Victor Henri

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Victor Henri um 1922

Victor Henri (*6. Juni1872 inMarseille; †21. Juni1940 inLa Rochelle) war ein französischer Physikochemiker und Psychologe. Er wurde hauptsächlich als Pionier derEnzymkinetik bekannt.

Er war außerordentlich produktiv – er publizierte über 500 wissenschaftliche Artikel in verschiedenen Disziplinen wiePhysikochemie,Biochemie,Physiologie undPsychologie, unter anderem auch auf Deutsch.[1]

Inhaltsverzeichnis

Lebenslauf

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Henri war ein Waisenkind und wurde von einer Familie russischer Herkunft adoptiert. Einen Teil seiner Kindheit und Jugend verbrachte er von 1880 bis 1889 in Russland. Zurück in Frankreich legte er 1889 das naturwissenschaftlicheBaccalauréat ab und studierte anschließend bis 1893 an derUniversität Paris (Sorbonne) Mathematik, Physik und Chemie sowie ab 1892 Psychologie beiThéodule Ribot amCollège de France. Zudem hatte er von 1892 bis 1894 ein Stipendium am Labor für physiologische Psychologie derÉcole pratique des hautes études (EPHE), wo er ein SchülerAlfred Binets war. Anschließend ging er für zwei Jahre zuWilhelm Wundt an dieUniversität Leipzig. Er wurde 1897 an derUniversität Göttingen beiGeorg Elias Müller auf dem Gebiet derPsychologie promoviert („Über die Raumwahrnehmungen des Tastsinnes“).[2]

Anschließend kehrte er nach Paris an die EPHE zurück, wechselte aber ins Labor für Physiologie vonAlbert Dastre, wo Henri von 1900 bis 1907 alspréparateur (wissenschaftlicher Assistent) arbeitete. Mit einer Schrift über die Wirkung vonDiastasen[3], die er 1903 an der Naturwissenschaftlichen Fakultät zu Paris verteidigte, schloss er seine zweite Promotion, diesmal auf dem Gebiet derEnzymkinetik ab. 1907 erhielt er die Lehrbefugnis und arbeitete anschließend alsMaître de conférences weiter am Physiologischen Labor der EPHE, deren stellvertretende Leitung er 1913 übernahm. Zu Beginn des Ersten Weltkriegs wurde er zum chemischen Kriegsdienst einberufen. 1915 wurde er nach Russland entsandt, wo er wissenschaftlicher Sekretär derRussischen Akademie der Wissenschaften in Moskau und 1917 Professor für physikalische Chemie an derSchanjawski-Universität wurde.[2]

DieUniversität Zürich berief Henri 1920 als außerordentlichen Professor für physikalische Chemie. Er leistete dort bahnbrechende Arbeiten auf dem Gebiet der Spektroskopie.[4] Sein Nachfolger an der Universität Zürich wurdeHans von Halban. 1930/31 leitete Henri ein petrochemisches Projekt im südfranzösischenBerre-l’Étang, dann wurde er Professor für physikalische Chemie an derUniversität Lüttich (Belgien). Bei Ausbruch des Zweiten Weltkriegs kehrte er 1939 nach Frankreich zurück, um mitPaul Langevin im physikalischen Labor desCentre national de la recherche scientifique appliquée (CNRSA) zu arbeiten.[2]

Werk

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1902 publizierte er einen Artikel,[5] in dem er als Erster die grundlegende Gleichung derEnzymkinetik angab und auch ableitete. Diese Gleichung schrieb er folgendermaßen

dxdt=KΦ(ax)1+m(ax)+nx{\displaystyle {\frac {dx}{dt}}={\frac {K\cdot \Phi \cdot (a-x)}{1+m\cdot (a-x)+n\cdot x}}}

Darin bezeichneta die Anfangskonzentration des Substrats undx die Konzentration des gebildeten Produkts. Die anderen Symbole stehen für Konstanten. In heutiger Notation könnte man die Gleichung so schreiben:

v=const.S1+SK1+PK2 (){\displaystyle v={\frac {{\text{const.}}\cdot S}{1+{\frac {S}{K_{1}}}+{\frac {P}{K_{2}}}}}\ (\ast )}

wobeiv die Reaktionsgeschwindigkeit bezeichnet,S die Substratkonzentration,P die Produktkonzentration, undK1 undK2 die Dissoziationskonstanten des Enzym-Substrat-Komplexes bzw. Enzym–Produkt-Komplexes bezeichnen.

Es dauerte etwa zehn Jahre, bis die Biochemiker weltweit die volle Bedeutung dieser Gleichung erkannten. Denn obwohl Henris Artikel und auch seine Doktorarbeit zu diesem Thema (1903, s. oben) vielfach zitiert wurden, haben erstLeonor Michaelis undMaud Menten mit einem bahnbrechenden Artikel im Jahre 1913[6] die Gleichung noch genauer abgeleitet und interpretiert und damit vielfältige Anwendungen ermöglicht. Insbesondere haben sie die Konstanten in der Gleichung richtig und umfassend interpretiert. Meist wird die Gleichung für den SpezialfallP = 0 verwendet und trägt üblicherweise den Namen Michaelis-Menten-Kinetik, manchmal aber auch Henri-Michaelis-Menten-Kinetik.[7]

Es wurde vorgeschlagen, die o. g. Gleichung (*), die für den allgemeineren FallP > 0 relevant ist, Henri-Kinetik zu nennen.[8]

Einen umfangreichen biographischen Artikel über Henri hat S. Nicolas verfasst.[9]

Weblinks

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Einzelnachweise

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  1. V. Henri:Über das Gesetz der Wirkung des Invertins. In:Z. Phys. Chem. 39, 1901, S. 194–216.
  2. abcMickaël Laisney, Jean-Michel Rossignol:Victor Henri, in:Dictionnaire prosopographique de l’EPHE. École pratique des hautes études, Stand 5. Juli 2021.
  3. V. Henri:Lois générales de l’action des diastases. Hermann, Paris 1903.
  4. Vor 75 Jahren wurde das Physikalisch-Chemische Institut der Universität Zürich gegründet. (Memento vom 2. Januar 2014 imInternet Archive) (www.unipublic.uzh.ch)
  5. V. Henri:Théorie générale de l’action de quelques diastases. In:C. R. Hebd. Séances Acad. Sci. 135, 1902, S. 916–919.
  6. L. Michaelis, M. L. Menten:Die Kinetik der Invertinwirkung. In:Biochem. Z. 49, 1913, S. 333–369.
  7. Z. Bajzer, E. E. Strehler:About and beyond the Henri-Michaelis-Menten rate equation for single-substrate enzyme kinetics. In:Biochem. Biophys. Res. Commun. 417, 2012, S. 982–985.
  8. U. Deichmann, S. Schuster, J.-P. Mazat, A. Cornish-Bowden:Commemorating the 1913 Michaelis–Menten paper „Die Kinetik der Invertinwirkung“: three perspectives. In:FEBS Journal. 2013,doi:10.1111/febs.12598.
  9. S. Nicolas:Qui était Victor Henri? In:L’Année Psycholog. 94, 1994, S. 385–402.
Personendaten
NAMEHenri, Victor
KURZBESCHREIBUNGfranzösisch-russischer Physikochemiker und Psychologe
GEBURTSDATUM6. Juni 1872
GEBURTSORTMarseille,Frankreich
STERBEDATUM21. Juni 1940
STERBEORTLa Rochelle,Frankreich
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