Verbannung
EineVerbannung (auchStadt-, bzw.Landesverweisung) – rechtshistorisch abgeleitet aus derBanngewalt desKönigs – ist dieVerweisung einer Person aus ihrer gewohnten Umgebung oder angestammtenHeimat. Anders als dasExil ist die Verbannung niemals freiwillig, sondern Folge eines andauerndenautoritativenZwangs, der den Betroffenen die Rückkehr verwehrt oder ihreFreizügigkeit beschränkt.
Die Verbannung erscheint in den frühesten deutschen Rechtsaufzeichnungen als Beugemittel für säumige Schuldner oder Angeklagte sowie als Mittel zur Beendigung vonFehden. Seit demHochmittelalter tritt sie in Form der Stadtverweisung („Verfestung“) hervor[1] und wurde als polizeiliche Maßnahme auch gegenüber unerwünschten Fremden wieFahrenden oderJuden praktiziert. Häufigen Gebrauch von der Verbannungsstrafe machten diemittelalterlichen undfrühneuzeitlichen Gerichte.[2] In den frühen europäischen Strafkodifikationen des 15. und 16. Jahrhunderts ist die Verbannung häufig als Gnadenstrafe anstelle derTodesstrafe vorgesehen. Der mit Verbannung Bestrafte musste einenEid ablegen, nicht wieder zurückzukehren.
Mitunter bleibt der Verbannte auch innerhalb desHerrschafts- oder Einflussbereichs derjenigen, die die Verbannung ausgesprochen haben, etwa in einerStrafkolonie oder abgelegenen Gegend des Landes. In der Geschichte praktizierten verschiedene Mächte wie daszaristischeRussland beziehungsweise ab 1920 dieSowjetunion,Großbritannien undFrankreich die Verbannung vonDelinquenten in großem Maßstab, oft auch zum Zwecke derKolonisierung abgelegener oder weit entfernter Gebiete (Sibirien,Australien,Französisch-Guayana). Als Kriminalstrafe ist die Verbannung seit Ende des 17. Jahrhunderts aus den Rechtsordnungen des deutschsprachigen Raums verschwunden. In Frankreich wurde sie offiziell erst 1994 abgeschafft, allerdings schon zuvor wegen Verstoßes gegen Artikel 3 derEuropäischen Menschenrechtskonvention nicht mehr verhängt.
Bekannte Beispiele
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Verbannung durchScherbengerichte im antikenAthen betraf u. a.Aristeides,Themistokles,Kimon undThukydides.
- Der DichterOvid wurde imrömischen Reich nachTomis im heutigenRumänien verbannt.
- ZahlreicheHäretiker wurden imrömischen Reich der Spätantike verbannt, beispielsweiseArius.
- El Cid wurde zweimal aus demKönigreich Kastilien verbannt.
- Sophie Dorothea von Braunschweig-Lüneburg war von 1694 bis 1716 aufSchloss Ahlden verbannt.
- Diedänische KöniginCaroline Mathilde wurde im 18. Jahrhundert auf dasSchloss Celle imHerzogtum Braunschweig-Lüneburg verbannt.
- Napoleons Verbannungen auf die InselnElba undSt. Helena
- Der tschechische JournalistKarel Havlíček Borovský wurde von 1851 bis 1855 nachBrixen in Südtirol verbannt.
- Graf Archibald Douglas in der Ballade von Theodor von Fontane.
- Verbannung in Russland:
- Katorga (Sträflingsverbannung) derDekabristen und späterDostojewskis nachOmsk inSibirien
- Lenins Verbannung nachSchuschenskoje beiAbakan inChakassien
- Stalins Verbannung nachTuruchansk amJenissej
- Alexander Solschenizyns Verbannung nachKasachstan
- Alfred Dreyfus war von 1895 bis 1899auf die Teufelsinsel verbannt.
- Der letzte deutsche KaiserWilhelm II. verbrachte die Zeit nach seiner Abdankung alsInternierter im niederländischen Exil.
- Kronprinz Wilhelm verbrachte fünf Jahre ohne Rückkehrmöglichkeit nach Deutschland im erweitertenHausarrest auf der niederländischen InselWieringen (1918–1923).
- Der letzte österreichische KaiserKarl I. wurde nach seinem Restaurationsversuch in Ungarn 1921 von den Siegesmächten auf die atlantische InselMadeira verbannt.
- Verbannungen imitalienischen Faschismus:
- Carlo Levis autobiographischer RomanChristus kam nur bis Eboli thematisiert seine Verbannung 1935/36 nach Süditalien.
- Cesare Paveses autobiographischer RomanIl carcere (dt.Die Verbannung) erzählt von seiner achtmonatigen Verbannung 1935 nachKalabrien.
- Die aus Deutschland stammende PrinzessinHelena von Dänemark wurde im Zweiten Weltkriege für zwei Jahre aus Dänemark verbannt.
Siehe auch
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Literatur
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Wolfgang Althof:Sträflingsinseln: Schauplätze der Verbannung. Mittler, Hamburg / Berlin / Bonn 2005,ISBN 3-8132-0843-5.
- Hermann Schreiber:Liebe, Macht, Verbannung – Frauenschicksale im Zarenreich: Frauenschicksale am Zarenhof. Katz, Gernsbach 2009,ISBN 978-3-938047-45-3.
- Ernst Gerhard Jacob, Willy Schulz-Weidner:Kolonien. In:Staatslexikon. (Vierter Band). Verlag Herder, Freiburg 1959, S. 1130–1137.
Weblinks
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Verbannung. In:Brockhaus Enzyklopädie, Onlineausgabe,NE GmbH.
- Corinna von Brockdorff:Die Strafe des Stadtverweises im Spätmittelalter
Anmerkungen
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- ↑Vgl. dazuDietmar Willoweit:Stadtverweisung in Recht und Praxis als Zeugnisse städtischen Selbstverständnisses im Mittelalter, in:Was machte im Mittelalter zur Stadt. Selbstverständnis. Außensicht und Erscheinungsbilder mittelalterlicher Städte, hrsg. vonKurt-Ulrich Jäschke undChristhard Schrenk, Heilbronn 2007, S. 271–283 (hier: S. 271).
- ↑Carl A. Hoffmann:Der Stadtverweis als Sanktionsmittel in der Reichsstadt Augsburg zu Beginn der Neuzeit, in:Neue Wege strafrechtsgeschichtlicher Forschung, hrsg. vonHans Schlosser und Dietmar Willoweit. Köln, Weimar, Wien 1999, S. 193–237 (199).