Whodunit

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Die klassische Detektivgeschichte vor allem des 19. und frühen 20. Jahrhunderts ist einWhodunit (auchwhodunnit,[huːˈdʌn.ɪtAudiodatei abspielen[1]) – die Bezeichnung ist eineVerballhornung des englischen „Who’s done it?“ (dt.: „Wer hat es getan?“). Nach der auf den ersten Seiten des Romans beschriebenen Entdeckung eines Verbrechens wird die Identifizierung des Täters zum zentralen Thema der Erzählung: „Aus Frage und Antwort besteht die Anatomie des Detektivromans.“[2] Ein Whodunit ist eines von mehreren Genres oder Haupttypen des Kriminalromans.

Für einen klassischenWhodunit müssen im Allgemeinen folgende Merkmale erfüllt sein:

  • Der Schauplatz ist oft abgeschnitten von der Außenwelt oder derJustiz. Der Mord geschieht beispielsweise auf einem Landsitz der englischenGentry oder in einem eingeschneiten Hotel oder einer durch einen Sturm vom Festland abgeschnittenen Insel.
  • Es gibt nur eine begrenzte Zahl von Verdächtigen, die vor dem Mord in engen und konfliktreichen Beziehungen zum Opfer standen. Bei einemlocked room mystery ist diese Situation noch zugespitzt, weil zuerst scheinbar niemand ernsthaft verdächtigt werden kann.
  • Am Ende wird der Fall vollständig durch meist logische Schlussfolgerungen der Ermittlerin oder des Ermittlers und in Anwesenheit der Verdächtigen für das „Publikum“ entschlüsselt, der Mörder enttarnt.

Die folgenden Erläuterungen beziehen sich aufLiteratur, werden aber auch aufFilme und Fernsehserien übertragen.

Inhaltsverzeichnis

Prinzip

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Am Anfang einesWhodunit-Romans steht in der Regel ein schweres Verbrechen, häufig einMord (oder genauer: ein Todesfall, wenn man einen Mord vermuten kann, dies aber noch nicht erwiesen ist).[3] Der oder die Ermittler stehen oft vor dem Problem, zunächst die Identität des Opfers klären zu müssen, um dann das Motiv des Täters zu ergründen. Die Leser bzw. die Zuschauer begleiten den Ermittler – es kann sich um Polizisten,Privatdetektive oder auch Mitarbeiter derSpurensicherung handeln – bei der Arbeit und werden dazu animiert, selbst Vermutungen darüber anzustellen, wer die Tat begangen haben könnte. An die Hand genommen werden sie dabei nicht selten vom naiven Assistenten eines Meisterdetektivs (das klassische Vorbild istDr. Watson in den Krimis vonArthur Conan Doyle), der – dem Leser bzw. Zuschauer vergleichbar – wenig begreift und versucht, mit simplen, aber falschen Annahmen Aufklärung zu bringen. Die Auflösung erfolgt erst gegen Ende des Buches bzw. Films, sofern nicht beispielsweise mehrere Fälle miteinander verknüpft sind.

Entwicklung

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Sherlock Holmes und Dr. Watson bearbeiten einen Fall. (Sherlock Holmes Museum London 2019.)

Schon die früheste Kriminalliteratur, beispielsweise einige Erzählungen vonEdgar Allan Poe, gehören dieser Richtung an. Zu den bekanntesten Beispielen gehören viele der Erzählungen und Romane vonArthur Conan Doyle: Sein Detektiv,Sherlock Holmes (seit 1887) wurde zum „Inbegriff des Detektivs“ und mit seinem Habitus auch „ein perfektes optisches Klischee“: seine umfassende Kompetenz ist „eine Funktion seiner erhabenen Lebensferne“.[4]Agatha Christie hat mit ihren Figuren derMiss Marple und desHercule Poirot ebenso wieDorothy L. Sayers das Genre geprägt. Ab den 1930er-Jahren wurde diese Richtung der Whodunits immer mehr von den vor allem US-amerikanischenHardboiled-Romanen (Dashiell Hammett (Figur: Sam Spade),Raymond Chandler (Figur:Philip Marlowe),Ross Macdonald (Figur: Lew Archer),Mickey Spillane (Figur: Mike Hammer),Robert B. Parker (Figur: Spenser)) verdrängt.[5]

Der Whodunit überlebte danach vor allem in derTrivialliteratur und in Kinder- und Jugendbüchern wie denen vonWolfgang Ecke, derTKKG-Reihe oder der ReiheDie drei ???. Mit dem Aufkommen despostmodernen Romans wurde das Genre wiederbelebt, meist in ironisch gebrochenen Formen wie beispielsweise inUmberto Ecos RomanDer Name der Rose oder den unter dem Pseudonym Dan Kavanagh erschienenenDuffy-Krimis vonJulian Barnes. Eine neue Blüte erfährt der Whodunit derzeit im asiatischen Raum durch die japanische „Neue orthodoxe Schule“ (Shin Honkaku Ha). In Europa sind es Autoren wie Paul Halter undRob Reef, die sich diesem Genre widmen.

Das umgekehrte Prinzip

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Hauptartikel:Invertierte Detektivgeschichte

Eine Variation desWhodunit-Prinzips ist die umgekehrte oderinvertierte Detektivgeschichte, im Englischen auch alsinverted detective story oderhowcatchem (von “How catch them?”, etwa zu übersetzen mit „Wie fängt man sie (die Bösewichte)?“) bezeichnet. Dem Leser bzw. Zuschauer ist der Täter bereits von Anfang an bekannt; der Reiz liegt darin, zu verfolgen, wie der Ermittler dem Täter auf die Spur kommt. Frühe Beispiele für diese Erzählweise finden sich bei Kurzgeschichten vonR. Austin Freeman (1912). Populär wurde sie durchInspektor Columbo, seitdem wurde und wird sie auch von anderen Serien (beispielsweiseDiagnose: Mord,Criminal Intent – Verbrechen im Visier undMonk) und Spielfilmen (Catch Me If You Can,Das perfekte Verbrechen) genutzt. Auch der populäre Manga, Anime und RealfilmDeath Note erzählte die Geschichte ausschließlich aus der Sicht des Täters, wobei seine Motive dabei dem Zuschauer ebenso nachvollziehbar geschildert wurden wie die des verfolgenden Detektivs. Die Sympathien können folglich aufgrund derErzählperspektive zum Täter hin verschoben werden.

Bekannte Fernsehserien

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Bekannte Verfilmungen

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Die Verfilmungen werden häufig in die Blütezeit dieser literarischen Gattung, also die 1920er- und 1930er-Jahre zurückversetzt, weshalb man diesen Filmen auch ein gewisses Flair nachsagt.

Die erfolgreichstenHörspiel- und Fernseh-Mehrteiler entstanden nach Vorlagen des britischen SchriftstellersFrancis Durbridge. Hierzu zählen in Deutschland vor allem diePaul-Temple-Hörspiele mitRené Deltgen undAnnemarie Cordes sowie dieDurbridge-Filmreihe mit den KlassikernDas Halstuch,Tim Frazer undMelissa, dieEinschaltquoten zwischen 80 und 93 % erzielten.

Eine gelungene Parodie auf die genannten Romanfiguren lieferte der FilmEine Leiche zum Dessert mitDavid Niven undPeter Falk. Krimi-AltmeisterAlfred Hitchcock verwendete 1956 den BegriffWhodunit als Titel für eine Episode der ReiheAlfred Hitchcock Presents.

Einzelnachweise

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  1. Whodunit – Aussprache in amerikanischem und britischen Englisch nach demCambridge Dictionary.
  2. Richard Alewyn:Anatomie des Detektivromans, in: Jochen Vogt (Hrsg.):Der Kriminalroman: Poetik, Theorie. Geschichte, München, S. 54 ff.
  3. „Mord muss es sein, als affektive Belohnung für eine im Endeffekt langweilige und bedrückende Sache, die Wiederherstellung der gewohnten Ordnung. [...] Alle Krimis beginnen daher mit einem Mord, weil diese größte aller Unordnungen die Ordnungsbemühungen in Gang setzt, bei denen der Leser mit dem Detektiv einen „überlegenen Vormund“ bekommt, eine Personifikation der Ratio und des wissenschaftlichen Positivismus.“ Dieter Wellershoff:Vorübergehende Entwirklichung. Zur Theorie des Kriminalromans, in: Jochen Vogt (Hrsg.):Der Kriminalroman: Poetik, Theorie. Geschichte, München: UTB 1998, S. 504, 506.
  4. Dieter Wellershoff:Vorübergehende Entwirklichung. Zur Theorie des Kriminalromans, in: Jochen Vogt (Hrsg.):Der Kriminalroman: Poetik, Theorie. Geschichte, München, S. 508.
  5. Ulrich Broich:Der entfesselte Detektivroman, in: Jochen Vogt (Hrsg.):Der Kriminalroman: Poetik, Theorie. Geschichte, München, S. 101 ff. Peter Nusser:Aufklärung durch den Kriminalroman, in: Jochen Vogt (Hrsg.):Der Kriminalroman: Poetik, Theorie. Geschichte, München, S. 486.
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