
Tramway sur pneumatiques oder kurzTramway sur pneus ist diefranzösische Bezeichnung für einNahverkehrssystem, das sich als einZwitter ausStraßenbahn undOberleitungsbus beschreiben lässt. Die deutsche Entsprechung lautetStraßenbahn aufLuftreifen oderluftbereifte Straßenbahn, in derSchweiz spricht man von einemPneu-Tram. Jedoch ist imdeutschen Sprachraum ein solches System weder existent noch im Bau oder geplant.Tramways sur pneus gibt oder gab es bisher inFrankreich,Italien, derVolksrepublik China undKolumbien.
DerTramway sur pneumatiques ist ein ganz (SystemTranslohr) oder überwiegend (System TVR) mittels einer mittig in der Fahrbahn eingelassenen Leit- oder Führungsschiene spurgeführtes Verkehrssystem analog zumSpurbus.
Stark an klassische Oberleitungsbussysteme erinnerte derTramway de Nancy (TVR). Die Stromzufuhr erfolgte über zweiStangenstromabnehmer, um dieKompatibilität mit dem bisherigen Oberleitungsbusnetz zu gewährleisten und das Fahren ohne Leitschiene undDieselhilfsantrieb auf den Außenstrecken zu ermöglichen. Spurführung fand nur im Innenstadtbereich statt, vor den beiden Endabschnitten der einzigen Linie endete sie. Bis zu den Endhaltestellen fuhren die Fahrzeuge auf etwa 40 Prozent der Gesamtstrecke ohne Spurführung wie Oberleitungsbusse durch den Fahrer gesteuert im Straßenraum.
Durch seine abweichende Art der Stromzufuhr erinnerte derTramway de Caen (ebenfallsTVR) etwas stärker an eine klassische Straßenbahn. Die Stromzufuhr erfolgte wie bei modernen Straßenbahnen mittelsEinholmstromabnehmern, seine Rückführung geschah über die Führungsschiene. Die beiden Linien des Systems waren vollständig mit der Spurführung versehen, lediglich die Fahrten von und zum Depot fanden frei gelenkt im Straßenraum statt.
Noch enger mit der herkömmlichen Straßenbahn verwandt ist das System Translohr, von dem derzeit sieben Anlagen existieren. Aufgrund der Art der Spurführung können die Translohr-Fahrzeuge nur mittels Leitschiene verkehren. In Abweichung zum TVR-System sind siebidirektional undmehrfachtraktionsfähig.
Als Vorgänger desTramway sur pneus lässt sich die Ende der 1970er Jahre konzipierteO-Bahn von Daimler-Benz bezeichnen. Hierbei wurden die Fahrzeuge mittels seitlich an der Fahrbahn befindlicher Spurführungsbalken zwangsgeführt. Es handelte sich um ein Baukastensystem, das in der Grundversion dieselbetrieben war und bei Bedarf mittels ein- oder zweipoliger Oberleitung elektrifiziert werden konnte.[1]
Der Vorgänger GLT (Guided Light Transport) des Systems TVR wurde 1985 vom belgischen Unternehmen BN (La Brugeoise et Nivelles) vorgestellt, das 1988 inBombardier aufging. Er verkehrte gelegentlich im Touristenverkehr auf einer stillgelegten Teilstrecke derNMBS/SNCB zwischenHan-sur-Lesse und Jemelle in denArdennen. Im Bereich dieser Trasse bewegten sich die Fahrzeuge im spurgeführten Modus auf zwei Betonspuren entlang einer mittigenVignolschiene, die neben der Spurführung auch für die Rückführung des Fahrstroms sorgte. Die Stromentnahme (600 Volt Gleichstrom) erfolgte mittels Dachstromabnehmer aus einem Fahrdraht. Auf einem Teilstück der 6 Kilometer langen Strecke zur Endstelle in Han-sur-Lesse verkehrten die bimodalen Fahrzeuge mit dieselelektrischem Antrieb im Straßenraum.
Der von 1987 bis Ende 1990 laufende Probebetrieb sollte der Entwicklung eines Zwitters aus Bus und Straßenbahn dienen, der mit um 40 Prozent (erwarteter) niedrigerer Kosten im Vergleich zu letzterer für mittelgroße Städte interessant wäre. Es wurden zwei Fahrzeuge gebaut, ein 18,30 Meter langerGelenkbus und ein 25,30 Meter langer Doppelgelenkbus.


Das System TVR (Transport sur voie réservée) wurde als Nachfolger des GLT von Bombardier entwickelt. TVR ist ein eingetragenes Warenzeichen von ANF Industries, einer französischen Filiale von Bombardier. Bombardier wies in einer Stellungnahme vom 20. Juni 2007 darauf hin, dass es dasAkronym TVR nach dem Aufkauf von ANF im Jahr 1988 für sein System nicht mehr als geschützt betrachte.
Wie der GLT kann der TVR längs einer mittig im Fahrweg angebrachten Führungsschiene spurgeführt werden, auch kann er mittels eines Hilfsantriebs unabhängig von der externen Stromzuführung durch den Fahrer gelenkt im Straßenraum verkehren. Die Spurführung erfolgt durch zwei hintereinander angeordnete Führungsrollen je Fahrzeugachse, sämtliche Achsen sind lenkbar.
Das System existierte – der TVRCaen wurde 2017, der TVRNancy 2023 eingestellt – lediglich in diesen beiden französischen Städten. In beiden Städten wurden die Strecken und Fahrzeuge als „tramway“ (Straßenbahn) bezeichnet, diese Namensgebung ist jedoch populärer Natur und wird in der Fachwelt nur selten verwendet.
Die BetreiberService de transport de l'agglomération nancéienne in Nancy undCompagnie des Transports de l'Agglomération Caennaise in Caen verwendeten weitgehend gleichartige Fahrzeuge von Bombardier. Es handelte sich um 24,50 Meter lange und 2,50 Meter breite dreiteilige Einrichtungsfahrzeuge mit Doppelgelenken. Sie wurden von Asynchronmotoren mit einer Leistung von 300 kW vonAlstom angetrieben, der Hilfsdieselmotor für autonome Fahrten leistete maximal 200 kW. Bei einer Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h konnten 40 Fahrgäste auf Sitzplätzen und bis zu 138 stehend befördert werden.
Während die Fahrzeuge in Caen analog zum GLT den Strom überEinholmstromabnehmer erhielten und durch die Leitschiene abführten, wurden die Fahrzeuge in Nancy über zweiStangenstromabnehmer versorgt. Wie der GLT verkehrten letztere teilweise durch den Fahrer gelenkt im Fahrgastbetrieb im Straßenraum, was in Caen nur bei den Fahrten von und zumDepot vorkam.
Die beim GLT erwarteten Kostenminderungen von 40 Prozent gegenüber einem konventionellen Straßenbahnsystem erwiesen sich beim TVR als nicht realistisch. In Nancy, wo im Jahr 2000 als weltweit erster Stadt ein „Tramway sur pneus“ in Betrieb genommen wurde, kam es wiederholt zu Schwierigkeiten, die letztlich zu einer einjährigen Unterbrechung des Linienverkehrs führten. Bei Entgleisungen in engen Bögen gab es sogar Verletzte.
Nachteile des Systems sind:
Die Stadt Caen entschied am 14. Dezember 2011, ihr System in ein konventionelles Straßenbahnnetz umzubauen,[2] da Bombardier zuvor ankündigte, das Konzept TVR nicht weiter zu verfolgen. Das TVR-System wurde am 31. Dezember 2017 stillgelegt. Die neueStraßenbahn Caen ging am 27. Juli 2019 in Betrieb.
Im Februar 2017 beschloss auch der Stadtrat von Nancy, diesem Beispiel zu folgen und die Tramway sur pneumatiques im Jahr 2022 durch eine Straßenbahn zu ersetzen. Hauptgrund war der zu erwartende Mangel an Ersatzteilen für die Fahrzeuge des Typs TVR.[3] Diese Entscheidung wurde später jedoch abgeändert und stattdessen Doppelgelenk-Oberleitungsbusse beschafft. Die Einstellung des Betriebs erfolgte am 12. März 2023.


Das Translohr-System wurde vom französischen UnternehmenLohr Industrie in den 1990er Jahren entwickelt. Am 11. Juni 2012 wurde die „Straßenbahnsparte“ anAlstom und denFonds stratégique d’investissement verkauft.
Obwohl die Entwicklung des Translohr in etwa zeitgleich mit dem TVR erfolgte, stagnierte das Projekt über viele Jahre hinweg. ErstClermont-Ferrand, Sitz der ReifenfabrikMichelin und damit an gummibereiften Verkehrssystemen interessiert, verhalf mit einer ersten Anlage im Jahr 2006 dem Nahverkehrssystem zum Durchbruch. Michelin hatte schon Ende der 1920er Jahre gummibereifte Schienenfahrzeuge (Micheline) entwickelt und auch bei der Gummibereifung vonMetro- undVAL-Systemen mitgewirkt.
Translohr ist eine Variante derLeitschienenbahn. Wie der O-Bahn-VersuchsträgerO 305 GG sind die bisher ausgeführten Translohr-Fahrzeuge Zweirichtungswagen. Die Stromversorgung erfolgt über Dachstromabnehmer aus einer klassischenFahrleitung, die Rückführung über die Leitschiene. Anders als bei TVR sind daher keine Wendeschleifen erforderlich, zusätzlich besteht die Möglichkeit der Mehrfachtraktion. Drei- bis sechsteilige Fahrzeuge mit Längen von 25 bis 46 Metern sind möglich. Die Fahrzeuge sind mit 2,20 Metern 30 Zentimeter schmaler als die TVR, die Höchstgeschwindigkeit mit 70 km/h identisch.
Die Translohr-Fahrzeuge können ihre Leitschiene im Betrieb nicht verlassen und benötigen sie auch in den Abstellanlagen der Depots. Die Spurführung erfolgt pro Achse durch zweimal zwei schräggestellte Räder mit jeweils einemSpurkranz, die in einem Winkel von 90 Grad zueinander stehen und die Führungsschiene seitlich umfassen. Dies begünstigt – im Gegensatz zum TVR – die Reibungsverhältnisse zwischen Gummireifen und Fahrbahn, da kein Druck auf die Schiene ausgeübt werden muss, zudem sind die Fahrzeuge durch das formschlüssige Umgreifen der Leitschiene entgleisungssicherer.
Seit 2015 bestehen in drei Ländern insgesamt sieben Translohr-Systeme. Außer demTranslohr Clermont-Ferrand sind dies die baulich getrennten LinienT5 undT6 im Pariser Umland, die Linie b derMétro Rennes,Padua undVenedig-Mestre in Italien sowie dieAyacucho Tram Medellín in Kolumbien. Ende 2018 wurde die Produktion eingestellt. Zwei Systeme in der Volksrepublik China,Tianjin undZhangjiang, die 2007 bzw. 2009 eröffnet wurden, sind beide am 1. Juni 2023 eingestellt worden.
Die Translohr-Spurführungseinrichtung wurde auch für das SystemNeoval übernommen.