Timur

Temür ibn Taraghai Barlas (vonmitteltürkischtemür ‚Eisen‘; *8. April1336 inKesch; †19. Februar1405 inSchymkent), auch bekannt alsAmir Temur, war ein zentralasiatischerMilitärführer eines inSamarkand ansässigenturko-mongolischen Stammesverbands[1] und Eroberer am Ende des 14. Jahrhunderts. In der westlichen Geschichtsschreibung ist er besser bekannt alsTimur (persisch تیمور Tīmūr bzw.Taymūr), auchTimur Lenk oderTimur Leng (persisch تيمور لنگ,DMGTeymūr-i Lang, auchTīmūr-i Lang, „Timur der Lahme“). Der NameTamerlan, wie er ebenfalls noch in verschiedenen europäischen Sprachen in Gebrauch ist, leitet sich daraus ab.
Aufgewachsen in der nomadischenStammeskonföderation desTschagatai-Khanats, strebte er die Wiederherstellung desMongolischen Reiches unter seinemSupremat an. In der Stellung einesEmirs war er der Begründer derDynastie der Timuriden, derenReich im Zenit der Macht weite TeileVorder- undMittelasiens einschloss. Timurs Herrschaft ist gekennzeichnet durch Brutalität und Tyrannei. Gleichzeitig galt er als großzügiger Kunst- und Literaturförderer und erkannte durch Unterredungen mitIbn Chaldūn, die dieser in seiner Autobiographie beschrieb, die Bedeutung von Wissen.[1][2]
Name
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Timur wird in einigenpersischen Quellen auch alsتیمور لنگ Timur-i Lang, ‚Timur der Lahme‘, bezeichnet. „Timur-i Lang“ wurde in Europa teils zuTamerlan verkürzt. Aufgrund einer Verwachsung an der rechten Kniescheibe (Knochentuberkulose lautsowjetischen Forschern) war sein rechtes Bein gelähmt, dazu kam eine Verwachsung an der rechten Schulter. Des Weiteren hatte ein Pfeilschuss die Beweglichkeit der rechten Hand eingeschränkt, wie sowjetische Wissenschaftler bei einer Untersuchung des Skelettes im Jahre 1941 feststellten.
Er selbst bezeichnete sich alsgurkāni‚Schwiegersohn‘[3][4] und deutete damit auf seine Heirat in die FamilieDschingis Khans hin, um seine Herrschaftsansprüche zu untermauern.
Leben
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Herkunft und Aufstieg
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Timur entstammte dem im 13. Jahrhundert inTransoxanien eingewandertenmongolischen Nomadenstamm der Barlas,[5][6][7] welcher jedoch mit der Zeit eineTurksprache angenommen hatte und von anderenTurkvölkern nicht mehr zu unterscheiden war.[8][9] Der Stamm der Barlas teilte sich in mehrere Zweige auf, und Timurs Vater Taragai beherrschte als Stammesfürst[10] die Gegend um Kesch und das Tal des FlussesKaschkadarja. Die Barlas führten ihre Abstammung aufQarchar Barlas zurück, einen militärischen Führer inTschagatais Armee,[7] und über diesen – wie einst auch Dschingis Khan – auf einen legendären mongolischen Kriegsherren mit dem NamenBodon'ar Mungqaq.[6] Die Kindheit Timurs liegt weitgehend im Dunkeln und wurde nach seinem Aufstieg stark mythologisiert. Seine Mutter Tikina-Chatun starb früh, er hatte drei Brüder und zwei Schwestern.
Als Heranwachsender trat Timur in die Dienste desQaraunas-EmirsKazagan (1346–1357), eine damals übliche Laufbahn für Kinder aus dem niederen Adel, und verblieb dort mehrere Jahre. Er nahm nach der Ermordung Kazagans durch einen Rivalen an den Bürger- und Stammeskriegen in Transoxanien teil und versuchte durch Intrigen und häufigen Positionenwechsel zwischen dem 1360 in diese Gegend eingefallenen MongolenherrscherTughluk Timur († 1363) und Hadschi Barlas, seinem Onkel, der den Widerstand gegen die Mongolen anführte, seine Machtbasis zu erhalten. 1361 fiel Tughluk Timur noch einmal in Transoxanien ein. Hadschi Barlas floh und kam auf ungeklärte Weise um. Tughluk Timur machte Timur, der sich als Erster der Macht des Mongolenfürsten unterwarf, zum Berater seines Sohnes und neuen Herrschers von ganz Transoxanien.
Timur versuchte, die Macht an sich zu reißen, jedoch überschätzte er seine Popularität, und sein Auflehnungsversuch wurde im Keime erstickt. Er musste fliehen und fand Unterschlupf bei seinem Schwager Hussain, dem Enkel Kazagans. Da aber Hussain über keine ausreichende Machtbasis verfügte, zogen die beiden in Begleitung weniger Soldaten umher, bevor sie sich entschlossen, inChoresmien um Hilfe zu ersuchen. Auf dem Weg dorthin wurde ihre Gruppe in einem Gefecht fast vollständig aufgerieben und Timur in der Nähe der StadtMerw gefangen genommen. Bald war er wieder frei und sammelte um sich eine Gruppe von Abenteurern undSöldnern, die zum Schrecken Transoxaniens wurden.
1363 gelang es Timur und Hussain, die Truppen Ilias Hodschas zu schlagen und in die Stadt Kesch einzuziehen. Im selben Jahr besiegten sie den mittlerweile zumKhan aufgestiegenen Ilias Hodscha erneut. Er floh in sein östliches StammlandMogulistan (Östliches Tschagatai-Khanat). Timur, der selbst keine Legitimation besaß, musste akzeptieren, dass von den versammelten Adligen ein Nachfahre Dschingis Khans namens Kabul Khan zum obersten Herrscher Transoxaniens gewählt wurde.
1365 wurden die transoxanischen Truppen vom wiedererstarkten Ilias Hodscha in einer Schlacht in der NäheTaschkents vernichtend geschlagen. Die Mongolen besetzten große Gebiete und belagerten erfolglosSamarkand. Ilias Hodscha wurde wenig später von einem Rivalen umgebracht, und die Mongolen zogen sich nach Mogulistan zurück. Jedoch sah Timur sich starker Rivalität seines Schwagers Hussain ausgesetzt, der jetzt die Macht übernahm, und musste wiederum das unstete Leben eines Flüchtlings führen. Nach mehreren Scharmützeln und kleinen Auseinandersetzungen gelang es ihm, eine starke Armee aufzustellen. Er besetzteBaktrien und zog den Herrscher vonBadachschan auf seine Seite. Kurz darauf stand seine Armee vor den Mauern vonBalch. Hussain, von seinen Getreuen verlassen, unterwarf sich und ging als Pilger nachMekka. Auf dem Weg dorthin wurde er – mutmaßlich auf Befehl Timurs – umgebracht. Am 10. April 1370 rief Timur sich zum Herrscher ganz Transoxaniens aus und nahm den Titel eines Emirs an.
Timur und die Goldene Horde
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Der Konflikt mit derGoldenen Horde unter KhanToktamisch prägte während vieler Jahre die Politik Timurs und stellte für diesen eine ernst zu nehmende Herausforderung dar. Toktamisch erschien 1376 zum ersten Mal in Samarkand, jedoch nicht als Gegner, sondern als Bittsteller. Da seine Thronambitionen vonUrus Khan vereitelt wurden, ersuchte Toktamisch Timur, ihm zu seinem Erbe zu verhelfen. Toktamisch bekam sehr schnell die von ihm erbetenen Truppen und griff die Goldene Horde an, wurde jedoch von Urus Khan vertrieben. Dann nahm Timur den Kampf selbst auf und ging im Winter 1376/77 mit großem Erfolg gegen Urus Khan vor. Urus Khan wurde in einer Schlacht beiOtrar vernichtend geschlagen und verstarb bald darauf. Somit gewann Toktamisch die Macht in der Goldenen Horde nur dank der tatkräftigen Unterstützung Timurs.
1387 erschien Toktamisch mit einem starken Heer an der Grenze zu Transoxanien. Da Timur sich zu diesem Zeitpunkt inKarabach befand und auf einen Überfall nicht vorbereitet war, hatte er kaum Truppen, um Toktamisch aufzuhalten. Sein SohnMiran Schah kam ihm jedoch rechtzeitig zur Hilfe und Toktamischs Truppen wurden vernichtend geschlagen. Timur befahl, entgegen den Gepflogenheiten der Zeit, die Gefangenen zu schonen und sie in ihre Heimat zu entlassen. Damit wollte er der Goldenen Horde zeigen, dass er kein Feind derDschingisiden, also der Nachkommen des Dschingis Khan, war.
Toktamisch missverstand diese Geste des guten Willens. Bereits im Winter 1388/89 erschien sein Heer, das in sich die ganze Völkervielfalt der Goldenen Horde – darunter auch Kaukasier,Russen undBulgaren – vereinigte, wieder an den Grenzen von Timurs Reich. Im Januar 1389 kam es zur Entscheidungsschlacht in der Nähe vonChodschent. Die mit äußerster Härte geführte Schlacht wurde durch das unerwartete Eingreifen eines der Söhne Timurs, Omar Scheich, entschieden, der die Nachhut des Gegners aufrieb und ihn in Panik versetzte. Die Truppen Toktamischs flohen und zerstreuten sich in alle Himmelsrichtungen.

Dieser Überfall zeigte Timur, dass er die Bedrohung durch seinen früheren Schützling ernst nehmen musste. Er konnte nicht mehr gefahrlos seine Macht in Iran und Afghanistan konsolidieren, da er während seiner Abwesenheit mit ständigen Überfällen durch Toktamisch rechnen musste. Um diese Bedrohung ein für alle Mal zu beseitigen, zog Timur im Jahr 1391 gegen Toktamisch. Er beschloss, die Steppengebiete so schnell wie möglich zu überqueren und seinen Gegner zu einer Entscheidungsschlacht zu zwingen. Ganze drei Monate bewegte sich sein Heer durch die Weiten derkasachischen Steppe, immer bestrebt, die Spuren der Nomaden zu finden. BeiTobolsk wandte sich das Heer nach Nordwesten. In dieser Gegend, die im heutigenSibirien liegt, wurden die Armeen aus Mittelasien zum ersten Mal mit demPolartag konfrontiert, so dass dieMullahs das Abendgebet vorübergehend aussetzten. Nach fast viermonatiger Suche gelang es Timurs Sohn Omar Scheich, den Feind in der Nähe des FlussesKondurtscha westlich desUrals zum Kampf zu stellen. Timurs Hauptstreitmacht erschien wenige Stunden, nachdem der Kampf begonnen hatte. Die Schlacht dauerte mit mehreren Unterbrechungen drei Tage lang, vom 18. bis 21. Juni 1391, und endete mit der vollständigen Niederlage Toktamischs, der vom Schlachtfeld floh.
Jedoch erwies sich Toktamisch als ein zäher Gegner. Unterstützt vom Moskauer GroßfürstenWassili I. erschien Toktamisch 1395 imNordkaukasus, wo Timurs Truppen georgische Fürsten zu unterwerfen suchten. Toktamisch versuchte, die erst vor kurzem von Timur eroberten Gebiete vonAserbaidschan auf seine Seite zu ziehen und sich dadurch eine Operationsbasis zu schaffen, von wo aus er in Verbindung zu den syrisch-ägyptischenMamluken derBurdschiyya-Dynastie treten wollte. Nachdem er angefangen hatte,Schirwan zu belagern, floh Toktamisch, sobald er von Timurs Herannahen hörte, und stellte sich am 15. April 1395 nördlich des FlussesTerek zur Schlacht. Den Nomaden gelang es, Timur zu umzingeln, der sich selbst verteidigen musste und nur durch seine Leibgarde, die fast ausnahmslos im Kampf umkam, gerettet wurde. Toktamisch verlor die Schlacht und mit ihr endgültig seine Stellung als Khan der Goldenen Horde. Er floh nachLitauen an den Hof von GroßfürstVytautas. Timurs Truppen plünderten im Wolgadelta und zerstörtenSarai, die Hauptstadt der Goldenen Horde.
Überblick der Eroberungen
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Seit 1380 begann er die Eroberung des Südens von Chorasan, Irans undIraks, wobei die Herrschaften der lokalen Dynastien wie die derKartiden,Sarbadaren,Muzaffariden undDschalairiden beseitigt wurden.
Das Heer Timurs bestand neben Reitern und Bogenschützen aus Kriegselefanten, die ursprünglich aus Indien kamen, wobei er auch über Infanterie und Kanonen verfügte.[11]
In den Jahren 1391 und 1395 errang Timur entscheidende Siege über die mongolischen Herrscher derGoldenen Horde an derWolga, deren Reich danach unaufhaltsam in einzelneKhanate zerfiel. Bereits 1394 erstreckte sich die Einflusszone von Timurs Macht über ein Gebiet, das sich über Teile des heutigen Iraks mitBagdad, Irans,Aserbaidschans,Armeniens,Georgiens,Usbekistans,Syriens und derTürkei erstreckte. Im Osten grenzte sein Reich unmittelbar an das (östliche) Tschagatai-Khanat der Mongolen.

1398 eroberte erDelhi, 1401 fielenDamaskus sowie (erneut) Bagdad in seine Hände.
Am 20. Juli 1402 fügte er – zu dem Zeitpunkt schon fast blind – demosmanischen Heer unter SultanBayezid I. in derSchlacht bei Ankara (Angora) eine der schwersten Niederlagen in dessen Geschichte zu. Tausende von Soldaten waren verdurstet, noch ehe sie das Schlachtfeld erreichten, weil Timurs Soldaten alle Brunnen weit und breit zerstört hatten. Die tatarischen Truppen des Sultans liefen zu den Timuriden über. Nach beinahe zwanzigstündigem Kampf gaben auch die serbischen Hilfstruppen des Sultans auf und flohen (etwa 10.000 Serben unterStefan Lazarević). Bayezid wurde gefangen genommen; Timur dadurch auch in Europa „berühmt“. Bayezid starb in mongolischer Gefangenschaft.
Timur verließ jedoch baldAnatolien, ohne auf das christlicheKonstantinopel vorzustoßen.
Als ein letztes Problem sah Timur seine symbolischeVasallenstellung gegenüber demKaiserreich China derMing-Dynastie, dem er eine Zeit lang hatteTribut zahlen müssen. 1405 brach er mitten im Winter zum Feldzug nach China auf, starb aber geschwächt in der OasenstadtFarab in der Nähe des heutigenSchymkent inKasachstan.
Timur wurde in Samarkand bestattet. Sein MausoleumGur-e Amir ist eines der bedeutendsten Architekturdenkmäler dieser Zeit, es wurde unterMuḥammad Sultān Mirzā, dem Sohn vonJahāngīr Mirzā, also einem Enkel von Timur, erbaut.[12]
Timurs Reich zerfiel bald infolge von Nachfolgestreitigkeiten. DieOsmanen mussten nicht mehr mit einem übermächtigen Feind rechnen und setzten ihre Eroberungsfeldzüge nach einemzehnjährigen Interregnum fort.
Merkmale seiner Herrschaft
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Ziele
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Timur heiratete in das Haus Tschagatais, d. h. die FamilieDschingis Khans ein und wollte allem Anschein nach dessen Reich unter dem Vorzeichen desIslams erneuern. Das hinderte ihn aber nicht daran, Muslime töten zu lassen oder gegen die Herrschaft derDschingisiden vorzugehen.
Dieser scheinbare Widerspruch wird erklärbar vor dem Hintergrund seiner Heimat: Der Respekt vor der mongolischen Tradition war ungebrochen und ein Maßstab der Politik, selbst wenn dem mongolischen Recht längst das islamische Recht gegenüberstand und die Dschingisidenprinzen selten besondere Persönlichkeiten darstellten. EinKhan wurde Timur Lenk daher nie, er hatte stattdessen zweiPrinzen aus dem Haus Tschagatai als Schattenherrscher („Khane“) zurLegitimation seiner Herrschaft eingesetzt. Als „Emir“ beanspruchte er allerdings aufgrund der Heirat mit Sarai Mulk den TitelGurgani (benutzt im Sinne von „Königlicher Schwiegersohn“, mongolisch:güregen – „Schwiegersohn“).
Er vollendete die Islamisierung der in Zentralasien eingewanderten Mongolen, die allerdings schon unterTarmaschirin ihren Höhepunkt erlebt hatte. In der Theorie galt in seinem Reich die mongolischeJassa, in der Praxis eher dieScharia, das islamische Gesetz. Persönlich war er von einer volkstümlichen Frömmigkeit, die sich damals inDerwischorden undQalandaren niederschlug, und wurde zu Füßen einesDerwischs begraben. Er galt alsSunnit, aber das Verhältnis ist widersprüchlich, denn in Syrien trat er als Schirmherr derSchia auf. Er hielt an turkomongolischen Traditionen fest, auch wenn sie mit der Scharia im Widerspruch standen.
Grausamkeit
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Der Emir schuf eines der größten, wenn auch kurzlebigsten Reiche, die jemals inZentralasien existierten. Dabei erlangte er den Ruf eines skrupellosen Eroberers, der die Bevölkerung in den unterworfenen Gebieten und Städten zu Hunderttausenden ermorden – unter anderem imSultanat von Delhi und imKönigreich Georgien – und Aufstände gnadenlos unterdrücken ließ. So wurden bei der Eroberung vonIsfahan 1387 laut Hafiz-i Abru 28 Schädeltürme auf einer Stadtseite gezählt, sodass man von einer Zahl von 70.000 Toten ausgehen kann.
Trotz seiner dieMongolen übertreffenden Grausamkeit gab es dabei ein gewisses System: Die Spitzen der städtischenAristokratie wurden für gewöhnlich verschont, die Geistlichkeit ohnehin, und man verzeichnet Verhandlungen um Freikaufpreise, Tributeintreibungen und seltener auchRequisitionsscheine. Timur hatte offensichtlich die Absicht, das im 13. und 14. Jahrhundert gesunkene wirtschaftliche und kulturelle Niveau Transoxaniens durch eine Flut von erbeuteten Tieren, Waffen, Lebensmitteln, Gebrauchsgütern, Theologen, Gelehrten und Handwerkern zu heben.
Städtebau
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Den Zerstörungen durch seine Soldaten steht sein Städtebau gegenüber, allerdings beschränkt dieser sich auf einige wenige transoxanische Städte und eine gelegentliche Wiederherstellung zerstörter Bewässerungsanlagen. Wirtschaftliche Planungen lassen sich dabei nicht erkennen. Das „Zentrum der Welt“ – seiner Welt:Samarkand,Buchara,Kesch – wurde prachtvoll ausgebaut. In Mittelasien entstand in der Folge ein eigener timuridischer Architekturstil (Gur-e Amir, Bibi-Chanum-Moschee usw.). Der iranisch geprägte Chorasan war für ihn dabei offenbar Inbegriff aller Kultur, der persische Geschmack war vorherrschend. Die Hauptstadt war Samarkand im heutigenUsbekistan. Dort empfing er unter anderem eine spanische Gesandtschaft unterClavijo und Gesandtschaften der chinesischenMing, letzteres, um sich in seinen unablässigen Kämpfen den Rücken freizuhalten.
In Samarkand ließ Timur zahlreiche Bauwerke errichten. DieFreitagsmoschee (sangīn) in der Nähe des eisernen Tores wurde von Steinmetzen aus Indien gestaltet. Über dem Eingang wurde ein Spruch aus demKoran eingemeißelt (i, 24). Der vierstöckige Kiösk, Gūk Sarāī, lag in der Zitadelle.[13] Hier wurden später die erfolglosen Thronprätendenten aus dem Geschlecht Timurs hingerichtet.[14]
Timur ließ auch mehrere Gärten anlegen, den Bāgh-i-bulandī im Osten der Stadt, den Bāgh-i-dilkuschā, der durch eine Allee von weißen Platanen mit dem Türkistor verbunden war, den Naqsch-i-jahān am Rand von Kohik, oberhalb des Qara-Su, den Bāgh-i-chanār südlich der Stadtmauer, den Bāgh-i-schamāl im Norden sowie den Bāgh-i-bibischt. Der Naqsch-i-jahān war zu Baburs Zeiten bereits zerstört.[15]
Verwaltung
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Timur Lenk versuchte sowohl der traditionellen Lebensweise der Nomaden als auch der Stadtkultur gerecht zu werden. Das lag auch darin begründet, dass sich seine Macht sowohl auf turkomongolische als auch in zunehmendem Maße auf iranische Truppenverbände, besonders aus Chorasan, stützte, sowie auf eine iranisch geprägte Verwaltung.
Außerhalb seines Kernlandes hinterließ Timur keine geregelte Verwaltung. Er setzte einige seiner Nachkommen als Fürsten in Persien und Mittelasien ein, beließ aber die Gebiete in Südrussland und Moghulistan bei mongolischen Prinzen und machte auch keine Anstalten zur Verwaltung des Vorderen Orients. Die Statthalterposten im Kernland, das heißt in Iran und Transoxanien, waren uneinheitlich bemessen und organisiert. So gab es große und kleine Statthalterschaften, erblich oder auch nur auf Zeit verliehen, steuerbefreit oder auch nicht. Die Organisation ließ dem Herrscher auch weitreichende Eingriffsmöglichkeiten offen, zum Beispiel indem den Statthaltern nur kleine Kontingente der jeweils ausgehobenen Truppen unterstellt wurden. So wurden offenbar Mängel in der Verwaltung durch die Furcht vor dem Terror, mit dem die Unterworfenen im Falle einer Auflehnung zu rechnen hatten, kompensiert.
Wertung
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Timur der Eroberer war in erster Linie ein zentralasiatischer Militärführer und selbst für damalige Maßstäbe ein grausamer Zerstörer, aber nicht ohne kulturelle Interessen und geistige Bildung. Er konnte weder lesen noch schreiben, beherrschte aber die osttürkische und die persische Sprache und bediente sich beider, pflegte auch den Umgang mit Vertretern des geistigen Lebens; so gab es z. B. Gespräche mitIbn Chaldūn während der Belagerung von Damaskus 1400/01. Die Beschreibung Ibn Chaldūns, der Timur als intelligenten und berechnend argumentierenden Diskussionspartner schildert, aber selbst als einziger Zeitzeuge nicht an einer Idealisierung Timurs interessiert war, weil er nicht sein Untertan war, ließ viele Historiker von dem alten Bild pathologischer Grausamkeit Timurs Abstand nehmen.[16] Offenbar handelte er aus einem bewussten Machtkalkül. Eine längerfristig orientierte Verwaltung schien ihm nicht wichtig gewesen zu sein. Daraus resultierte die Schwäche seiner Dynastie: Die Herrschaft war eine private Verfügungsgewalt und konnte auf militärischem Wege angefochten werden, was gleich nach seinem Tod geschah.
Sämtliche Bemühungen Timurs hoben das Niveau Transoxaniens nur einige Generationen hindurch, denn letztlich wogen die Zerstörungen und Eroberungen der un- und mittelbar angrenzenden islamischen Reiche schwerer und hatten zur Folge, dass das Europa derRenaissance in seiner Entwicklung die islamische Welt ein- und überholte.Konstantinopel, die Hauptstadt des christlichenByzantinischen Reiches, erhielt eine Atempause vor der osmanischen Eroberung, und dasGroßfürstentum Moskau wurde durch Toktamischs Niederlage mittelfristig vom Druck der Goldenen Horde befreit und begann seinen langsamen Aufstieg zur Großmacht. Die von Timur begründete Dynastie der Timuriden verzeichnete Persönlichkeiten wie den „Astronomenprinzen“Ulugh Beg († 1449) und herrschte bis Anfang des 16. Jahrhunderts in Transoxanien (bis 1501) undChorasan (bis 1507). Timurs Urenkel Zahir ad-Din MuhammadBabur gründete 1526 dasMogulreich in Indien.
Künstlerische und literarische Verarbeitung
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Timur diente zur historischen Legitimation unterschiedlicher Herrscher. Er gilt trotz aller Verbrechen und trotz seines eingeschränkten politischen Weitblicks im heutigen Usbekistan als eine Art Nationalheld.
Timur ist auch immer wieder literarisches oder musikalisches Sujet gewesen:
- Christopher Marlowe schrieb um 1587 das DramaTamburlaine the Great. Eine seiner Vorlagen war wahrscheinlich PerondinosVita Magni Tamerlanis (Florenz 1551). Der Erfolg des ersten Teils vonTamburlaine war so groß, dass eiligst eine Fortsetzung (Teil II) geschrieben und bereits 1587 produziert und in London aufgeführt wurde.
- VonJohann Philipp Förtsch stammt die OperBajazeth und Tamerlan (1690).
- Georg Friedrich Händel schrieb die dramatische OperTamerlano (1724); dasLibretto stammte vonNicola Francesco Haym.
- Antonio Vivaldi schuf 1735 ebenfalls eine OperTamerlano/Bajazet, einPasticcio, in dem Vivaldi neben eigenen Kompositionen Arien vonJohann Adolph Hasse,Geminiano Giacomelli undRiccardo Broschi verwendete.
- GoethesWest-östlicher Divan enthält einBuch des Timur, das allerdings nur zwei Gedichte enthält:Der Winter und Timur (es spielt auf den Winter 1404/05 an, in dem Timurs China-Feldzug scheiterte und er selbst starb), undAn Suleika, das die Gewinnung desRosenöls gedanklich mit den unzähligen Opfern Timurs vergleicht.
- Rudolf Nelson schuf die Musik undKurt Tucholsky den Text zu einem gleichnamigen Kabarett-Song („Mir ist heut so nach Tamerlan zu Mut – ein kleines bisschen Tamerlan wär gut“).
- Nach dem Besuch desMausoleums Gur-e Amir in Samarkand schrieb der polnische DichterWładysław Broniewski das AntikriegsgedichtGrób Tamerlana („Tamerlans Grab“, 1942).
- Das KinderbuchTamerlan (Beltz & Gelberg 1973) vonRichard Bletschacher spielt auf fantastisch-satirische Weise mit dem Mythos des Eroberers.
- In den usbekischen StädtenTaschkent,Samarkand undSchachrisabs wurden Denkmäler zu Ehren Amir Temurs errichtet.
- Amir-Temur-Denkmal in Taschkent
- Amir-Temur-Denkmal in Samarkand
- Amir-Temur-Denkmal in Schachrisabs
Literatur
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Beatrice Forbes Manz:The Rise and Rule of Tamerlane. Cambridge University Press, Cambridge u. a. 1989,ISBN 0-521-34595-2 (Cambridge studies in Islamic civilization).
- Tilman Nagel:Timur der Eroberer und die islamische Welt im späten Mittelalter. Beck, München 1993,ISBN 3-406-37171-X.
- Jean-Paul Roux:Tamerlan. Fayard, Paris 1991,ISBN 2-213-02742-0.
- Heribert Horst:Tīmūr und Ḫōğä ‘Alī. Ein Beitrag zur Geschichte der Safawiden (=Abhandlungen der geistes- und sozialwissenschaftlichen Klasse der Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz. Jahrgang 1958, Nr. 2).
Weblinks
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Literatur von und über Timur im Katalog derDeutschen Nationalbibliothek
- S. A. M. Adshead:Tamerlane and the Global Arsenal, 1370–1405
- Clavijo’s Embassy to Tamerlane
Anmerkungen
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- ↑abBernd Roeck:Der Morgen der Welt. 1. Auflage. C.H. Beck, 2017,S. 409.
- ↑Johann Christoph Bürgel:Tausendundeine Welt: Klassische arabische Literatur vom Koran bis zu Ibn Chaldûn. 1. Auflage. C.H. Beck, 2007,S. 36.
- ↑گوركانى gurkāni ist dieiranisierte Form des ursprünglichmongolischen Worteskürügän und bedeutet ‚Schwiegersohn‘. Der Titel ist alsfu ma mit derselben Bedeutung im Chinesischen attestiert und wurde von mongolischen Fürsten getragen, die mit weiblichen Nachkommen Dschingis Khans verheiratet waren.
- ↑Sharaf ud-Dīn Alī Yazdī:Zafarnāma (zeitgenössische Biografie; im Auftrag von Timur entstanden), 14. Jahrhundert.
- ↑B. F. Manz: ArtikelTīmūr Lang; in:Encyclopaedia of Islam, digitale Edition, 2006
- ↑abDie Geheime Geschichte der Mongolen; ins Englische übersetzt vonIgor de Rachewiltz, Kapitel 1, Bezug auf den Stammesnamen „Barlas“ [„Birlas“]; Brill Inner Asian Library, 2004.
- ↑abB. F. Manz:The rise and rule of Tamerlan; Cambridge University Press, Cambridge 1989, S. 28: “We know definitely that the leading clan of the Barlas tribe traced its origin to Qarchar Barlas, head of one of Chaghadai’s regiments […] These then were the most prominent members of the Ulus Chaghadai: the old Mongolian tribes – Barlas, Arlat, Soldus and Jalayir”.
- ↑Aufgrund ihrer Assimilierung durch die türkischen Steppennomaden Turkistans werden die „Barlas“ in der Literatur manchmal als „Barlas-Türken“ bezeichnet.
- ↑Monika Gronke:Timur und seine Nachfolger. In:Geschichte Irans. München 2003, S. 60.
- ↑Mahin Hajianpur:Das Timuridenreich und die Eroberung von Mawarannar durch die Usbeken; in: Fischer Weltgeschichte, Band 16, Zentralasien; S. 162: „Sein Vater Taraghai war ein türkischer Emir vom Clan der Barlas“.
- ↑Bernd Roeck:Der Morgen der Welt. 1. Auflage. C.H. Beck, 2017,S. 433.
- ↑Annette Susanne Beveridge:Babur-nama (Memoirs of Babur). Translated from the original Turki text of Zahiru'd-din Muhammad Babur Padsha Ghazo. Delhi 1921 (Neudruck durch Low Price Publications 1989 in einem Band,ISBN 81-85395-07-1), S. 78.
- ↑Annette Susanne Beveridge:Babur-nama (Memoirs of Babur), S. 77.
- ↑Annette Susanne Beveridge:Babur-nama (Memoirs of Babur), Anm. S. 63.
- ↑Annette Susanne Beveridge:Babur-nama (Memoirs of Babur), S. 78
- ↑Vgl. Manz, S. 16–18.
Personendaten | |
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NAME | Timur |
ALTERNATIVNAMEN | Khan, Timur; Lenk, Timur-i; Läng, Läng; Khan, Timur; Temur; Taimur; Timour; Timur Lenk; Timur i Leng; Tamerlane; Tamburlaine; Taimur-e-Lang (Timur the Lame) |
KURZBESCHREIBUNG | zentralasiatischer Eroberer und Gründer der Timuriden-Dynastie in Persien und Transoxanien |
GEBURTSDATUM | 8. April 1336 |
GEBURTSORT | Kesch |
STERBEDATUM | 19. Februar 1405 |
STERBEORT | Schymkent |