Es besteht Uneinigkeit darüber, ob der NameWeichsel indoeuropäischer oder prä-indoeuropäischer Herkunft ist. Im Falle der indoeuropäischen Herkunft geht der Name wahrscheinlich auf dieindogermanische Wurzel *u̯eis- für „sickern“ bzw. „langsam, zähflüssig“ zurück.[1] Der polnische NameWisła leitet sich vom lateinischenVistla ab. Das Buchstabenpaar -tl- wurde schlicht durch das polnische -ł- ersetzt.[2] So heißt dann auch die erste Stadt, durch welche die Weichsel fließt.
Der Einstrom des Flusses in dieOstsee wurde natürlicherweise durch den Dünenrücken derDanziger Binnennehrung versperrt, des westlichen Teils derFrischen Nehrung (Mierzeja Wiślana).[3] Zwischen Landrücken und Dünenrücken hat sich ein Delta gebildet. Kurz hinterGniew (Mewe) zweigt nach Osten dieNogat ab, die erst 1371 durch ein Hochwasser vom selbständigen Fluss (wieder) zum Weichselarm wurde und im Bereich derElbinger Niederung in dasFrische Haff (polnischZalew Wiślany, alsoWeichselhaff) mündet. Kurz vor dem Dünenrücken verzweigte sich natürlicherweise der Hauptstrom der Weichsel in dieElbinger oder Königsberger Weichsel (Szkarpawa), die ebenfalls ins Frische Haff mündet und bis Anfang des 19. Jahrhunderts der Hauptstrom war, sowie in die Danziger Weichsel, die nahe der StadtDanzig den Dünenrücken durchbrach und die in dieDanziger Bucht (polnischZatoka Gdańska) mündete. Im Jahre 1840 entstand bei einem Hochwasser ein neuerWeichseldurchbruch auf halbem Wege zwischen der Gabelung und Danzig, woraufhin der westliche untere Teil des alten Mündungsarms versandete. Um die Hochwassergefährdung des Weichseldeltas zu vermindern, wurde in den Jahren 1889 bis 1895 dann von dieser Gabelung aus derWeichseldurchstich (polnischPrzekop Wisły) geschaffen;[4] der größte Teil des Weichselwassers strömt seitdem durch diesen in die Ostsee. Um ein drohendes Versanden der Danziger Weichsel zu verhindern, wurde eine Schleuse gebaut; der Mündungsarm wurde zunehmend Tote Weichsel (polnischMartwa Wisła) genannt.
Der östliche Weichselarm Szkarpawa hat seinerseits ein Delta ausgebildet. Dessen nördlichster Arm wird weiterhinWisła Królewiecka (Königsberger Weichsel) genannt.
Die ersten schriftlichen Erwähnungen der Weichsel sind etwas mehr als 2000 Jahre alt und stammen von römisch-antiken Autoren. Während der Antike verlief eineBernsteinstraße vom Römischen Reich über dieMährische Pforte und entlang der Weichsel, an deren Mündung in die Ostsee der BernsteinhandelsplatzTurso lag.
Pomponius Mela nannte 44 n. Chr. im dritten Buch derChorographia (3,27) dieVistula als Grenze zwischenGermanien undSarmatien.Plinius der Ältere nannte um 77 n. Chr. in seinerNaturgeschichte (4,52; 4,89) ausdrücklich zwei Namen: „Visculus siveVistla“. Der Vistla-Fluss floss demnach in dasMareSuebicum, das heute als Ostsee bekannt ist.
Plinius bezeichnete gleichfalls die Weichsel als den Grenzfluss zwischen dem germanischen und sarmatischen Einflussgebiet. Die zu seiner Zeit im Weichselgebiet lebenden Ostgermanen bezeichnete Plinius alsVandili (Vandalen) und nannte als TeilstämmeBurgodiones (Burgunder),Varinnae,Charini undGutones (Goten). DieGoten hatten sich erst im letzten Jahrhundert vor der Zeitenwende an der unteren und mittleren Weichsel angesiedelt, begannen aber schon um 200 n. Chr. wieder abzuwandern und sind ab dem 5. Jahrhundert nicht mehr dort nachzuweisen.
Abgesehen von den Wanderungsbewegungen änderten sich auch die Bezeichnungen:Tacitus bezeichnete in seinerGermania die östlich der Weichselmündung wohnendenAesti oderAisti (wohl gleichbedeutend mit der heutigen BezeichnungBalten) als Germanen, wies aber darauf hin, dass sie eine dem Britischen (Keltisch) ähnelnde Sprache sprechen und unterschied sie von denSuebi.
Ab dem 5./6. Jahrhundert nach Chr. sindslawische Siedlungen an der Weichsel nachgewiesen. Zwischen germanischer und slawischer Siedlungsperiode ist in diesen Gebieten ein erheblicher Abwanderungsverlust festzustellen. In der germanischen Schrifttradition sind die Weichselwälder („Wistlawudu“,Widsith, Vers 121), d. h. das Gebiet derPrzeworsk-Kultur, die Heimat der Goten und anderer Germanen:
Wulfhere sohte ic ond Wyrmhere; ful oft þær wig ne alæg,þonne Hræda here heardum sweordumymb Wistlawudu wergan sceoldonealdne eþelstol ætlan leodum.
AlsJordanes im 6. Jahrhundert eine Chronik der Goten,Getica, erstellte, benannte er den Fluss Vistula. Er beschrieb ebenfalls zwei weitere Flüsse mit dem Namen Viscla. Dieser Name bezieht sich auf den NebenflussWisłoka und den Nebenfluss desSan,Wisłok.
Etwa im Jahre 850 n. Chr. wurden die meist östlich der Mündung der Weichsel wohnendenPrußen vomBayerischen Geograph als „Bruz“ erwähnt.
Schon einer der ersten polnischen ChronistenWincenty Kadłubek beschrieb die Weichsel als den Heimatort derWandalen, von denen er die polnische SageWanda herleitete.
Im Hochmittelalter erlangte die Weichsel eine wichtige Rolle als Handelsstraße vonKrakau nachDanzig. DerWeichselhandel wurde allerdings infolge derBesetzung Danzigs durch den Deutschen Orden im Jahr 1308 beeinträchtigt. Nach demZweiten Frieden von Thorn 1466 lag die Weichsel wieder vollständig auf polnischem Gebiet. Die mehr als 300 Jahre zwischen dem Thorner Frieden und derErsten Polnischen Teilung 1772 gelten als Blütezeit des Weichselhandels und Danzigs als Handelsplatz, derPolen-Litauen mit den westeuropäischen Handelsnationen der Engländer und Holländer verband. Über die Weichsel und Danzig wurde das polnische Getreide nach Westeuropa exportiert, als Polen-Litauen die Kornkammer des Kontinents war, sowie Kolonialwaren aus Westeuropa importiert.
Da die Weichsel nur teilweise reguliert ist, kommt es häufig zu Hochwasser-, aber auch zu Niedrigwasserständen. Hochwasser am Oberlauf tritt in der Regel im Frühsommer auf, wenn die Karpatenflüsse viel Regenwasser von den Bergen ins Tal bringen. Hochwasser am Mittel- und Unterlauf tritt in der Regel nach der Schneeschmelze im Frühjahr auf. Zum Hochwasserschutz wurden drei Speicherseen an der Weichsel errichtet:
Eine vierte Staustufe ist inSiarzewo geplant. Zudem gibt es in denBeskiden undPieninen zahlreiche Stauseen auf den Zuflüssen der Weichsel, die vor Hochwasser nach Starkregen oder Schneeschmelze in den Bergen schützen sollen:
ZwischenOświęcim undNowa Huta inKrakau ist die Weichsel reguliert, um den Wasserstand für die Schifffahrt stabil zu halten und Krakau vor Hochwassern zu schützen.
Zu besonders schweren Überschwemmungen an der Weichsel kam es in den Jahren: 1813, 1844, 1888, 1934, 1960, 1997, 2001, 2010. Im Mai 2010 kam es in Polen (und in anderen Ländern Mitteleuropas)zu großen Hochwassern.
Im September 2012 war der Wasserstand der Weichsel historisch niedrig und lag bei 58 cm. Während dieser Zeit fand man auf dem Flussbodenjahrhundertealte Artefakte.[5] Im August 2015 wurde ein neuer Allzeittiefstand von nur 41 cm gemessen.
Reihenfolge flussabwärts mit Längenangabe (ab 300 km Fettsatz), Abfluss und Größe des Einzugsgebietes; eingerückt mündungsnahe Nebenflüsse der Nebenflüsse
Die Weichsel ist ab kurz vorOświęcim bisDanzig schiffbar, wobei im Oberlauf nur der Abschnitt Oświęcim bisNowa Huta inKrakau alsWasserweg Obere Weichsel mit Schleusen und Kanälen ausgebaut ist. Unterhalb von Krakau mäandert der Fluss wieder in seinem ursprünglichen Zustand, der eine intensivere Schifffahrt außerhalb von einer touristischen Nutzung durch kleine Sportboote und Kajaks unmöglich macht. AbWarschau bis Danzig ist die Weichsel wieder für größere Schiffe befahrbar. Sie ist Teil der internationalen WasserstraßenE40 von derOstsee zumSchwarzen Meer undE70 vonAntwerpen nachKlaipėda.
Pro Jahr trägt die Weichsel mit schätzungsweise 317 Tonnen Mikroplastik zu demPlastikmüll in den Ozeanen bei.[6] Die Weichsel fließt durch zahlreiche Wälder, zum Beispiel durch denSandomirer Urwald, sowie durch zahlreiche Naturschutzgebiete (beziehungsweise befinden sich Naturschutzgebiete im Weichseltal, zum BeispielNaturschutzgebiet Zbocza Płutowskie sowie Schutzgebiete der Natur 2000, wie zum Beispiel dieWiśliska).