Urfaust

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Dieser Artikel behandelt Goethes Urfaust. Zu der gleichnamigen Band sieheUrfaust (Band).
Szene aus dem Urfaust mitJoana Maria Gorvin als Gretchen undKonrad Wagner als Faust, Berlin 1945

Unter demUrfaust (auch alsFaust. Frühe Fassung oderFaust in ursprünglicher Gestalt bekannt) versteht manGoethes ersten Entwurf für sein späteres TheaterstückFaust. Er entstand, parallel zu denLeiden des jungen Werthers, 1772 bis 1775 in Frankfurt am Main. Auslöser für die stoffliche Bearbeitung war die Verurteilung undHinrichtung der KindesmörderinSusanna Margaretha Brandt, deren Gerichtsprozess Goethe verfolgt haben muss, wie die nach seinem Tod bei ihm gefundenen Kopien von Prozessakten zeigen.

1775 las Goethe erstmals am Hof zu Weimar, danach unter anderem auch im ErfurterSchloss Stedten, das im Besitz der mit ihm befreundeten Familie Keller war,[1] aus demUrfaust vor. Das Publikum war von der unkonventionellen Form und Sprache begeistert. Goethe wurde im Anschluss immer wieder auf Fertigstellung des Stückes gedrängt, unter anderem von seinem FreundFriedrich Schiller.

Es existiert nur eine Abschrift desUrfaust, sie stammt aus dem Besitz vonLuise von Göchhausen und enthält in der heute noch erhaltenen Version einige der Szenen, die dann später inFaust I eingearbeitet wurden. ImUrfaust sind viele Passagen noch in Prosa verfasst, während imFaust I nur noch die SzeneTrüber Tag. Feld ohne Versform auskommt.

Die Uraufführung desUrfaust fand am 8. Mai 1918 in Frankfurt statt.[2]

Inhaltsverzeichnis

GoethesFaust im Wandel der Epochen

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Goethes Arbeit amFaust zog sich über insgesamt sechs Jahrzehnte hin. Die verschiedenen Fassungen können insgesamt drei unterschiedlichen Epochen zugeordnet werden, die den Stil und Inhalt des Stückes entsprechend beeinflusst haben.

TitelEntstehungszeitAlter Goethes
(* 28. August 1749; † 22. März 1832)
Epoche, die am ehesten
auf das jeweilige Werk zutrifft
Urfaust (bzw.:Faust. Frühe Fassung)≈ 1772–1775≈ 23–26Sturm und Drang
Faust. Ein Fragment a)≈ 1788–1790≈ 39–41Weimarer Klassik
Faust. Eine Tragödie (später:Der Tragödie erster Teil)≈ 1797–1805≈ 48–56Sturm und Drang, Weimarer Klassik
Faust. Der Tragödie zweiter Teil b)≈ 1825–1831≈ 76–82Weimarer Klassik,Romantik
a 
Faust. Ein Fragment war eine Weiterentwicklung desUrfaust (einige Szenen wurden neu eingefügt, andere gestrichen). Im Folgenden wird dieser „Zwischenschritt“ nicht näher betrachtet.
b 
Faust. Der Tragödie zweiter Teil wurde im Sommer 1831 vollendet. Nachdem Goethe seit der Fertigstellung des ersten Teils 1805 zwanzig Jahre lang nicht mehr amFauststoff gearbeitet hatte, erweiterte er ab 1825 frühere Notizen zu einem zweiten Teil seinerTragödie, der allerdings erst einige Monate nach Goethes Tod (1832) veröffentlicht wurde.

Vergleich: Urfaust und Faust I (Faust. Der Tragödie erster Teil)

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Die folgende Tabelle vergleicht die Szenen der beiden Werke, anschließend werden die wichtigsten Unterschiede kurz erläutert. Die Bezeichnung der Szenen imUrfaust stehen in der Originalfassung, in Klammern stehen Auftritte, die in der übergeordneten Szene enthalten sind, also keinen eigenen Namen haben.

Legende
  • ×:Szene ist in einer Fassung nicht vorhanden bzw. nicht vergleichbar.
  • :Szenen ähneln sich bis auf wenige, aber entscheidende Merkmale.
  • =:Szenen sind (bis auf kleinere Unterschiede) gleich bzw. gleichwertig.
UrfaustVergleichFaust I
×Zueignung
×Vorspiel auf dem Theater
×Prolog im Himmel
NachtNacht
×Vor dem Tor
×Studierzimmer I
(Schülerszene)Studierzimmer II
Auerbachs Keller in LeipzigAuerbachs Keller in Leipzig
Land Strasse×
×Hexenküche
Strasse=Straße I
Abend=Abend
Allee=Spaziergang
Nachbaarinn Haus=Der Nachbarin Haus
(gleiches Gespräch)=Straße II
Garten=Garten
Ein Gartenhäusgen=Ein Gartenhäuschen
×Wald und Höhle
Gretgens Stube=Gretchens Stube
Marthens Garten=Marthens Garten
Am Brunnen=Am Brunnen
Zwinger=Zwinger
≈ (S. u.!)Nacht
Dom=Dom
Nacht≈ (S. o.!)
×Walpurgisnacht
×Walpurgisnachtstraum
(gleiches Gespräch)=Trüber Tag. Feld
Nacht. Offen Feld=Nacht. Offen Feld
KerkerKerker

Wichtigste Unterschiede

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  • DieZueignung ist an die Gestalten desUrfaust gerichtet, daher natürlich auch erst imFaust I zu finden.
  • Durch den fehlendenProlog im Himmel gibt es keine „Wette“ zwischen dem Herrn und Mephisto.
  • Die SzeneNacht ist kürzer. Faust erwägt nicht, sich umzubringen.
  • Mephisto tritt erstmals in der SzeneNacht beim Schülergespräch auf. Es gibt keine ausdrückliche Einführung seines Charakters und auch keinen Pakt zwischen ihm und Faust.
  • Auerbachs Keller in Leipzig: Erste gemeinsame Szene von Faust und Mephisto, zahlreiche geänderte Dialoge, oft ohne Reimform. Auffallend ist, dass Faust (nicht Mephisto) den Wein „ausgibt“ und die anwesenden Studenten sowohl ver- als auch entzaubert.
  • Hexenküche: Ohne diese Szene fehlen auch Fausts Verjüngungstrank und das Bild der Helena im Spiegel.
  • Wald und Höhle: Auch dieses Kapitel wurde erst nachträglich eingebaut, was erneut die geringere Bedeutung Mephistos zeigt.
  • Nacht: Valentin tritt zwar auf, es bleibt allerdings beim ersten Monolog. Einen Hinweis auf den Kampf und anschließenden Tod Valentins durch Faust gibt es nicht, ebenso fehlt das Gespräch mit Gretchen.
  • Wie dieHexenküche sind auch dieWalpurgisnacht und der zugehörigeTraum nicht enthalten. Damit fehlt beimUrfaust ein Großteil des metaphysischen und mythologischen Hintergrunds.
  • VieleEnjambements (Prosaform) knüpfen in der Szene imKerker stilistisch anAuerbachs Keller und das Gespräch vorNacht. Offen Feld an. Am Ende wird Gretchen nicht erlöst; es fehlt die Stimme von oben: „Ist gerettet!“. Stattdessen gibt es hier einen Hinweis auf Valentins Tod (blutige Hand und Degen – ähnlichFaust I, Verse 4512–4517).
  • NachMarcel Reich-Ranicki wurde der Ausspruch Gretchens: „Mein Schoß! Gott drängt/ Sich nach ihm hin/ Ach dürft ich fassen/ Und halten ihn“, wegen der gesellschaftlichen Konventionen von Goethes Epoche in „Mein Busen drängt/ Sich nach ihm hin./ Ach dürft ich fassen/ Und halten ihn.“ abgeändert.[3]

Zusammenfassung der Hauptunterschiede:

  • ImUrfaust gibt es keine Wetten.
  • Mephisto ist mehr Neben- als Hauptfigur, Faust ist selbständiger.
  • Der Fokus liegt auf der Liebestragödie um Gretchen.

Ausgaben

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  • Zuerst veröffentlicht im Jahr 1887, herausgegeben vonErich Schmidt:Goethes Faust in ursprünglicher Gestalt nach der Göchhausenschen Handschrift. Weimar: Hermann Böhlau.
  • Urfaust / Faust. Ein Fragment, bearbeitet vonErnst Grumach. Akademie-Verlag, Berlin (DDR) 1954 (Werke Goethes, herausgegeben von der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin unter Leitung von Ernst Grumach, Faust, Band 1).
    Angelegt als historisch-kritische Ausgabe; Apparat fehlt.

Weblinks

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Commons: Urfaust – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wikiquote: Urfaust – Zitate

Einzelnachweise und Anmerkungen

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  1. Das Schloss wurde 1948 – damals in derSBZ gelegen – trotz seiner kulturhistorischen Bedeutung abgerissen.
  2. Die wechselvolle Geschichte von Goethes "Urfaust", deutschlandfunk.de, erschienen und abgerufen am 8. Mai 2018.
  3. Marcel Reich-Ranicki:Meine Geschichte der deutschen Literatur Vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2014, S. 101–102.
Werke von Johann Wolfgang von Goethe

Romane und Novellen
Die Leiden des jungen Werthers |Wilhelm Meisters theatralische Sendung |Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten |Wilhelm Meisters Lehrjahre |Novelle |Die Wahlverwandtschaften |Wilhelm Meisters Wanderjahre

Dramen
Die Laune des Verliebten |Die Mitschuldigen |Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand |Ein Fastnachtsspiel vom Pater Brey |Das Jahrmarktsfest zu Plundersweilern |Satyros oder Der vergötterte Waldteufel |Prometheus |Götter, Helden und Wieland |Claudine von Villa Bella |Clavigo |Urfaust |Egmont |Erwin und Elmire |Die Geschwister |Lila |Der Triumph der Empfindsamkeit |Iphigenie auf Tauris |Torquato Tasso |Der Groß-Cophta |Der Bürgergeneral |Was wir bringen |Stella |Die natürliche Tochter |Faust I |Pandora |Des Epimenides Erwachen |Faust II

Gedichte, Lieder und Balladen
Die Metamorphose der Pflanzen |Vermächtnis |Wandrers Sturmlied |Mailied |Willkommen und Abschied |Mahomets Gesang |Prometheus |Geistesgruß |Der König in Thule |Der Fischer |An den Mond |Der Erlkönig |Wandrers Nachtlied |Das Göttliche |Römische Elegien |Nähe des Geliebten |Venezianische Epigramme |Der Zauberlehrling |Der Schatzgräber |Xenien |Legende vom Hufeisen |Die erste Walpurgisnacht |Das Tagebuch |Der Totentanz |Bei Betrachtung von Schillers Schädel |Marienbader Elegie |West-östlicher Divan |Gingo biloba

Versepen
Reineke Fuchs |Hermann und Dorothea

Übertragungen
Leben des Benvenuto Cellini |Mahomet |Rameaus Neffe

Ästhetische Schriften
Über Kunst und Altertum

Naturwissenschaftliche Schriften
Über den Zwischenkiefer der Menschen und der Tiere |Versuch die Metamorphose der Pflanzen zu erklären |Beiträge zur Optik |Zur Farbenlehre

Librettofragment
Der Zauberflöte zweyter Theil

Autobiographische Prosa
Italienische Reise |Kampagne in Frankreich |Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit

Sonstiges
Die guten Weiber |Über den Granit |Maximen und Reflexionen |Hanswursts Hochzeit

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