EineVerwaltungsvorschrift (VwV, auchVV) ist in Deutschland eine Anordnung, die innerhalb einerVerwaltungsorganisation von einer übergeordneten Verwaltungsinstanz oder einem Vorgesetzten an nachgeordneteVerwaltungsbehörden oder Bedienstete ergeht und deren Wirkbereich grundsätzlich auf dasInnenrecht derVerwaltung beschränkt sein soll. Verwaltungsvorschriften beruhen auf demhierarchischen Aufbau der Verwaltung und regeln sovon oben nach unten Einzelheiten der Tätigkeit nachgeordneter Verwaltungsbehörden. Insoweit bedürfen sie keiner besonderen gesetzlichen Ermächtigung.[1]
Verwaltungsvorschriften begründen mangelsAußenwirkung grundsätzlich keine Rechte und Pflichten für die Bürger.
Viele Gesetze räumen für ihre Ausführung der Verwaltung jedoch einErmessen ein, außerdem enthalten viele Gesetzeunbestimmte Rechtsbegriffe, die durch die Verwaltung ausgelegt und konkretisiert werden müssen. Gegenstand vieler Verwaltungsvorschriften ist deswegen die Leitung des behördlichen Ermessens in eine bestimmte Richtung und/oder dieKonkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe. Die Entscheidung, die die Verwaltung über den Antrag eines Bürgers trifft, wird deswegen oft neben dem eigentlichen Gesetzestext vom Inhalt von Verwaltungsvorschriften bestimmt. Ein Beispiel dafür ist dieTechnische Anleitung zur Reinhaltung der Luft (kurz TA Luft).
Soweit die Verwaltung sich bei Ausübung des ihr eingeräumten Ermessens an vorhandenen Verwaltungsvorschriften orientiert, beeinflussen diese mittelbar das Verhältnis zum Bürger. Die Verwaltungsvorschriften können dann zulässig mit einerNormenkontrolle angegriffen werden und unterliegen dem rechtsstaatlichen Publikationsgebot.[2][3]
Entscheidet die Verwaltung grundsätzlich nach den in einer Verwaltungsvorschrift aufgestellten Maßstäben, ergibt sich daraus eine bestimmte regelmäßige Verwaltungspraxis (Selbstbindung der Verwaltung). Der Bürger kann sich auch insoweit über den allgemeinen Gleichheitssatz desArt. 3 Abs. 1 GG auf eine Verwaltungsvorschrift berufen und die Einhaltung auch in seinem Fall verlangen.
Die Allgemeinen Verwaltungsvorschriften dienen dazu, eine einheitlicheRechtsanwendung der Behörden zu gewährleisten und wenden sich daher unmittelbar nur an die zuständigen Behörden, nicht jedoch an den ebenfalls betroffenen Bürger. Da die Behörde zur Anwendung der Verwaltungsvorschriften verpflichtet ist, können diese jedoch auch für die Bürger rechtliche Bedeutung haben. So kann die Erteilung einer Genehmigung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz von der Einhaltung der Vorschriften der TA Luft abhängen.
Verwaltungsvorschriften werden nicht immer als solche bezeichnet, sondern heißen auchTechnische Anleitung (TA),Anordnung,Ausführungsbestimmung,Dienstanweisung,Erlass,Runderlass,Richtlinie, Verwaltungsrichtlinie oderVerfügung. Zu den wichtigsten VwVen zählen neben den TAen dieVerwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung, dieRichtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV), dieStrafvollstreckungsordnung (StrVollstrO), dieUntersuchungshaftvollzugsordnung (UVollzO) und dieMitteilungen in Straf- undZivilsachen (MiStra, MiZi).
Ein weiteres, bekanntes Beispiel einer Allgemeinen Verwaltungsvorschrift sind dieEinkommensteuer-Richtlinien. Sie binden dieFinanzämter an eine bestimmte Auslegung desEinkommensteuergesetzes und sind beispielsweise oft maßgeblich dafür, ob bestimmte Ausgaben, die einSteuerpflichtiger alsWerbungskosten geltend macht, auch als solche anerkannt werden oder nicht.
Die Verwaltungsvorschriften lassen sich innorminterpretierende undnormkonkretisierende Verwaltungsvorschriften unterteilen. Letztere haben unmittelbare Außenwirkung, sind also im Gegensatz zu norminterpretierenden Verwaltungsvorschriften, die nur für die Bediensteten der jeweiligen Verwaltungsbehörde von Belang sind, auch für den normalenBürger von Bedeutung. Solche normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften akzeptiert dasBundesverwaltungsgericht ausschließlich im Bereich desUmwelt- und Technikrechts zur Konkretisierung von unbestimmten Rechtsbegriffen wie „allgemein anerkannter technischer Standard“ oder „Stand der Wissenschaft und Technik“ und stellt zudem weitere Anforderungen an sie. Neben der bereits genannten TA Luft zählen weitere Technische Anleitungen wie dieTA Lärm zu dieser Art von Verwaltungsvorschrift.
Unterverfassungsrechtlichem Blickwinkel sind Verwaltungsvorschriften oft problematisch, weil dasRechtsstaats- und dasDemokratieprinzip verlangen, dass der demokratisch legitimierteGesetzgeber die wesentlichen Entscheidungen selbst (in Gesetzesform) trifft (sieheWesentlichkeitstheorie). Die Verwaltung hat nur eine abgeleitete, sozusagen „verdünnte“ demokratischeLegitimation und soll deswegen nicht mit zu viel Entscheidungsgewalt ausgestattet sein. Andererseits kann ein Gesetz nicht alle denkbaren Fälle regeln, so dass der Verwaltung ein gewisser Spielraum zur Regelung von Einzelheiten schon aus praktischen Gründen eingeräumt werden muss. Ein Beispiel für ein solches Rechtsgebiet, in dem Verwaltungsvorschriften eine problematisch große Rolle spielen, ist dasAusländerrecht.Bereits im Mai 2002 verabschiedete dieArbeitsgemeinschaft der Informationsbeauftragten in Deutschland (AGID) eine Entschließung, in der sie zum Zweck derTransparenz die Veröffentlichung von Verwaltungsvorschriften forderte.
EU-Richtlinien müssen so in nationales Recht umgesetzt werden, dass etwaig hierdurch begründete Rechte für den Einzelnen erkennbar sind und er sie geltend machen kann. DerEuGH verneinte, dass diese Anforderungen durch Umsetzung einer Richtlinie in der TA-Luft erfüllt seien, obwohl diese eine normkonkretisierende VwV darstellt. Erforderlich seien vielmehrRechtsnormen im materiellen Sinn.[4]
Imösterreichischen Verwaltungsrecht umfassen Verwaltungsvorschriften alle die verschiedenen Gebiete der Verwaltung regelnden, von Verwaltungsbehörden zu vollziehenden Gesetze, Verordnungen, Staatsverträge und unmittelbar geltenden Vorschriften des Unionsrechts (Art. II Abs. 2 EGVG).[5]
Verwaltungsinterne Regelungen werden demgegenüber alsErlasse,Rundschreiben oderinterne Verwaltungsvorschriften bezeichnet.[6]