwohnerzahl
- 1900:07.351[10]
- 1909:09.095, darunter 3.444Juden (37,8 %), 352Protestanten (3,9 %).[11]
- 1931: 13.220[12]
- 2005: 24.453
- 2009: 23.986
Sehenswürdigkeiten
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- Stadtmauer mit dem Krakauer Tor
- Fronleichnamskirche, 14. Jahrhundert
- Nikolaikirche, Barock
- Klosteranlagen (Museum)
- Barbarakapelle, 16. Jahrhundert
- Schloss, klassizistischer Bau an Stelle des alten Piastenschlosses, Residenz für Staatsgäste
Im Ort geborene Persönlichkeiten
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Ezechiel Zivier (1868–1925), Historiker und Publizist
- Andrzej Zawada (* 1948), Literaturhistoriker, Literaturkritiker, Essayist und Hochschullehrer
- Jan Wątroba (* 1953), Bischof
- Olga Sosnovska (* 1972), Schauspielerin
- Dariusz Żuraw (* 1972), Fußballer
- Marcin Przydacz (* 1985), Jurist und Beamter
Partnerstädte
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Literatur
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Tadeusz Olejnik:Wielun – polska Guernica (Wielun – das polnische Guernica), Urzad Miejski w Wieluniu u. a., Wielun 2005,ISBN 83-913788-6-1.
- Tadeusz Olejnik:Wieluń pod panowaniem pruskim. Indaganda pruska z 1793 r. (Wieluń unter preußischer Herrschaft. Die preußische Indiganda des Jahres 1793), Kalisz 1986
Weblinks
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Website der Gemeinde (polnisch)
- Agnieszka Hreczuk:Weltkriegsbeginn: „Flugzeuge, Papa, Flugzeuge!“,Der Tagesspiegel, 30. August 2009
Einzelnachweise
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- ↑Johann Matthias Hase: Ducatus Silesiae. (djvu) Norimbergae: Homannis Heredes, 1745, abgerufen am 25. Juni 2016 (Latein, französisch, Historische Karte aus der Digitalen Bibliothek vonZielona Góra).
- ↑abSven Felix Kellerhoff:Das Kriegsverbrechen von Wielun,Die Welt, 2. September 2009.
- ↑Thomas Urban:Polen: Portrait eines Nachbarn,Verlag C.H.Beck (Beck’sche Reihe Band 6043), 2012,ISBN 3-406-63326-9, S. 14 f.;Google-Books.
- ↑Agnieszka Hreczuk: Weltkriegsbeginn: „Flugzeuge, Papa, Flugzeuge!“ In: Tagesspiegel. 30. August 2009, archiviert vom Original; abgerufen am 10. März 2023.
- ↑Jens Mattern, Hans Michael Kloth:Kriegsbeginn 1939: Stukas über Wielun,einestages, 26. August 2009.
- ↑abJochen Böhler:Die Zerstörung der Nachbarschaft – Die Anfänge des Vernichtungskrieges in Polen 1939. In:Mike Schmeitzner, Katarzyna Stokłosa:Partner oder Kontrahenten? Deutsch-polnische Nachbarschaft im Jahrhundert der Diktaturen. Mittel- und Ostmitteleuropastudien Bd. 8,Lit Verlag, Berlin 2008,ISBN 3-8258-1254-5,S. 82 f.
- ↑Joachim Trenkner:Zweiter Weltkrieg: Ziel vernichtet,Die Zeit 07/2003.
- ↑Rolf-Dieter Müller:Der Bombenkrieg 1939–1945,Ch. Links Verlag, Berlin 2004,ISBN 978-3-86153-317-7, S. 54; Horst Boog:Bombenkriegslegenden, in:Militärgeschichtliche Beiträge 9/1995, S. 22.
- ↑Hans-Erich Volkmann:Wolfram von Richthofen, die Zerstörung Wieluńs und das Kriegsvölkerrecht. In:Militärgeschichtliche Zeitschrift 70 (2011), S. 287–328.
- ↑Meyers Konversations-Lexikon. 6. Auflage, Band 20, Leipzig und Wien 1909, S. 601.
- ↑Erich Zechlin:Die Bevölkerungs- und Grundbesitzentwicklung im Zartum Polen. Reimer, Berlin 1916, S. 90–91.
- ↑Der Große Brockhaus. 15. Auflage, Band 20, Leipzig 1935, S. 303.
- ↑Städtefreundschaft leistet einen wichtigen Beitrag,Volksstimme, 2. September 2014
- ↑Maximilian Stascheit:Erinnern im Morgengrauen: Ochtruper Delegation nimmt an Gedenkfeier im polnischen Wieluń teil,Westfälische Nachrichten, 2. September 2014