Wau Holland

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springenZur Suche springen
Während eines Besuchs beiWerner Pieper (VerlagGrüne Kraft) inLöhrbach, ca. 2000

Wau Holland (eigentlichHerwart Holland-Moritz; *20. Dezember1951 inKassel; †29. Juli2001 inBielefeld) war ein deutscherJournalist und Computer-Aktivist.

Inhaltsverzeichnis

Leben

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]

Holland wurde in Kassel geboren und zog mit seiner Familie im Alter von zehn Jahren nachMarburg, wo er amGymnasium Philippinum das Abitur machte und an derPhilipps-Universität ein Studium derInformatik,Elektrotechnik und späterPolitik begann, aber nicht abschloss.[1] Über linksalternative Kreise und die Umweltbewegung kam er zu einer Stelle bei einer „alternativen Computerfirma“.[1]

Ab 1979 unterstützte Holland den FilmhistorikerHans-Michael Bock mit dem Aufbau der filmografischen DatenbankCinebase fürCineGraph – Lexikon zum deutschsprachigen Film, das seit 1984 alsLoseblattsammlung erscheint. 1983 betreute Holland denLichtsatz eines der frühen ganz auf einem Computer (Osborne 1) erstellten Bücher (Roland Jaeger,Cornelius Steckner:Zinnober – Kunstszene Hamburg 1919–1933. Hamburg 1983,ISBN 3-924225-00-1).

Holland in Hamburg, 1984

Holland gehörte 1981 zu den Gründern desChaos Computer Clubs (CCC), einem der ältestenHackerclubs. Ab 1983 arbeitete er alsKolumnist bei der BerlinerTageszeitung (taz), wo er regelmäßig über den entstehenden deutschen Computeruntergrund und dieMailboxszene berichtete.

Holland war Mitbegründer des Hackermagazins des CCC,Die Datenschleuder, das sich mit den Möglichkeiten globaler Informationsnetzwerke und schneller Computer beschäftigte und in den Anfangsjahren häufig Schaltpläne für selbstgebauteModems enthielt (Datenklo). Das damaligeFernmeldeanlagengesetz verlangte, dass Modems eine Zulassung derDeutschen Bundespost besaßen; im Zweifelsfall wurde diese nur Modems erteilt, die die Bundespost selbst vermietete oder verkaufte. Billigere Hochgeschwindigkeitsmodems, wie sie beispielsweise in den USA gekauft werden konnten, waren verboten. „Das Anschließen eines Selbstbaumodems wurde härter bestraft als dasfahrlässige Auslösen einer atomaren Explosion“, wie Wau Holland es im Rückblick ausdrückte.

1984 kam es auch zum sogenanntenBTX-Hack. Vor geladenem Publikum und Fachpresse demonstrierten Wau Holland undSteffen Wernéry in der Nacht vom 16. auf den 17. November, wie sie mit einemPasswort derHamburger Sparkasse (Haspa) immer wieder eine gebührenpflichtige Seite imBildschirmtext (BTX) aufriefen. Das ging automatisiert über ein Programm, jeder Seitenaufruf kostete 9,97 DM. Innerhalb von 13 Stunden erzeugten die beiden einen Umsatz von 134.694,70 DM, der zu Lasten der Stadtsparkasse ging, im Anschluss aber an die Haspa zurückgezahlt wurde. Der Hack war alsProof of Concept gedacht und rückte das Thema Datensicherheit von BTX ins Licht der Öffentlichkeit.[2][3] Wie sie das Passwort knackten, erzählte Wau während eines Vortrags, der im DokumentarfilmAlles ist eins. Außer der 0. Dr. Waus Chaos Computer Film ausschnittsweise gezeigt wird.

Wau Holland warFunkamateur und führte dasAmateurfunkrufzeichen DB4FA.[4]

Wau Holland über die Grenzen des Hackens (ca. 1995)

Nicht zuletzt durch Hollands Arbeit erwarb der CCC Bekanntheit und Anerkennung. Holland hielt Vorträge über Informationskontrolle im Regierungsumfeld und im Privatsektor, er kämpfte gegenKopierschutz und alle Formen vonZensur sowie für eine freieInformationsinfrastruktur. Die Zensurbestimmungen einiger Regierungen verglich er mit dem Verhalten derkatholischen Kirche imMittelalter, Kopierschutzmechanismen betrachtete er als Produktfehler. In seinen letzten Jahren verbrachte er viel Zeit in einem Jugendzentrum inJena, wo er Kindern sowohl die technische als auch die ethische Seite des Hackens nahebrachte.

Nach der politischenWende 1989 wohnte Holland inIlmenau und hielt an derTechnischen Universität Ilmenau mitGabriele Schade Vorlesungen zur Ethik in der Informatik (weshalb er sich selbst ironisch alsHonorarprofessor bezeichnete).[5] Er war eng mitBernd Fix undWolfgang Rudolph befreundet[6].

„Es geht darum, bestimmte Reste von informationeller Selbstbestimmung überhaupt noch zu haben. In den Niederlanden gibt es den Professor Barkin, und der hatte ein Buch geschrieben: 2008 Ende der Privatheit. Seine Vorstellung ist, wenn sich die Datenmaschinerie und die Kontrolle der Einzelnen dadurch, dass Dateien über sie angelegt werden, so weiterentwickelt, wie es jetzt absehbar ist, dann war die Vision von Orwell mit 1984 nur vom Datum falsch, aber nicht von der Struktur her. Ungefähr 2008 sind derartige Datenmengen verwaltbar, dass es letztlich keine Privatheit mehrgibt. An der Stelle ist das Recht auf Privatheit zurückzugewinnen, dadurch dass man seine Nachrichten verschlüsselt.“

2000, in einem Vortrag über das Recht auf Privatheit, aus:Walter van Rossum,deutschlandfunk.de:Crypto wars oder Die Freiheit im Netz.Deutschlandfunk,Dossier, 2. Januar 2015.Manuskript, S. 4

Wau Holland starb 2001 mit 49 Jahren inBielefeld an den Folgen einesSchlaganfalls.

Mit der im Januar 2004 alsgemeinnützig anerkanntenWau Holland Stiftung (WHS) sollen das Lebenswerk des Namensgebers der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt und Möglichkeiten geschaffen werden, die Projekte Hollands weiterzuführen.

Literatur

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]

Film

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]

Multimediales

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]

Weblinks

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]
Commons: Wau Holland – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien
Wikiquote: Wau Holland – Zitate

Einzelnachweise

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]
  1. abWau Holland. In: www.demokratie-geschichte.de. Abgerufen am 17. Dezember 2022 (englisch). 
  2. Julia Erdogan:BTX-Hack 1984: Angriff der CCC-Hacker gegen die Bundespost. In:Der Spiegel. 13. November 2014,ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 4. Oktober 2021]). 
  3. Thomas Strothjohann: Marburger hackte die Sparkasse. 27. November 2014, abgerufen am 4. Oktober 2021. 
  4. Die Chaoswelle. Funk mit viel Spaß. DARC Ortsverband D23, 2. August 2009, abgerufen am 7. Januar 2018. 
  5. Deutsche Welle Boulevard Deutschland: DOC022 1995-04-xx Portrait CCC und Interview mit Wau Holland. In: Chaosradio Podcast Network. April 1995, abgerufen am 4. Oktober 2021.  Interview mit dem CCC und mit Wau Holland. Unter anderem ein Beitrag über sein Leben in Ilmenau
  6. Wolfgang und Thomas Rudolph: CC2tv SommerSonderSendung 06/2018. Computer:Club2, 20. August 2018, abgerufen am 20. August 2018. 
Personendaten
NAMEHolland, Wau
ALTERNATIVNAMENHolland-Moritz, Herwart (wirklicher Name)
KURZBESCHREIBUNGdeutscher Journalist und Computer-Aktivist
GEBURTSDATUM20. Dezember 1951
GEBURTSORTKassel
STERBEDATUM29. Juli 2001
STERBEORTBielefeld
Abgerufen von „https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Wau_Holland&oldid=251934099
Kategorien: