DieVerfahrenstechnik ist eine selbstständigeIngenieurwissenschaft, die sich mit allen Vorgängen befasst, bei denenStoffe (Gase, Flüssigkeiten oder Feststoffe) hinsichtlich Zusammensetzung, Art oder Eigenschaften verändert werden.
Sie nutzt dabeiphysikalische,chemische oderbiologische Verfahren. Innerhalb derProduktionstechnik befasst sich die Verfahrenstechnik mit der Herstellung von Stoffen (Rohmaterial) sowie der Umwandlung von Stoffen mit nicht genau definierter Form, während dieFertigungstechnik diese Ausgangsprodukte zu Körpern mit geometrisch bestimmter Form weiterverarbeitet.
Beispiele sindMahlen oderSieben von Getreide, die Gewinnung vonMetallen ausErzen, die Produktion vonPapier oder die Auftrennung der einzelnen Bestandteile desrohen Erdöls. Das Rohmaterial eines Verarbeitungsprozesses kann dabei selbst das Produkt einer vorhergegangenen Verarbeitung sein, und das Produkt kann weiterverarbeitet werden. Diese Vernetzung wird alsProduktionsverbund bezeichnet. Auch die Wiedergewinnung, dasRecycling von Wertstoffen ausAbfällen, fällt in den Aufgabenbereich der Verfahrenstechnik. Die zunehmende Energiegewinnung auf Basisnachwachsender Rohstoffe (Bioenergie) erfordert den Einsatz verfahrenstechnischer Methoden.
Die Verfahrenstechnik ist eine interdisziplinär ausgerichtete Wissenschaft. Zu verwandten Bereichen zählenMetallurgie,Chemieingenieurwesen undChemie,Apparatebau (Teil desMaschinenbaus),Biotechnik undUmwelttechnik.[1]
Laut Definition der Gesellschaft für Verfahrenstechnik undChemieingenieurwesen (GVC) beschäftigt sich dieVerfahrenstechnik mit der technischen und wirtschaftlichen Durchführung aller Prozesse, in denenStoffe nach Art, Eigenschaft und Zusammensetzung verändert werden. Es handelt sich also um dieIngenieurwissenschaft der Stoffumwandlung.In der Praxis arbeitet der Verfahrensingenieur oft eng mit dennaturwissenschaftlichen Disziplinen, z. B. mit Chemikern als Entwickler, zusammen und setzt deren Erkenntnisse in realisierbare technische Konzepte und Prozesse um. Besonders die Vergrößerung des Produktionsmaßstabes und der Energiehaushalt eines Verfahrens sind oft entscheidende Fragen.
Doch auch die Realisierung der verfahrenstechnisch entwickelten und geplanten Anlage, selbst alsAnlagenbau bezeichnet, wird von der Verfahrenstechnik abgedeckt. Hierbei sind die Auswahl und Auslegung der zum Bau einzusetzenden Apparate, Bauteile und Materialien die Hauptaufgabe des Verfahrenstechnikers. Hinzu kommt in immer umfassenderem Maße auch diemess- undregelungstechnische Planung des zu betreibenden Prozesses. Hierbei fließen oft die Erkenntnisse aus der verfahrenstechnischen Theorie- und Versuchsarbeit in computergestützteSimulationen ein. Diese dienen dann als Ausgangsbasis oder sogar als Führungsmodell für die Prozessregelung. Aufgrund des sehr interdisziplinär ausgelegten Studiums finden Absolventen in der Berufspraxis ein sehr breites Einsatzspektrum. Von der Arbeit als Forscher im Labor, als Entwickler und Programmierer von Simulationen oder Leitsystemen, über die Tätigkeit als Berechnungs- undProjektingenieur, bis hin zum Bauleiter oder Betriebsführer von Produktionsanlagen sind Verfahrens- und Chemieingenieure in der gesamten Chemie-, Energie-, Lebensmittel- und Pharmaindustrie, wie auch in den entsprechenden Anlagenbauunternehmen und Forschungseinrichtungen anzutreffen.
Verfahrenstechnische Studiengänge werden in Deutschland und Österreich anTechnischen Universitäten und anderenHochschulen angeboten. Hierbei unterscheiden sich die jeweiligen Studiengänge zwischen den Hochschulen im Detail durchaus. Je nach Tradition bzw. der thematischen Ausrichtung der jeweiligen Institution kann sich die Ausbildung eher an der Technik oder an der Chemie (s.Chemieingenieurwesen) orientieren. Während an einigen Hochschulen die Verfahrenstechnik beispielsweise als Studienschwerpunkt direkt aus dem Studium des Maschinenbaus "abzweigt", ist das Fach an anderen Einrichtungen wiederum ein eigenständigesGrund- oderBachelor-Studium für einen späteren Schwerpunkt wie dieBioverfahrenstechnik oder dasHaupt- oderMasterstudium der Chemietechnik. Dazu existieren in eigenständigen Wissenschaftsgebieten auch eigene verfahrenstechnische Studien- oder Vertiefungsfächer. Dies ist beispielsweise dieAgrartechnik oder die Technik derNutztierhaltung innerhalb derAgrarwissenschaft. Auch Spezialisierungen im Bereich der verfahrenstechnischenEnergietechnik (Energieanlagenbau,Erneuerbare Energien) werden zurzeit vermehrt angeboten. Hier fließen oftMaschinenbau undElektrotechnik in das Fach mit ein. Der technischen Entwicklung folgend, führt dies mitunter zur Etablierung neuer Studienfächer, wie derUmwelttechnik[2], derBiotechnologie oder derLebensmitteltechnologie.
Hinzu kommt, dass der deutsche und englische Sprachgebrauch bei den Begriffen des Verfahrens- und Chemieingenieurwesens unterschiedlich ist. AlsProcess Engineering wird im Englischen zwar die verfahrenstechnische Tätigkeit eines Ingenieurs bezeichnet. Das der deutschen Definition für Verfahrenstechnik entsprechende Studienfach ist im englischsprachigen Ausland aber meistens dasChemical Engineering (ebenso z. B. auch im Spanischen:Ingenieria química). In Deutschland wiederum wird in der Hochschulausbildung zwischen Verfahrens- und Chemietechnik klar unterschieden.
Der Studienabschluss in verfahrenstechnischen Studiengängen war in der Bundesrepublik Deutschland meistens der akademische Grad einesDiplom-Ingenieurs. Im Rahmen desBologna-Prozesses erfolgte auch hier die Umstellung bzw. Einführung der aufeinander aufbauenden neuenakademischen AbschlussgradeBachelor undMaster. In Deutschland schließt man lediglich an der Technischen Universität Dresden sowie der Technischen Universität Freiberg noch mit dem Diplom-Ingenieur ab. In Österreich wird Absolventen eines Masterstudiums an derMontanuniversität Leoben,[3] derTechnischen Universität Graz[4] und derTechnischen Universität Wien[5] der akademische Grad Diplom-Ingenieur (Abk.: Dipl.-Ing. oder DI), der international dem Master of Science (Abk.: M.Sc. oder MSc) entspricht, verliehen.
Die Verfahrenstechnik hat sich von ihren Anfängen im Rohrleitungs- und Kesselbau hin zu einer interdisziplinären Wissenschaft entwickelt. Heute werden für die Auslegung der Prozesse neben
benötigt. Weiterhin wird für die Umsetzung des Prozesses im Anlagenbau auf alle anderen Ingenieurwissenschaften zurückgegriffen.
Verfahrenstechnische Anlagen produzieren zwischen wenigen Gramm und mehreren Millionen Tonnen pro Jahr. Produziert werden einfache chemische Substanzen bis hin zu komplizierten Bauteilen. Um die Fülle an Prozessen beschreiben zu können, werden sie in physikalisch nicht mehr sinnvoll trennbare Grundoperationen (englischunit operations) mit nur einem physikalischen Vorgang, wie Mischen oder Verdampfen, zerteilt. Verfahrensschritte, die eine räumlich untrennbare Kombination mehrerer Grundoperationen sind, werden meist auch als Grundoperationen bezeichnet. Klassen von verfahrenstechnischen Grundoperationen sind zum Beispiel:
Diese Grundoperationen werden aneinandergereiht und ergeben den Gesamtprozess. Ein derart gestalteter Prozess ist berechenbar und durchführbar, aber nicht energie- und platzoptimiert. Der Kostendruck in der Industrie und die besseren Simulations- und Analysemöglichkeiten sowie das bessere physikalische Verständnis führen dazu, dass heute immer mehr Grundoperationen in einem Prozessschritt kombiniert werden. Jedoch ist für das Verständnis des Gesamtzusammenhangs eine Betrachtung des Prozesses in getrennten physikalischen Grundschritten sinnvoll.
Die Verfahrenstechnik gliedert sich daher immer noch entlang der physikalischen Vorgänge der Grundoperationen in:
Dazu kommt die nicht überschaubare Anzahl von komplexen, nicht voneinander trennbaren Verfahren wie:
Ebenso den benötigten Hilfs-, Umsetzungs- und Spezialdisziplinen, wie:
Eine andere, ältere Gliederung geht von den Stoffgruppen aus: Lebensmittelverfahrenstechnik, Kunststoffverfahrenstechnik usw.
In derPharmazie wird die Verfahrenstechnik alsGalenik, in derApotheke alsRezeptur bezeichnet. Industriell wird sie alsAufbereitungstechnik bzw. spezifischer alspharmazeutische Technologie oderArzneiformenlehre bezeichnet.
Grundsätzlich gilt: jede Prozessentwicklung, bei der ein Stoffstrom betroffen ist, beinhaltet Verfahrenstechnik. Sie ist daher ein meist nicht genannter Bestandteil jeder Wissenschaft. Die Verfahrenstechnik betont das Verfahren an sich und versucht es mit den gegebenen Randbedingungen zu optimieren. In anderen Disziplinen wird meist von einem gegebenen Prozess ausgegangen, da der Schwerpunkt auf anderen Aspekten liegt.
Die Verfahrenstechnik beschäftigt sich mit dem gleichen Gegenstand wie die anderen Naturwissenschaften und benutzt ihre Werkzeuge. Im Gegensatz zu anderen Naturwissenschaften versucht die Verfahrenstechnik jedoch nicht einen neuen Zusammenhang offenzulegen, sondern einen erkannten Zusammenhang technisch nutzbar zu machen. Bei der Auslegung neuer Prozesse entstehende Fragen führen meist zu einer engenKooperation mit anderen Naturwissenschaften.
Verfahrenstechniker benutzen die Werkzeuge der Ingenieurwissenschaften. Sie legen den Raum und die Bedingungen fest, unter denen ein Prozess abläuft.
Das Chemieingenieurwesen ist eine Disziplin der Verfahrenstechnik, welche einen Schwerpunkt auf dieChemie legt. DieUmwelttechnik legt den Schwerpunkt hingegen auf rechtliche, toxikologische, und logistische Aspekte der Ver- und Entsorgung.
Diemechanische Verfahrenstechnik versteht sich als Anwender der Mechanik bzw. derStrömungsmechanik. Sie beschäftigt sich daher mit Stoffwandlungsprozessen, die aufmechanischer Einwirkung beruhen. Die vier Prozesshauptgruppen sindZerkleinern undAgglomerieren sowieMischen undTrennen (Filter, Siebe).
Historisch liegen ihre Wurzeln im Rohrleitungsbau und in der Feststoffverfahrenstechnik. Traditionell werden daher meist auchLagern,Fördern undDosieren vonFeststoffen,Schüttgütern undflüssigen Gütern (z. B. Förderung durchPumpen) der mechanischen Verfahrenstechnik zugeschlagen.

Die thermische Verfahrenstechnik beschäftigt sich insbesondere mit thermischen Trenn- und Reinigungsprozessen wieDestillation sowie mit den ProzessenRektifikation undExtraktion. Auch Prozesse, die mittelsMembrantechnik ablaufen, zählen zur thermischen Verfahrenstechnik.

DieChemische Verfahrenstechnik (Chemische Reaktionstechnik) beschäftigt sich mit Stoffwandlungen durchchemische Reaktionen und bildet das stärkste Bindeglied der Verfahrenstechnik zur Chemie. Insbesondere wird der Übergang vom Labormaßstab der Chemie zum technischen Maßstab untersucht. Das beinhaltet beispielsweise die Errichtung von Pilotanlagen und die Untersuchung von Kinetiken. Der Chemieingenieur leistet somit maßgebliche Arbeit bei der Umsetzung von Laborergebnissen in den Produktionsprozess. Diese Maßstabsübertragung bezeichnet man heute meist als "Scale-up".
Die Elektrochemische Verfahrenstechnik beschäftigt sich mit den technischen Anwendungen der elektrochemischen Phänomene (z. B. Synthese von Chemikalien, elektrolytischenRaffination vonMetallen,Batterien undBrennstoffzellen,Sensoren, Oberflächenmodifizierung durchgalvanische Abscheidung und Ätzung, Trennungen, undKorrosion).[6]
Die Bioverfahrenstechnik (auch Bioprozesstechnik oderBioengineering) ist der Bereich derBiotechnologie, der sich mit der verfahrenstechnischen Umsetzung beschäftigt, bzw. der Teil der Verfahrenstechnik, der sich mit biotechnologischen Prozessen beschäftigt.Die Biotechnologie macht Stoffumwandlungen durch biologische Prozesse in technischen Anwendungen nutzbar. Diese Prozesse können durch die in Zellen (meistBakterien,Hefen,Pilzen) enthaltenenEnzyme (früher: Ferment) bzw. durch isolierte Enzyme durchgeführt werden. In beiden Fällen spricht man vonBiokatalyse,Biosynthese oderFermentation. VonKultivierung spricht man dagegen nur, wenn Zellen eingesetzt werden, die sich während des Prozesses vermehren bzw. Stoffwechsel betreiben. Teilbereiche der Biotechnologie sind z. B. dieMikrobiologie,Chemie undBiochemie.Gentechnische Methoden können eingesetzt werden, kommen aber nicht zwangsläufig bei allen biotechnologischen Anwendungen zum Einsatz. Ein wichtiger Bereich der Biotechnologie ist die Verfahrenstechnik, die Prozesse in Forschungs- oder Produktionsmaßstab umsetzt. Dazu gehört die generelle Planung und Umsetzung eines Verfahrens, die Entwicklung der Prozesskontrolle und der Aufbereitungsmethoden für die Produkte, die Steuerung von Produktionsprozessen und ihre laufende Optimierung.
Biotechnologische Verfahren können verschiedene Vor- und Nachteile gegenüber den chemischen Verfahren haben:
Biotechnologische Anwendungen unterscheiden sich stark und werden daher in verschiedene Bereiche eingeteilt. Neben der Bioverfahrenstechnik zur Herstellung von bestimmten Verbindungen können diese einzelnen Bereiche auch andere Felder umfassen:
Während die Begriffe weiße, rote und grüne Biotechnologie etabliert sind, sind die anderen farblichen Zuordnungen bisher weniger verbreitet.[7]

Die zahlreichen Anwendungsmöglichkeiten haben verschiedene Verfahren hervorgebracht, die sich stark unterscheiden können. Häufig kommen Bioreaktoren (Fermenter) zum Einsatz. Meist enthalten die Fermenter Rührwerke für die Homogenisierung, Einrichtungen zur Temperatureinstellung und weitere Technik zur Kontrolle und Steuerung wichtiger Parameter.
Die Produkte werden nach unterschiedlichen Prinzipien erzeugt:
Im Anschluss an die Produktion (Fermentation) ist in der Regel eine Aufbereitung (Downstream Processing) notwendig. Diese kann, je nach Verfahren, sehr aufwendig sein und Schritte wieZellaufschluss,Filtration,Chromatographien und anderes umfassen. Auch dieser Bereich wird der Bioverfahrenstechnik zugeordnet.[8]
Die Systemverfahrenstechnik als Teil deringenieurwissenschaftlichen Systemtheorie hat die Aufgabe, das dynamische Verhalten verfahrenstechnischer Systeme zu modellieren, die Systemstruktur zu optimieren und die zur Beherrschung der stoffumwandelnden Prozesse erforderlichen Teilsysteme zu gestalten.

DieNanotechnik oderNanotechnologie ist ein noch junges Gebiet, welches sehrinterdisziplinär Gebiete aus derPhysik, derChemie, derBiologie und der Verfahrenstechnik vereint. Es beschäftigt sich mit Stoffen und Systemen, die in ihrer Größe unter Umständen nur aus wenigenMolekülen bestehen. Für die Verfahrenstechnik ist die Nanopartikeltechnik von besonderer Bedeutung. Aufgrund der kleinen geometrischen Ausdehnung von Nanopartikeln besitzen sie spezielle optische und elektronische Eigenschaften, welche besondere Messverfahren erforderlich machen, jedoch auch zu neuen Anwendungen führen können. Ein Beispiel für diese Partikel sindKohlenstoffnanoröhren, die sich ganz anders verhalten als z. B.Graphit-Partikel.