Tuareg

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Dieser Artikel behandelt das Volk. Zu weiteren Bedeutungen sieheTuareg (Begriffsklärung).

DieTuareg (Singular:Targi (männlich),Targia (weiblich); zu dieser Eigenbezeichnung sieheAbschnitt Etymologie) sind ein zu denBerbern zählendes Volk inAfrika, dessen Siedlungsgebiet sich über die WüsteSahara und denSahel erstreckt.

Von den Tuareg werden neben ihrereigenen Sprache mehrereVerkehrssprachen gesprochen, vonSonghai überArabisch undHassania bisFranzösisch. Ihre Schrift ist dasTifinagh. Jahrhundertelang lebten sie im Gebiet der heutigen StaatenMali,Algerien,Niger,Libyen undBurkina Fasonomadisch. Seit der Mitte des 20. Jahrhunderts sind viele inzwischensesshaft geworden. Sie zählen, bei stark schwankenden Angaben etwa 1,5 bis 2 und nach Eigenangaben bis 3 Millionen Menschen.[1]

In den letzten Jahren kam es immer wieder zuAufständen der Tuareg, die sichbehindert fühlen, ihrehirtennomadische Lebensweise fortzuführen.

Karte der Gebiete, in denen eine bedeutende Anzahl an Tuareg lebt
Tuareg in Algerien
Junge Targia in Süd-Algerien,Hoggar-Gebirge (1984)

Inhaltsverzeichnis

Etymologie

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Das WortTuareg leitet sich von dem WortTarga, dem berberischen Namen für die ProvinzFezzan in Libyen, ab. Damit bezeichnete Tuareg ursprünglich die Bewohner des Fezzan.[2]Targa ist einberberisches Wort, das mit ‚Rinne’ oder ‚Kanal‘, im weitesten Sinne auch mit ‚Garten‘ übersetzt werden kann.[3] Lokaler Ansicht zufolge bezeichnet Targa nicht den gesamten Fezzan, sondern lediglich die Region zwischen den StädtenSebha undUbari und wird arabisch alsbilad al-khayr‚gutes Land‘ bezeichnet. Gemeint ist damit das fruchtbareWadi al-Haya (vormals Wadi al-Ajal), das den gesamten Süden Libyens mit agrarischen Produkten versorgt.[4]

Die bis heute weit verbreitete arabischeVolksetymologie:Tawariq (Einzahl:Tarqi), ‚das von Gott verlassene Volk‘, dient dazu, eine arabische Überlegenheit über die Tuareg auszudrücken. Grund dafür sind die liberalen religiösen Auffassungen der Tuareg, die von Vertretern einer strengen muslimischen Doktrin als verwerflich angesehen werden.

Der Name Tuareg hat sich seit der Kolonialzeit im deutschen, frankophonen und angloamerikanischen Sprachraum eingebürgert. Die Tuareg selbst bezeichnen sich nicht mit diesem Namen. Dieemische Bezeichnung der Tuareg lautetImajeghen im Niger,Imuhagh in Algerien und Libyen undImushagh in Mali. Dasgh wird wie das deutsche Rachen-r ausgesprochen und die Betonung liegt auf der ersten Silbe. Diese Eigenbezeichnung (Endonym) bezieht sich auf Menschen mit freier Abstammung, die noble Qualitäten besitzen. Damit wird auf den Ehrenkodex(asshak) derSahara- und Sahelbewohner hingewiesen.Alle drei Begriffe gehen auf dieselbe Wurzel zurück und sind lediglich infolge der dialektalen Ausformung unterschiedlich. Neben dieser Eigenbezeichnung Imajeghen/Imuhagh/Imushagh findet der NameKel Tamasheq, ‚die Leute, die Tamasheq sprechen‘, Verwendung.

In der Literatur werden die Tuareg alsKel Tagelmust ‚die Leute des Gesichtsschleiers‘ oder „Das blaue Volk“ bezeichnet, da sie mitIndigo gefärbte Kleidung tragen. Beide Begriffe werden von den Tuareg nicht verwendet.

Geschichte

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Tuaregkarawane, um 1900
MNLA Flagge der Tuareg
Targi auf Kamel, Postkarte der Kolonialausstellung 1907

Die Tuareg sind einBerbervolk. Sie sollen Nachkommen der altberberischenGaramanten sein, die um dieZeitenwende in den Regionen des heutigen Südtunesiens undLibyens ein kriegerisches Kamelnomadentum entwickelt hatten.[5] Im 11. Jahrhundert wurden sie vonarabischenBeduinen vom Stamm derBanū Hilāl aus demFessan vertrieben und zogen sich abgedrängt in die Gebiete der zentralenSahara, insbesondere das Tassili n'Ajjer, Aïr und Ahaggar zurück, wo sie seit dieser Zeit leben. Insoweit konnten sie sich einer Arabisierung ihrer Kultur (Schrift, Sprache, Handwerkskultur, matrilineare Sozialstrukturen) entziehen. Gleichwohl übernahmen sie den Islam.[6] Bei dieser Abdrängung vertrieben sie ihrerseits das Wüstenvolk derTubbu in dasTibestigebirge. Nach dem Untergang desSonghaireichs im Zuge des marokkanischen Eroberungskrieges im 16. Jahrhundert drangen die Tuareg zunehmend auch in die Sahelzone ein und errangen in der Folgezeit unter anderem die Kontrolle überTimbuktu und dasSultanat Aïr mit Sitz inAgadez.

Die Tuareg mussten immer wieder um das Recht kämpfen, als freies Volk anerkannt zu werden und nach ihrerTradition leben zu dürfen. Im 19. Jahrhundert leisteten sie der vordringenden KolonialmachtFrankreich in der Saharazone vonWestafrika lange Zeit heftigen Widerstand. Erst 1917 wurde ein Friedensvertrag geschlossen. Mit dem Ende derfranzösischen Kolonialherrschaft in Westafrika 1960 wurde das Siedlungsgebiet der Tuareg zwischen den nunmehr unabhängigen Staaten Mali, Niger und Algerien aufgeteilt, wobei kleinere Gruppen der Tuareg zudem in Libyen undBurkina Faso leben. 1990 bis 1995 revoltierten die Tuareg in Mali und Niger aufgrund der Unterdrückung und Ausgrenzung durch die jeweiligen Regierungen. Ein Führer des Tuareg-Aufstandes warMano Dayak. Mitte der 1990er Jahre wurden die Aufstände nach der Unterzeichnung von Friedensverträgen beendet. 2007 beschuldigte die neu gegründete Tuareg-RebellengruppeBewegung der Nigrer für Gerechtigkeit die Regierung, den Friedensvertrag nicht einzuhalten. Außerdem fordern sie einen Anteil desGewinns aus demUranabbau nordwestlich von Agadez für die Tuareg (Uranmine beiArlit).[7]

Infolge desBürgerkriegs in Libyen im Jahr 2011 verschärfte sich die Sicherheitslage im Norden Malis, nachdem Tuareg, die auf SeitenMuammar al-Gaddafis kämpften, aus Libyen vertrieben wurden. Die alsNationale Bewegung für die Befreiung des Azawad (MNLA) auftretenden bewaffneten Gruppen drangen ab Ende 2011 über Niger nach Mali ein und brachten Gebiete im Norden des Landes unter ihre Kontrolle. Ob sie dabei in Verbindung zuAl-Qaida im Maghreb stehen, ist umstritten.[8] Soldaten dermalischen Streitkräfte warfen der Regierung von PräsidentAmadou Toumani Touré Unfähigkeit bei der Bekämpfung des Aufstandes der Tuareg im Norden des Landes vor und übernahmen durch einenPutsch im März 2012 die Macht. Die MNLA nutzte die Situation und eroberte in den Tagen darauf bis Anfang April alle Städte im GebietAzawad. Am 6. April rief sie einseitig den unabhängigen Staat Azawad aus.[9]

Siehe auch:Marginalisierung der Tuareg in Mali und Niger

Hauptorte

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Als Nomadenvolk, das bis zur Kolonialzeit in mehrere politischeKonföderationen unterteilt war, besitzen die Tuareg keine Hauptstadt. Am ehesten kann man Agadez im Niger, mit dem Sitz des Sultans vonAïr als einen zentralen Ort bezeichnen. Für die nördlichen Tuareg (Kel Ajjer undKel Ahaggar) spielten die südalgerische OaseDjanet und die südlibysche OaseGhat in früheren Zeiten eine ähnliche Rolle.Der heutige Hauptort des Ahaggar-Gebirges,Tamanrasset, entstand erst nach 1900, als sich der französische MissionarCharles de Foucauld in der Gegend niederließ. Erst nach der endgültigen Eroberung des Gebirges durch die französischen Kolonialtruppen wuchs der Ort und wurde zum offiziellen Sitz desAmenokal (Königs) der Kel Ahaggar.

Kultur und Religion

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Die Kultur der Tuareg wurde von denAfrikaforschernHeinrich Barth undHenri Duveyrier erforscht und ausführlich beschrieben.

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Seit derersten islamischen Wanderungswelle derUmayyaden von der Arabischen Halbinsel nach Nordafrika wurden derMaghreb und Ägypten arabisiert. Die Tuareg wurden über die Handelswege zuMuslimen, obwohl sie sich anfangs sehr stark gegen eineMissionierung wehrten, denn die denIslam verbreitenden Araber waren ihre angestammten Feinde. Heute beruht derIslam bei den Tuareg auf derMalikiten-Lehre (wie fast ganz Nordafrika). Sie gehören diversen Orden (Tarīqa) oderBruderschaften an, die das politische und soziale Leben teilweise regeln. An die Regeln des Islams halten sich die Tuareg überwiegend streng. Ihren Glauben an gute und böse Geister(Kel Essuf) konnten sie in die muslimische Religion einfügen, da auch der Islam das Vorhandensein vonGeistern imKoran erwähnt. Zu ihrer Abwehr sind für sieAmulette, in Leder eingebundene magische Zeichen, unverzichtbar. Die Frauen tragen als Amulett-Schmuck dieChomeissa, eine abstrahierte Form derHand der Fatima.

Wie in der gesamten Sahelzone ist zeremonielles Teetrinken ein wichtiger Bestandteil der Alltagskultur. Es werden drei unterschiedlich starke Aufgüsse unterschieden: stark und bitter, stark und süß, nur süß. Ein Gast, der drei Gläser ausgetrunken hat, steht unter dem Schutz der Tuareg.[10]

Targi aus der Gegend von Timbuktu in Festtagstracht mit roter Mütze unter dem Turban und Silberamuletten (um 1890)

Die Tuareg waren ursprünglich reinenomadische Viehzüchter mit einem komplex abgestuften hierarchischen Sozialmodell:

  • Imajeghen/Imuhagh/Imushagh (die Nobilität, die das Monopol auf das Tragen von Waffen und den Besitz von Dromedaren hatte)
  • Imaghad (Vasallen)
  • Iklan (Iderafan, Ikawaren, Izzegharen: frühere Sklaven)
  • Inadan (Handwerker)
  • Ineslimen (Korangelehrte)

Heute sind nur noch einige wenige Gruppen vollnomadisch. Die meisten leben vonhalbnomadischermobiler Weidewirtschaft mit teilweisem Anschluss an marktwirtschaftliche Strukturen.

Einige Stämme hatten bis zur kolonialen Eroberung die politische und wirtschaftliche Macht inne. Sie stellten denKönig, denAmenokal, ein Amt, das in Mali erst 1977 abgeschafft wurde. Daneben gibt es zugewanderte Stammesgruppen, die in der Literatur mit Begriffen des feudalen Europas beschrieben werden, dieImaghad. Sie mussten in vorkolonialer Zeit Abgaben liefern, kooperierten jedoch in politischen Belangen mit den Imajeghen/Imuhagh/Imushagh und wurden von ihnen beschützt.Iklan, „Sklaven“ spielten im traditionellen System eine wesentliche wirtschaftliche Rolle. Sie stellten das Eigentum einer Familie dar, wurden jedoch als fiktive Verwandte integriert. Sklaven konnten freigelassen werden und wurden dann mit unterschiedlichen Termini bezeichnet (unter anderemIderafan,Ikawaren,Izzegharen). Die Handwerker und Schmiede(Inadan) stellen eine eigene soziale Gruppe dar, die als Personen ohne Scham und Anstand gelten, jedoch für die Wirtschaft unentbehrlich waren, da sie Arbeitsgeräte, Werkzeuge, Waffen, Küchenutensilien und Schmuck herstellten.Der Vollständigkeit halber seien dieIneslimen, die Korangelehrten genannt, obwohl sich der Begriff auf alle Muslime bezieht.

Dieses Sozialsystem spielt bis heute eine Rolle und weist den jeweiligen Klassen Wert- und Moralvorstellungen zu, die für die einzelnen Gruppenmitglieder einzuhalten sind.[11]

Die Frau empfängt die Gäste und überwacht die Zubereitung des Tees. Sie entscheidet, wen sie heiratet, und darf ihren Mann verstoßen. Eine Ehescheidung stellt in dieser Kultur keine Schande dar. Ebenso ist es ihr erlaubt, vor einer Ehe verschiedene Liebhaber zu haben. Nach einer Scheidung verbleiben die Kinder bei der Frau. Die Söhne der Schwester werden von Männern in der Weitergabe ihrer Besitztümer bevorzugt, da man hier von einer engeren Verbindung ausgeht, als es bei eigenen Söhnen der Fall ist. Man spricht hier vonMatrilinearität, womit nicht dasMatriarchat gemeint ist.[12]

Die verlorene oder versunkeneOase Gewas ist in der Tuareg-Kultur ein wichtigesSymbol. Sie steht für die Sehnsucht nach einer vollkommenen, paradiesischen Welt voller Reichtümer und Überfluss. Dieserimaginäre Gegenentwurf zur unbarmherzigen und kargen Wirklichkeit der Wüste dient als eine Art Trost. In der Vorstellung der Tuareg kann nur derjenige diesen legendären Ort finden, der nicht bewusst und gezielt nach ihm sucht.[13]

Die Tuareg besitzen mit demTifinagh ein Schriftsystem, das jedoch nicht der alltäglichen Kommunikation dient. Auch in früheren Zeiten war die Kenntnis des Tifinagh auf die „Adelsclans“ (damit werden in der älteren Literatur die Imajeghen/Imuhagh/Imushagh bezeichnet) beschränkt, wo sie den Kindern von ihren Müttern bzw. den alten Frauen beigebracht wurde. Heute verwenden viele Handwerker die Tifinagh-Schrift und gravieren ihre Namen auf selbst hergestellte Schmuckstücke.

Artikel:Geschichte des Islam bei den Tuareg

Erziehung

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1991: Nomadenkinder lösen Hausaufgaben. Oued Samene, Südostalgerien

Bei der Erziehung der Nomadenkinder legten die Tuareg großen Wert darauf, dass diese viele Verbindungen zur Außenwelt herstellen konnten und dazu ein möglichst großes soziales Netz kennenlernten. 1998 prüfte man siebenjährige Kinder auf dieses Wissen und war erstaunt, wie diese die Vorfahren und Verwandten eines ihnen unbekannten Targi aufzählten, unabhängig von seiner ursprünglichen Herkunft oder geografischen Entfernung.[14] Aber auch andere Formen des Wissens im soziokulturellen Bereich wurden gefördert, z. B. die Beherrschung weiterer Sprachen, bis hin zu Sprachaufenthalten bei Verbündeten oder Kunden. (Das betraf die Knaben, denn die Männer waren für die Beziehungen zur Außenwelt verantwortlich.) Die Förderung des Gedächtnisses zeigte sich auch dann, wenn sich ein Targi an eine einzige Begegnung vor zehn Jahren auf einer Wüstenpiste erinnerte, die nur ein paar Minuten dauerte, an einem bestimmten Ort und in einem bestimmten Kontext, der im Detail beschrieben wurde.

Das Streben nach Wissen in vielfältiger Form, aber im Bewusstsein, dass es Mobilität, Kommunikation und Anpassungsfähigkeit fördern soll, ist vielen Beobachtenden aufgefallen. So erzählte eine junge Targia aus einem religiösen Umfeld, dass sie eine doppelte Ausbildung erfahren habe, in einer Medersa, einer muslimischen Schule in Arabisch, und in einer französischen Schule, in den 1990er Jahren. Ihr Vater habe das damit begründet, dass Wissen etwas anderes sei als Religion. Für ihn sei Wissen in jeder Kultur zu finden und müsse überall gesucht werden.[15][16]

Wohnen

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Die umherziehenden Tuareg leben in Zelten. Die Stämme der Sahelzone bauen ihreMattenzelte ausPalmwedeln. Wenn die Stämme über längere Zeit an einem Ort bleiben, errichten sieSeribas. Diese kleinen Hütten aus Schilf besitzen zwei Eingänge, welche für Durchzug sorgen. Als Windschutz dient eine Strohmatte,Asabar genannt, die man vor den Eingang stellt. In der Wüste haben die Tuareg Lederzelte, die aus 30 bis 40Schaffellen undZiegenfellen bestehen. Beim Aufbauen der Zelte errichten sie zuerst die Bogenkonstruktion, danach werden die Möbel platziert und anschließend Dach und Seitenwände darüber geworfen und bespannt.Viele der Tuareg sind in die Städte gezogen. Andere haben sich anOasen eigene Siedlungen aufgebaut und betreibenAckerbau. Die meisten Tuareg, die in einer Stadt ein neues Leben beginnen wollen, gehen nach Agadez, eine Stadt im Niger, in der schon viele von ihnen leben.

Kleidung

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Targia aus Mali

Die Kleidung der Nomaden ist geschlechtsspezifisch. Männer tragen eine schwarze, am Saum mit weißen oder gelben Fäden bestickte Hose(ikerbey), ein langes, bis zu den Knöcheln reichendes Übergewand(tekatkat) und den Gesichtsschleier,tagelmust odereshesh, um den Mund zu verdecken, da Körperöffnungen als unrein gelten. Außerdem ist es üblich, dass sich Männer vor Frauen verschleiern. Nach einer anderen Interpretation müssen sich die Männer, die häufig in der Wüste und in den Bergen unterwegs sind, vor denKel Eru, den Geistern der Toten, schützen, die versuchen, auf dem Weg über den Mund Besitz von den Lebenden zu ergreifen. Zur traditionellen Männertracht gehörte, zumindest an hohen Festtagen, auch eine hohe Mütze aus rotem Filz, die alsTukumbut bezeichnet wurde. Das Gesicht der Frauen ist, wie bei den Berbern, unbedeckt, sie tragen aber ein Tuch auf dem Kopf, das ihre Würde und ihre Ehre als erwachsene Frau verdeutlicht. Die Kopfbedeckungen der Männer und Frauen haben in erster Linie mit dem Ehrenkodex der Gesellschaft(asshak) zu tun und verdeutlichen Respekt, Anstand und Reserviertheit(takarakit)[17].

Frauen sind mit einemWickelrock(teri) und einem lose flatternden, aufwändig bestickten Oberteil(aftaq) bekleidet oder tragen ein Wickelgewand(tasirnest). Gleich demtagelmust der Männer besitzen Frauen eine Kopfbedeckung,adeko oderafar, die ihre Ehre und Würde unterstreicht und das Frau-sein hervorhebt.[18]

Die Kopfbedeckung der Tuareg beruht weniger auf muslimischen Normen als auf ihren eigenen Wertvorstellungen (vgl. Rasmussen 1995). Zudem bietet sie Schutz vor Sonne, Sand und Wind und verringert die Körperaustrocknung.Aleschu, das indigoblau gefärbte und per Hand aus vielen Stoffbahnen zusammengenähte Stück Stoff, ist das Markenzeichen schlechthin, wurde jedoch erstmals vor knapp 150 Jahren ausKano ins Gebiet der Tuareg importiert (Spittler, 2008). Jahrelanges Tragen färbt die Gesichtshaut bläulich, daher das Klischee vom „blauen Ritter der Wüste“.Seit ungefähr einem Jahrhundert sind auch feineMusselinstoffe in weiß oder schwarz in Verwendung(eschesch), da durch die zunehmende Verarmung dasaleschu nicht mehr bezahlbar war. DerChèche (auchSchesch geschrieben) ist zwischen 2,5 Meter und 15 Meter lang, je nachdem, ob es sich um einen jungen Mann oder eine respektgebietende ältere Persönlichkeit handelt.[19]

Ernährung

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Das Brot der Tuareg (Taguella)

Verschiedene Getreidesorten, die von den Frauen angebaut oder gesammelt werden und aus denen sie das Brot der Tuareg,Taguella, herstellen, bilden die Grundlage der Ernährung. Im Süden wird vor allemHirse genutzt, im NordenWeizen, außerdemGerste. Für die umherziehenden Tuareg ist dieKamelmilch wichtig. Ungekocht wird sie mit Wasser zur täglichen Mahlzeit getrunken. Ingedḥān genannten Holzschalen offen stehengelassen, vergärt sie zu Sauermilch oder Dickmilch. Außerdem benötigen sie Ziegen-, Kuh- und Schafsmilch für Butter und Käse. Wenn die Tuareg auf Wanderschaft sind, gehört dieTaguella (insbesondere in Algerien) zum Ernährungsstandard. Fleisch gibt es meist nur bei religiösen und familiären Festen. Die Tuareg verschmähen häufig Eier, Hühner und Fisch. Beeren, Früchte, Wurzeln und Samen werden von den Frauen und Kindern wie Getreide gesammelt. Der von Arabern eingeführteGrüntee ist den Tuareg fast unentbehrlich geworden. Das Ritual des Teekochens gehört zurTeekultur Nordwestafrikas.

Musik und Feste

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Es gibt mehrere traditionelle Musikstile, zum BeispielTendé,Imzad undEsele. Tendé wird auch „Tanz der Kamele“ genannt. Dabei sitzen die Frauen dicht beisammen und singen, eine Vorsängerin trommelt auf dem mit Ziegenhaut bespannten Hirsemörser, derTendé genannt wird, und die Männer umrunden die Frauen auf ihren Kamelen.Imzad ist eine einsaitige Fiedel, die vorzugsweise von älteren Frauen gespielt wird. Die dreisaitige Tuareg-LauteTahardent ähnelt der viersaitigenTidinit von Mauretanien, sie hat sich seit den 1960er Jahren in den Städten am Rand der Wüste ausgebreitet.Esele ist eine Art „Wüstendisco“, bei der junge Frauen die Männer mit rhythmischem Gesang und Händeklatschen zum Tanz auffordern. Gitarrenmusik ist sehr beliebt. Ein Fest ohne Gitarre ist in manchen Regionen undenkbar.

Hochzeiten und nationale oder religiöse Jahresfeste haben im Leben der Nomaden eine große Bedeutung. Das größte Fest ist die Hochzeit. Frauen und Männer tragen dabei edelste Kleidung, dazu gibt es als Musik meistTendé. So heißt auch ein weiteres Fest, bei dem ausschließlich die MusikartTendé gespielt wird. Daneben gibt es viele regionale Feste.

InDjanet in Südalgerien wird jedes Jahr vor dem islamischenAschura-Tag das zehntägigeSebiba-Tanzfest veranstaltet.Bianou ist ein ähnliches Neujahrsfest, das in Agadez im nördlichen Niger stattfindet.

Siehe auch:Ziara-Fest

Kunst und Handwerk

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Ein Targi verkauft selbst hergestellte Gegenstände

Die Tuareg schmieden von Waffen bis zu Ohrringen die unterschiedlichsten Gegenstände ausEisen,Silber undBuntmetallen. Eisen gewinnen sie heutzutage in erster Linie ausIndustrieschrott, zum Beispiel Halbachsen von Geländewagen, die sie dann zu Äxten weiterverarbeiten.Für die Herstellung von Gegenständen aus Buntmetall (Kupfer, Messing und Bronze) wird meist dasWachsausschmelzverfahren angewandt, bei dem man zunächst ein Modell des gewünschten Objekts aus Wachs anfertigt. Das Modell wird anschließend in kaltem Wasser gehärtet und danach mit feinemTon umkleidet. Dabei werden mehrere Löcher freigelassen, um später das Wachs ausschmelzen zu können. Nun wird der Ton erhitzt und das Wachs durch die Öffnungen in eine Schüssel mit Wasser zur Wiederverwertung ausgegossen. Das vorgesehene Metall wurde bereits in einemTontiegel(tebent) geschmolzen. Wenn das Gussmetall dann heiß genug ist, wird es durch das Wachsausgussloch in die Tonform eingegossen. Diese wird nach der Metallhärtung zerschlagen, anschließend wird der abgekühlteRohling gefeilt und poliert (beispielsweise mit Sand), und es wird ein Muster eingeritzt. Da man beimGelbguss keine vorgefertigten Gussformen verwendet, fallen schon die unbearbeiteten Objekte sehr unterschiedlich aus.

Handel

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Die Sahara-Tuareg bringen mit ihren Kamelen Salz aus derAmadror-Ebene und anderen Orten sowieDatteln auf verschiedene Märkte. Von dem Erlös kaufen sie Getreide, Stoffe, Tee und Zucker. Die Sahara-Tuareg könnten ohne diesen Karawanenhandel nicht leben. Er wird nur von den Männern betrieben, so dass die Frauen manchmal monatelang mit den Kindern und Viehherden allein bleiben. Die Handelsunternehmen der Sahel-Tuareg beschränken sich auf den Verkauf ihres Viehs.

Bekannte Tuareg

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Literatur

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  • Henrietta Butler:The Tuareg: The Tuareg, or Kel Tamasheq. And a History of the Sahara. Gilgamesh Publishing, 2015
  • Edmond Bernus, Jean-Marc Durou:Touaregs – un peuple du désert. Robert Laffont, Paris 1996.
  • Mano Dayak:Die Tuareg Tragödie. Bad Honnef 1996.ISBN 978-3-89502-039-1.
  • Henri Duveyrier:L'exploration du Sahara. Les Touaregs du Nord. Paris 1864.
  • Harald A. Friedl:KulturSchock Tuareg. Reise Know-how. Peter Rump, Bielefeld 2008.ISBN 978-3-8317-1608-1.
  • Harald A. Friedl:Reisen zu den Wüsternrittern. Ethno-Tourismus bei den Tuareg aus Sicht der angewandten Tourismus-Ethik. Traugott Bautz Verlag, Neuhausen 2009
  • Werner Gartung:Tarhalamt. Die Salzkarawane der Kel Ewey Tuareg. Museum für Völkerkunde, Freiburg im Breisgau 1987,ISBN 3-923804-15-6.
  • Werner Gartung:Durchgekommen. 1000 Wüstenkilometer mit der Tuareg-Salzkarawane. Pietsch Verlag, Stuttgart 1987,ISBN 3-613-50049-3.
  • Gerhard Göttler:Die Tuareg. DuMont, Köln 1989.ISBN 978-3-7701-1714-7.
  • Claudot-Hawad Hélène:Honneur et politique: Les choix stratégiques des Touareg pendant la colonisation française. In:Encyclopédie Berbère. Band XXIII. Aix-en-Provence 2000. S. 3489–3501.
  • Jacques Hureiki:Tuareg – Heilkunst und spirituelles Gleichgewicht. Cargo Verlag, Schwülper 2004.ISBN 978-3-9805836-5-7.
  • Herbert Kaufmann:Wirtschafts- und Sozialstruktur der Iforas-Tuareg. Köln 1964 (Phil. Diss.).
  • Jeremy Keenan:The Tuareg. People of Ahaggar. Allan Lane, London 1977.ISBN 978-0-312-82200-2.
  • Georg Klute, Trutz von Trotha:Wege zum Frieden. Vom Kleinkrieg zum parastaatlichen Frieden im Norden von Mali. In:Sociologus. Nr. 50, 2000. S. 1–36.
  • Ines Kohl:Tuareg in Libyen. Identitäten zwischen Grenzen. Reimer, Berlin 2007.ISBN 978-3-496-02799-7.
  • Peter Kremer, Cornelius Trebbin:Tuareg – Herren der Wüste. Beiheft zur Ausstellung der Heinrich-Barth Gesellschaft. Köln, Düsseldorf 1988.ISBN 978-3-9801743-0-5.
  • Thomas Krings, Sahelländer, WBG-Länderkunden, 2006,ISBN 3-534-11860-X
  • Henri Lhote:Les Touaregs du Hoggar. Paris 1955 (zweibändige Neuauflage 1984 und 1986).ISBN 978-2-200-37070-1.
  • Johannes Nicolaisen:Economy and Culture of the Pastoral Tuareg. Kopenhagen 1963 (wichtige Studie auf strukturalistischer Basis).
  • Thomas Seligman und Krystine Loughran (Hrsg.):Art of Being Tuareg: Sahara Nomads in a Modern World. Los Angeles 2006,ISBN 978-0-9748729-6-4.
  • Hans Ritter:Wörterbuch zur Sprache und Kultur der Twareg. Band I:Twareg-Französisch-Deutsch. Elementarwörterbuch mit einer Einführung in Kultur, Sprache, Schrift und Dialektverteilung. Wiesbaden 2009.ISBN 978-3-447-05886-5. Band II:Deutsch-Twareg. Wiesbaden 2009.ISBN 978-3-447-05887-2.
  • Edgar Sommer:Kel Tamashek – Die Tuareg Cargo Verlag, Schwülper 2006.ISBN 978-3-938693-05-6.
  • Gerd Spittler:Dürren, Krieg und Hungerkrisen bei den Kel Ewey (1900–1985). Franz Steiner, Stuttgart 1989.ISBN 978-3-515-04965-8.
  • Gerd Spittler:Handeln in einer Hungerkrise. Tuaregnomaden und die große Dürre von 1984. Westdeutscher Verlag, Opladen 1989.ISBN 978-3-531-11920-5.
  • Désirée von Trotha:Die Enkel der Echse. Lebensbilder aus dem Land der Tuareg. Frederking & Thaler, München 1998; erweiterte Neuausgabe, Cindigobook, München und Berlin 2013.ISBN 978-3-944251-02-8.

Belletristik

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Weblinks

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Commons: Tuareg – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Targi – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Wiktionary: Tuareg – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

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  1. John A. Shoup:Ethnic Groups of Africa and the Middle East. An Encyclopedia Ethnic Groups of the World Ethnicity in Global Focus. ABC-CLIO, 2011,ISBN 978-1-59884-362-0, S. 295.
  2. Prasse 1999:380
  3. Chaker, Claudot-Hawad, Gast 1984:31
  4. Kohl 2007:47
  5. Thomas Krings, S. 33 (s. Lit.)
  6. Thomas Krings, S. 33 (s. Lit.)
  7. IRIN News:NIGER: New Touareg rebel group speaks out (englisch)
  8. Scott Stewart: Mali Besieged by Fighters Fleeing Libya. In: Stratfor. 2. Februar 2012, abgerufen am 6. April 2012 (englisch). 
  9. Tuareg rufen eigenen Staat in Nord-Mali aus. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 6. April 2012, abgerufen am 6. April 2012. 
  10. Maggie Fick:Tea with the Tuareg. International Herald Tribune, 12. Dezember 2007
  11. Stühler 1978, Keenan 1977, Pandolfi 1998, Kohl 2007 u. a.
  12. Henrietta Butler:The Tuareg or Kel Tamasheq. Unicorn Press 2015,ISBN 978-1-906509-30-9
  13. ASSHAK, TALES FROM THE SAHARA Zwitserland/Duitsland/Nederland, 2004 – Ulrike Koch Ein Film von Ulrike Koch, Presseheft, S. 11.
  14. Hélène Claudot-Hawad:La hiérarchie des savoirs et des pouvoirs dans la société touarègue précoloniale et la recomposition des rôles socio-politiques pendant la guerre anticoloniale et après la défaite, Nomadic Peoples 2 (1–2), 1998, S. 17–38
  15. Welet Halatine, Fatimata:L’abandon des privilèges. Parcours d’une femme touarègue dans la modernité, Ethnies 20–21, 1998, S. 30
  16. Hélène Claudot-Hawad:A Nomadic Fight against Immobility: the Tuareg in the Modern State, halshs-00293587, 2023, S. 5–7[1]
  17. Claudot-Hawad, 2000; Kohl, 2007
  18. Kohl 2008, Susan J. Rasmussen 2006
  19. Claudot-Hawad 1993:33
Normdaten (Sachbegriff):GND:4061129-2(lobid,OGND,AKS)
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