| Die Weltbühne | |
|---|---|
| Beschreibung | Zeitschrift |
| Fachgebiet | Politik, Kunst und Wirtschaft |
| Sprache | Deutsch |
| Hauptsitz | Berlin |
| Erstausgabe | 7. September 1905 |
| Einstellung | 1939 |
| Gründer | Siegfried Jacobsohn |
| Erscheinungsweise | wöchentlich |
| ISSN (Print) | 0043-2598 |


Die Weltbühne war eine deutscheWochenzeitschrift für Politik, Kunst und Wirtschaft. Sie wurde vonSiegfried Jacobsohn inBerlin unter dem NamenDie Schaubühne als reine Theaterzeitschrift gegründet und erschien am 7. September 1905 zum ersten Mal. Am 4. April 1918 wurde dieSchaubühne, die sich seit 1913 für wirtschaftliche und politische Themen geöffnet hatte, inDie Weltbühne umbenannt. Nach dem Tode Jacobsohns im Dezember 1926 übernahmKurt Tucholsky die Leitung des Blattes, die er im Mai 1927 anCarl von Ossietzky weitergab. DieNationalsozialisten verboten mit derReichstagsbrandverordnung dieWeltbühne, die am 7. März 1933 zum letzten Mal erscheinen konnte. Im Exil wurde die Zeitschrift bis 1939 unter dem TitelDie neue Weltbühne fortgeführt. Nach dem Ende desZweiten Weltkrieges erschien dieWeltbühne unter ihrem ursprünglichen Namen wieder inOst-Berlin, wo sie bis 1993 Bestand hatte. 1997 haben sich die ZeitschriftenOssietzky undDas Blättchen in die Tradition des berühmten Vorbilds gestellt.
Mit ihren kleinen roten Heften galt dieWeltbühne in derWeimarer Republik alsdas Forum der radikaldemokratischen bürgerlichen Linken. Rund 2500 Autoren schrieben von 1905 bis 1933 für die Zeitschrift. Dazu gehörten neben Jacobsohn, Tucholsky und Ossietzky auch prominente Journalisten und Schriftsteller wieLion Feuchtwanger,Moritz Heimann,Kurt Hiller,Erich Mühsam,Else Lasker-Schüler,Erich Kästner,Alfred Polgar,Robert Walser,Carl Zuckmayer undArnold Zweig. Auch ein wenig in Vergessenheit geratene Publizisten wieRudolf Arnheim,Julius Bab,Erich Dombrowski,Axel Eggebrecht,Hellmut von Gerlach,Hanns-Erich Kaminski,Richard Lewinsohn,Fritz Sternberg,Heinrich Ströbel undRichard Treitel gehörten zu den wichtigen Mitarbeitern des Blattes. Ferner die erste weibliche Journalistin derVolkswacht (Freiburg im Breisgau), die deutsche Schriftstellerin und JournalistinKäthe Vordtriede.
Selbst in ihrer Hochphase hatte dieWeltbühne nur eine geringeAuflage von rund 15.000 Exemplaren. Publizistisch drang sie dennoch durch. Beispiele dafür sind die Aufdeckung derFememorde innerhalb derSchwarzen Reichswehr sowie Berichte über die heimliche Aufrüstung derReichswehr, die später zum sogenanntenWeltbühne-Prozess führten. Auch der von Tucholsky geprägte Satz „Soldaten sind Mörder“ führte zu einer Anklage gegen den damaligen Herausgeber Ossietzky.
Es erschienen verschiedene Zeitschriften, die sich selbst in der Nachfolge zurWeltbühne sahen, teils unter demselben Namen (seit 1946, 1997 und 2025).
Die Gründung derSchaubühne war das Resultat einerPlagiatsaffäre, in die der 23 Jahre alte Theaterkritiker Siegfried Jacobsohn verwickelt war. Am 12. November 1904 hatte dasBerliner Tageblatt auf Parallelen zwischen Kritiken von Jacobsohn undAlfred Gold aufmerksam gemacht. Jacobsohn war zu diesem Zeitpunkt Theaterkritiker derWelt am Montag, die ihren streitbaren und in Presse- und Theaterkreisen daher zum Teil verhassten Mitarbeiter aufgrund der öffentlichen Empörung nicht mehr halten wollte. Der beruflich fürs erste gescheiterte Jacobsohn trat eine mehrmonatige Reise durch Europa an und beschloss, eine eigene Theaterzeitschrift ins Leben zu rufen. Diese Lebensphase, von Beginn der Plagiatsaffäre bis zur Gründung derSchaubühne, beschrieb er in der 1913 erschienenen SchriftDer Fall Jacobsohn. Im Rückblick schilderte er seine Affäre als „Sensationsstück ersten Ranges, für das es sich lohnte, die berliner Litfaßsäulen mit Riesenplakaten – Jacobsohns Entlarvung; Plagiator Jacobsohn; Siegfrieds Tod – wochenlang vollzukleben“ (S. 50). Neueren Untersuchungen zufolge fand der Fall in der Hauptstadtpresse aber nur ein geringes Echo. Jacobsohns Broschüre enthält auch eine Briefpassage, die seine Vorstellungen von der zukünftigen Arbeit als Herausgeber und Redakteur wiedergibt (S. 47):
„Herrlich denk’ ichs mir, nach meinem Geschmack jede Woche gewissermaßen ein Haus zu bauen, das immer eine andre und doch immer dieselbe Physiognomie haben wird, in immer neuem, immer wertvollem Menschenmaterial zu arbeiten – Regisseur einer gedruckten Bühne.“
Die Zeitschrift hat während ihres Bestehens von 1905 bis 1933 mehrere Entwicklungsphasen durchlaufen. Bis 1913 konzentrierte sie sich auf „die gesamten Interessen des Theaters“, wie es bis dahin in ihrem Untertitel hieß. Jacobsohn war überzeugt, dass „der Geist eines Volkes und einer bestimmten Zeit eindringlicher als in der übrigen Literatur im Drama zum Ausdruck kommt“ – so heißt es in seinem BeitragZum Geleit, mit dem er das erste Heft derSchaubühne eröffnete.

Den ersten vier Nummern war ein Zitat ausFriedrich Schillers AufsatzDie Schaubühne als moralische Anstalt betrachtet als Motto vorangestellt: „So gewiß sichtbare Darstellung mächtiger wirkt als toter Buchstabe und kalte Erzählung, so gewiß wirkt die Schaubühne tiefer und dauernder als Moral und Gesetze“. Das war ein Hinweis darauf, wie Jacobsohn sein Unternehmen verstanden wissen wollte: als Aufklärung im Geist der Klassik. Die große Bedeutung, die künstlerischen Debatten in der damaligen Zeit zukam, lag allerdings auch darin begründet, dass die Kunst imDeutschen Reich unterKaiser Wilhelm II. weniger Repressionen ausgesetzt war als Politik und Journalismus.
Zu den wichtigsten Mitarbeitern in der Anfangsphase derSchaubühne zählten die TheaterkritikerJulius Bab,Willi Handl undAlfred Polgar, in den Folgejahren traten auch Schriftsteller wieLion Feuchtwanger,Robert Walser, undHarry Kahn sowie der TheaterkritikerHerbert Ihering hinzu. Im November 1908 wurde Feuchtwangers ZeitschriftDer Spiegel nach nur 15 Ausgaben mit derSchaubühne vereinigt.
Als Theaterkritiker war Jacobsohn ein AntipodeAlfred Kerrs. Anders als dieser war er ein entschiedener Kritiker des Naturalismus und schätzte im Gegensatz zu Kerr auch die Leistungen vonMax Reinhardt als Theaterleiter und -regisseur weit höher ein als die vonOtto Brahm. Reinhardts 1910 beginnende Hinwendung zum Massentheater in Zirkusarenen, die in Berlin schließlich im Bau des Großen Schauspielhauses mündete, wurde von Jacobsohn jedoch missbilligt.
Am 9. Januar 1913 erschien erstmals ein Beitrag des an diesem Tage 23 Jahre alt gewordenen Jura-Studenten Kurt Tucholsky in derSchaubühne. Schon im ersten Jahr seiner Zusammenarbeit mit Jacobsohn avancierte Tucholsky zu dessen wichtigstem Mitarbeiter.

Um das Blatt nicht allzu „Tucholsky-lastig“ erscheinen zu lassen, legte er sich bereits 1913 drei Pseudonyme zu, die er bis zum Ende seines publizistischen Wirkens beibehielt: Ignaz Wrobel, Theobald Tiger und Peter Panter. Unter dem Einfluss von Tucholskys Mitarbeit sollte sich auch der Charakter derSchaubühne rasch wandeln. Schon im März 1913 erschienen die ersten „Antworten“, eine Rubrik, in der die Zeitschrift in Zukunft zu echten oder fingierten Leserbriefen Stellung nehmen sollte. Wichtiger war jedoch die Entscheidung Jacobsohns, sein Blatt für Themen aus Politik und Wirtschaft zu öffnen. Am 25. September berichtete der WirtschaftsjuristMartin Friedlaender unter dem Pseudonym „Vindex“ über Monopolstrukturen in deramerikanischen Tabakindustrie. Jacobsohn nahm in einer fingierten „Antwort“ dazu Stellung:
„[…] Wenn hier neun Jahre das Theater und nur das Theater betrachtet worden ist, so habe ich damit noch nicht das Recht verwirkt, einmal andre Dinge betrachten zu lassen und zu betrachten. Ein Feld abgesondert von allen anderen zu beackern, hat seine Reize, seine Vorteile, aber auch seine Gefahren. […]“
Während des Krieges gelang es Jacobsohn, dass seine Zeitschrift trotz schwieriger Bedingungen regelmäßig erscheinen konnte. Von August 1914 an eröffnete er jedes Heft mit einem politischen Leitartikel, in dem ein „patriotischer“ Standpunkt vertreten wurde. Im November 1915 startete der JournalistRobert Breuer unter dem Pseudonym „Cunctator“ eine Serie von Artikeln, die sich kritisch mit der Politik der Reichsregierung und dem politischen Zustand des Reiches auseinandersetzten. Die Reihe gipfelte am 23. Dezember in dem BeitragDie Krise des Kapitalismus, der mit der Feststellung endete: „Nur die Internationale des Proletariats kann die Krise des national verbrämten Kapitalismus überwinden.“
Aufgrund dieses Artikels wurde dieSchaubühne zunächst verboten. Jacobsohn konnte jedoch ein weiteres Erscheinen des Blattes sicherstellen, indem er in eine Vorzensur einwilligte. ZumGermanicus gewandelt kehrte Breuer im Januar 1916 als Kommentator zum Blatt zurück und führte dort trotz seines Namens einen permanenten Kampf gegen die Annexionsforderungen desAlldeutschen Verbandes. Von 1916 druckte Jacobsohn, der 1915 nach dem Tod seines jüngsten Bruders an der Front ein leidenschaftliches pazifistisches Bekenntnis abgegeben hatte, regelmäßig Annoncen zur Zeichnung von Kriegsanleihen. Ungeklärt ist bislang, ob diese Anzeigen vergütet wurden und damit möglicherweise entscheidend zur Existenzsicherung der Zeitschrift beitrugen. Das insgesamt keineswegs pazifistische, politisch bestenfalls als lavierend zu bezeichnende Erscheinungsbild des Blattes trug Jacobsohn später nicht unberechtigte Kritik u. a. vonFranz Pfemfert undKarl Kraus ein.
Dem Wandel vom reinen Theaterblatt zur „Zeitschrift für Politik, Kunst, Wirtschaft“ trug Jacobsohn schließlich am 4. April 1918 mit der Umbenennung derSchaubühne inWeltbühne Rechnung.
Nach den Anfangserfolgen der deutschen Frühjahrsoffensive 1918 rückte Jacobsohns Leitartikler Robert Breuer von seiner bis dahin anti-annexionistischen Position ab und verließ auch auf anderen Gebieten die bisherige Linie des Blattes. Die Differenzen zwischen demMSPD-Anhänger Breuer und Jacobsohn, der sich mehr und mehr der Position derUSPD näherte, führte schließlich zum Abschied von „Germanicus“. Während derNovemberrevolution 1918 ließ sich dieWeltbühne nicht auf einen Parteikurs festlegen. Von März 1919 bis Oktober 1920 schrieb der SozialdemokratHeinrich Ströbel die politischen Leitartikel.

Am 21. November 1918 veröffentlichte Jacobsohn das Programm des „Rates geistiger Arbeiter“, dem er selbst kurzzeitig angehörte, den er aber verließ, weil er sich nicht für einen „Debattierklub“ die Zeit für die Redaktionsarbeit stehlen lassen wollte. Schon bald beschäftigte sich dieWeltbühne kritisch mit der Zusammenarbeit von Sozialdemokratie und dem alten Heer sowie der unzureichenden Säuberung von Justiz und Verwaltung von monarchistisch und antirepublikanisch eingestellten Beamten.
Im März 1919 wehrte sich Tucholsky in dem programmatischen Text „Wir Negativen“ gegen den Vorwurf, die neue Republik nicht positiv genug zu sehen:
„Wir können nicht zu einem Volk Ja sagen, das, noch heute, in einer Verfassung ist, die, wäre der Krieg zufälligerweise glücklich ausgegangen, das Schlimmste hätte befürchten lassen. Wir können nicht zu einem Land Ja sagen, das von Kollektivitäten besessen ist, und dem die Korporation weit über dem Individuum steht“
In den folgenden Jahren vertrat dieWeltbühne einen strikt pazifistischen und antimilitaristischen Kurs, forderte eine harte Reaktion der Republik auf die zahlreichen politischen Morde und drängte auch während desRuhrkampfes auf die Erfüllung der imVersailler Vertrag festgelegten Friedensbedingungen.

Daher trat das Blatt auch entschieden für die Aussöhnung mit den Kriegsgegnern ein. Ein besonderes Verdienst derWeltbühne bestand darin, auf dieFememorde innerhalb derSchwarzen Reichswehr aufmerksam gemacht zu haben. Obwohl Jacobsohn wusste, dass er sich damit einer großen persönlichen Gefahr aussetzte, veröffentlichte er vom 18. August 1925 an entsprechende Aufzeichnungen des ehemaligenFreikorpsangehörigenCarl Mertens.
Wegweisend für die weitere Entwicklung der Zeitschrift war auch die Verpflichtung des politischen Publizisten Carl von Ossietzky, der vom April 1926 an als Redakteur und politischer Leitartikler von Jacobsohn beschäftigt wurde. Mit dem plötzlichen Tod Jacobsohns am 3. Dezember 1926 war der Fortbestand derWeltbühne, die damals eine Auflage von rund 12.500 Exemplaren hatte, jedoch in Frage gestellt.
Nach dem Tod seines Mentors Jacobsohn gab Tucholsky zunächst sein Korrespondentendasein in Paris auf, kehrte zurück nach Berlin und wurde – wie er es spöttisch nannte – „Oberschriftleitungsherausgeber“ derWeltbühne. Jacobsohns WitweEdith Jacobsohn übernahm 1927 die Leitung des Verlags. Es zeigte sich jedoch schon bald, dass Tucholsky die Position des Herausgebers nicht behagte. Daher übernahm Ossietzky im Mai 1927 die Redaktion und wurde ab Oktober 1927 offiziell als Herausgeber genannt, „unter der Mitarbeit von Kurt Tucholsky“, wie es bis 1933 auf dem Titelblatt hieß. Obwohl von Ossietzky vom Typus her ein völlig anderer Redakteur als Jacobsohn war, blieb die Kontinuität der Zeitschrift gewahrt. Aus den Briefen Tucholskys an seine FrauMary Gerold geht jedoch hervor, dass dieser in den Jahren 1927 und 1928 alles andere als zufrieden mit der Arbeitsweise seines Nachfolgers „Oss“ war. Typische Briefpassagen lauteten: „Oss antwortet überhaupt nicht – geht auf nichts ein – und zwar sicherlich nicht aus Gemeinheit, sondern aus Faulheit“ (14. August 1927); „Oss ganz weit weg. Ich habe den lebhaften Eindruck, zu stören. Er mag mich nicht u. ich ihn nicht mehr. Behandelt mich um die entscheidende Nuance zu wenig respektvoll. Kriegt auf den Kopf“ (20. Januar 1928); „Oss ist ein aussichtsloser Fall – er weiß nicht einmal, wie langweilig er alles macht. Er ist faul und unfähig.“ (25. September 1929) Erst in den kommenden Jahren sollten sich die beiden Journalisten inhaltlich und persönlich näherkommen, sodass Tucholsky im Mai 1932 schließlich einräumte, Ossietzky habe dem Blatt einen „gewaltigen Auftrieb“ gegeben.


Dieser Auftrieb schlug sich auch in der Auflage nieder, die Anfang der 1930er-Jahre mit 15.000 Exemplaren ihr Maximum erreichte. Von der Bedeutung derWeltbühne zeugen u. a. die Leserzirkel, die sich in zahlreichen deutschen Städten und selbst in Südamerika bildeten. Für Aufmerksamkeit auch über den Kreis der Leser hinaus sorgten die juristischen Auseinandersetzungen, die dieWeltbühne aufgrund ihrerantimilitaristischen Aufklärungsarbeit fast permanent mit demReichswehrministerium führte. Höhepunkt dieser Konflikte war der sogenannteWeltbühne-Prozess um den Artikel „Windiges aus der deutschen Luftfahrt“ in der Weltbühne vom 12. März 1929, in dem es darum ging, dass dieReichswehr, offensichtlich unter Umgehung desVersailler Vertrages, den heimlichen Aufbau einer Luftwaffe betreibe – was sich schlussendlich als wahr herausstellte. Letztlich wurden Carl von Ossietzky und der JournalistWalter Kreiser am 23. November 1931 vom Reichsgericht nicht wegenLandesverrats nach § 92 Abs. 1 Ziffer 1StGB (wie von der Staatsanwaltschaft gefordert), sondern wegenVerbrechen gegen § 1 Absatz 2 desGesetzes gegen den Verrat militärischer Geheimnisse vom 3. Juni 1914 zu 18 Monaten Haft verurteilt.Die internationale Presse griff, wie dieNew York Evening Post das Urteil scharf an.[1]Dem Kampf gegen die „Reise insDritte Reich“ (Tucholsky) galt gegen Ende der Weimarer Republik die volle Konzentration des Blattes, obgleich das kulturelle Leben nicht völlig ausgeblendet wurde. Allerdings hatte Tucholsky Anfang 1932 bereits resigniert und veröffentlichte nur noch sporadisch eigene Texte. Im Mai 1932 übernahm Hellmut von Gerlach vorübergehend die Leitung, da Ossietzky seine Haftstrafe absitzen musste. Während dieser Zeit fungierte der JournalistWalther Karsch als so genannterSitzredakteur, war also verantwortlicher Redakteur im Sinne desPresserechts. Im Sommer wurde Ossietzky ebenfalls wegen des Tucholsky-Satzes „Soldaten sind Mörder“ angeklagt. Ein Gericht sprach den bereits Inhaftierten jedoch frei, der Weihnachten 1932 aufgrund einer Amnestie schließlich aus der Haft entlassen wurde.
Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 war vorauszusehen, dass ein Verbot derWeltbühne erfolgen würde. In der Nacht des Reichstagsbrands vom 27. auf den 28. Februar 1933 wurden Ossietzky und weitere Mitarbeiter verhaftet. Nach der Flucht Hellmut von Gerlachs übernahm Walther Karsch auch die Funktion des Chefredakteurs derWeltbühne. Die für den 14. März geplante Ausgabe konnte zwar noch gedruckt, aber nicht mehr ausgeliefert werden. Die letzte Ausgabe derWeltbühne erschien somit am 7. März 1933 (Nr. 10) und endete mit der trotzigen Versicherung: „Denn der Geist setzt sich doch durch“.
DieWeltbühne ging ins Exil. Schon am 29. September 1932 war inWien ein Ableger des Blattes erschienen, dieWiener Weltbühne. Die Exilzeitschrift nannte sichDie neue Weltbühne. Für die Nummern 11–13 1933 (2. Jahrgang) schrieben bereits verschiedene Berliner Emigranten. Als Leiter der Wiener Dependance hatte der JournalistWilliam S. Schlamm fungiert. Im Redaktionsvertrag zwischen Schlamm und Edith Jacobsohn war vorgesehen, dass Carl von Ossietzky im Falle einer Emigration auch die Redaktion des Exilblattes übernehmen würde. Doch dazu kam es nicht, denn Ossietzky wurde schon am 28. Februar 1933 verhaftet – noch vor dem Verbot der Zeitschrift am 6. März 1933.
Edith Jacobsohn gelang gemeinsam mit ihrem Sohn Peter die Flucht in dieSchweiz. Von dort aus versuchte sie, weiterhin Einfluss auf die Zeitschrift zu nehmen, die nach der Entmachtung desösterreichischen Parlaments durch KanzlerEngelbert Dollfuß ihren Redaktionssitz nachPrag hatte verlegen müssen. Da das Berliner Original inzwischen auch verboten worden war, änderte die Zeitschrift ihren Namen inDie Neue Weltbühne um.[2] Zwischen 6. April 1933 (Nr. 14) und 31. August 1939 (Nr. 35) erschienen knapp 4000 Artikel. Redaktionsleiter wurde Schlamm. Schlamm machte seine Arbeit gut. Tucholsky lobte ihn in einem Brief an den Journalisten und Mitarbeiter der Neuen WeltbühneHeinz Pol ganz besonders, er halte die Artikel von Schlamm für „großartig“.[3]
1934 wurde Schlamm die Leitung des Blattes aus der Hand genommen. Am 15. März 1934 erschien die erste Nummer der Zeitschrift mit einem Leitartikel vonHermann Budzislawski. Auf der vorletzten Seite wurde das Ausscheiden Schlamms und das Einstellen seiner Artikelarbeit für die Weltbühne festgestellt. Schlamm sprach von „Erpressung und einem gezielten Coup der Kommunisten“. Die Vorgänge um den Wechsel der Reaktion von Schlamm zu Budzislawski sind nach Ansicht des Historikers Alexander Gallus umstritten. Gallus hält Schlamms Vermutung für plausibel. Einerseits waren solche Übernahmen im Stalinschen Kommunismus nicht ungewöhnlich, andererseits hatte sich Schlamm unbeliebt gemacht, weil er sowohl die Kommunisten und die Sozialdemokraten wegen ihrer Rolle bei derMachtergreifung der Nationalsozialisten hart kritisiert hatte.[4] Unter dem Einfluss des den Kommunisten nahestehenden Wirtschaftsjournalisten Budzislawski, der in Berlin sporadischer Mitarbeiter derWeltbühne gewesen war, ließ Jacobsohn es auf den Bruch mit Schlamm ankommen. Von März 1934 an übernahm Budzislawski die Redaktion in Prag. Zwar änderte er sogleich die politische Linie der Zeitschrift, doch die Auflage konnte er nicht wesentlich erhöhen. Dies lag auch daran, dass mitÖsterreich und bald auch demSaargebiet wichtige Absatzgebiete der Exilzeitschriften verloren gingen. Daher sah Edith Jacobsohn sich im Juni 1934 gezwungen, Verlag und Titelrechte zu verkaufen.
Als Käufer traten der Physiker Albrecht Seidler-Stein (60 Prozent Anteile), der Rechtsanwalt Hans Nathan-Ludwig (31 Prozent) und der frühereWeltbühne-Mitarbeiter Heinz Pol (neun Prozent) auf. Im Juli 1935 verkaufte Nathan-Ludwig seine Anteile jedoch an die mit Budzislawski befreundete Helene Reichenbach, Tochter eines chinesischen Diplomaten und Geschäftsmannes. Pol gab seinen Anteil im November 1935 ebenfalls wieder ab, sodass Seidler-Stein schließlich zwei Drittel der Anteile, Reichenbach ein Drittel besaß. Da Seidler-Stein versuchte, Budzislawski durch einen anderen Redakteur zu ersetzen, wurde er von Budzislawski schließlich aus dem Verlag gedrängt. Obwohl Budzislawski über keine finanziellen Rücklagen verfügte, stimmte die in Moskau lebende Reichenbach im August 1936 einem Vertrag zu, der beiden zu gleichen Teilen das Eigentum am Verlag zusicherte. Unter diesen Bedingungen konnte die Zeitschrift noch rund drei Jahre existieren. Im Juni 1938 wechselte die Redaktion von Prag nachParis, daDie neue Weltbühne in derTschechoslowakei bereits mehrfach wegen Deutschland-kritischer Artikel konfisziert worden war. InFrankreich verboten die Behörden schließlich das Blatt ebenfalls, das am 31. August 1939 zum letzten Mal erscheinen konnte.
Budzislawski ist in der Vergangenheit häufig vorgeworfen worden, dieWeltbühne lediglich als kommunistischer Agent übernommen zu haben, um sie im Sinne derKPD und derKommunistischen Internationale weiterführen zu können. Neuere Forschungen unter Auswertung des Redaktionsarchivs gehen eher davon aus, dass Budzislawski aus Gründen der persönlichen Reputation und als entschiedener Hitler-Gegner die Leitung derNeuen Weltbühne übernehmen wollte. Dennoch bleibt festzuhalten, dass unter seiner Herausgeberschaft nach Moskau emigrierte deutsche Kommunisten wieWalter Ulbricht undFranz Dahlem ein Forum in dem Blatt fanden. Außerdem vermied es Budzislawski, über die so genanntenStalinschen Säuberungen zu berichten.Kurt Hiller, seit 1915 Mitarbeiter derWeltbühne, appellierte 1937 vergeblich an Budzislawski, die charakteristische Ausgewogenheit und Freizügigkeit der Zeitschrift wiederherzustellen (vgl. seine kritische SchriftRote Ritter. Erlebnisse mit deutschen Kommunisten, Gelsenkirchen 1951).


1946 wurde dieWeltbühne vonMaud von Ossietzky undHans Leonhard wieder gegründet und imVerlag der Weltbühne, Ost-Berlin, herausgegeben.
Von den USA aus erhoben sowohl Peter Jacobsohn als auch Budzislawski Einspruch gegen die Neugründung.
In den Jahren nach dem Kriege fand die Zeitschrift auch in den westlichen Besatzungszonen viele Abnehmer. In den 1950ern und 1960ern wurde dieWeltbühne daher als Brücke zu den intellektuellen Kreisen im Westen gesehen sowie als Möglichkeit betrachtet, diese Kreise zu beeinflussen. In einem Antrag auf die Neuausstellung einer Lizenzurkunde im Jahre 1962 hieß es daher:
„Besonders hervorzuheben ist, daß unter diesen Gründen die Beeinflussung der Intelligenzkreise im In- und Ausland, und speziell in Westdeutschland, als eine unserer Aufgaben angesehen und akzeptiert wurde. Der Unterzeichner dieses Antrags erhielt vom Zentralkomitee der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands bald nach der Währungsunion eine entsprechende Direktive.“[5]
Im Zweifel entschied sich die Redaktion dabei für die aktuellen politischen Erfordernisse und gegen die Tradition der Zeitschrift, wie aus einer internen Charakteristik von Mitte der 1950er-Jahre hervorgeht:
„In der Vergangenheit – vor 1933 – hatte die Weltbühne, besonders unter der Leitung Carl v. Ossietzkys und Kurt Tucholskys, leider vorbehaltlos pazifistischen Tendenzen gehuldigt. Da unsere Wochenschrift den Namen „Weltbühne“ trägt und zusätzlich auch den Namen Carl v. Ossietzkys führt, gilt es, den Nimbus dieser Namen und die Tradition der Weltbühne den eingangs skizzierten fortschrittlichen Bestrebungen von heute weitestgehend nutzbar zu machen ohne in den vorbehaltlosen Pazifismus abzugleiten: Die Weltbühne von 1954 unterstützt die Politik der Deutschen Demokratischen Republik, das heißt, daß sie selbstverständlich und konsequent die Bestrebungen der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands vertritt, ohne etwa nach außen hin als Parteiorgan erkennbar zu werden.“[6]
„Kam dieWeltbühne immer etwas intellektueller daher als andere DDR-Zeitschriften, so war sie doch im Grunde linientreu“, lautet das Resümee von Petra Kabus. Allerdings erreichte die Auflage mit 170.000 Exemplaren eine Größenordnung, die diejenige der Original-Weltbühne um mehr als das Zehnfache überstieg.
Von 1967 bis 1971 fungierte Budzislawski wieder als Herausgeber und Chefredakteur derWeltbühne. Von Dezember 1989 bis zur Einstellung des Blattes im Juli 1993 übernahm Helmut Reinhardt diese beiden Aufgaben. Die Zeitschrift musste auch deswegen eingestellt werden, weil Peter Jacobsohn nach derWiedervereinigung die Rechte an dem Zeitschriftentitel geltend machte. Einen ersten Prozess vor demLandgerichtFrankfurt am Main verlor Jacobsohn jedoch. Der zwischenzeitliche Eigentümer des Verlages,Bernd F. Lunkewitz, versuchte sich im anschließenden Berufungsverfahren vor demOberlandesgericht Frankfurt am Main außergerichtlich mit Jacobsohn zu einigen. Da diese Einigung misslang, stellte er die hochdefizitär gewordene Zeitschrift am 6. Juli 1993 ein. Seine Begründung:
„Mit Herrn Peter Jacobsohn, Erbe des Verlagsgründers, will ich mich jedoch nicht streiten. Er war in Deutschland rassisch verfolgt, enteignet und musste emigrieren. Um das Unternehmen zu retten, hatte ich es ihm für 1 DM zum Kauf angeboten. Das hat er abgelehnt. Danach habe ich einen Vergleich vorgeschlagen, der die moralisch saubere Lösung der Ansprüche Herrn Jacobsohns und die Interessen der Leser und Mitarbeiter der Zeitschrift vereinbaren sollte. (…) Er hat sich entschieden, nicht den Verlag, sondern lediglich die Titelrechte an sich zu nehmen, daher kann die Zeitschrift nicht mehr erscheinen.“[7]
Der Verlag der Weltbühne hatte als Vorleistung für den Vergleich die Ansprüche Jacobsohns voll anerkannt, was nicht mehr rückgängig gemacht wurde. Herausgeber Helmut Reinhardt war bis zuletzt davon ausgegangen, dass der Prozess vor dem Oberlandesgericht gewonnen werden würde. Die Redaktion des Blattes zeigte sich von dem eigenmächtigen Vorgehen Lunkewitz' daher völlig überrascht und fügte dessen Erklärung eine eigene Stellungnahme hinzu:
„Das Ensemble der Weltbühne steht fassungslos an der Rampe, zieht den Hut, verbeugt sich vor dem treuen Publikum und läßt erklären: Zu diesem bösen Spiel fällt uns nichts mehr ein!“
Durch dieAnerkenntnis desKlagebegehrens wurde juristisch nie geklärt, ob die Titelrechte tatsächlich den Jacobsohn-Erben zugestanden hätten. Zwar sicherte sich Jacobsohn zwischenzeitlich die Titelrechte, jedoch wurden diese anschließend nie genutzt.[8] Dies ist mit einer Sicherung vonMarkenrechten nicht dauerhaft vereinbar (siehe:Schutzdauer im Markenrecht)
Lunkewitz verkaufte im August 1993 schließlich den Verlag samt Abonnentenkartei an Peter Großhaus, der damals auch die frühereFDJ-ZeitungJunge Welt verlegte. Im Dezember 1993 wechselte der Verlag ein weiteres Mal den Besitzer und wurde in Webe Verlag und Beteiligungsgesellschaft umbenannt. Drei Jahre später, im November 1996, kaufteTitanic-VerlegerErik Weihönig den Verlag. Am 29. November 2001 wurde die Webe schließlich aus demHandelsregister gelöscht.
1997 wurden sowohl inBerlin als auch inHannover Wiederbelebungsversuche unternommen. Beide Autorengruppen scheuten eine juristische Auseinandersetzung um das Recht an dem NamenWeltbühne. Nicht nur Peter Jacobsohn, sondern auch die neuen Besitzer des früheren Weltbühne-Verlages wollten die Verwendung des Namens unterbinden. Das Projekt aus Hannover wurde daherOssietzky genannt und erscheint im gleichnamigen Verlag. Das Ost-Berliner Zwillingsblatt legte sich den redaktionsinternen Spitznamen der Original-WeltbühneDas Blättchen zu und wurde bis September 2009 als gedruckte Ausgabe von einem Zirkel umJörn Schütrumpf herausgegeben. Seit 2010 erscheintDas Blättchen als reine Online-Zeitschrift.
Der UnternehmerHolger Friedrich verantwortete verlegerisch am 20. Mai 2025 die vonThomas Fasbender undBehzad Karim Khani herausgegebene neue Ausgabe der Weltbühne. Das Heft enthält Beiträge vonDeborah Feldman,Michael Andrick,Marko Demantowsky undDaniel-Pascal Zorn. In Anlehnung an das Original sind Antimilitarismus, Gerechtigkeit sowie Widerstand gegen Obrigkeitsstaat und Untertanengeist die bestimmenden Themen.[9] Holger Friedrich sieht selbst allerdings eher Anknüpfungspunkte bei der DDR-Ausgabe der Weltbühne.[10]
Der HistorikerIlko-Sascha Kowalczuk bewertete die Neuauflage als Teil von Friedrichs Programm,russische Propaganda auf eine intelligentere Weise zu verbreiten und die DDR-Vergangenheit zu beschönigen.[11] LautFrédéric Valin (nd) ist die Zeitschrift ein „Pamphlet ohne analytische Schärfe“.[12] Siegfried Jacobsohns Enkel Nicholas Jacobsohn sieht sich durch die Neugründung enteignet und geht mit publizistischen und juristischen Mitteln dagegen vor.[13] Über den Rechtsstreit um dieMarke „Die Weltbühne“, derenLöschung Friedrich betreibt, weil sie über einen langen Zeitraum hinweg nicht genutzt worden sei, was Jacobsohn bestreitet, berichtete auchDer Spiegel. Jacobsohn wendet sich gegen den Missbrauch des Titels der „Weltbühne“ fürPropaganda-Zwecke.[14] In der ersten Ausgabe der Zeitschrift warf Deborah Feldman dem Chefredakteur derJüdischen AllgemeinenPhilipp Peyman Engel nachweislich zu Unrecht vor, nichtjüdisch zu sein, was weithin kritisiert wurde.[14][15]
Anfang September 2025 wurde der Historiker und PublizistPer Leo zunächst kommissarisch Herausgeber der Weltbühne. Nach Abschluss seines neuen Buches möchte er Anfang 2026 diese Aufgabe wahrnehmen.[16]
Die Auflage des ersten Hefts liegt bei 25.000 Exemplaren.
Dass dieWeltbühne trotz ihrer geringen Auflage eine so große Wirkung entfalten konnte, lässt sich wohl nur mit der Person Siegfried Jacobsohns begründen. Über einen Zeitraum von zwei Jahrzehnten war es ihm gelungen, wichtige Vertreter der intellektuellen Linken an sein Blatt zu binden und eine gleich bleibend hohe Qualität der Texte zu gewährleisten. „Der Mann war der idealste Redakteur, den unsre Generation gesehen hat“, schrieb Tucholsky nach dem überraschenden Tod Jacobsohns im Dezember 1926. Im Unterschied zuKarl Kraus’Fackel undMaximilian HardensZukunft dominierten in derWeltbühne jedoch von Anfang an nicht die Texte des Herausgebers. Jacobsohn sah sich stets als der „Regisseur einer gedruckten Bühne“, wie er im Mai 1905 in einem Brief geschrieben hatte.
Die geringe Auflage steht nicht im Widerspruch zur, sondern kann eher als Begründung für die besondere Stellung derWeltbühne herhalten. Denn im Gegensatz zu größeren Blättern musste Jacobsohn weder auf Verlags-, Partei- noch Anzeigeninteressen Rücksicht nehmen. Auch um die Ansprüche seiner Leser scherte sich Jacobsohn wenig. „Sie haben nur ein Recht: mein Blatt nicht zu lesen“, zitierte Tucholsky mehrfach das Credo seines Mentors. Charakteristisch dafür war eine Antwort, die Jacobsohn einem Leser gegen Ende desErsten Weltkrieges gab:
„Leisetreter. Sie beklagen sich über den Ton meines Blattes? Da weiß ich Ihnen ein sicheres Mittel: befreien Sie mich von Ihrem Lesertum, und das schnellstens. (…) Aber sollte dieSchweinerei je zu Ende sein, und sollte ich dieses Ende erleben, so wird hier ein Ton gepfiffen werden, ein Tönchen, daß Euch Hören und Sehen vergeht.“
Diese Unabhängigkeit war auch ein Grund dafür, dass ein Autor wie Tucholsky trotz des nicht gerade üppigen Honorars immer wieder zurWeltbühne zurückkehrte und dort Texte veröffentlichte, die er in bürgerlichen Blättern wie derVossischen Zeitung oder demBerliner Tageblatt nicht unterbringen konnte. Ein Resultat der Radikalität waren Vorwürfe, die sich das Blatt schon Anfang 1919 gefallen lassen musste und die Tucholsky damals wie folgt zusammenfasste:
„Es wird uns Mitarbeitern der ‚Weltbühne‘ der Vorwurf gemacht, wir sagten zu allem Nein und seien nicht positiv genug. Wir lehnten ab und kritisierten nur und beschmutzten gar das eigene deutsche Nest. Und bekämpften – und das sei das Schlimmste – Haß mit Haß, Gewalt mit Gewalt, Faust mit Faust.“
Der Hintergrund dieser Kritik lag wohl darin, dass sich dieWeltbühne in der Weimarer Republik von Beginn an nicht auf eine bestimmte parteipolitische Position festlegen ließ und bei keiner Partei ihre Vorstellungen von einem demokratischen und sozialen Deutschland verwirklicht sah. Vor allem dieSPD musste sich bis zum Ende der Weimarer Republik vorhalten lassen, die Ideale derNovemberrevolution verraten und nicht energisch genug mit den Traditionen des Kaiserreiches gebrochen zu haben.
Die Radikalität und Offenheit der Weltbühne-Positionen waren jedoch gleichzeitig ein Grund dafür, dass sie innerhalb von Journalismus und Politik sehr aufmerksam wahrgenommen wurden. Diese Leserschicht des Blattes erfüllte somit eine Multiplikatorenfunktion und sorgte dafür, dass die Weltbühne-Positionen in anderen Blättern Verbreitung fanden, wenn auch häufig verkürzt und verfälscht. „Die ‚Weltbühne‘ hat immer zwei gewichtige Gegenpole gehabt: die Parteien und die große Presse“, heißt es bei Tucholsky in „Fünfundzwanzig Jahre“.
Charakteristisch für Rezeption und Wirkung derWeltbühne sowie Ton und Inhalt der damaligen Debatten ist folgendeAntwort, die die Kritik eines sozialdemokratischen Blattes an derWeltbühne wiedergibt:
„Volksblatt für Halle. Du hast dich über uns geärgert und schreibst nun: „In der ‚Weltbühne‘, die sich „Wochenschrift für Politik, Kunst, Wirtschaft“ nennt polemisiert ein gewisser Carl von Ossietzky gegen den Kieler Parteitag. Er sieht sich zwar zur Behauptung gezwungen, daß die Partei nicht zu erschüttern sei, dafür nennt er sie jedoch aus Rache ungeistig. Wenn wir auch das individualistisch-anarchistische Kaffeehaus-Literatentum, das sich in dieser Zeitschrift breitmacht, nicht für Politik nehmen, so ist es doch von Wichtigkeit, gelegentlich auf die infolge erstaunlicher geistiger Zuchtlosigkeit sich dort breitmachenden Anwürfe gegen alle und alles aufmerksam zu machen, da das Blatt merkwürdigerweise auch hier und dort im Kreis Organisierter gelesen wird. Der demokratische Reichstagsabgeordnete Erkelenz charakterisierte „Die Weltbühne“ kürzlich einmal sehr richtig, indem er schrieb: Was für Männer in Deutschland auch immer zu irgendeiner Zeit herrschen mögen, in kürzester Frist werden sie insgesamt, ohne Unterschied der Partei, von der „Weltbühne“ so madig gemacht sein, daß kein Hund ein Stück Brot von ihnen nimmt. Das zur Einleitung des nachstehenden Artikels.“ Der nachstehende Artikel aber beginnt: „Die Sozialdemokraten als die größte geistige Strömung der heutigen Zeit …“ Da kann man nix machen.“
Trotz dieser Dauerkritik an der SPD war derWeltbühne stets klar, dass die wahren Feinde der Republik auf der anderen Seite des politischen Spektrums zu suchen waren. In einem Gedicht Tucholskys hieß es Ende 1919:
„Nun steh ich auf. Ich weiß Bescheid:
Nach jener winzigen, großen Zeit
sei dies der Wahrspruch des Geschlechts:
Der Feind steht rechts! Der Feind steht rechts!“
Das Blatt scheute daher nicht davor zurück, aus Protest gegen die judenfeindliche Politik derKahr-Regierung die Leser dazu aufzufordern, ihren Urlaub nicht mehr in Bayern zu verbringen. Die Kampagne „Reisende, meidet Bayern!“ schlug hohe Wellen., wie die folgende, von extrememAntisemitismus geprägte Reaktion seines satirischen Vorbilds in einem Leitartikel[17] zeigt:
„Reisende, meidet Bayern! Das ist die Aufschrift von einem Schmotzes, was geschrieben hat der Chaim Wrobel, alias Teiteles Tucholsky, alias Isak Achselduft, in der „Weltbühne“ in der Spreestadt Berlin. Er ist, wie alle Neu-Berliner, aus Krotoschin in Galizien, wo man mit der linken Hand den Hintern kratzt und mit der rechten Hand in der Nos bohrt. (…) In Berlin darf der Teiteles ruhig schreiben, daß die „Kahr-Regierung lächerlich ist“, wenn er aber zu uns herunterkommt und so was sagt, kriegt er altbayerische Fotzen, daß ihm der gehamsterte Schlagrahm zu lauter Butter gerührt wird. Das ist ein Geheimnis, was wir dem Teiteles verraten.“
DieWeltbühne wurde von Vertretern der radikalen politischen Rechten aber nicht nur aufmerksam verfolgt und angegriffen, sondern wegen ihrer Konzeption und ihres sprachlichen Niveaus auch bewundert. So schrieb der NationalistFranz Schauwecker im Januar 1926 anErnst Jünger:
„Kennen Sie die ‚Weltbühne‘ nicht? U. das sehr ähnliche ‚Tagebuch‘? Dann rate ich Ihnen doch d r i n g e n d, diese beiden kleinen, vorzüglich geleiteten Wochenschriften der Linksdemokratie zu lesen. Dringend!“
Tatsächlich scheint dieWeltbühne für einige nationalistische Blätter ein Vorbild abgegeben zu haben.
Der jungkonservative PublizistHeinrich von Gleichen-Rußwurm verband seine Kritik an der Haltung derWeltbühne mit einer scharfen Missbilligung antisemitischer Pöbeleien:
„Wir lehnen es ab, die von uns bekämpften Autoren als Juden zu diffamieren. Wir lehnen das nicht nur deswegen ab, weil wir die antisemitische Hetze als moralisch unsauber und politisch unklug verwerfen. Vielmehr glauben wir, den rassischen Einwand gegen die Autoren der ‚Weltbühne‘ schon deswegen nicht erheben zu dürfen, weil ganz offenkundig ist, daß ihr Standpunkt, jenseits aller Rassenkämpfe gewählt, auch von Angehörigen aller Rassen eingenommen wird, ein Standpunkt außerhalb jeder Verantwortung ist und gerade diese Verantwortungslosigkeit, welche übrigens das Judentum seinen Rassenangehörigen nie verzeiht, auch das Objekt unserer Kritik ist. Dazu kommt, daß uns die Autoren der ‚Weltbühne‘ die leichtere Möglichkeit versagen, welche die zweite Garnitur dieses Geschlechts bietet, nämlich die Möglichkeit, sie zu erledigen durch den Hinweis auf ihr sprachliches Unvermögen, kurz auf ihr 'Gemauschel'; die Peter Panter, Theobald Tiger – alias Kurt Tucholsky – aber auch die Weinert undKaminski mauscheln höchstens in Aufregung; sonst schreiben sie ein Deutsch, das wir den nationalsozialistischen Pressechefs und Studienräten mit der Fakultas für Germanistik wünschen möchten.“
Die weiter oben zitierte Beurteilung durch denReichstagsabgeordnetenAnton Erkelenz findet sich in ähnlicher Form auch Texten wieder, die sich aus historischer Perspektive mit derWeltbühne befassen. So kritisierteRudolf Augstein die überzogenen Ansprüche des Blattes an die Politiker:
„In ihrem gedanklichen und formalästhetischen Bereich waren die Protagonisten der „Weltbühne“ Persönlichkeiten, dies zweifellos. Aber das verführte sie zu einer überzogenen Persönlichkeitssuche im politischen Raum, wo die Tatsachen bekanntlich nicht aus ätherischem Stoff sind. Ein regierender Sozialdemokrat hatte allemal den Vorzug, als Persönlichkeit glatt durchzufallen. Er hieß dann etwa „Füllfederhalterbesitzer Hermann Müller“.“
Allerdings lässt sich derWeltbühne nicht vorwerfen, sie habe von einer reinidealistischen undästhetischen Warte aus agiert, ohne sich um die Aufdeckung konkreter Missstände zu kümmern. So ging Jacobsohn ein hohes persönliches Risiko ein, als er 1925 die Berichte über Fememorde innerhalb der Vaterländischen Verbände veröffentlichte. Nach Angaben Ossietzkys soll Jacobsohn darin auch seine wichtigste journalistische Leistung gesehen haben: „Und wenn ich nichts getan hätte als die Aufdeckung der Fememorde, so wäre mir das genug …“ Auch die Reaktion der Reichsregierung auf die Enthüllungen, die zumWeltbühne-Prozess führten, zeigten sehr deutlich, dass bereits 1929 nur noch wenig von dem Staat übrig war, den dieWeltbühne hätte verteidigen wollen.
Und wie eine vorweggenommene Antwort auf die Kritiker der Nachkriegszeit liest sich eine Stelle aus einem Brief Tucholskys an Walter Hasenclever vom 17. Mai 1933:
„Ich werde nun langsam größenwahnsinnig – wenn ich zu lesen bekomme, wie ich Deutschland ruiniert habe. Seit zwanzig Jahren aber hat mich immer dasselbe geschmerzt: daß ich auch nicht einen Schutzmann von seinem Posten habe wegbekommen können.“
„Die ‚Weltbühne‘ ist eine Tribüne, in der die gesamte deutsche Linke in des Wortes weitester Bedeutung zu Wort kommt; wir verlangen von unseren Mitarbeitern Klarheit, persönliche Sauberkeit und guten Stil. Ob dieser Grundsatz richtig ist oder nicht, ist eine andere Frage; so habe ich das Blatt von meinem verstorbenen Lehrmeister Siegfried Jacobsohn übernommen und so habe ich es an Carl von Ossietzky weitergegeben, der keinen Finger breit von dieser Richtung abgewichen ist. Die ‚Weltbühne‘ verzichtet bewußt auf ein starres Dogma; bei uns wird diskutiert.“
„Die ‚Weltbühne‘ hat in langen Jahren für deutsche Angelegenheiten oft die schärfsten und schroffsten Formulierungen gefunden. Sie hat dafür von rechts den Vorwurf der Verräterei, von links den des verantwortungslos krittelnden Ästhetentums einstecken müssen. Die ‚Weltbühne‘ wird auch weiterhin das sagen, was sie für nötig befindet; sie wird so unabhängig bleiben wie bisher, sie wird so höflich oder frech sein, wie der jeweilige Gegenstand es erfordert. Sie wird auch in diesem unter dem Elefantentritt des Fascismus zitternden Lande den Mut zur eignen Meinung behalten.“
„Die linksradikalen Publizisten vom Schlage der Kästner, Mehring oder Tucholsky sind dieproletarischeMimikry des zerfallenenBürgertums. Ihre Funktion ist, politisch betrachtet, nicht Parteien sondern Cliquen, literarisch betrachtet, nicht Schulen sondern Moden, ökonomisch betrachtet, nicht Produzenten sondern Agenten hervorzubringen. Und zwar ist diese linke Intelligenz seit fünfzehn Jahren ununterbrochen Agent aller geistigen Konjunkturen, vomAktivismus über denExpressionismus bis hin zurNeuen Sachlichkeit gewesen. Ihre politische Bedeutung aber erschöpfte sich mit der Umsetzungrevolutionärer Reflexe, soweit sie am Bürgertum auftraten, in Gegenstände der Zerstreuung, des Amüsements, die sich demKonsum zuführen ließen.“
„Gegen die ‚Weltbühne‘ und gerade gegen Tucholsky hat dieNSDAP von Beginn an Tag für Tag einen Kampf geführt. Tucholsky war ein Gleichnis für die gesamte jüdische Schamlosigkeit und Frechheit derNovemberrepublik.“
„Die Traditionslosigkeit vieler subjektiv überzeugter Demokraten zeigt sich darin, daß sie ihrerseits diesen angeblich ausschließlich ‚westlichen‘ Charakter der Demokratie zur Grundlage ihrer Propaganda machten, ihr Antideutschtum, ihre Begeisterung für die westliche Demokratie taktlos und untaktisch in den Vordergrund stellten und damit der Reaktion in ihrer antidemokratischen Legendenbildung ungewollt eine Hilfe leisteten. (Am deutlichsten ist diese Ideologie im Kreis der damaligen Weltbühne sichtbar.)“
„Zu den Totengräbern der Weimarer Republik, da hilft kein Vertun, muß auch die ‚Weltbühne‘ rechnen (…). Die Metapher ‚Totengräber‘, so wie sie auch heute noch im Schwange ist, bedarf aber der Korrektur. In den seltensten Fällen sind es ja die Totengräber, die einen Leichnam zu Tode bringen. Vielmehr, sie tun den Leichnam, den bereits toten, unter die Erde. (…)
Die ‚Weltbühne‘ als die für den Weimarer Staat typischste periodische Hervorbringung zu bezeichnen, trage ich keine Bedenken, auch wenn von dieser Wochenschrift nie mehr als 15.000 Exemplare gedruckt worden sind.“
„Auch radikale publizistische Kritik muß jede Demokratie vertragen können. Aber die Verantwortungsethik demokratischer Journalisten darf sie die Grenze zur prinzipiellen Staatsfeindlichkeit nicht überschreiten lassen. Auf seine Art hat Carl v. Ossietzky mit derWeltbühne jedoch dazu beigetragen, die tief angeschlagene Republik noch weiter zu schwächen, ja durch seine von links aus geübte Kritik, ohne Pardon zu geben, aktiv zu diskreditieren. Von der linkenWeltbühne ging, mochte v. Ossietzky auch glauben, stets für die Republik zu kämpfen, schließlich eine tendenziell destruierende Wirkung aus (…).“
DieSchaubühne erschien zunächst in der Schaubühne GmbH, die am 1. August 1905 eigens zu diesem Zweck ins Leben gerufen worden war. Im Januar 1906 übernahm der neu gegründete VerlagOesterheld & Co. die Zeitschrift. Vom 1. Januar 1909 bis zum 1. Oktober 1912 kam dieSchaubühne im VerlagErich Reiß heraus. Danach erschien die Zeitschrift bis zu ihrem Verbot 1933 in Jacobsohns Verlag der Schaubühne (1918 in Verlag der Weltbühne umgewandelt). Die finanzielle Situation der Zeitschrift war bis Mitte der zwanziger Jahre eher prekär. Außerdem entstanden Jacobsohn durch erfolglose Buchausgaben von Texten seiner Autoren hohe Verluste, die er durch die Einnahmen aus seiner Zeitschrift decken musste.
DieSchau- undWeltbühne verzichteten fast völlig auf Fotografien und Illustrationen. Lediglich in einigen Ausgaben derSchaubühne finden sich Darstellungen von Bühnentechnik. Die Inserate in derWeltbühne beschränkten sich vorwiegend auf Anzeigen von Büchern. In einer Ausgabe von 1930, die 36 redaktionelle Seiten umfasst, finden sich zwölf Seiten Buchinserate und eine Seite mit Kleinanzeigen.
| Jahr | Herausgeber/Chefredakteur | Auflage | Redaktionssitz (Berlin) | Umfang (redaktionell) | Preis pro Heft |
|---|---|---|---|---|---|
| 1905 | Siegfried Jacobsohn | 1.200 | Hollmannstr. 10 | ca. 26 Seiten | 20 Pf. |
| 1906 | ab 1. Februar 1906: Lietzenburger Straße 60 | 20 bis 50 Pf. | |||
| 1907 | |||||
| 1908 | |||||
| 1909 | |||||
| 1910 | |||||
| 1911 | |||||
| 1912 | ab 1. Oktober 1912: Dernburgstr. 25 | ||||
| 1913 | 50 Pf. | ||||
| 1914 | |||||
| 1915 | |||||
| 1916 | |||||
| 1917 | |||||
| 1918 | 60 Pf. | ||||
| 1919 | 1.200 bis ca. 8.000 | 1 M | |||
| 1920 | ca. 30 Seiten | 1,50 M | |||
| 1921 | ab März 1921: Königsweg 33 | 2,50 M | |||
| 1922 | 4 M bis 50 M | ||||
| 1923 | 150 M bis 350 Mrd. M | ||||
| 1924 | ca. 36 Seiten | 0,35 bis 0,50 Rentenmark | |||
| 1925 | ca. 9.000 bis 12.000 | 0,50 RM | |||
| 1926 | ab 3.12.: Kurt Tucholsky ViSdP i. V.: Carl von Ossietzky | 12.600 | 0,60 RM | ||
| 1927 | ab 25. Januar 1927: ViSdP: Carl von Ossietzky ab 11. Oktober 1927: „Unter Mitarbeit Kurt Tucholskys geleitet von Carl v. Ossietzky“ | ca. 15.000 | ab April 1927: Kantstraße 152 | ||
| 1928 | |||||
| 1929 | |||||
| 1930 | |||||
| 1931 | |||||
| 1932 | ab Mai: Hellmut von Gerlach ViSdP: Walther Karsch | ||||
| 1933 | Carl von Ossietzky, ab März: Walther Karsch |


