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Wehrbauer

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Wehrbauern warenBauern, die von ihrer Obrigkeit zur Ausübungmilitärischer Tätigkeiten verpflichtet wurden und im Gegenzug meist einige Privilegien erhielten.

Inhaltsverzeichnis

Wehrbauerntum in Europa

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Seit der Auflösung desRömischen Reiches im 5. Jahrhundert gab es in Mittel- und Westeuropa über tausend Jahre lang keinestehenden Heere. Eine Ausnahme war im Osten Europas dasByzantinische Reich. Im europäischenMittelalter wurden Truppen nur dann aufgeboten, wenn einFeldzug geplant war oder gegen eine feindliche Invasion vorgegangen werden musste. Dadurch wurde es den militärischen Befehlshabern ermöglicht, mit ihren Truppen weit in gegnerisches Territorium vorzudringen, bevor mit Widerstand gerechnet werden musste. Eine Gegenmaßnahme stellte der massive Bau vonBurgen in gefährdeten Gebieten dar, doch war dies mit enormen Kosten und einem hohen Zeitaufwand verbunden. Zu Beginn derFrühen Neuzeit wurde dieses Problem noch erheblicher, da die zu Beginn des 16. Jahrhunderts aufkommenden Artilleriefestungen noch weitaus kostspieliger als Burgen waren. Deshalb versuchten mehrere europäische Herrscher der Frühen Neuzeit, durch so genannte Wehrbauern die Grenzen ihres Reiches zu verteidigen.

Bei den Wehrbauern handelte es sich um meist unfreie Bauern, die in einer Grenzregion lebten. Ihnen wurde aufgetragen, ihr Land so lange gegen einfallende Feinde zu verteidigen, bis die regulären Truppen herangeführt werden konnten. Als Gegenleistung für diese gefährliche Aufgabe wurden ihnen Freiheiten zugestanden, zu denen neben der persönlichen Freiheit auch die Abgabenfreiheit zählen konnte. Dies stellte für die große Masse vonLeibeigenen undhörigen Bauern einen Anreiz dar, sich in einem Grenzgebiet niederzulassen.

Der Gyepű der Ungarn

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Beim Aufbau der ungarischen Verwaltung ab dem 10. Jahrhundert wurde der Grenzschutz der nach Art der ungarischenNomaden eingerichtet. DerGyepű, ein System von hintereinanderliegenden Linien mit Erdburgen und Grenzwächtersiedlungen, schützte einerseits das ungarische Binnenland nach außen und andererseits die einzelnen Stammesniederlassungen der Ungarn untereinander. Das dazwischen liegende, kaum besiedelteGyepűelve hatte anfangs eine Ausdehnung von ungefähr 10 bis 40 Kilometern. Hier lebten nur die Grenzwächter als freie Bauern, die zusätzlich entwederBogenschützen oder Beobachter waren. Dieses System wurde ab Mitte des 13. Jahrhunderts allmählich aufgegeben, nachdem es sich beimMongolensturm von 1241 als wenig wirksam erwiesen hat, und durch ein System aus standfestenSteinburgen ersetzt.

Grenzer in Österreich-(Ungarn)

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Insbesondere imHabsburgerreich setzte man auf Wehrbauern, die seit den 1530er Jahren denkroatischen Teil der Grenze gegen die türkischenOsmanen verteidigten. Dabei hatten sie einen nicht unerheblichen Anteil an der Behauptung der Habsburger gegen ihre osmanischen Feinde. Bis in das 19. Jahrhundert hinein übernahmen Wehrbauern die Verteidigung der österreichisch-ungarischenMilitärgrenze.

Kosaken im Russischen Reich

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Auch inRussland setzte man seit dem 16. Jahrhundert Wehrbauern ein. Die meisten Wehrbauern in russischen Diensten warenKosaken, bei denen es sich ursprünglich um entflohene russische und ukrainische Leibeigene handelte, die in den Steppengebieten nördlich desSchwarzen Meeres eine eigene Gemeinschaft und Kultur entwickelt hatten. Im 18. Jahrhundert gingen viele wehrfähige Kosaken in der leichtenReiterei derrussischen Armee auf.

Auch in Mitteleuropa gab es während desDreißigjährigen Krieges Versuche, Wehrbauern zur Landesverteidigung einzusetzen. Da dasHeilige Römische Reich zu dieser Zeit von zahlreichen, oftmals plündernden Heeren heimgesucht wurde, mussten die Landesfürsten jederzeit mit der Verwüstung ihres Territoriums rechnen, während ihr Hauptheer möglicherweise an einem weit entfernten Schauplatz kämpfte. Deshalb organisierten diverse Fürsten ihre Bauern in so genanntenLandesdefensionen, die jedoch nur einen geringen militärischen Nutzen hatten.

Mit der Aufstellung von stehenden Heeren in den meisteneuropäischen Staaten verlor das Konzept des Wehrbauerntums im späten 17. Jahrhundert an Bedeutung.

Im 19. Jahrhundert war dem Eroberer und späteren Gouverneur von Algerien,Thomas Robert Bugeaud de la Piconnerie, daran gelegen, sein Kolonisationswerk „ense et aratro“ – mit „Pflug und Schwert“ – zu vollziehen, wie es auch in seinem Familienwappen dargestellt wurde.[1]

Byzantinisches Reich

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Einen Sonderfall stellten die Wehrbauern im Byzantinischen Reich dar, da deren Einbindung in dieThemenverfassung essentiell für die gesamte Grenzverteidigung ab dem 7. Jahrhundert n. Chr. war. Diese so genanntenStratioten waren im Rahmen derThemenreform seit dem 7. Jahrhundert n. Chr. entstanden und waren nicht unfrei. DerStratiot (stratiotos) verfügte über ein kleines Landgut, welches einen bestimmten Mindestwert haben musste. Von diesem Besitz musste er seinen Unterhalt und seine Ausrüstung bestreiten. Dieses System, welches lange Zeit das Überleben des byzantinischen Staates gewährleistet hatte, brach Ende des 10. Jahrhunderts zusammen. Es kam später zu einer Umwandlung in teils von den großen Grundherren abhängige Güter, die so genanntenPronoia. Diese Überführung des Landbesitzes in die Hände der Großgrundbesitzer schwächte die Wehrkraft des byzantinischen Staates und war mit ein Grund für dessen letztendlichen Untergang.

Nationalsozialismus

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Während desNationalsozialismus gab es Überlegungen zur Errichtung einesWehrbauerntums in Osteuropa. Für die Zeit nach demEndsieg, d. h., nach der endgültigen Eroberung und Unterwerfung Europas, war die Zerschlagung derSowjetunion als unabhängiger Staat und die Errichtung einerblutenden Grenze amUral geplant. Diese sollte durch Bauern gesichert werden, die zugleich Soldaten waren, also durch Wehrbauern.[2](Siehe auch:Reichskommissariat Ukraine,Reichskommissariat Ostland,Reichskommissariat Moskowien). Unter dem Motto „Windkraft für Wehrbauern“[3] nach einem eventuellen Endsieg[4][5] wurden Anlagen einer geplanten dezentralen Energieversorgung im Rahmen desGeneralplan Ost vorgeschlagen.

Literatur

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  • R.J. Lilie:Die zweihundertjährige Reform. Zu den Anfängen der Th.organisation im 7. und 8. Jh. In:Byzslav. Bd. 45, 1984, S. 27–39 und 190–201. (Zur byzantinischen Themenverfassung und dem damit verbundenen Wehrbauerntum.)

Einzelnachweise

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  1. Jan C. Jansen: Erobern und Erinnern. Symbolpolitik, öffentlicher Raum und französischer Kolonialismus in Algerien 1830–1950, Oldenbourg, München 2013, S. 69.
  2. Joe J. Heydecker und Johannes Leeb:Der Nürnberger Prozess,ISBN 3-462-02466-3, Kapitel: Wenn Hitler den Krieg gewonnen hätte
  3. Aleida Assmann, Frank Hiddemann, Eckhard Schwarzenberger:Firma Topf&Söhne-Hersteller der Öfen für Auschwitz: Ein Fabrikgelände als Erinnerungsort?, Campus Verlag, 2002,ISBN 3-593-37035-2, S. 41 ff unter "Windstrom für Wehrbauern" en detail zur Windenergie in Weimar
  4. Walther Schieber: Energiequelle Windkraft, Berlin (1941)
  5. M. Heymann:Geschichte der Windenergienutzung: 1890-1990. Campus Verlag, Frankfurt 1995 (zugl. Diss. Deutsches Museum München)
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