Thüringen[tʰyːʁɪŋən] ⓘ (amtlichFreistaat Thüringen;AbkürzungTH) ist einBundesland derBundesrepublik Deutschland. Es gehört zu den kleineren von 16 Bundesländern (zwölftgrößtes nach Bevölkerung, elftgrößtes nach Fläche). Größte Stadt ist die LandeshauptstadtErfurt, einzige weitere Großstadt istJena.
Der Name Thüringen tritt als Gebietsbezeichnung seit demThüringerreich im frühen 6. Jahrhundert auf. Danach bildete Thüringen kein zusammenhängendes Herrschaftsgebiet mehr, auch wenn es demLandgrafen von Thüringen für kurze Zeit gelang, große Teile der Region zu kontrollieren. Dennoch blieb der Name für die Landschaft erhalten und wurde 1920 aufgegriffen, als sich siebenFreistaaten der damaligen acht so genannten „Thüringischen Staaten“ vereinigten und dasLand Thüringen begründeten. Preußische Gebiete wie Erfurt und Nordthüringen, die denpreußischen Regierungsbezirk Erfurt bildeten, kamen am 9. Juli 1945 hinzu. Nach derAuflösung der Länder in derDDR 1952 wurde es erst am 3. Oktober 1990[6] aus den dreiBezirkenErfurt,Gera undSuhl sowie einigen angrenzenden Gebieten wiedergegründet und ist heute in 17 Landkreise sowie fünf kreisfreie Städte gegliedert. Seit 1993 trägt Thüringen wie Bayern und Sachsen offiziell den NamenszusatzFreistaat, der historisch auf die Ablösung der Monarchie durch die Demokratie zurückzuführen ist.
DieWirtschaft Thüringens konnte sich nach anfänglichen Schwierigkeiten nach derWende in der Zeit nach der Jahrtausendwende stabilisieren, sodass dieArbeitslosenquote heute etwa im Bundesdurchschnitt liegt. Die Struktur wird vor allem von kleinen Unternehmen dominiert, wobei einige Regionen wie Südthüringen oder das Eichsfeld nach wie vor vom produzierenden Gewerbe geprägt sind. Größere Unternehmen finden sich hauptsächlich in Jena (Zeiss,Jenoptik,Schott) undEisenach (Opel,Bosch), während Erfurt mit seiner diversifizierten Struktur das wichtigste wirtschaftliche Zentrum des Landes ist. Bedeutende Standorte von Bildung und Forschung im Freistaat sind Jena mit der viertgrößtenUniversität derneuen Bundesländer, Erfurt undIlmenau mit seinerTechnischen Universität. Kulturelles Zentrum des Landes ist Weimar mit seiner traditionsreichenBauhaus-Universität Weimar, derMusikhochschule und seinen zahlreichenUNESCO-Weltkulturerbestätten.
Aufgrund seines Waldreichtums erlangte das Land bereits 1897 den Beinamen „grünes Herz Deutschlands“. Ursprünglich handelte es sich dabei um einen populären Buchtitel des ReiseschriftstellersAugust Trinius. DerWerbespruch diente in derWeimarer Republik zur Außendarstellung des aus zahlreichen Kleinstaaten hervorgegangenen Landes und wurde nach dessen Wiedergründung 1990 wiederum aufgegriffen und bis 2022 als offizieller Werbespruch genutzt.[7][8]
Thüringen liegt in der Mitte Deutschlands und grenzt an die LänderHessen (Länge der Grenze 270 km),Bayern (381 km),Sachsen (265 km),Sachsen-Anhalt (296 km) undNiedersachsen (112 km). Der Freistaat Thüringen gehört wie auch Sachsen und Teile Sachsen-Anhalts zur RegionMitteldeutschland. Als Ergebnis einer satellitengestützten Landesvermessung 2007/2008 wurde der Mittelpunkt Thüringens auf dem Gebiet der damaligen GemeindeRockhausen imIlm-Kreis bei den Koordinaten50° 54′ 12″ N,11° 1′ 35″ O50.90333333333311.026388888889etwa acht Kilometer südlich desErfurter Doms ermittelt.[9]
Die Landschaft in Thüringen ist sehr unterschiedlich. Im äußersten Norden befindet sich derHarz. In südöstlicher Richtung schließt sich ein alsGoldene Aue bezeichnetes Gebiet an, mit dem fruchtbaren Tal des FlussesHelme. Im Nordwesten befindet sich dasEichsfeld, eine teilweise bewaldete Hügellandschaft. In der Mitte des Landes liegt das flache, sehr fruchtbareThüringer Becken. Diese Region zählt zu den ältesten Kulturlandschaften Deutschlands. Erste Ortsgründungen sind hier bereits seit dem Jahr 704 belegt. Das Thüringer Becken wird von verschiedenen kleinen Höhenzügen umringt, so demDün im Nordwesten, derHainleite und der unmittelbar nördlich davon gelegenenWindleite sowie demKyffhäuser im Norden,Schmücke,Hohe Schrecke undFinne im Nordosten, demEttersberg im Südosten, derFahner Höhe im Süden und demHainich im Westen. DerNationalpark Hainich ist der einzige Nationalpark des Landes.
Südlich des Thüringer Beckens befindet sich das hügelige Vorland desThüringer Waldes, schließlich der Thüringer Wald selbst, als größtes Gebirge im Land. Östlich geht der Wald nahtlos insThüringer Schiefergebirge über, welches wiederum südöstlich imLandkreis Sonneberg und imSaale-Orla-Kreis in denFrankenwald übergeht, der jedoch nur zu kleinsten Teilen in Thüringen liegt. Gemeinsam bilden sie dasThüringisch-Fränkische Mittelgebirge. Diese Mittelgebirgskette wird vomRennsteig, dem Kammweg, durchzogen. Er stellt die Wasserscheide zwischenElbe im Norden undWeser beziehungsweiseRhein im Süden dar. Der Thüringer Wald ist einKammgebirge, während das Schiefergebirge und der Frankenwald von engen Tälern zerschnittene Hochplateaus sind. Östlich von Wald und Becken verläuft dasSaaletal. Jenseits der Saale liegt im Norden dasThüringer Holzland, im Süden dasVogtland und im Osten dasOsterland. Im Gegensatz zu den erstgenannten ist das Osterland um Altenburg wenig bewaldet und sehr fruchtbar. Im südlichen Landkreis Sonneberg nördlich der KreisstadtSonneberg verläuft dieFränkische Linie; diese trennt in Thüringen den Frankenwald vomObermainischen Hügelland. Südwestlich des Thüringer Waldes, inSüdthüringen, liegt das Werratal, gefolgt von derRhön im Westen und demGrabfeld im äußersten Süden.
Die wichtigsten Flüsse des Landes sind dieWerra im Südwesten und dieSaale im Osten. Größere Zuflüsse der Saale sind dieUnstrut (mitGera, Helme undWipper), dieIlm und dieWeiße Elster. Im Nordwesten des Landes entspringt dieLeine. Insgesamt verteilt sich das Land auf die Einzugsgebiete vonWeser im Westen,Elbe in der Mitte und im Osten undRhein im äußersten Süden mit Schnittpunkt amDreistromstein in der Nähe vonNeuhaus am Rennweg. Größere natürliche Standgewässer gibt es in Thüringen nicht, jedoch liegen mit den TalsperrenBleiloch undHohenwarte zwei der größten Stauseen Deutschlands hier.
Die höchste Erhebung im Land ist derGroße Beerberg im Thüringer Wald mit 983 Metern Höhe. Weitere hohe Berge sind derSchneekopf (978 m), derGroße Finsterberg (944 m) und derGroße Inselsberg (916 m). Der höchste Punkt von Thüringen misst 1060 Meter über NN und befindet sich auf demBleßberg im Landkreis Sonneberg (Lagepunkt derFunkanlage 865 m + 195 m Höhe der Sendeanlage). Höchster Berg im Schiefergebirge ist derGroße Farmdenkopf (869 m), in der thüringischen Rhön der zumEllenbogen gehörende Schnitzersberg (816 m) und im thüringischen Harz derGroße Ehrenberg (636 m). Wichtige Erhebungen zwischen Harz und Thüringer Wald sind derBirkenberg (533 m) im Eichsfeld, derAlte Berg (494 m) im Hainich, derKulpenberg (474 m) im Kyffhäuser und derEttersberg (482 m) bei Weimar. Südlich des Thüringer Waldes treten derDolmar (740 m) und derGroße Gleichberg (679 m) hervor, östlich der Saale liegt der höchste Berg mit demRosenbühl (653 m) im südlichen Vogtland, jedoch ohne besondere Reliefenergie. Ferner sind der mittlere Thüringer Wald und das angrenzende westliche Schiefergebirge sowie die Rhön bis in die Kammlagen besiedelt, sodass rund 20 Ortschaften im Land über 700 Metern Höhe liegen, darunterOberhof,Neuhaus am Rennweg undSteinheid als höchstgelegene Orte in über 800 Metern Höhe (in der Ortsmitte) sowie die auf 750 Metern gelegenen RhöndörferFrankenheim undBirx, die – anders als die protoindustriellen frühneuzeitlichen Gründungen im Thüringer Wald – sogar schon derhochmittelalterlichen Siedlung mit landwirtschaftlicher Existenzgrundlage entstammen. Niedrigste Punkte sind dasUnstruttal zwischenWiehe undRoßleben (114 m), das Saaletal beiGroßheringen (120 m), das Werratal beiLindewerra (145 m) und das Pleißetal beiTreben (150 m).
Thüringen liegt in dergemäßigten Klimazone Mitteleuropas bei vorherrschender Westwindströmung. Da zwischen den westlichen Meeren und dem Freistaat bereits einige schützende Mittelgebirge liegen, ist das Klima Thüringens kontinentaler als im Westen und Norden Deutschlands. Dies zeigt sich vor allem durch kältere Winter und trockenere Sommer als in anderen Teilen der Bundesrepublik.
Innerhalb Thüringens bestehen größere klimatische Unterschiede. Im Thüringer Becken, in der Landesmitte gelegen und von Gebirgen umgeben, fallen die geringsten Niederschlagsmengen Deutschlands. Den Rekord hältStraußfurt mit 242 Millimeter Jahresniederschlag im Jahr 1911.[10] Normal sind im Thüringer Becken 400 bis 500 Millimeter Jahresniederschlag bei einer Jahresmitteltemperatur von 8,5 Grad Celsius (1961–1990 an der WetterstationArtern). Die Hügelzonen im Land liegen klimatisch etwa im deutschen Durchschnitt. So fallen in Gera 624 Millimeter Niederschlag bei einer Temperatur von 7,8 Grad Celsius. Ein regenreiches und eher kühles Klima weisen in Thüringen die Gebirgszonen auf. So werden auf derSchmücke im Schnitt 1289 Millimeter Jahresniederschlag bei einer Temperatur von 4,4 Grad Celsius gemessen. Hier liegt die Januar-Temperatur bei −4 Grad Celsius und die Juli-Temperatur bei 12,8 Grad Celsius. In Artern am Nordrand des Thüringer Beckens liegen die Werte dieser Monate bei −0,7 Grad Celsius und 17,6 Grad Celsius.
Regelmäßige Naturkatastrophen in Thüringen sind insbesondere Hochwasser und Stürme. Hochwasser tritt meist beiVb-Wetterlagen auf, bei denen große Tiefdruckgebiete mit feuchter Mittelmeerluft über die Adria, Österreich, Tschechien und Polen nach Norden ziehen und durch ihre Drehung entgegen dem Uhrzeigersinn heftigen Stauregen am Thüringer Wald und Schiefergebirge verursachen. Die Gefahr durch Hochwasser infolge von schneller Schneeschmelze ist demgegenüber weniger groß, da die Höhenlagen des Thüringer Waldes in viele verschiedene Flüsse entwässern. Nach der Wiedervereinigung wurde der Hochwasserschutz durch Ausweisung entsprechender Flächen und die Anlage von zahlreichen Rückhaltebecken auch an kleinen Flüssen deutlich verbessert. Stürme sind besonders für die Gebirgsregionen problematisch, da die durch Umweltverschmutzung des 20. Jahrhunderts geschädigten Fichten-Monokulturen dort anfällig fürWindbruch sind, was sich zuletzt beiOrkan Kyrill zeigte. Durch eine Erhöhung der Artenvielfalt im Forstbetrieb sollen die Auswirkungen zukünftiger Stürme hier reduziert werden. Wenn derKlimawandel wie prognostiziert zu einer unregelmäßigeren Niederschlagsverteilung führt, sind die Tieflagen im Thüringer Becken einer höheren sommerlichen Dürregefahr ausgesetzt, da die Niederschlagsmengen hier recht gering sind. Hierauf versucht die Landwirtschaft durch das Ausweichen auf trockenheitsresistentere Sorten zu reagieren.
Die geologische Situation in Thüringen ist durch eine große Vielfaltgeologischer Formationen gekennzeichnet. An der Oberfläche beziehungsweise den bodennahen Bereichen lassen sich in den verschiedenen Regionen des Landes fast alleSchichten desPhanerozoikums, das heißt der letzten 500 Millionen Jahre, nachweisen.[11][12]
Bezogen auf die Entstehungsgeschichte wird Thüringen in vier so genannteStrukturstockwerke gegliedert, die nach ihrem Alter geordnet in den jeweiligen Regionen dominierend auftreten:[13]
Während diegeomorphologische Gestalt Thüringens im Süden und Westen fast ausschließlich durchtektonische Vorgänge undErosion durch Niederschläge bestimmt ist, kam es vor etwa 400.000 – 320.000 Jahren im Norden und Osten zu einer Überformung dieser Strukturen durch dieElsterkaltzeit. Demgemäß erfolgt eine Aufteilung des Landes aus geomorphologischer Sicht in fünf äußerlich abgrenzbare Gebiete:
das Thüringer Gebirge, bestehend aus Thüringer Wald und Thüringer Schiefergebirge
dieZechstein- undTrias-Landschaften des Thüringer Beckens und Südthüringens
das Altenburg-Meuselwitzer Gebiet, das durchBraunkohletagebau und Überreste des in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erfolgtenUranbergbaus gekennzeichnet ist.
Innerhalb der Zechstein- und Triaslandschaften prägen neben flachen Gebieten zahlreicheStörungen das Landschaftsbild, von denen dieEichenberg–Gotha–Saalfelder Störungszone, die das Thüringer-Wald-Vorland vom Thüringer Becken abgrenzt, die längste und auffälligste ist. Im Zechsteingebiet im Bereich vonWerra und Wipper finden sich größereSalzvorkommen, die besonders im 20. Jahrhundert abgebaut wurden. Im Buntsandsteingebiet desSaaletales bei Jena sind zahlreiche geologische Phänomene zu beobachten.
Ausgehend von der im spätenMittelalter vor allem in Bereich des Thüringer Gebirges beginnendenGewinnung von Bodenschätzen wieEisenerz,Kupferschiefer oderGold entwickelte sich in der Region bereits im 16. Jahrhundert eine theoretische Verarbeitung praktisch-geowissenschaftlicher Erkenntnisse. Im Jahr 1796 entstand mit derSocietät für die gesamte Mineralogie zu Jena die erste geowissenschaftliche Vereinigung überhaupt. Sie entstand auf AnregungGoethes, der von 1803 bis 1830 ihr Präsident war.
Aufgrund anhaltender tektonischer Vorgänge kommt es im Südosten Thüringens gelegentlich zu kleineren Erdbeben. Diese werden seit Anfang des 20. Jahrhunderts von der Universität Jena beobachtet. Heute befindet sich im Osten des Thüringer Schiefergebirges dasGeodynamische ObservatoriumMoxa derFriedrich-Schiller-Universität Jena sowie dasZentrum für die Ingenieuranalyse von Erdbebenschäden derBauhaus-Universität Weimar zur Untersuchung und Bewertung möglicher Folgen von Erdbeben nicht nur in diesem Gebiet.
Fichtenwald amSchneekopfBuchenwälder imHainich gehören zum WeltnaturerbeRhönschafThüringer Landschaft beiDrognitz
Dank dem vielgestaltigen geologischen Untergrund und dem Einfluss der Mittelgebirge auf das Lokalklima kann in Thüringen eine Vielzahl von Pflanzenarten mit unterschiedlichen ökologischen Ansprüchen wachsen. Eine naturräumliche Gliederung Thüringens unterscheidet die sieben Naturraumtypen Mittelgebirge, Buntsandstein-Hügelländer, Muschelkalk-Hügelländer, Basaltkuppenland, Ackerhügelländer, Auen und Niederungen sowie Zechsteingürtel an Gebirgsrändern. Innerhalb dieser Naturraumtypen werden 38 einzelne Naturräume unterschieden; der Naturraum Thüringer Gebirge wird zudem in acht Untereinheiten gegliedert.[14]
Diepotenzielle natürliche Vegetation Thüringens besteht aus Wäldern, die je nach Standortverhältnissen in verschiedene Typen unterschieden werden könnten. Am weitesten verbreitet wären von derRotbuche (Fagus sylvatica) dominierte Buchenwälder, dabei vor allemHainsimsen-,Waldmeister-,Waldgersten- undOrchideen-Buchenwälder. Nur wo die Standortbedingungen weniger ideal sind, könnten auch andere Baumarten dominieren. So wären in den trockenwarmen, kontinental geprägten Gebieten des zentralen Thüringer Beckens dieTraubeneiche (Quercus petraea),Stieleiche (Quercus robur),Hainbuche (Carpinus betulus) und dieWinterlinde (Tilia cordata) häufiger zu finden. In den Mittelgebirgen hingegen wären neben der Rotbuche derBergahorn (Acer pseudoplatanus), dieGemeine Fichte (Picea abies) und die heute selteneWeißtanne (Abies alba) zu finden. Nur in den höchsten Lagen des Thüringer Waldes und des Thüringer Schiefergebirges wären Fichten-Buchenwälder zu finden.[14]
Die aktuelle Flora und Fauna sind der deutschenKulturlandschaft angepasst. Durch die Nutzung des Menschen besteht die Vegetation vor allem aus Wäldern, Grünland, Äckern, Siedlungen und Gewässern. Etwa ein Drittel der Landesfläche ist von Wald bedeckt. Thüringen zählt damit zu den waldreichen Bundesländern. Davon sind jedoch nur 30 % naturnaher Laubwald. Prägend sind vor allem Nadelholzforste, die Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts angelegt wurden. Die Landesforstverwaltung ist jedoch bestrebt, den Laubholzanteil wieder zu erhöhen.[14] Nachdem derOrkan Kyrill im Januar 2007 vor allem im Thüringer Wald massive Schäden anrichtete, wurde bei der Aufforstung teilweise wieder auf den heimischen Buchen-Eichen-Mischwald anstelle von Fichten-Monokulturen zurückgegriffen. Hauptbaumarten in Thüringen sind Fichte mit 42,6 %, Rotbuche mit 20,1 % und Waldkiefer mit 15,7 %. Die Wälder sind jedoch nicht homogen zusammengesetzte Mischwälder. Den Standorten entsprechend sind die Mittelgebirgslagen des Mittleren und Östlichen Thüringer Waldes, des Thüringischen Schiefergebirges und des Harzes überwiegend mit Fichte bestockt. Kiefernforste sind in den Buntsandsteinländern, so im Holzland, verbreitet. In den Muschelkalkgebieten, darunter im Hainich, im Dün und in der Hainleite, aber auch im nordwestlichen Thüringer Wald, dominieren Buchenwälder.
Das Grünland ist vor allem durchTrocken- undHalbtrockenrasen geprägt, artenreiche Frischwiesen in den Hügelländern sind stark zurückgegangen. Ein großer Anteil frischer und feuchter Wiesen wird als Rinderweide genutzt.[14]
In den Wäldern Thüringens leben unter anderem Rehe, Hirsche, Wildschweine sowie Mufflons und Füchse. DieWildkatze (Felis silvestris) hat imNationalpark Hainich und im Tal der Weißen Elster, zwischen Greiz und Wünschendorf[15], erneut ihr Habitat gefunden. Durch den Harz im Norden des Landes streift wieder derLuchs (Lynx lynx). In den Naturschutzgebieten des Landes bestehen Vorkommen selten gewordener Vogelarten, unter anderem desBirkhuhns (Lyrurus tetrix oderTetrao tetrix), desSchwarzstorchs (Ciconia nigra) und desWachtelkönigs (Crex crex).[16] Seit 2014 ist auch der einst ausgerotteteWolf in Thüringen wieder heimisch. Aktuell gibt es in der RegionOhrdruf nachweislich ein Rudel mit mindestens 11 Tieren (Stand 2024). Ebenso gibt es beiNeuhaus am Rennweg ein bestätigtes Rudel. Wölfe konnten auch schon in anderen Regionen Thüringens nachgewiesen werden, so z. B. imThüringer Holzland und imLandkreis Nordhausen.[17][18] Haustierarten, die an das Leben im Land angepasst sind, sind beispielsweise die seit Jahrhunderten gezüchteteThüringer Waldziege oder dasRhönschaf.
Bedingt durch den Industrieschmutz, der zwischen 1850 und 1990 ausgestoßen wurde, waren Teile Thüringens am Ende dieser Periode stark geschädigt. Seitdem konnten diese Schäden teilweise abgemildert werden. So wurde im Rahmen derBundesgartenschau 2007 in Gera undRonneburg der ehemaligeUran-Tagebau in Ronneburg saniert und versiegelt; es entstand dieNeue Landschaft Ronneburg. Eine weitere Altlast ist derTeersee inRositz bei Altenburg, von dem eine enorm hohe Gefährdung der Umwelt ausgeht. Insgesamt hat die Belastung der Luft und der Gewässer jedoch erheblich abgenommen, einzig dieWerra ist – bedingt durch den hessischen Kali-Abbau – unterhalb vonDorndorf noch derart versalzen (der Salzgehalt entspricht vielerorts dem derOstsee), dass viele Pflanzen und Tiere nicht überleben können. Abwassereinleitungen durch den KonzernK+S sorgten in dieser Region wiederholt für Streit zwischen den Gemeinden und den Ländern Thüringen und Hessen. Kleinere Bäche leiden in Gebieten intensiver landwirtschaftlicher Nutzung nach wie vor unter einem erhöhtenNitrat-Eintrag durch Flächendüngung.
Als bedeutende Naturschutzgebiete bestehen in Thüringen der Nationalpark Hainich, die BiosphärenreservateRhön undVessertal-Thüringer Wald sowie die NaturparksEichsfeld-Hainich-Werratal,Kyffhäuser,Thüringer Schiefergebirge/Obere Saale undThüringer Wald. Zentrale Bereiche des Nationalparks Hainich zählen seit ihrer Anerkennung durch das Welterbekomitee am 25. Juni 2011 zu den 36 Welterbestätten Deutschlands. Bis 2030 sollen 5 % aller Waldflächen komplett aus der wirtschaftlichen Nutzung genommen werden, um sich langfristig zu naturnahen Wäldern zu entwickeln. Neben dem Hainich sind hierfür Flächen in derHohen Schrecke, in derHainleite amPossen und imPöllwitzer Wald vorgesehen, die vor 1990 großteils militärisch genutzt wurden und teilweise noch immer durch Munitionsreste kontaminiert sind.[19]
Thüringen hat etwa 2,12 Millionen Einwohner,[20] wobei die Einwohnerzahl schon seit Ende des Zweiten Weltkriegs rückläufig ist. Deshalb ist dieAlterung der Bevölkerung im deutschen Vergleich schon weit fortgeschritten und dasGeburtendefizit vergleichsweise hoch, obwohl dieFertilitätsrate (Geburten pro Frau) über dem Bundesdurchschnitt liegt. DerWanderungssaldo war 2013 erstmals seit 1996 wieder positiv, da die Abwanderung in andere Bundesländer zurückgeht und gleichzeitig die Zuwanderung aus dem Ausland stark ansteigt. Im Land leben im Vergleich zu den alten Bundesländern nur wenige Migranten, sodass derAusländeranteil (2015 ca. 4 %, 2023 ca. 8,3 %) zu den geringeren im Bundesgebiet zählt. Auf lokaler Ebene ist die Bevölkerungsentwicklung unterschiedlich, so wachsen die beiden Großstädte des Landes seit 2003 (Erfurt) und 1999 (Jena) wieder an, während insbesondere die Gemeinden im ländlichen Raum durch Überalterung stark an Bevölkerung verlieren. Damit setzt sich derUrbanisierungstrend in Thüringen weiter fort.
In seiner Bevölkerungsdichte liegt Thüringen hinter Sachsen an zweiter Stelle unter den fünf neuen Ländern. Trotzdem ist die Bevölkerungsdichte inzwischen geringer als die sämtlicher „alter“ Länder, während Thüringen vor demZweiten Weltkrieg noch zu den dichter besiedelten Regionen Deutschlands zählte. Entlang derThüringer Städtekette, die sich quer von West nach Ost durch die Mitte des Landes zieht und an der die sechs größten Städte Thüringens liegen, ist die Bevölkerungsdichte am größten. Höher ist die Bevölkerungsdichte auch am nördlichen und südlichen Rand des Thüringer Waldes bzw. Schiefergebirges, entlang der Verbindung vonHalle nachKassel im Norden sowie in den Tälern vonSaale,Werra undUnstrut.
Dünner besiedelt sind das Gebiet zwischen Werra und Landesgrenze im Süden, das Gebiet um die Saalestauseen im Südosten, dasHolzland zwischenRoda- undOrlatal sowie der Norden desThüringer Beckens. Siedlungsgeografisch dominieren westlich der Saale im Flachland große, häufig in sich strukturierte Dörfer mit zahlreichen Gehöften und recht großen Ortsfluren wieHerbsleben, während in den Gebieten östlich der Saale, die nicht zum deutschenAltsiedelland gehörten, die Orte meist nur aus wenigen Gehöften bestehen wieGieba. Dafür ist die Ortsdichte dort jedoch wesentlich höher. So kommen bei ähnlicher Gesamtbevölkerungsdichte imLandkreis Gotha in der westlichen Landesmitte auf einen Ort jeweils etwa zehn Quadratkilometer Fläche, während es imAltenburger Land im Osten nur etwa zwei Quadratkilometer sind. In den Waldgebieten sind uneinheitliche Siedlungsstrukturen vorzufinden, dort gibt es sowohl zu Städten herangewachsene „Industriedörfer“ wieZella-Mehlis oderLauscha als auch nur aus wenigen Häusern bestehende Orte wieAllzunah. Insgesamt gibt es, je nach der Definition von Ort, zwischen 2500 und 3000 Orte im Freistaat, unter ihnen verfügen gegenwärtig 117 über Stadtrechte. Dazu kommen über 30 ehemalige Städte, die eingemeindet wurden oder ihre Rechte wieder verloren.
DasLandesentwicklungsprogramm (LEP) gibt raumpolitische Zielsetzungen vor. Herausforderung der Landesraumplanung ist die Annäherung an gleichwertige Lebensverhältnisse im gesamten Land. Dabei gilt es insbesondere infrastrukturellen Defiziten ländlicher und peripherer Räume entgegenzuwirken und die mit dem demografischen Wandel einhergehenden Probleme zu handhaben. Im Juli 2024 wurde die Teilfortschreibung des bestehenden LEP vomKabinett der Thüringer Landesregierung beschlossen. Dabei wurden zusätzlich zu den bis dahin bereits bestehendenOberzentren Erfurt, Jena und Gera auch Eisenach undNordhausen zu Oberzentren ernannt sowie das aus insgesamt sechs Städten bestehende funktionsteiligeOberzentrum Südthüringen (mitSuhl undMeiningen als größten Städten) gebildet.[21]
Weitere Oberzentren, die nach Thüringen ausstrahlen, sind im Süden die fränkischen StädteCoburg,Bamberg,Schweinfurt undWürzburg sowie das hessischeFulda für die westliche Rhön. Im Südosten haltenZwickau,Plauen undHof oberzentrale Funktionen für das Vogtland vor. Für das Eichsfeld wirkenGöttingen undKassel als Oberzentren. Im Nordosten orientiert der Raum um Artern nachHalle sowie das nördliche Altenburger Land nachLeipzig.
Darüber hinaus nehmen einige mittelgroße Städte eine strukturelle Stellung zwischenOberzentrum undMittelzentrum ein.Mühlhausen undSaalfeld/Rudolstadt/Bad Blankenburg (funktionsteilig) können als Regionalzentren im Nordwesten und Südosten des Landes gelten. In der Landesmitte nehmen in Ergänzung der dortigen Oberzentren Erfurt und Jena auchWeimar undGotha höhere zentralörtliche Funktionen war. Im Osten Thüringens istAltenburg als Mittelzentrum mit Teilfunktion eines Oberzentrums festgeschrieben.
Die übrigen Mittel- und einige Kleinstädte sind Mittelzentren mit Ausrichtung auf das lokale Umland. Dabei reicht die Spanne von Orten mit 25.000 Einwohnern bis zu Kleinstädten mit deutlich unter 10.000 Einwohnern.
Auf dem Gebiet der interkommunalen Kooperation sind die Städte Jena und Gera Mitglieder derMetropolregion Mitteldeutschland und derLandkreis Sonneberg hat sich derMetropolregion Nürnberg angeschlossen. Weiterhin existiert die „Impulsregion“ als Kooperation von Erfurt, Weimar, Jena und demWeimarer Land als zentralem Siedlungs- und Wirtschaftsraum des Landes.
Die thüringischen Dialekte vereinen ähnliche Merkmale, wobei diese von West nach Ost immer deutlicher hervortreten. Die viermainfränkischen Dialekte sind übergangslos, deutlich hörbar von diesen differenziert und vor allem im itzgründischen Sprachraum stark ausgeprägt. DerRennsteig als alter Grenzweg der mittelalterlichen Gaue ist hierbei die harte Grenze, lediglich der ebenfalls südlich des Rennsteigs gelegeneSalzbogen (in etwa die Werra entlang zwischenBreitungen, Bad Salzungen undVacha) bildet eine ca. 20 km breite Übergangszone mit fränkischen, hessischen und thüringischen Sprachelementen.
DieGeorgenkirche in Eisenach war Bischofskirche der Evangelischen Kirche in ThüringenAnteil der evangelischen Einwohner auf Gemeindeebene nach Daten des Zensus 2011Anteil der katholischen Einwohner auf Gemeindeebene nach Daten des Zensus 2011
Wie in den meisten Regionen Deutschlands verlieren in Thüringen die zwei großen Kirchen Mitglieder. 1991 galten 32,2 % der Thüringer alsevangelisch und 9,5 % als katholisch.[23] Ende 2023 hatte Thüringen 2.122.335 Einwohner davon waren 18,0 % evangelisch, 7,1 % katholisch und 74,9 % warenkonfessionslos, gehörten einer anderenGlaubensgemeinschaft an oder machten keine Angabe.[24]
Christianisiert wurde Thüringen bereits ab dem 8. Jahrhundert durchBonifatius, weshalb er gelegentlich als „Missionar der Thüringer“ bezeichnet wird. Bis zur Einführung der Reformation gehörte die Bevölkerung daher dem katholischen Glauben an.
Die thüringischen Staaten waren im 16. Jahrhundert eines der ersten protestantischen Gebiete der Welt, da der ReformatorMartin Luther in KurfürstFriedrich von Sachsen einen Förderer hatte. Zudem spielten sich die Hintergründe der Reformation teilweise in Thüringen ab: Luther absolvierte sein Theologiestudium an derUniversität Erfurt, seine Familie selbst stammte ausMöhra, die Bibelübersetzung entstand in Teilen auf derWartburg und derBauernkrieg sowie derSchmalkaldische Krieg als Reformationsfolgen trugen sich zu größeren Teilen in Thüringen zu. Auch die reformatorischeTäuferbewegung war in großen Teilen Thüringens verbreitet. Eines der Zentren der mitteldeutschen Täufer war die StadtMühlhausen, wo 1525 bereitsThomas Müntzer gewirkt hatte.[25][26]
Die evangelische Kirche hatte danach jedoch nie den gesellschaftlichen Einfluss, wie ihn die katholische Kirche in ihren Gebieten hatte. So galten die meisten thüringischen Staaten bereits im 18. Jahrhundert als liberal und aufgeklärt, was vor allem durch die Weimarer Herzogsfamilie gefördert wurde.
In der evangelischen Kirche ist Thüringen Teil der 2009 gebildetenEvangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM), die im Wesentlichen die Bundesländer Thüringen und Sachsen-Anhalt umfasst. Der ehemaligeKreis Schmalkalden gehört als einziger Landesteil nicht zum Bereich der EKM, sondern zurEvangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck (EKKW). Regional gibt es Unterschiede im Anteil der in der evangelischen Kirche verbliebenen Einwohner. Wie überall weisen Städte ein noch niedriger Anteil auf als die ländliche Gemeinden. Im Jahr 2024 verzeichnete die evangelische Kirche in Thüringen 5.149 Kirchenaustritte. Dagegen stehen lediglich 124 neue Eintritte in die Kirche.[27]
In Thüringen ist der Anteil der Christen an der Gesamtbevölkerung damit geringer als in den westlichen Bundesländern, allerdings etwas höher als in Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Eine Ausnahme in Thüringen ist das Eichsfeld, wo die Mehrheit der Bevölkerung katholisch ist.[23] Thüringen ist unter den neuen Bundesländern jenes mit dem höchsten katholischen Bevölkerungsanteil. In erster Linie zählt hierzu dasEichsfeld, das bis 1802 zuKurmainz gehörte. ImLandkreis Eichsfeld (der nicht komplett deckungsgleich mit der historischen Region ist) lag der Anteil der Katholiken laut Zensus 2011 bei 69,5 %, womit er der einzige Kreis in den neuen Ländern war, der noch eine kirchlich gebundene Bevölkerungsmehrheit aufwies. Zum Eichsfeld im historischen Sinn gehören auch einige Ortsteile der im nordwestlichenUnstrut-Hainich-Kreis gelegenen GemeindeSüdeichsfeld, die ebenfalls mehrheitlich katholisch sind. Eine andere ehemals kurmainzische Region war die Landeshauptstadt Erfurt mit ihrem Umland, weshalb es in Erfurt traditionell eine katholische Minderheit gibt (2011: 6,8 %) und einige der Erfurter Landdörfer mehrheitlich katholisch blieben. Bis aufWitterda sind diese Dörfer heute alle Stadtteile Erfurts. Eine dritte katholische Region ist das Gebiet zwischenGeisa,Dermbach undZella in derRhön im südlichenWartburgkreis, das bis 1802 zumHochstift Fulda gehörte. Weiterhin haben einige größere Städte nennenswerte katholische Minderheiten, die (mit Ausnahme Erfurts) das Ergebnis von Migration seit 1871 sind, beispielsweiseMühlhausen (10,3 %),Jena (6,6 %) undWeimar (6,1 %). In den übrigen Landesteilen liegt der Anteil der Katholiken deutlich unter 5 %. Organisiert sind die Katholiken größtenteils imBistum Erfurt. Kleinere Teile des Landes gehören aber auch anderen Bistümern an (Ostthüringen zumBistum Dresden-Meißen, Geisa zumBistum Fulda).
Jüdische Gemeinden existierten in Thüringen seit dem 12. Jahrhundert in geringem Umfang, so lebten nie mehr als 5000 bis 6000 Juden im Land. Die meisten von ihnen lebten in den relativ freien Städten Erfurt, Mühlhausen und Nordhausen. In der frühen Neuzeit siedelten sich auch einige „Schutzjuden“ in der Rhön und im Werratal im Südwesten an. Sie wanderten ab etwa 1870 in die Städte ab, vor allem nach Eisenach, Gotha, Meiningen und Suhl. DieZeit des Nationalsozialismus setzte dem jüdischen Leben in Thüringen ein jähes Ende. So existiert seit dem Zweiten Weltkrieg nur noch die Jüdische Gemeinde in Erfurt mit etwa 750 Mitgliedern (2007) in ganz Thüringen.
Andere Religionsgemeinschaften spielen in Thüringen auch nur eine geringe Rolle. Diverse christlicheFreikirchen unterhalten in mittleren Städten eigene Gemeinden. Auch diemuslimischen Gemeinden haben einige Tausend Mitglieder, wobei hier keine offiziellen Statistiken erhoben werden, da der Islam im Unterschied zu diversen christlichen Kirchen nicht als Körperschaft des öffentlichen Rechts organisiert ist. GemäßAusländerzentralregister lebten 2016 etwa 35.000 Ausländer aus mehrheitlich muslimischen Ländern in Thüringen, das entspricht ein bis zwei % der Gesamtbevölkerung.
Erfurt der Frühneuzeit mit zwei Mauerringen und zahlreichen KirchenHöhepunkt derKleinstaaterei um 1680
In derVölkerwanderungszeit bildete sich der Stamm derThüringer. Ihre Ursprünge sind umstritten, so ist eine oftmals angenommene Verbindung zu den älterenHermunduren wissenschaftlich nicht haltbar, vielmehr ist es wahrscheinlich, dass der Stamm sich aus ansässigen sowie aus dem Osten zugewanderten Gruppen bildete. Die erste Erwähnung derToringi findet sich beiFlavius Vegetius Renatus im späten 4. Jahrhundert, der über ihre Pferde schreibt und sie in einen Zusammenhang mitHunnen undBurgunden stellt. Später gründeten die Thüringer ein Königreich mit Siedlungsschwerpunkt im fruchtbaren Thüringer Becken entlang der Unstrut. Es existierte bis 531, als die Franken es mithilfe der Sachsen zerschlugen und das Gebiet westlich der Saale insFränkische Reich eingliederten. Um 620 kam es durch dieMerowinger zur Gründung des Herzogtums Thüringen, welches bis ins späte 8. Jahrhundert bestand. In diese Zeit fallen auch die ersten schriftlichen Überlieferungen im Land, unter anderem von Arnstadt im Jahr 704 und von Erfurt im Jahr 742. Zeitgleich missionierteBonifatius im Land, der dasBistum Erfurt gründete.
DiesächsischenOttonen machten das Gebiet an der unteren Unstrut zwischenNaumburg undSangerhausen zu einem Zentrum desHeiligen Römischen Reiches im 10. Jahrhundert. Ein eigenes thüringisches Stammesherzogtum konnte sich so nicht herausbilden. Größte Macht im Thüringer Raum war in jener Zeit dieGrafschaft Weimar. Erst dieLudowinger konnten wieder beträchtliche Teile Thüringens unter ihre Kontrolle bringen. So ließLudwig der Springer im Jahr 1067 dieWartburg errichten. Seine Nachkommen wurden 1131 vom späteren KaiserLothar III. zuLandgrafen von Thüringen erhoben. Unter ihnen erblühte die Region zu einem Zentrum der deutschen Kultur des Hochmittelalters, besonders derSängerkrieg auf der Wartburg und das Wirken der HeiligenElisabeth von Thüringen sind in diesem Zusammenhang erwähnenswert. 1247 starb das Landgrafengeschlecht aus, woraufhin derthüringisch-hessische Erbfolgekrieg begann. Er endete 1264 damit, dass dieWettiner große Teile des Landes erhielten und in ihren Staat integrierten. Es begann eine fast 700 Jahre währende Herrschaft der Wettiner über Thüringen, die erst mit der Abschaffung der Monarchien in Deutschland 1918 endete. ImThüringer Grafenkrieg zwischen 1342 und 1346 versuchten die Grafen vonSchwarzburg,Weimar-Orlamünde undHohnstein sowie dieVögte von Weida die Vormachtstellung der Wettiner wieder zurückzudrängen, was ihnen jedoch nicht gelang.
Im 12. Jahrhundert verstärkte sich der Prozess desLandesausbaus in Thüringen. Es entstanden erste befestigte Städte wie etwa Mühlhausen (1135) oder auch Saalfeld (1180). Gleichzeitig begann die Blütezeit Erfurts. Die Einwohnerzahl erreichte im 14. Jahrhundert etwa 20.000, womit die Stadt zu den größten im Reich zählte. Erfurt war mit etwa 30 Pfarrkirchen und Klöstern fast aller in Mitteleuropa präsenten Orden, zwei mächtigen Mauerringen, einem Dom sowie demPeterskloster ausgestattet. 1331 erhielt die Stadt über 150 Jahre vorLeipzig (1497) das kaiserliche Messeprivileg, 1392 folgte die Gründung der drittenUniversität Deutschlands in der Stadt. Erfurts Blütezeit endete am Beginn des 16. Jahrhunderts, als sich die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen verschlechterten. Der Reichtum der Stadt fußte zum Teil auf dem Handel mitFärberwaid, der nach dem Beginn desKolonialhandels durch das billigereIndigo ersetzt wurde, womit eine entscheidende Einnahmequelle wegbrach. Schwerer wogen allerdings die politischen Ursachen. Durch dieReformation wurden Stadtbevölkerung undStadtrat evangelisch, während der Landesherr, dasErzbistum Mainz, katholisch blieb. Der Erzbischof von Mainz unterdrückte die Stadt Erfurt und den Stadtrat, andererseits lag sie als Exklave mitten im sächsischen Herrschaftsgebiet, was die Wirtschaft Erfurts hemmte, sodass die Stadt von den aufstrebenden HandelsstädtenFrankfurt am Main und Leipzig überholt wurde.
Der Vorläufer des heutigen Thüringens: ernestinisches Sachsen (orange) im Jahre 1519
Martin Luther (nach Lucas Cranach dem Älteren, 1529)
1485 wurden mit derLeipziger Teilung die wettinischen Lande auf die jüngerenAlbertiner im Osten und die älterenErnestiner im Westen verteilt. Diese übernahmen gleichzeitig dieKurwürde der Wettiner. Die Ernestiner herrschten zunächst über große Teile Thüringens, lediglich ein Streifen im zentralen Thüringer Becken entlang der Unstrut gehörte den Albertinern.
Mit derReformation am Beginn des 16. Jahrhunderts rückte Thüringen ins Zentrum der deutschen Politik.Martin Luther studierte zunächst an derUniversität Erfurt und wohnte imAugustinerkloster, bevor er nachWittenberg ging und die Reformation begann. Schließlich wurde er vom sächsischen KurfürstFriedrich dem Weisen auf der Wartburg versteckt, wo er an der Bibelübersetzung ins Deutsche arbeitete. 1525 begann als Folge der Reformation derBauernkrieg, der in den thüringischen Städten Mühlhausen und Frankenhausen zwei seiner Zentren und mitThomas Müntzer einen starken Anführer fand. Später begann in Thüringen derSchmalkaldische Krieg zwischen katholischer Reichsgewalt und protestantischen Fürsten, der 1547 mit derWittenberger Kapitulation und einer Niederlage der Protestanten endete. Deshalb ging die sächsische Kurwürde von den zunehmend an Bedeutung verlierenden Ernestinern an die Albertiner über. Als die fränkischenGefürsteten Grafen von Henneberg 1583 ausstarben, trat ein Erbvertrag in Kraft, der den Ernestinern umfangreiche Besitztümer inFranken, das Gebiet des heutigenSüdthüringen, einbrachte. Mit derErfurter Teilung 1572 begann die fortwährende Zersplitterung des ernestinischen Besitzes in zahlreiche Herzogtümer, die teilweise bis 1918 Bestand hatten. Es bildeten sich 1640 zwei ernestinische Hauptlinien heraus: dasHaus Sachsen-Weimar und dasHaus Sachsen-Gotha. Während Ersteres nur wenige Nebenlinien hatte und als höchsten Vertreter die erste deutsch-preußische KaiserinAugusta von Sachsen-Weimar-Eisenach stellte, hatte das Haus Sachsen-Gotha sehr viele Nebenlinien, die meist über ein eigenes Land herrschten. Außerdem stellt dieses Haus eine Reihe europäischer Könige, so diebritischen Könige (seit 1901), diebelgischen Könige (seit 1831), dieportugiesischen Könige (1837–1910) und diebulgarischen Könige (1887–1946).
In der Folgezeit begann die Phase desHumanismus in Thüringen, in der auch dieUniversität Erfurt eine Blütezeit erlebte. UmUlrich von Hutten und die Reformatoren bildete sich ein Zentrum des deutschen Humanismus. Als humanistischer „Musterstaat“ galt zu dieser ZeitSachsen-Gotha unter der HerrschaftErnst des Frommen. Er führte beispielsweise im Jahr 1642 als erstes Staatsoberhaupt der Welt die allgemeineSchulpflicht für alle Jungen und Mädchen bis zum zwölften Lebensjahr ein.
Ein Zentrum deutscher Kultur im 18. und 19. Jahrhundert
Erst ab etwa 1780 machten die regierende HerzoginAnna Amalia von Sachsen-Weimar und ihr SohnKarl August wieder auf die Region aufmerksam. Sie riefen Dichter wie JohannWolfgang von Goethe an ihren Hof, infolgedessen sich Weimar zum Zentrum desdeutschen Klassizismus entwickelte. Parallel wurde die nahe gelegene StadtJena aufgrund der Strahlkraft ihrer liberalenUniversität zum Zentrum des deutschen Geisteslebens. Nicht zuletzt aufgrund der Kultur- und Universitätspolitik Goethes, wurde die Universität Jena zum Magneten bedeutender Dichter und Philosophen. Zu ihnen gehörenFriedrich Schiller,Johann Gottlieb Fichte undGeorg Wilhelm Friedrich Hegel. Insbesondere Fichte und Hegel machten Jena zum wichtigsten Standort desdeutschen Idealismus.
DasRomantikerhaus Jena im ehemaligen Wohnhaus des PhilosophenJohann Gottlieb Fichte steht mit seiner Verbindung zum deutschen Idealismus und zur Frühromantik repräsentativ für das Thüringer Geistesleben um 1800.
„Das ist doch ein merkwürdiges Land, dieses kleine Thüringen, wo drei entscheidende Epochen im geistigen Leben der deutschen Nation ihren stimmungsvollen Schauplatz gefunden haben. An die Wartburg knüpft die Sage die edelsten Namen deutschen Minnesangs. Hier begann später Luther seine Bibelübersetzung, die Grundlage der modernen deutschen Sprache. Endlich war abermals Thüringen – diesmal Weimar – die Stätte, wo noch mächtigere Geister als die deutschen Minnesänger jene tieftönenden Saiten rühren, die noch heute schwingen. Wo findet man es sonst, daß dreimal der Genius eines großen Volkes dasselbe kleine Land sich zum Hochsitz erkor?“
Zur Napoleonischen Zeit bahnte sich 1806 die entscheidende Schlacht zwischen Franzosen und Preußen in Thüringen an. Am 9. Oktober kam es zum Gefecht beiSchleiz, gefolgt vomGefecht bei Saalfeld am 10. Oktober und der entscheidendenSchlacht bei Jena und Auerstedt am 14. Oktober, die mit einer preußischen Niederlage endete. Es folgte 1808 derErfurter Fürstenkongress zwischen Frankreich und Russland, bei dem auch Goethe aufNapoléon traf und schließlich die Bildung erster Widerstandsgruppen gegen die französische Herrschaft. Impulsgeber war auch hier die Universität Jena. Nach dem Ende der napoleonischen Herrschaft und den Ergebnissen des Wiener Kongresses formierte sich 1815 in Jena dieUrburschenschaft, die 1817 dasWartburgfest veranstaltete und nationale wie liberale Bewegungen in sich vereinte. Auch erste liberale Verfassungen entstanden in dieser Zeit, so 1816 inSachsen-Weimar-Eisenach, 1818 inSachsen-Hildburghausen und 1821 inSachsen-Coburg-Saalfeld. Mit der Durchsetzung derKarlsbader Beschlüsse von 1819 in Thüringen nahm diese frühe Phase der Liberalität ein Ende.
Ehemalige Textilindustrie inGera: Appreturfabrik Carl Louis Hirsch, später VEB Modedruck, Abriss Juli 2021
1833 wurde derZoll- und Handelsverein der Thüringischen Staaten gegründet, der dieIndustrielle Revolution im Land beflügelte. 1842 erreichte die erste Bahnlinie thüringisches Gebiet und 1846 wurde mit derThüringer Bahn die Hauptbahnlinie des Landes eröffnet. Zunächst nahm die ostthüringische Textilindustrie um Gera einen Aufschwung, gefolgt von der überall im Land verstreuten Metallindustrie und der optischen Industrie in Jena, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts in die Weltspitze aufstieg.
DieRevolution von 1848 verlief in Thüringen eher unspektakulär. Zentren fanden sich im verarmtenEichsfeld sowie im rückständigenReuß. An ihrem Ende stand die Abdankung des starrsinnigen HerzogsJoseph von Sachsen-Altenburg sowie die Abdankung des FürstenHeinrich LXXII. vonReuß-Ebersdorf, dessen Land im FürstentumReuß jüngerer Linie (regiert von derSchleizer Linie) aufging. Die Wünsche nach einem vereinten deutschen Staat blieben allerdings auch nach der gescheiterten Revolution präsent und so kam es im Jahr 1850 zur Einberufung desErfurter Unionsparlaments, das die Nationalstaatsidee aufgriff und diskutierte, ohne jedoch zu einem Durchbruch zu gelangen. Auch der HerzogErnst II. vonSachsen-Coburg und Gotha befürwortete die deutsche Einheit, allerdings war er ebenso ein Kritiker preußischerHegemonialpolitik, was dem Volksfeste liebenden Herzog den spöttischen Namen „Schützenkönig“ einbrachte.
DieNovemberrevolution 1918 nach demErsten Weltkrieg hatte ihr thüringisches Zentrum imFreistaat Sachsen-Gotha unter RevolutionsführerWilhelm Bock. In Gotha wurde bereits am 8. April 1917 dieUSPD gegründet. Zunächst dankten die acht Thüringer Monarchen zwischen dem 9. und 25. November 1918 ab. Im Freistaat Sachsen-Gotha bildete sich ein kommunistischer Rat. Sachsen-Gotha geriet bis 1920 in politische Querelen und bürgerkriegsähnliche Zustände. Ein besonderer Vorfall waren hierbei dieMorde von Mechterstädt im Jahr 1920. Wegen der politischen Unruhen in Berlin wurde die neueReichsverfassung von der Nationalversammlung als dieWeimarer Verfassung 1919 in Weimar erarbeitet, inSchwarzburg von ReichspräsidentEbert unterschrieben und dadurch als erste demokratische Verfassung für Gesamtdeutschland in Kraft gesetzt.
Nachdem die Monarchen abgedankt hatten, war der Weg frei zur Gründung eines einheitlichen Staats in Thüringen. Am 1. Mai 1920 wurde daher dasLand Thüringen gegründet. Es umfasste dieThüringischen Staaten, namentlichSachsen-Weimar-Eisenach,Sachsen-Gotha,Sachsen-Meiningen,Sachsen-Altenburg,Schwarzburg-Rudolstadt,Schwarzburg-Sondershausen und denVolksstaat Reuß. DerFreistaat Coburg schloss sich demFreistaat Bayern an. Die Entwicklung des jungen Landes war von politischer und kultureller Zerrissenheit in den 1920er Jahren geprägt. Dadurch erfolgte eine Stärkung der politischen Extremisten von rechts und links. Auch die Gesellschaft war gespalten: Junge Modernisierer, die sich ab 1919 unter anderem amBauhaus in Weimar sammelten, standen alten Traditionalisten gegenüber, die sich nach der Monarchie zurücksehnten. Zu dieser Zeit hatteHitler in vielen deutschen Staaten Redeverbot, nicht so jedoch in Thüringen, weshalb er in den 1920er Jahren immer wieder in Weimar Kundgebungen abhalten konnte.
1923 kam es zur Bildung einer Landesregierung aus SPD und KPD, die zumDeutschen Oktober in Sachsen und Thüringen führte. Die beiden Länder wurden am 29. Oktober (Sachsen) und am 6. November (Thüringen) mit derReichsexekution belegt und dieReichswehr marschierte ein, um die Regierung abzusetzen, was ihr auch gelang. Die SPD reagierte darauf mit einemMisstrauensvotum gegen KanzlerGustav Stresemann im Reichstag, das zu dessen Absetzung führte. Die 1920er Jahre blieben von politischem Stillstand und ständig wechselnden Landesregierungen geprägt. Bereits 1930 etablierte sich mit derBaum-Frick-Regierung eine erste Landesregierung unter Beteiligung der NSDAP in Deutschland.
Ehemaliges KZ Buchenwald
Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurde das Land Thüringen gleichgeschaltet und somit faktisch aufgehoben.Gauleiter Thüringens warFritz Sauckel. Während der Zeit des Nationalsozialismus bestanden neben dem 1933 kurzzeitig betriebenenKZ Nohra drei Konzentrationslager im Land: dasKZ Bad Sulza von 1933 bis 1937, dessen Nachfolger, dasKZ Buchenwald bei Weimar von 1937 bis 1945 und dasKZ Dora-Mittelbau bei Nordhausen von 1943 bis 1945.
DerZweite Weltkrieg richtete in Thüringen vergleichsweise mäßige Schäden an. Die britischenLuftangriffe auf Nordhausen am 3. und 4. April 1945 zerstörten die Stadt fast völlig, wobei etwa 8800 Menschen starben. Schäden durch Bombardements und Artilleriebeschuss entstanden auch in Erfurt, Gera, Jena, Weimar, Eisenach und einigen kleineren Städten und Dörfern.
Die sowjetische Besatzung unterhielt von August 1945 bis 1950 dasSpeziallager Nr. 2 Buchenwald im Bereich des ehemaligen Konzentrationslagers bei Weimar.
Es entstand derKreis Nordhausen, der aus demLandkreis Grafschaft Hohenstein, dem ehemals hannoverschenKreis Ilfeld und dem westlichen Teil des ehemaligen preußischenLandkreises Sangerhausen besteht. Das Gleiche gilt für den neugebildetenKreis Sömmerda, der sich aus dem preußischenLandkreis Weißensee und dem westlichen Teil desLandkreises Eckartsberga mit der StadtKölleda zusammensetzte. Beide Kreise kamen in den Bezirk Erfurt. Auch gab es den neuenKreis Artern, der sich aus südlichen Teilen des preußischen Landkreises Sangerhausen, dem äußersten Nordwesten des Landkreises Eckardsberga und der ehemaligen Unterherrschaft Frankenhausen des Fürstentums Schwarzburg-Rudolstadt zusammensetzte. Dieser Kreis kam zusammen mit dem restlichen Kreis Sangerhausen zumBezirk Halle. Der Rest des Kreises Eckardsberga wurde zwischen den neu gebildeten KreisenNebra undNaumburg aufgeteilt, die ebenso dem Bezirk Halle zugeteilt wurden.
AmVolksaufstand vom 17. Juni 1953 beteiligten sich in Thüringen etwa 24.000 Arbeiter, vor allem in den Industriezentren Erfurt, Jena und Gera. Er wurde unter Einsatz sowjetischer Truppen unter Ausnahmezustand niedergeworfen.[30][31]
Am 19. März 1970 trafen sich erstmals zwei Regierungschefs der beiden deutschen Staaten:Willy Brandt (seit 1969 Bundeskanzler) undWilli Stoph (Vorsitzender des Ministerrates der DDR) tagten beimErfurter Gipfeltreffen im HotelErfurter Hof. Eine große Menschenmenge vor dem Hotel jubelte Brandt zu, nachdem sie die Polizei- und Stasiabsperrungen amBahnhofsvorplatz gestürmt hatte.
Massendemonstration im Januar 1990 auf dem Gelände desGrenzübergangs Duderstadt/Worbis für eine dauerhafte Öffnung der Grenze und demokratische Reformen
Im Herbst 1989 begannen auch inThüringen Massendemonstrationen gegen das SED-Regime, die sich nach und nach auf alle Städte des Landes ausweiteten. In der Nacht vom 9. zum 10. November 1989 wurden schließlich die Grenzübergänge zwischen Thüringen und Bayern, Hessen sowie Niedersachsen geöffnet.
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Mit der deutschen Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 wurde das Land Thüringen wiedergegründet. Er entstand aus den BezirkenErfurt,Gera undSuhl sowie aus Teilen der Bezirke Leipzig (LandkreiseAltenburg undSchmölln) und Halle (Artern). Den Kreis Artern hatte man wie den restlichenBezirk Halle für das neue LandSachsen-Anhalt vorgesehen. In einemVolksentscheid stimmten jedoch 88 % für die Zuordnung zu Thüringen.[32]
Am 10. Januar 1991 entschied der Landtag, welche Stadt die zukünftige Landeshauptstadt Thüringens werden sollte. Beworben hatten sich neben Erfurt auch Gera, Jena, Weimar und Nordhausen. Von 88 Abgeordneten stimmten 49 für Erfurt, gefolgt von Weimar mit 25, Gera mit zehn und Jena mit vier Stimmen. DieVerfassung des Landes wurde am 25. Oktober 1993 auf derWartburg durch den Landtag mit mehr als zwei Drittel seiner Mitglieder verabschiedet. Sie trat am 30. Oktober 1993 vorläufig und nach einem Volksentscheid am 16. Oktober 1994 mit 70 % Zustimmung endgültig in Kraft. Mit dieser Verfassung wurde die BezeichnungFreistaat eingeführt.
Nach derWiedervereinigung räumte von 1991 bis 1992 die8. Gardearmee derWestgruppe der Truppen das von ihr bis dahin besetzte thüringische Territorium. Ihre Truppen waren hier an 143 Standorten mit 51.000 Soldaten (sowie 4.000 Spezialisten anderer Armee-Einheiten), 5.000 Zivilangestellten und 20.000 Familienangehörigen stationiert gewesen.[33]
Der Staatsaufbau Thüringens basiert auf derVerfassung des Freistaats Thüringen von 1993.Laut der Verfassung ist Thüringen ein Land der Bundesrepublik Deutschland. Es ist ein demokratischer, sozialer und dem Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen des Menschen verpflichteter Rechtsstaat (Art. 44). Artikel 45 besagt, dass alleStaatsgewalt vom Volke ausgeht und dass das Volk seinen Willen durchWahlen,Volksbegehren undVolksentscheid verwirklicht.
Sitzverteilung im Thüringer Landtag seit dem 26. September 2024
DieLegislative ist der Thüringer Landtag, der alle fünf Jahre nach dem personalisiertenVerhältniswahlrecht neu gewählt wird. Während der achten Legislaturperiode des Thüringer Landtages besteht dieser aus 88 Abgeordneten und wurde auf Grundlage des Ergebnisses der Landtagswahl vom1. September 2024 gebildet. Stärkste Partei ist dieAfD mit 32 Sitzen, gefolgt von derCDU mit 23 Sitzen und demBSW mit 15 Sitzen. Zudem sind dieDie Linke mit 12 Sitzen und dieSPD mit 6 Sitzen vertreten.[34]
Es besteht die Möglichkeit der aktiven Teilnahme an der Legislative des Volkes durchVolksentscheid.
Ergebnisse der Landtagswahlen im Freistaat Thüringen (Angaben in Prozent)
DieExekutive wird von der Thüringischen Landesregierung geführt, die aus demThüringer Ministerpräsidenten und den Ministern besteht. Der Ministerpräsident wird vom Landtag mit der Mehrheit seiner Mitglieder ohne Aussprache ingeheimer Abstimmung für die gesamteLegislaturperiode gewählt. Der Ministerpräsident ernennt und entlässt die Minister. Er bestimmt außerdem einen Minister zu seinem Stellvertreter. Der Landtag kann den Ministerpräsidenten nur durch einkonstruktives Misstrauensvotum absetzen.
Weitere Exekutivorgane sind dieThüringer Polizei, bei der 6000 Beamte im Einsatz sind, sowie derVerfassungsschutz, der durch zahlreiche Affären – insbesondere im Bereich Rechtsextremismus undNSU – bundesweite mediale Aufmerksamkeit erlangte.
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Thüringen gilt als eher konservatives Land, besonders in den ländlichen Räumen, und wurde auf landespolitischer Ebene bis zum Regierungswechsel 2014 von der CDU dominiert. Danach wurde die ersterot-rot-grüne Koalition auf Landesebene gebildet und mit Bodo Ramelow erstmals ein Politiker der Linken zum Ministerpräsidenten gewählt. Die Parteibindungen sind, wie in ganz Ostdeutschland, nicht so stark ausgeprägt, sodass bei Bundestagswahlen die CDU 1990, 1994, 2009 (nur knapp vor der Linkspartei), 2013 sowie 2017 und die SPD 1998, 2002 sowie 2005 die meisten Stimmen erhielt.
Die DDR-Zeit und die Umbrüche nach der Wiedervereinigung hallen im Land politisch noch nach, etwa in der Wahrnehmung eines Teils der Bevölkerung „abgehängt“ zu sein bzw. kein ausreichendes politisches Gehör zu finden. Verstärkt wird dieser Eindruck durch manifeste Probleme in vielen ländlichen Räumen, von der Überalterung und Abwanderung der Bevölkerung über die Ausdünnung von Infrastrukturen bis hin zu Leerstand und Verfall der Immobilienpreise. DerThüringen-Monitor derFriedrich-Schiller-Universität Jena untersucht mit jährlichen Befragungen seit 2000 das gesellschaftspolitische Klima im Land und Einstellungen der Bevölkerung zu Wertefragen. Schon beginnend vor der Wiedervereinigung gibt es im Land eine kleine, lautstark auftretenderechtsextreme Szene, die etwa in der Terrorzelle desNSU auch gewalttätig in Erscheinung getreten ist. Seit 2013 ist ein Erstarken des Rechtspopulismus im Land zu erkennen, der sich auch im Einzug derAlternative für Deutschland in den Landtag 2014 und im Bundestagswahlergebnis von 22,7 % für die AfD 2017 manifestierte. Deren LandesvorsitzenderBjörn Höcke gilt als Kopf des sogenanntenFlügels, der rechten Strömung seiner Partei.
Gemäß demThüringer Gesetz über die Feststellung des Landeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2024 (Thüringer Haushaltsgesetz 2024 – ThürHhG 2024 –) ist imHaushaltsplan für dasHaushaltsjahr 2024 ein Volumen von 13.543.780.600 Euroveranschlagt.[35]
Der Schuldenstand belief sich Ende 2017 auf rund 15,8 Milliarden Euro oder 7372 Euro pro Einwohner,[36] damit liegt Thüringen im Bundesvergleich im Mittelfeld. Zukunftsrisiken für den Landeshaushalt ergeben sich aus dem Auslaufen desSolidarpaktes im Jahr 2019 sowie aus rückläufigen Zahlungen derEU-Strukturfonds aufgrund der vergleichsweise guten wirtschaftlichen Entwicklung nach 2005. Die sich hieraus ergebende Finanzierungslücke ist noch nicht geschlossen; ferner ist das Land auf absehbare Zeit nicht in der Lage, seine Ausgaben vollständig durch reguläre eigene Einnahmen abzudecken und bleibt damit auf finanzielle Hilfen von außerhalb angewiesen. Wie alle anderen neuen Bundesländer ist Thüringen seit 1990 durchgängig Nehmerland imLänderfinanzausgleich und erhält hieraus jährlich etwa 500 Millionen Euro.
Viele Kommunen in Thüringen sind überschuldet. Zwar sind die nominellen Schuldenstände nicht so hoch wie in vielen westdeutschen Kommunen, andererseits sind jedoch auch die Steuereinnahmen und damit die Schuldentragfähigkeit deutlich geringer. Während die beiden Großstädte im Land ihre Verschuldung im Griff haben, machten seit 2010 beispielsweiseGera,Eisenach und derUnstrut-Hainich-Kreis (wo ein Zwangsverwalter des Landes bestellt wurde) Schlagzeilen angesichts ihrer schlechten fiskalischen Situation. Besonders viele Gemeinden und Gemeindeverbände im ländlichen Raum verfügen kaum über Steuereinnahmen, weshalb hier schon vergleichsweise geringe Schuldenstände eine hohe Belastung darstellen, insbesondere in den LandkreisenNordhausen,Kyffhäuserkreis, Unstrut-Hainich-Kreis undSömmerda im Norden Thüringens. Im Südwesten befinden sich mit demWartburgkreis und demLandkreis Schmalkalden-Meiningen hingegen schuldenfreie Landkreise sowie einige schuldenfreie Gemeinden bzw. Gemeindeverbände, etwaSchleusingen,Floh-Seligenthal undUnterbreizbach.
In Thüringen gab es wegen seiner zentralen Lage weit entfernt von der Küste sowie der deutschen West- und Ostgrenze bereits seit dem 19. Jahrhundert nur eine unterdurchschnittliche Anzahl von Militärstützpunkten, wenngleich zumindest die Landeshauptstädte über Kasernen verfügten. Einzige bedeutende Garnisonsstadt war jedoch das zu Preußen gehörendeErfurt, das bis 1873 eineFestungsstadt war und auch im 20. Jahrhundert eine hohe Anzahl von Kasernen und Militärangehörigen aufwies.
Weimar entwickelte sich mit dem Aufstieg der Nationalsozialisten zu einem bedeutendenMilitärstandort. In Weimar wurde die1. Panzerdivision aufgestellt (Stabsgebäude Jenaer Straße 2, heute Verwaltungsgericht Weimar). Auch derFlugplatz Weimar-Nohra gewann an Bedeutung. Im Südosten von Nordhausen entstand 1935/36 ein Flugplatz mit angeschlossenerKaserne; im Wesentlichen diente derFliegerhorst Ausbildungszwecken.
Seit Januar 2013 befindet sich mit demLogistikkommando der Bundeswehr ein Kommando auf Divisionsebene in Erfurt. DasLogKdo ist dabei für die Führung und Steuerung sämtlicher logistischer Kräfte der Streitkräfte zuständig.
Das derzeitige Landeswappen des Freistaats Thüringen wurde zunächst in einemeinfachen Parlamentsgesetz geregelt, das am 30. Januar 1991 vom Landtag beschlossen wurde und gemäß seinem Paragraphen 3 rückwirkend zum 3. Oktober 1990 in Kraft getreten ist.[39] Später wurde ein Satz dieses Gesetzes wörtlich in dieThüringer Verfassung übernommen.[40] Mit dem Gesetz vom 30. Januar wurde im Übrigen auch die Landesregierung ermächtigt, Näheres in einer Rechtsverordnung zu regeln,[41] und von dieser Verordnungsermächtigung wurde am 11. April 1991 Gebrauch gemacht.[42] Hier ist unter anderem geregelt, wer zum Führen des Landeswappens, des Landessiegels, des Dienstsiegels und des Amtsschildes berechtigt ist.
Das Thüringer Landeswappen zeigt im lasurblauen Schild den viermal gleich breit rot-silbern gestreiften,golden bewehrten und gekrönten »Bunten Löwen« derLudowinger, umgeben von acht silbernen Sternen.
Als älteste farbige Darstellung des „Thüringer Urwappens“ blieb der Wappenschild des LandgrafenKonrad von Thüringen aus dem 13. Jahrhundert erhalten. Der Erbfolgekrieg 1264/65 entließ Hessen politisch selbstständig, das seitdem den »Bunten Löwen« (umgekehrt gestreift: silber-rot) im Wappen führt. Als sich am 1. Mai 1920 das Land Thüringen aus den sieben republikanischen thüringischen Kleinstaaten zusammenschloss, wurden in Anlehnung an das föderaleSternenbanner der USA sieben silberne Sterne auf revolutionär-republikanisch rotem Grund zum Staatswappen gewählt. Die Nationalsozialisten verpassten Thüringen ein archaischeres, beadlertes Wappen. Mit der Neugründung des Landes Thüringen wurde 1991 das jetzige Thüringer Wappen aus den historischen Grundlagen abgeleitet. Der achte Stern steht für die zusätzlich zum Freistaat Thüringen gehörigen, ehemals Preußen angegliederten Gebietsteile Erfurt, Mühlhausen, Nordhausen, Schmalkalden und Suhl.
Das Land Thüringen ist auf zwei Ebenen gegliedert. Auf der ersten Ebene stehen seit der Kommunalreform vom 1. Juli 1994 die 17Landkreise und die seit 1. Juli 2021 fünfkreisfreien Städte und auf der zweiten Ebene die605 Gemeinden des Landes (seit 1. Januar 2024). Dazwischen gibt es teilweiseVerwaltungsgemeinschaften (Zusammenschluss mehrerer kleiner Gemeinden zu einem Verbund, der die Verwaltung übernimmt) underfüllende Gemeinden (eine kleine Gemeinde beauftragt eine größere Nachbargemeinde mit ihrer Verwaltung). Des Weiteren nehmen sechs kreisangehörige Städte einenSonderstatus ein.Regierungsbezirke gibt es in Thüringen nicht.
Die Anzahl und der Zuschnitt der Landkreise und kreisfreien Städte waren seit der Einführung dieser Verwaltungsebene in Preußen 1815 stetigen Veränderungen unterworfen. Diese werden im ArtikelGeschichte der Verwaltungsgliederung Thüringens dargestellt.
Nach der Wiedervereinigung verloren zunächst alle Städte Thüringens rasch an Einwohnern. Seit der Jahrtausendwende begann sich diese Entwicklung auszudifferenzieren, was sich in den Jahren danach noch verstärkte. So konnten die drei Städte Erfurt, Weimar und Jena seit 2000 kontinuierlich wachsen und damit den Trend der Schrumpfung umkehren. In einer Gruppe weiterer Städte ebbte die Schrumpfung weitgehend ab und es ist dort ab 2011 eine Stabilisierung mit teilweise leichtem Wachstum zu sehen, etwa in Gotha, Eisenach, Arnstadt, Meiningen und Apolda. Einige andere Städte setzten hingegen die leichte Schrumpfung im gleichen Tempo fort, beispielsweise Saalfeld oder Sondershausen, während sich in wenigen Städten wie etwa in Greiz oder Altenburg das Tempo des Bevölkerungsrückgangs noch verstärkte. Es zeigt sich, dass insbesondere Städte mit großen Bildungs- und Forschungseinrichtungen demografisch profitieren, in geringerem Maße gilt dies auch für Städte mit einem ausgeprägten, exportorientierten produzierenden Gewerbe wie Eisenach oder Arnstadt. Die anderen Städte sind nach wie vor von einem gewissen Grad an Abwanderung betroffen (räumliche Bevölkerungsbewegung), wenngleich das Fehlen von Geburten und die damit einhergehende Überalterung dort langfristig zum gravierenderen Problem werden wird (natürliche Bevölkerungsbewegung). Während derFlüchtlingskrise 2015/2016 und ab demKrieg in der Ukraine 2022 gab es in einigen Städten große Schwankungen der Einwohnerzahl. Auf der Basis desZensus 2011 konnten bis 2020 lediglich acht Städte ein Bevölkerungswachstum verzeichnen (Eingemeindungen rausgerechnet).
Bei einer 2015 vom Thüringer Landesamt für Statistik (TLS) veröffentlichten Prognose für die Bevölkerungsentwicklung von 2015–2035 können lediglich fünf der 33 Städte mit mehr als 10.000 Einwohnern mit einem Wachstum rechnen. Diese Städte sindErfurt (+9,5 %),Jena (+3,5 %),Eisenach (+0,3 %),Meiningen (+1,4 %) undEisenberg (+2,6 %), relativ stabil bleiben auch die Einwohnerzahlen vonGotha (−0,1 %),Arnstadt (−1,0 %) undWeimar (−3,8 %).[44]
Einwohner derMittel- undGroßstädte mit mehr als 20.000 Einwohnern im Freistaat Thüringen (jeweiliger Gebietsstand)
Stadt
Landkreis
31. Dezember 1994
31. Dezember 2000
31. Dezember 2011 Berechnungsgrundlage auf Basis des Zensus 2011
31. Dezember 2024 Berechnungsgrundlage auf Basis des Zensus 2022
Leinefelde-Worbis wurde 2004 aus zwei Städten und zwei Gemeinden gebildet. Für die Jahre 1994 und 2000 wurden die Einwohnerzahlen der vier Orte zur Übersicht summiert.
Am 1. Juli 1994 wurden die seit 1952 bestehenden 35 Landkreise Thüringens im Zuge derKreisreform auf 17 reduziert. Bis zum selben Tag wurden die kreisfreien Städte durch Eingliederung umliegender Gemeinden vergrößert. Eisenach wurde erst 1998 aus dem Wartburgkreis ausgegliedert und erneut zur kreisfreien Stadt erhoben.
Seit der Umsetzung derKreisgebietsreform in Mecklenburg-Vorpommern im Jahr 2011 ist Thüringen das ostdeutsche Land mit der kleinteiligsten Kreisgliederung. Schon vor derLandtagswahl im Jahr 2009 sprachen sich Linke, SPD und Grüne für eine erneute Kreisreform aus, während die CDU dem Vorhaben ablehnend gegenüberstand. Nach dem Regierungswechsel 2014 brachte die rot-rot-grüne Landesregierung das Thema wieder auf die Tagesordnung, wobei die Umsetzung aufgrund des heftigen Widerstands der betroffenen Kommunen scheiterte und die Regierung das Projekt im Dezember 2017 aufgab.
Einzige Gebietsänderung auf Kreisebene, die umgesetzt wurde, ist die freiwillige Eingliederung der kreisfreien StadtEisenach in den Wartburgkreis am 1. Juli 2021.[45]
Symbol für ostdeutsches Unternehmertum –Jentower in JenaGewürzwerkSchönbrunn in Südthüringen
Historisch betrachtet hat sich die Verteilung zwischen wohlhabenden und ärmeren Gebieten in Thüringen seit 1945 grundlegend verändert. Vor dem Zweiten Weltkrieg waren die ärmsten Gegenden im Thüringer Wald, Thüringer Schiefergebirge und auch in den ländlichen Räumen Südthüringens zu finden. Zu den entwickeltsten Gebieten zählten das industrialisierte Ostthüringen um Gera sowie die an Sachsen grenzenden Gebiete, welche von den Städten Zwickau, Leipzig und Chemnitz profitierten. Auch Städte, in denen sich der öffentliche Dienst konzentrierte wie etwa Meiningen oder Weimar, waren relativ wohlhabend. Heute sind die wirtschaftskräftigsten Regionen hingegen entlang derThüringer Städtekette von Eisenach bis ans Hermsdorfer Kreuz zu finden, besonders der Raum Erfurt-Weimar-Jena weist ein hohes Wirtschaftswachstum auf. Die positive wirtschaftliche Entwicklung speziell dieser Region begann bereits im 19. Jahrhundert, damals noch inklusive der Stadt Gera. Auch das Eichsfeld, die Städte Nordhausen und Eisenach sowie die südwestthüringischen Landkreise weisen heute eine vergleichsweise günstige wirtschaftliche Struktur auf, Nordhausen und Eisenach sind dabei zwei weitere Städte mit weit zurückreichenden industriellen Wurzeln. Entwicklungsprobleme zeigen sich hingegen noch im nördlichen Thüringer Becken (Kyffhäuserkreis, Unstrut-Hainich-Kreis sowie Teile der Landkreise Nordhausen und Sömmerda) sowie entgegen der historischen „Normalität“ in Ostthüringen (Stadt Gera, Altenburger Land und Teile des Landkreises Greiz).
Diesoziale Marktwirtschaft hat mit der Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion und dem Beitritt zur Bundesrepublik 1990 die sozialistischeZentralverwaltungswirtschaft in Thüringen abgelöst. Dieser tief greifende Umstrukturierungsprozess löste in verschiedenen Branchen Krisen aus und führte zu hohen Arbeitslosenquoten. Zwei Drittel der alten Arbeitsplätze Thüringens fielen zwischen 1989 und 1995 der wirtschaftlichen Wende zum Opfer. Inzwischen haben einige Branchen wie der wissenschaftliche Gerätebau, die Mikroelektronik und die Medizintechnik Zuwächse erzielt.
2016 betrug die Wirtschaftsleistung im Bundesland Thüringen gemessen amBruttoinlandsprodukts (BIP) knapp 61 Milliarden Euro, was 1,9 Prozent Anteil des gesamtdeutschen BIP bzw. rund 58.000 Euro pro Erwerbstätigem entspricht. Im Vergleich mit dem BIP derEU, ausgedrückt inKaufkraftstandards, erreichte Thüringen 2015 einen Wert von 88 Prozent (EU-28: 100, Deutschland: 124).[46]
Im Jahr 2015 lebten in Thüringen 126Einkommensmillionäre. Dabei wohnten in Erfurt, Jena und dem Landkreis Saalfeld-Rudolstadt die meisten Einkommensmillionäre.[47] Thüringen hatte 2019 im Vergleich der Bundesländer die drittniedrigsteReichtumsquote mit 3,7 % (Bundesdurchschnitt 7,9 %).[48]
Ein Erbe der Transformationskrise sind leerstehende industrielle Liegenschaften, hierPößneck 2006
Seit dem Tiefpunkt der Transformationskrise nach der Wiedervereinigung (Höhepunkt der Arbeitslosigkeit war mit 17,1 Prozent das Jahr 2005) befindet sich die Wirtschaft Thüringens im Aufschwung und die Arbeitslosigkeit sank allmählich bis auf 5,3 Prozent im Jahr 2019 und unterliegt seitdem leichten Schwankungen. In Bezug auf die Arbeitslosenquote bestehen große Unterschiede innerhalb des Landes. Die geringste Quote verzeichnete lange Zeit derLandkreis Sonneberg im Süden Thüringens, gefolgt vom benachbartenKreis Hildburghausen (3,2 % im Juni 2019). Die höchsten Quoten erreichen bei der Zahl der Arbeitslosen seit vielen Jahren derUnstrut-Hainich-Kreis undKyffhäuserkreis im nördlichen Thüringer Becken sowie die StadtGera und dasAltenburger Land in Ostthüringen (im Juni 2019 lagen die Quoten in den genannten Gebieten zwischen 6,6 % und 8 %). Volkswirtschaftler erwarten langfristig keine signifikante Erhöhung der Quoten und begründen dies mit demdemografischen Wandel.
Auf der anderen Seite lag der durchschnittliche Stundenlohn mit 13,83 Euro im Jahr 2014 deutlich unter dem Bundesdurchschnitt von 16,97 Euro.[49] Die vergleichsweise niedrigen Löhne veranlassen gut ausgebildete junge Menschen zurAbwanderung Richtung Westen. DasArbeitskräftepotential Thüringens ist deshalb stark rückläufig. Nach Ergebnissen desZensus 2011 scheiden bis 2026 etwa 502.000 Personen im Land altersbedingt aus dem Arbeitsmarkt aus (Altersgruppe der damals 50- bis 64-Jährigen), während nur rund 236.000 nachrücken (Altersgruppe der damals 3- bis 18-Jährigen), wodurch – lässt man Wanderungseffekte außen vor – eine Lücke von rund 266.000 Erwerbsfähigen entsteht, die die Zahl der Arbeitslosen um ein Vielfaches übersteigt.[50] So stellt die Gewinnung von Zuwanderern im Wettbewerb mit anderen Regionen in den kommenden Jahren eine große Herausforderung für die Thüringer Wirtschaft dar, wobei fortgesetzte Abwanderung das Problem weiter verschärft.
Schon im Mittelalter wurde mitFärberwaid ein europaweit bedeutendes Handelsgut in Thüringen angebaut und exportiert. Dies verhalf Städten wie Erfurt zu großem Reichtum. Anfang des 20. Jahrhunderts entstanden in Thüringen Industrieunternehmen, die hauptsächlich für den Export produzierten. Dazu gehörten beispielsweise die optische Industrie Jenas, die technische Glasproduktion, Glas und Porzellan für Haushalte (z. B.Christbaumschmuck ausLauscha), aber auch die Spielzeugindustrie des Thüringer Waldes, deren Produkte in den 1920er Jahren vonWoolworth aus Sonneberg in dieVereinigten Staaten exportiert wurden. Nach dem Zweiten Weltkrieg fand der Handel vor allem mit den Staaten desRats für gegenseitige Wirtschaftshilfe statt.
Der Zusammenbruch dieses Markts 1990 trug maßgeblich zum Zusammenbruch der gesamten Industrie nach der Wiedervereinigung bei. So erreichten die Exporte 1992 mit umgerechnet 1,2 Milliarden Euro einen Tiefpunkt. Es folgte ein Anstieg auf 4,5 Milliarden im Jahr 2000, 10,8 Milliarden 2010 und 13,5 Milliarden 2015. Die wichtigsten Exportpartner waren 2015Ungarn, dieUSA undFrankreich. Etwa zwei Drittel des Exportes gehen in dieEuropäische Union. Die Importe stiegen von 0,6 Milliarden Euro im Jahr 1991 über 3,8 Milliarden 2000 und 6,8 Milliarden 2010 auf 9,3 Milliarden im Jahr 2015. Bei den Importen stehtChina seit 2004 an erster Stelle, gefolgt vomVereinigten Königreich undItalien.[53]
Die Landwirtschaft in Thüringen ist durch Großbetriebe geprägt, die ihre Wurzeln in den zu DDR-Zeiten gegründetenLPGs haben. Dadurch sind die Feldstücke recht groß und effizient zu bewirtschaften. Auch die Fleischproduktion wird von Großbetrieben dominiert. Viele Gegenden sind sehr fruchtbar, so dasThüringer Becken in der nördlichen Landesmitte, dasGrabfeld im Süden sowieOrlasenke undAltenburger Land im Osten. Damit einhergehende Probleme in diesen Gegenden sind die ökologische Artenarmut der großflächig „aufgeräumten“ Fluren sowie die hoheNitratbelastung der Gewässer. Weidewirtschaft dominiert in den höheren Lagen und Gegenden mit geringer Bodengüte, etwa in den Hügellandschaften zwischen den Becken und den Gebirgen.
Seit 2020 gilt die Lukas-Stiftung des Aldi-Erben Theo Albrecht junior als größter Landbesitzer in Thüringen. Mit dem Kauf der Adib GmbH, übernahm die private Stiftung gleich mehrere Agrargesellschaften. Schätzungen zufolge bewirtschaften die Gesellschaften in Summe etwa 6000 Hektar Land, teils in Eigentum, teils in Pacht. Weitere 3000 Hektar hatte die Stiftung schon in der Vergangenheit übernommen. Zu den Verkäufern zählt der ehemalige thüringische Bauernpräsident Klaus Kliem.[54]
Im Thüringer Becken wird vor allem Ackerbau betrieben
Pflanzenproduktion
Insgesamt arbeiteten 2016 22.700 Menschen in der Landwirtschaft mit seit Jahrzehnten rückläufiger Tendenz. Die Landwirtschaftsfläche lag 2016 bei 7790 Quadratkilometern, das entspricht 48,2 % der Landesfläche, dabei lag der Anteil des Biolandbaus bei 4,7 %. Der Anteil an der Landwirtschaftsfläche der Bundesrepublik Deutschland lag damit bei etwa fünf Prozent. Angebaut werden vor allemSilomais,Winterweizen,Wintergerste,Zuckerrüben undWinterraps. Die Hauptanbaufläche verteilt sich auf die vier LandkreiseKyffhäuserkreis,Unstrut-Hainich-Kreis,Sömmerda undWartburgkreis. Hauptobstanbaugebiete mit Dauerkulturen sind der Landkreis Gotha (Fahnersche Höhen), der Kyffhäuserkreis und der Landkreis Sömmerda. Beim Gemüse dominiert der Anbau vonWeißkohl,Blumenkohl,Zwiebeln,Tomaten,Gurken,Bohnen undSpargel. Zentrum desWeinbaus in Thüringen ist die StadtBad Sulza, die zum WeinbaugebietSaale-Unstrut gehört. Die Weinberge befinden sich an den sonnigen Kalk-Trockenhängen vonIlm- undSaale-Tal an der Grenze zu Sachsen-Anhalt zwischen Weimar, Jena und Naumburg.
Tierproduktion
2016 wurden 1.574.000Legehennen, 740.000Schweine, 330.000Rinder und 120.000Schafe gezählt. Während der Bestand an Hennen, Schweinen und Rindern nur minimal rückläufig ist, fiel die Zahl der Schafe von 220.000 im Jahr 2005 auf nur noch gut die Hälfte ein Jahrzehnt später. Zentrum der Fleischproduktion ist Ostthüringen.
Forstwirtschaft
Die 515.262 Hektar Waldfläche in Thüringen (2009) teilen sich vor allem in die EigentumsformenPrivatwald,Staatsforst undKommunalwald auf. AuchKirchenwald ist vorhanden. Privatwaldbesitzer haben sich häufig zu forstlichen Betriebsgemeinschaften zusammengetan. Als besondere Eigentumsform treten in denPlenterwäldern im Naturraum Hainich-Dün-Hainleite Laubgenossenschaften auf. Die Beförsterung erfolgt derzeit durch die 24Forstämter der Landesforstverwaltung, die in der Landesforstanstalt „ThüringenForst“, einerAnstalt des öffentlichen Rechts (AöR), organisiert sind[55].
In Thüringen wurde schon seit dem Mittelalter Bergbau betrieben, besonders in den Gebirgen wie dem Thüringer Wald, dem Harz und dem Thüringer Schiefergebirge. MitSchmalkalden,Suhl oderIlmenau gab es bedeutende Bergbaustädte im Thüringer Wald. Abgebaut wurden verschiedene Erze wie Eisen, Mangan, Kupfer und Silber. Im Thüringer Schiefergebirge wurden auch Goldvorkommen abgebaut, worauf Ortsnamen wieGoldisthal oderReichmannsdorf hinweisen. Bedeutendste dieser Bergbaustätten war die Region Schmalkalden mit ihrer Eisenindustrie, die erst mit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert zugrunde ging. Zur selben Zeit entstand dieMaxhütte Unterwellenborn bei Saalfeld, die ebenfalls mit regionalen Eisenvorkommen versorgt wurde. Sie besteht bis heute alsStahlwerk Thüringen fort.
Im 20. Jahrhundert entwickelte sich derKali-Bergbau zum bedeutendsten Bergbauzweig. Dabei verfügt Thüringen über zwei Reviere: zum einen das noch heute genutzte Werra-Revier zwischenBad Salzungen undBad Hersfeld, zum anderen das nach 1990 stillgelegte nordthüringische Revier mit den FörderstättenRoßleben,Sondershausen,Bleicherode undBischofferode. Zur Zeit desKalten Kriegs wurde zudem beiRonneburg ein Großteil des von der Sowjetunion benötigtenUrans abgebaut. Damit einher gingen massive Umweltzerstörungen sowie zahlreiche Erkrankungen der Bergleute, die mit dem krebserregenden Material in Berührung kamen.
Im 19. Jahrhundert begann imMeuselwitzer Revier im Osten Thüringens derBraunkohletagebau, der neben der Energiegewinnung auch denLeunawerken als Grundstoff der chemischen Industrie diente. Die Braunkohle-Lagerstätten wurden gegen Ende des 20. Jahrhunderts erschöpft. Im Thüringer Wald bestanden auch vereinzelte Steinkohlevorkommen, deren Abbau jedoch mit der Industrialisierung nicht mehr lohnte. Länger wurde Steinkohle noch imStockheimer Revier beiSonneberg an der Grenze zu Bayern abgebaut. Bedeutsam ist auch der noch heute betriebene Schieferabbau im Thüringer Schiefergebirge. Dessen Zentrum ist die StadtLehesten mit den größten Schiefersteinbrüchen des Landes. InGehren im Thüringer Wald befindet sich ein Bergwerk zum Abbau vonSchwerspat.
Charakteristisch für die Thüringer Industrie sind kleine Betriebsgrößen und eine breite Streuung in der Fläche, besonders im Westen und Süden des Landes. Hauptprodukte stammen aus der Metall-, Kunststoff- und Holzverarbeitung, während viele traditionelle Industriezweige wie die Glas-, Porzellan-, Spielzeug- und Textilindustrie zu großen Teilen dem Strukturwandel des 20. Jahrhunderts zum Opfer fielen. Zentren der Industrie befinden sich in den Regionen Eisenach (Fahrzeugbau) und Jena (Optik), zudem betreibt Daimler ein großes Motorenwerk inKölleda. Weitere große Industriebetriebe haben sich im Bereich um dasErfurter Kreuz, teilweise auch in der Stadt selbst, angesiedelt. Die Lebensmittelindustrie spielt in einigen Regionen ebenfalls eine wichtige Rolle und steht landesweit an zweiter Stelle hinter der Automobilindustrie.
Insgesamt arbeiten rund 171.000 Menschen (2016) in der Thüringer Industrie in Betrieben mit mehr als 20 Beschäftigten und erwirtschaften dabei einen Jahresumsatz von 34 Milliarden Euro (2016). Im Jahr 2010 waren es 157.000 Menschen und 29 Milliarden Umsatz. Städte mit den meisten Industriearbeitsplätzen waren 2016 Jena (7985), Eisenach (6606), Erfurt (6208), Nordhausen (4653), Arnstadt (3767), Gotha (3705) und Gera (3568).[56]
Zu DDR-Zeiten waren dasKombinat Mikroelektronik Erfurt mit 56.000 Mitarbeitern (1990) und dasKombinat Carl Zeiss Jena mit 54.000 Mitarbeitern (1990) die größten Arbeitgeber Thüringens. 1990 gab es weitere 22Kombinate mit je 2000 bis 30.000 Beschäftigten, die ihren Sitz im heutigen Land Thüringen hatten, wie dasWeimar-Kombinat.
Der Dienstleistungssektor ist der größte Wirtschaftsbereich in Thüringen. Er ist gekennzeichnet durch niedrige Löhne, wobei zahlreiche Arbeitnehmer von der Einführung desMindestlohns 2015 profitieren konnten. Unterdurchschnittlich vertreten sind hochwertige Industrie- und Wirtschaftsdienstleistungen, da es im Land weder Konzernzentralen noch Metropolen gibt. Stärker repräsentiert ist dagegen die Logistikbranche, die von den niedrigen Löhnen und der zentralen Lage in Deutschland und Europa profitiert. So entstanden, auch durch den boomenden Onlinehandel, seit 2000 zahlreiche Logistikzentren, insbesondere amErfurter Ring und entlang derBundesautobahn 4. Das Handwerk und das Baugewerbe profitieren ebenfalls von der zentralen Lage sowie der regen Bautätigkeit in den Nachbarländern Hessen und Bayern, wo viele Aufträge in diesen Bereichen von Thüringer Firmen ausgeführt werden.
Der Einzelhandel hat sein wichtigstes Zentrum in Erfurt, das bei der Einzelhandelsfläche pro Einwohner einen der Spitzenplätze in Deutschland einnimmt. Die Konzentration auf wenige große Zentren hat dabei seit 2000 deutlich zugenommen, sodass kleine und mittlere Städte mit teils erheblichem Leerstand in diesem Bereich zu kämpfen haben.
Der Tourismus ist ein weiterer wichtiger Wirtschaftszweig, der die drei Bereiche Städtetourismus, Landschaftstourismus und Gesundheitstourismus (teils in Überschneidung) umfasst. Der Städtetourismus mit den Zentren Erfurt, Weimar und Eisenach erlebt ein dynamisches Wachstum, demgegenüber befindet sich der Landschaftstourismus entlang desRennsteigs im Thüringer Wald und Schiefergebirge in einem andauernden Modernisierungsprozess um Attraktivität und Weiterentwicklung der Angebote im Konkurrenzkampf mit benachbarten Ferienregionen der Mittelgebirge. Insgesamt wurden 2016 rund 9,2 Millionen Übernachtungen gebucht, gegenüber 8,3 Millionen zehn Jahre zuvor. Rund 6 % der Buchungen entfielen auf Auslandsgäste.[57]
Das Schulsystem Thüringens wurde ab 1990 nach den Vorbildern Bayerns und Baden-Württembergs neu strukturiert; umfassende Systemreformen gab es seitdem nicht mehr. Nach der vierjährigenGrundschule folgen als weiterführende Schulen die sowohl zumHaupt- als auch zumRealschulabschluss führendeRegelschule oder das Gymnasium, an demnach acht Jahren dasAbitur abgelegt werden kann. Nach demAmoklauf von Erfurt wurde an den ThüringerGymnasien am Ende der Klasse 10 dieBesondere Leistungsfeststellung eingeführt, eine Prüfung inDeutsch,Mathematik,Englisch und einerNaturwissenschaft, die allen bestehenden Schülern einenRealschulabschluss (mittlere Reife) einbringt. Einerseits erreichen Thüringer Schüler in bundesweiten Vergleichsstudien oftmals vordere Plätze, andererseits liegt der Anteil der Schulabbrecher ebenfalls deutlich über dem Bundesdurchschnitt.
Die Schülerzahlen in Thüringen waren zwischen 1998 und 2006 stark rückläufig (an allgemeinbildenden Schulen von ca. 330.000 auf ca. 190.000) und sind seitdem stabil. Neben 800 staatlichen Schulen gab es 2016 auch rund 100 Schulen in freier Trägerschaft. Im Bereich der Berufsschulen fand der Umbruch zwischen 2006 und 2013 statt, hier ging die Schülerzahl von 90.000 auf 50.000 zurück. Damit verbunden waren zahlreiche Schulschließungen, besonders im ländlichen Raum und unter Protest der betroffenen Familien und Kommunen.
Die Studentenzahlen in Thüringen stiegen in den 1990er-Jahren stark an und erreichten 2011 mit 54.000 einen Höhepunkt. Seitdem gingen sie wieder leicht zurück und liegen um 50.000, die sich auf die Standorte Jena (ca. 22.000), Erfurt (ca. 10.000), Ilmenau (ca. 6000) und Weimar (ca. 5000) sowie die kleineren Hochschulen in Schmalkalden, Nordhausen, Gera, Eisenach, Gotha und Meiningen verteilen. Im Jahr 2016 hatten nur noch 35 % der Studenten auch ihr Abitur in Thüringen erlangt, während es zehn Jahre zuvor noch 58 % waren. 12 % der Studenten kamen 2016 aus dem Ausland, 8,5 % aus Bayern, 7,4 % aus Sachsen und 6,0 % aus Nordrhein-Westfalen. Die größte Hochschule in Thüringen ist mittlerweile die private IU Internationale Hochschule mit etwa 75.000 Studierenden.
Aufgrund seiner zentralen Lage im wiedervereinigten Deutschland und des Nachholbedarfs infolge der DDR-Zeit wurden in Thüringen seit 1990 erhebliche Anstrengungen zum Ausbau der Infrastruktur unternommen.
BAB 4 und Thüringer Stammbahn, Hauptverkehrsachsen in Ost-West-Richtung
Thüringen liegt an den wichtigen Verkehrswegen von Berlin nach Süd- und Südwestdeutschland, die zwischen 1990 und 2017 im Rahmen derVerkehrsprojekte Deutsche Einheit aus- und neugebaut wurden. Bedingt durch seine Lage im Mittelgebirgsraum gibt es in Thüringen als einzigem Bundesland keineWasserstraßen, also keine schiffbaren Flüsse oder Kanäle. Schifffahrt wird lediglich auf demHohenwarte-Stausee und derBleilochtalsperre betrieben. Sie dient mit Ausnahme der Fähre vonAltenbeuthen zurLinkenmühle touristischem Verkehr.
Straßenverkehr
2017 gab es in Thüringen 521 Kilometer Autobahnen, 1512 Kilometer Bundesstraßen, 4220 Kilometer Landesstraßen und 3309 Kilometer Kreisstraßen. Damit hatte sich das Autobahnnetz seit 1997 verdoppelt, während gut 400 Kilometer Bundesstraßen und im Saldo fast 1500 Kilometer Landesstraßen herabgestuft wurden.[58] Wichtigste Straßenverkehrsachsen in Thüringen sind dieBundesautobahn 4 in Ost-West-Richtung und dieBundesautobahn 9 in Nord-Süd-Richtung. Beide sind auf ganzer Länge sechsstreifig ausgebaut worden; die aus den 1930er-Jahren stammende A 4 wurde darüber hinaus in den Bereichen Eisenach und Jena neu trassiert. Ergänzt wird das Autobahnnetz durch dieBundesautobahn 38 im Norden, dieLeipzig mitGöttingen undKassel verbindet; dieBundesautobahn 71 führt in Nordost-Südwest-Richtung quer durch das Land und ist seit 2015 ebenfalls fertiggestellt. Sie verbindet Erfurt mit dem RaumWürzburg im Süden und dem RaumHalle im Norden. DieBundesautobahn 73 setzt in Suhl südlich der Querung des Thüringer Waldes der A 71 an und führt südwärts nachNürnberg. An der hessischen Grenze soll ab 2030 dieBundesautobahn 44 von Eisenach nach Kassel führen. Entlang der sächsischen Grenze verläuft dieBundesautobahn 72, die die Landkreise Greiz und Altenburger Land teilweise mit anbindet. Die Entfernung zum nächsten Autobahnanschluss beträgt im Land maximal rund 40 Kilometer, dies betrifft die Gegenden im Schiefergebirge umProbstzella, in der Rhön umDermbach sowie im nördlichen Thüringer Becken umSchlotheim, während unter den größeren Städten nur Mühlhausen, Saalfeld, Rudolstadt und Altenburg ohne Autobahnanschluss sind.
Das Bundesstraßennetz wurde und wird teilweise ebenfalls ausgebaut. Die wichtigsten Projekte sind hierbei der Ausbau derB 247/B 176 im Nordwesten von Leinefelde über Mühlhausen und Bad Langensalza nach Erfurt zur Anbindung des Unstrut-Hainich-Kreises ans Fernstraßennetz, außerdem zur Anbindung von Saalfeld und Rudolstadt der Neubau derB 90 zur A 71, der Ausbau derB 88 zur A 4 und derB 281 zur A 9. Weitere bedeutende Bundesstraßen sind dieB 19 von Eisenach nach Meiningen und dieB 62 im Westen des Landes, dieB 243 als Verbindung von Nordhausen in Richtung Hannover und die Bundesstraßen7 und93 zur Anbindung Altenburgs im Osten des Landes. Dennoch sind die meisten Bundesstraßen nach wie vor von zahlreichen Ortsdurchfahrten und Kreuzungen geprägt und folgen den Verläufen der Chausseen des 19. Jahrhunderts.
Der meistbefahrene Autobahnabschnitt war 2015 die A 9 nördlich desHermsdorfer Kreuzes mit rund 65.000 Fahrzeugen täglich, der geringste Verkehr herrschte auf der A 71 zwischen Artern und Heldrungen mit weniger als 9.000 Fahrzeugen. Im Bundesstraßennetz war der östlicheErfurter Ring (B 7) mit abschnittsweise mehr als 25.000 Fahrzeugen am stärksten belastet, während die B 90 zwischen Leutenberg und Wurzbach teilweise eine Verkehrsstärke von weniger als 1000 Fahrzeugen am Tag aufwies.[59] Trotz der sinkenden Einwohnerzahl nahm der Bestand an Kraftfahrzeugen in den letzten Jahren weiter zu, die Verkehrsdichte blieb dagegen konstant und die Unfallzahlen nahmen ab. Die Zahl der Verkehrstoten hat sich 2016 gegenüber 2006 sogar halbiert.[60]
Die Eisenbahn erreichte Thüringen im Jahr 1842 mit derBahnstrecke Leipzig–Hof über Altenburg als erster Verbindung von Berlin nach München. Die Landeshauptstadt Erfurt erhielt 1846 einen Eisenbahnanschluss an der Strecke von Berlin nach Frankfurt am Main. Heute kreuzen sich zwei ICE-Strecken imErfurter Hauptbahnhof: Berlin–München und Frankfurt–Dresden. Als Verbindung nach Berlin und Dresden dient die 2015 eröffneteNeubaustrecke Erfurt–Leipzig/Halle, nach München dieSchnellfahrstrecke Nürnberg–Erfurt, die 2017 in Betrieb ging, und nach Frankfurt die BestandsstreckeErfurt–Bebra, die abschnittsweise für 200 km/h ertüchtigt wurde. Weitere Fernverkehrshalte mit regelmäßigen Taktverbindungen sindEisenach Hbf undGotha an der Strecke nach Frankfurt sowieSaalfeld undJena Paradies an der ehemaligen ICE-Strecke Berlin–München, die heute von der Intercity-Linie Leipzig–Karlsruhe bedient werden. Der Güterverkehr spielt nur eine relativ geringe Rolle, da es weder Hafen-Hinterland-Verkehre noch Großunternehmen mit bedeutendem eigenen Aufkommen gibt und beschränkt sich im Wesentlichen auf die Ost-West-VerbindungenHalle–Kassel mit etwa 40 undNaumburg–Bebra mit etwa 50 Zügen täglich sowie die Nord-Süd-VerbindungenNaumburg–Bamberg mit 60 undLeipzig–Werdau mit 35 Güterzügen pro Tag (beide Richtungen zusammen).[61] Bedeutendster Güterumschlagplatz ist dasGüterverkehrszentrum inVieselbach östlich von Erfurt.
Der Zustand der Regionalstrecken ist demgegenüber sehr unterschiedlich; seit 1945 wurden rund 1000 Kilometer Eisenbahnstrecken stillgelegt, sodass noch etwa 1500 Kilometer in Betrieb verblieben. Davon ist nur ein geringer Teil elektrifiziert (der niedrigste Anteil aller Bundesländer[62]) und/oder zweigleisig ausgebaut. Der Nahverkehr wird daher im Wesentlichen mit Dieseltriebwagen bestritten, neben derDB Regio Südost erbringen auch dieAbellio Rail Mitteldeutschland, dieVogtlandbahn, dieErfurter Bahn, dieSüd-Thüringen-Bahn und dieCantus Verkehrsleistungen. Aufgabenträger ist dieNahverkehrsservicegesellschaft Thüringen. An Verkehrsverbünden bestehen derVerkehrsverbund Mittelthüringen, der auf das gesamte Bundesland ausgeweitet werden soll, und derMitteldeutsche Verkehrsverbund im von derS-Bahn Mitteldeutschland angefahrenen Landkreis Altenburger Land. Wichtigstes Bauprojekt im Eisenbahnnetz ist der Ausbau derBahnstrecke Weimar–Gera, die die vier größten Städte des Landes verbindet, jedoch nach wie vor nicht elektrifiziert und teilweise eingleisig ist. Gleiches gilt für dieBahnstrecke Gotha–Leinefelde, die ebenfalls ausgebaut werden soll. Insgesamt sind die Fahrgastzahlen im ÖPNV leicht rückläufig, besonders im Busverkehr und im ländlichen Raum. Hier ist das Angebot oftmals lückenhaft oder beschränkt auf den Schulbusverkehr, während die Straßenbahnnetze der Großstädte ausgebaut wurden und steigende Fahrgastzahlen aufweisen, ebenso wie die Regionalzüge zwischen den größeren Städten. Vorwiegend dem touristischen Verkehr dienen dieOberweißbacher Bergbahn und dieHarzquerbahn derHarzer Schmalspurbahnen.
Einziger Flughafen mit Linienflugbetrieb ist derFlughafen Erfurt-Weimar, der jedoch wie die meisten Regionalflughäfen defizitär ist und von Zuschüssen der Landesregierung abhängt. Die Verkehrsentwicklung des in den 1990er-Jahren ausgebauten Flughafens blieb weit hinter den Prognosen zurück, auch weil mitFrankfurt am Main,Leipzig,Nürnberg undHannover gleich vier Flughäfen mit breitem Angebot in der Nachbarschaft liegen und sowohl per Auto als auch per Bahn gut zu erreichen sind. Zwischen 2003 und 2010 gab es auch amFlughafen Altenburg Linienflugbetrieb. Weitere Flugplätze im Land dienen der privaten Luftfahrt.
Die 2006 eröffnete Talsperre Leibis-Lichte ist der jüngste größere Neubau
Zur Trinkwasserversorgung wurden einige größere Talsperren im Thüringer Wald und Schiefergebirge angelegt, dazu zählen dieTalsperre Leibis-Lichte, dieTalsperre Schönbrunn, dieTalsperre Schmalwasser und dieOhra-Talsperre. Sie versorgen wesentliche Teile des Landes. Der Brauchwassergewinnung für die Landwirtschaft dienen zahlreiche kleine Talsperren und Speicherseen im Flachland, wo durch geringe Niederschläge mitunter Dürreperioden auftreten können. Gleichwohl ist der Wasserbedarf rückläufig, sodass mit dem Rückbau einiger kleinerer Talsperren begonnen wurde.
Auch zur Elektrizitätsgewinnung wurde die Wasserkraft schon lange genutzt, unter anderem mit dem Talsperrensystem derSaalekaskade, zu dem mit derBleilochtalsperre auch der größte Stausee Deutschlands gehört. Mit demPumpspeicherwerk Goldisthal wurde 2003 die größte Anlage dieser Art in der Bundesrepublik in Betrieb genommen. Gleichwohl ist Thüringen stets ein Nettostromimporteur gewesen, so lieferten im 20. Jahrhundert im Wesentlichen die Braunkohlekraftwerke desMitteldeutschen Reviers den im Land benötigten Strom. Noch 2011 wurde der Strombedarf von 12,2 TWh zu rund 60 % durch Importe aus anderen Regionen gedeckt. Gleichwohl lag die Importquote früher noch deutlich höher und sinkt von Jahr zu Jahr.[63] 2016 wurden im Land selbst 9,3 TWh Strom produziert, abzüglich der Pumpspeicherkraftwerke waren es 7,4 TWh, von denen 28 % aus Windkraft, 28 % aus Erdgas, 14,5 % aus Photovoltaik, 12,7 % aus Biomasse und 12,1 % aus Biogas stammten, der Rest aus sonstigen Energieträgern. Dabei hat sich die Leistung aus Wind zwischen 2000 und 2016 verachtfacht, die Photovoltaik versiebenfacht.[64] Auf 0,33 % der Thüringer Landesfläche sind derzeit 840 Windkraftanlagen mit einer Nennleistung von 1,6705 Gigawatt installiert. Das Thüringer Klimagesetz strebt 1 % der Landesfläche an.[65]
Der Freistaat gehört zum Übertragungsnetzgebiet von50Hertz Transmission. Ein größerer Teil der Energieversorgung wurde 2013 durch Rückkauf der bis dahin zuE.ON gehörendenTEAG Thüringer Energie rekommunalisiert.[66] Ihr größtes Kraftwerk betreibt die Thüringer Energie mit demHeizkraftwerk Jena (197 MW), mit demKraftwerk Erfurt-Ost befindet sich ein weiteres größeres Kraftwerk in der Landesmitte (80 MW). Der größte Windpark des Landes befindet sich beiWangenheim zwischen Gotha und Bad Langensalza mit einer Leistung von 130 MW und 66 Anlagen.
Im Bereich der Telekommunikation ist der Breitbandausbau vordringlich, wofür das Land das Breitbandkompetenzzentrum eingerichtet hat.[67] 51 % der Haushalte verfügten 2017 über eine Verbindung von mindestens 100 MBit/s, hauptsächlich in den Städten, 78,5 % über mindestens 50 MBit/s und 84 % über mindestens 30 MBit/s. Demzufolge haben 16 % der Haushalte noch keine Möglichkeit, schnelles Internet zu nutzen, was besonders kleinere Ortsteile im ländlichen Raum betraf.
In Thüringen gab es 2016 insgesamt 44 Krankenhäuser mit knapp 16.000 Krankenhausbetten und einer Auslastung von 77,5 %. Dies entspricht 733 Betten pro 100.000 Einwohner. 38 % der Betten befinden sich dabei in öffentlich-rechtlicher, 18 % in frei-gemeinnütziger und 34 % in privatrechtlicher Trägerschaft. Es werden ca. 580.000 Fälle pro Jahr behandelt. In den Krankenhäusern sind ungefähr 5.000 hauptamtliche Ärzte und 25.000 Personen des nichtärztlichen Personals angestellt.[68] Insgesamt arbeiteten 2016 im Land rund 9.300 Ärzte und gut 2.000 Zahnärzte. Im gleichen Jahr gab es 553 Apotheken.[69] Einige ländliche Regionen weisen eine Unterversorgung sowohl an Hausärzten als auch an Fachärzten bestimmter Disziplinen auf, ferner ist die Ärzteschaft überaltert und die Gewinnung von Nachfolgern gestaltet sich schwierig, wenngleich die Landesregierung durch Förderung gegenzusteuern versucht. Ein nicht unerheblicher Teil der neu angestellten Klinikärzte stammt dabei aus Osteuropa, insbesondere aus Polen, Ungarn, Rumänien und Bulgarien, wo diese Ärzte wiederum zur Versorgung der dortigen Bevölkerung fehlen.
Die durchschnittlicheLebenserwartung lag im Zeitraum 2015/17 bei 77,2 Jahren für Männer und bei 83,0 Jahren für Frauen. Die Männer belegen damit unter den deutschen Bundesländern Rang 13, während Frauen Rang 9 belegen.[70] Regional hatten 2013/15Jena (Erwartung der Gesamtbevölkerung: 81,95 Jahre),Saale-Holzland-Kreis (81,44) undEichsfeld (81,27) die höchste, sowieSömmerda (78,80),Sonneberg (78,76) und derKyffhäuserkreis (78,16) die niedrigste Lebenserwartung.[71]
Der regionale Tageszeitungsmarkt wird von zwei Medienhäusern dominiert. Die zurFunke Mediengruppe gehörendeMediengruppe Thüringen gibt die ZeitungenThüringer Allgemeine aus Erfurt (mit 14 Lokalredaktionen in Mittel- und Nordthüringen),Ostthüringer Zeitung aus Gera (mit 13 Lokalredaktionen in Ostthüringen) undThüringische Landeszeitung aus Weimar (mit 9 Lokalredaktionen in Mittel- und Nordthüringen) heraus. Ihre Auflage betrug 2017 239.000 Exemplare, womit sie sich in den vergangenen 20 Jahren halbiert hatte. ZumSüddeutschen Verlag gehört dieRegionalzeitungsgruppe Hof/Coburg/Suhl, bei der dasFreie Wort aus Suhl (mit sieben Lokalredaktionen in Südwestthüringen) und dieSüdthüringer Zeitung aus Bad Salzungen (mit den Ausgaben Bad Salzungen und Schmalkalden) erscheinen. Ihren Mantelteil erhält die Gruppe von denStuttgarter Nachrichten. Ihre Auflage lag Ende 2019 bei rund 57.700 Exemplaren, womit sie sich über 20 Jahre ebenfalls halbierte. Die Meininger Mediengesellschaft (MMG), an der zu je 50 % die Suhler Verlagsgesellschaft (SVG) und dieMediengruppe Oberfranken beteiligt sind, gibt dasMeininger Tageblatt (MT) heraus, das redaktionell mit dem Freien Wort kooperiert. In Altenburg erscheint eine Lokalausgabe derLeipziger Volkszeitung derVerlagsgesellschaft Madsack. Damit herrscht lediglich in Altenburg (wo auch die Ostthüringer Zeitung erscheint) und Ilmenau (Thüringer Allgemeine und Freies Wort) publizistische Konkurrenz, während der Rest des Landes zu denEinzeitungskreisen gehört. Nur die Funke Mediengruppe lässt ihre Zeitungen in Thüringen selbst drucken, alle anderen werden in benachbarten Regionen gedruckt und in Thüringen ausgeliefert. Zum Jahresende 2021 wird auch Funke die Druckerei in Erfurt schließen und ihre Zeitungen in Braunschweig drucken.[72]
Öffentlich-rechtlicher Rundfunk wird in Thüringen vomMitteldeutschen Rundfunk (MDR) produziert. Der MDR betreibt das Landesfunkhaus Thüringen in der Gothaer Straße in Erfurt. Dort sind auch derKiKA, der Kinderkanal vonARD undZDF, die MDR-Werbung sowie die MDR-Produktionstochter MCS Thüringen untergebracht. Im Erfurter Funkhaus wird dasMDR Thüringen Journal, die tägliche Fernseh-Nachrichtensendung für Thüringen, produziert. Daneben strahlt der MDR mitMDR Thüringen ein eigens für das Land produziertes Hörfunkprogramm aus. In unmittelbarer Nachbarschaft befindet sichDas KinderMedienZentrum, in dem unter anderen die KiKA-SerieSchloss Einstein produziert wird. Das ZDF betreibt in Erfurt sein Landesstudio Thüringen, das dessen Sendungen und Magazine mit Berichten aus der Region beliefert.
Die Kulturlandschaft Thüringens ist bedingt durch die lange politische Zersplitterung (bis 1920) recht vielfältig. Diese Vielfalt hat sich bis heute erhalten und findet in den verschiedenen ehemaligen Residenzen im Land mit ihren historisch gewachsenen Museen und Theatern Ausdruck. Parallel zur Vielfalt der Landesteile verbinden aber vor allem die ähnliche Küche sowie ähnlichen Feste und Bräuche. Prägend für die Kultur sind nach wie vor die zahlreichen Stätten der klassischen Hochkultur von der Reformation bis zum Bauhaus hinter denen die Orte der Gegenwartskultur ein Stück weit zurückfallen.
Bauhaus-Museum in WeimarKunsthaus Apolda Avantgarde
Die Museumslandschaft Thüringens hat ihren Schwerpunkt in Weimar mit seinen klassischen Dichtern, Musikern und Künstlern. Aber auch in einigen anderen Städten im Land liegen bedeutsame Museen. Zusätzlich befinden sich in den alten Residenzschlössern die jeweiligen Landesmuseen, die einen regionalgeschichtlichen Schwerpunkt setzen.
Zum Weimarer Weltkulturerbe gehören dasGoethe-Nationalmuseum, welches die Wirkungsstätten des Dichters in der Stadt vereint, sowieSchillers Wohnhaus und eine Vielzahl anderer kulturell genutzter Einrichtungen. Bedeutsam ist außerdem dasBauhaus-Museum in der Weimarer Innenstadt. Auch die zweite ehemalige ernestinische Hauptresidenz in Gotha verfügt mit dem 2013 wiedereröffnetenHerzoglichen Museum über ein Haus von nationaler Bedeutung. DasLindenau-Museum in Altenburg beherbergt die größte Sammlung frühitalienischer Tafelbildmalerei nördlich der Alpen. Es gehört neben der Wartburg und derKlassik Stiftung Weimar zu den20 „kulturellen Leuchttürmen“ imBlaubuch der Bundesregierung in den neuen Bundesländern.
Das 1989 eröffnetePanorama Museum beiBad Frankenhausen beherbergt dasBauernkriegspanorama zum Gedenken an denDeutschen Bauernkrieg und den BauernführerThomas Müntzer. Mit einer Fläche von 1722 m² zählt es zu den größtenTafelbildern der Welt. DasDeutsche Spielzeugmuseum inSonneberg wurde 1901 eröffnet und ist das älteste sowie eines der größten Spielzeugmuseen in der Bundesrepublik. Ähnlich bedeutsam ist dasDeutsche Gartenbaumuseum in Erfurt auf dem Gebiet der Landschaftsarchitektur. Es zeigt auf 1500 Quadratmetern geschichtliches und biologisches aus dem Gartenbau in Mitteleuropa. DasOptische Museum in Jena schildert die Geschichte und den Fortschritt der Technologie im Bereich der Optik und ist auf diesem Gebiet ebenfalls von bundesweiter Bedeutung. In Eisenach befinden sich neben der Wartburg auch dasLutherhaus, in dem Luther während seiner Eisenacher Schulzeit wohnte, und dasBachhaus, das dem (wahrscheinlich) dort geborenen KomponistenJohann Sebastian Bach gewidmet ist.
Die Theaterlandschaft in Thüringen ist – bedingt durch die Kleinstaaterei – ebenfalls noch heute vielfältig. Die bedeutendsten Mehrsparten-Theater des Landes sind dasDeutsche Nationaltheater in Weimar,Theater Altenburg-Gera und dasStaatstheater Meiningen. Traditionsreiche Theater werden heute auch noch in Arnstadt,Nordhausen, Rudolstadt undEisenach, betrieben. Neubauten aus der jüngsten Zeit sind dasTheater Erfurt und die Vogtlandhalle Greiz. Die größte Freiluftbühne ist dasNaturtheater Steinbach-Langenbach im Thüringer Wald. Da alle Theater vom Freistaat bezuschusst werden, stellt die Finanzierung dieses Kulturangebots eine schwierige Aufgabe dar. In den letzten Jahren mussten die Theater bereits größere Etatkürzungen durch die Landesregierung hinnehmen.
Mit demEkhof-Theater von 1681 in Gotha befindet sich das älteste erhaltene Theater Deutschlands ebenso im Land wie dasStadttheater Hildburghausen von 1755 als ältestes erhaltenes Stadttheater, wo 1765 auch die erste Schauspielschule Deutschlands gegründet wurde.
Um 1200 erlebte Thüringen eine Blütezeit desMinnesangs und derSangspruchdichtung. Davon legt besonders die Gedichtsammlung über den fiktivenSängerkrieg auf der Wartburg ein bedeutendes Zeugnis ab. Der Legende nach sollen dort damals die wichtigsten Minnesänger dieser Zeit miteinander gewetteifert haben.
DieFamilie Bach mit ihrem berühmtesten Sohn,Johann Sebastian Bach, stammt ausWechmar bei Gotha. Viele Mitglieder dieser Familie wurden Musiker und prägten die Hof- und Kirchenmusik in Thüringen zwischen dem 16. und dem 18. Jahrhundert. Nach der Familie Bach kamen im „Silbernen Zeitalter“ Weimars, dem 19. Jahrhundert, Musiker wieFranz Liszt nach Thüringen. Sie schätzten die liberale und geschichtsträchtige Atmosphäre der Goethestadt. Durch Liszt und seinen Schülerkreis wurde Weimar um 1850 eines der Zentren der damaligen modernen Musik. 1872 gründeteCarl Müllerhartung hier die erste deutsche Orchesterschule, den Vorläufer der heutigenHochschule für Musik Franz Liszt Weimar. Zu den dort tätigen Musikpädagogen gehörten auch die wohl bedeutendsten dauerhaft in Thüringen lebenden Komponisten des 20. Jahrhunderts,Richard Wetz undJohann Cilenšek. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erlangte dieMeininger Hofkapelle den Ruf eines hervorragenden Orchesters, das besonders seitHans von Bülow 1880 die Leitung übernommen hatte, weitere fähige Musiker anzog, die zur Entwicklung einer musikalischen Blütezeit Wesentliches beitrugen. Bis 1914 wurde diese Tradition unter den DirigentenRichard Strauss,Fritz Steinbach,Wilhelm Berger undMax Reger fortgeführt.
Thüringen besitzt kein einheitliches signifikantes Brauchtum, vielmehr unterscheidet sich dieses von Dorf zu Dorf und von Region zu Region. Im ganzen Land begangen wird in fast jedem Dorf alljährlich dieKirmes als zentrales Dorffest. DieMühlhäuser Kirmes ist hierbei nach eigenen Angaben die größte in Deutschland. Der EisenacherSommergewinn ist das größte Frühlingsfest Deutschlands, das alljährlich drei Wochen vor Ostern mit einem großen Festzug gefeiert wird. AuchSchützenfeste sind in einigen Landesteilen ein fester Bestandteil der dörflichen Lebenskultur.
Neben denbundesweit gültigen Feiertagen ist in Thüringen derReformationstag und als bisher einzigem Bundesland seit 2019 derWeltkindertag am 20. September ein gesetzlicher Feiertag.[74] Im gesamten Landkreis Eichsfeld und in einigen mehrheitlich katholischen Gemeinden des Unstrut-Hainich- und des Wartburgkreises istFronleichnam ein gesetzlicher Feiertag.
DieFaschingstradition wird in Thüringen nur punktuell begangen, besonders in den katholischen Gegenden im Eichsfeld und in der Rhön. Bedeutende Umzüge finden im teilweise katholischenErfurt (einer der größten in Ostdeutschland), inWasungen im fränkischen Süden des Landes sowie inApolda undSondershausen statt. Nach 1990 breiteten sich Faschingsveranstaltungen und -umzüge aus und werden seitdem auch in einigen Orten ohne ausgeprägte Tradition begangen.
Alle zwei Jahre richtet die Thüringer Landesregierung mit der jeweils gastgebenden Stadt denThüringentag aus, zuletzt 2025 inGotha.
Prägend für den Leistungssport in Thüringen ist vor allem der Wintersport mit seinem Zentrum inOberhof, der zahlreiche Olympiasieger und Weltmeister hervorgebracht hat. Zu den populärsten Disziplinen gehören Biathlon, Langlauf, Nordische Kombination und Skispringen einerseits sowie Rodeln, Bobfahren und Skeleton andererseits. In den letzten Jahren machte sich die vergleichsweise niedrige Höhenlage Oberhofs und damit einhergehende Witterungsunsicherheit immer wieder bemerkbar, sodass Wettkampfbedingungen nicht immer gegeben waren und Veranstaltungen verschoben werden mussten. In Erfurt haben Eisschnelllauf und Eiskunstlauf ein Zentrum gefunden (Eissportclub Erfurt), ebenso wie die Sommersportarten Leichtathletik, Radsport und Schwimmen. Olympiasieger aus Thüringen wurden bei den Winterspielen 2018 in Pyeongchang der RodlerJohannes Ludwig und die aus Berlin stammende Oberhofer BobpilotinMariama Jamanka sowie bei den letzten Sommerspielen 2016 in Rio die BahnradfahrerinKristina Vogel und der SpeerwerferThomas Röhler.
ImLandessportbund Thüringen sind knapp 3500 Vereine des Breitensports zusammengeschlossen. Ihnen gehören rund 370.000 Mitglieder (ca. 17 % der Bevölkerung) an, wobei Fußball mit 26 % der Mitglieder die beliebteste Sportart ist. Größter Sportverein des Landes ist der FC Carl Zeiss Jena mit über 4200 Mitgliedern. Im Freizeitsport sind Wandern und Radfahren sehr beliebt; auf dem bekanntesten Wanderweg, demRennsteig, findet alljährlich derGutsMuths-Rennsteiglauf mit etwa 15.000 Teilnehmern statt. Mit vier Sternen desADFC wurde derIlmtal-Radweg ausgezeichnet, der wie das gesamte Radwanderwegenetz seit 2000 erheblich ausgebaut wurde, sodass der Radtourismus an Bedeutung gewinnt, wobei das Spektrum von Mountainbiken im Gebirge bis zu einfachen Routen im Flachland, etwa entlang derUnstrut, reicht.
Die Thüringer Küche ist traditionell fleischlastig und eher deftig. Die Thüringer sind bundesweit Spitze beim Verzehr von Fleisch und Wurstwaren.[75] Bekannte Spezialitäten sind dieThüringer Klöße, dieThüringer Rostbratwurst und dasRostbrätel.
DasKöstritzer Schwarzbier ist überregional bekannt und bundesweiter Marktführer der untergärigen, dunklen Biere.[76]Pils und andere Biersorten werden in den vielen kleinen und mittelständischen Brauereien des Landes produziert. Zentrum desWeinbaus in Thüringen ist die StadtBad Sulza im Ilmtal. Sie gehört zum WeinbaugebietSaale-Unstrut.
Zeiss-Bau 15 in Jena (Moderne)Musterhaus am Horn in Weimar, UNESCO-Weltkulturerbe (Moderne)
DerKlassizismus war in Thüringen weniger prägend als etwa in Preußen. Größere Schlossanlagen aus dieser Epoche sind dasWeimarer Stadtschloss und dasUntere Schloss in Greiz. Vereinzelt sind auch klassizistische Kirchenbauten vorhanden, beispielsweise dieDreieinigkeitskirche in Zeulenroda. In derselben Stadt befindet sich mit dem Rathaus auch das prägendste Bauwerk des Klassizismus in Thüringen. Auf diesen Stil folgte derHistorismus mit dem ein enormes Bevölkerungs- und Städtewachstum einherging, was zahlreiche Neubauten erforderte. So prägt der Historismus heute noch ganze Stadtbilder. Es entstanden unzählige Wohnhäuser und Verwaltungsbauten, aber auch Kirchen in den wachsenden Vierteln der größeren Städte. Im frühen Historismus entstand das neugotischeSchloss Landsberg bei Meiningen, später folgten dasNeue Museum in Weimar und dasMuseum der Natur Gotha. In der Endphase des Historismus vor dem Ersten Weltkrieg errichtete man neue Theater (in Weimar und Meiningen) oder auch dasVolkshaus Jena.
DieModerne begann in Thüringen während des Ersten Weltkriegs, als mit dem 42 Meter hohenBau 15 in Jena das erste Hochhaus Deutschlands entstand. Ab 1919 wurde dasBauhaus mit Sitz in Weimar stilprägend. Unter der Leitung vonWalter Gropius entstand in Weimar dasMusterhaus Am Horn nach den Idealen des Bauhauses. Auch dasHaus des Volkes inProbstzella ist nach den Grundsätzen des Bauhauses errichtet worden. DieLutherkirche in Erfurt ist eines der wenigen Bauwerke im Stil desArt déco, errichtet 1927. Um 1930 wurden im Osten Erfurts erste Quartiere mit Sozialwohnungen errichtet, die sich stilistisch an Bauhaus undNeue Sachlichkeit anlehnten. Es folgte die Architektur des Nationalsozialismus, die Vorgabe zum Bau desGauforums in Weimar war. Nach dem Krieg wurde in der DDR der industrielle Wohnungsbau aus Betonfertigteilen dominant. Auch in der Architektur öffentlicher Bauten schlug sich dieser Trend nieder. 1972 wurde dasUniversitätshochhaus in Jena eingeweiht. Seit 2004 misst es bis zur Turmspitze 159 Meter. Einer der letzten Bauten der DDR war das monumentale Gebäude desBauernkriegspanoramas („Elefantenklo“) bei Bad Frankenhausen aus dem Jahr 1987. Nach der deutschen Wiedervereinigung konzentrierte sich die Bautätigkeit auf öffentliche Gebäude wie etwa dasBundesarbeitsgericht oder dasTheater Erfurt, die dem Zeitgeschmack entsprechend in Glas und Stahl ausgeführt wurden.
Am 30. Juni 2007 lebten 988.122 von 2.300.538 Menschen in Thüringen in Städten mit mehr als 20.000 Einwohnern. Obwohl derVerstädterungsgrad mit 42,95 % relativ gering ist und ein Großteil der Städte seit 1940 kein wesentliches Wachstum mehr erfuhr, bilden sie die kulturellen und wirtschaftlichen Zentren des Landes. Das umfangreichste kulturelle Leben spielt sich in den Städten Erfurt (Landeshauptstadt), Weimar (Europäische Kulturhauptstadt 1999) undJena (universitäres und wirtschaftliches Zentrum) ab. Das Bild der Städte ist relativ heterogen, so zeigen einige Städte im Kern ein mittelalterliches Stadtbild. Dies gilt vor allem für Erfurt und Mühlhausen, aber auch für kleinere Städte wie Saalfeld undSchmalkalden. Ein barock-klassizistisches Stadtbild prägt die ehemaligen Residenzen wie Weimar, Gotha, Eisenach, Rudolstadt oder Meiningen. In der Zeit der Industrialisierung herangewachsene Städte wie Gera, Altenburg, Greiz oder Apolda sind durch ein gründerzeitliches Erscheinungsbild gekennzeichnet. Die Zerstörungen durch den Zweiten Weltkrieg sorgten dafür, dass Jena und Nordhausen äußerst heterogene Stadtkerne besitzen, in denen Hochhäuser und Großwohnblocks mit Fachwerkbauten abwechseln. Die Stadt Suhl erfuhr in den 1960er und 1970er Jahren einen in Thüringen beispiellosen Umbau, in dem der Großteil des Altstadtkerns entfernt und durch ein dem Zeitgeschmack derSozialistischen Stadt entsprechendes Zentrum ersetzt wurde.Leinefelde entstand im Wesentlichen zur DDR-Zeit und stellt die einzige Planstadt dieses Typs in Thüringen dar. Prägend für viele Städte im Land ist ihre Lage in relativ beengten Flusstälern, sodass sich beträchtliche Höhenunterschiede innerhalb der Städte ergeben und der Bauplatz vielerorts begrenzt ist. Dadurch dehnen sich einige der größten Städte wie Jena, Gera, Eisenach oder Suhl über große Strecken längs eines Tales aus und nehmen dessen gesamte Breite ein.
Die Verwaltungen gehen mit historischer Bausubstanz unterschiedlich um: während einige Städte mit großem Aufwand versuchen, möglichst viel altstädtische Bausubstanz zu erhalten und damit auch Erfolge erzielten (Bad Langensalza gewann 2004 beim WettbewerbEntente Florale Deutschland Gold), messen andere Städte dem Denkmalschutz geringere Bedeutung zu. So beschloss die StadtGotha am 6. Juni 2007 den Abriss des geschichtsträchtigenVolkshauses zum Mohren, der im Oktober 2007 durchgeführt wurde, sowie am 13. September 2006 den Abriss desWinterpalais, der nur durch massive Proteste von verschiedenen Seiten verhindert werden konnte.
Eine Liste der städtischen Rathäuser, die oftmals bedeutende Kulturdenkmale sind, findet sich unterListe der Rathäuser in Thüringen.
Die hügelige Landschaft mit vielen Taleinschnitten sowie die zentrale Lage im deutschen Kulturraum begünstigten schon seit dem frühen Mittelalter die Anlage von Burgen im Freistaat. Die bekannteste Burg des Landes ist die zumUNESCO-Weltkulturerbe gehörendeWartburg oberhalb von Eisenach. Sie war einst Sitz derLandgrafen von Thüringen und später der Ort, an demMartin Luther vor der kaiserlichen Reichsgewalt versteckt wurde und Teile der Bibel ins Deutsche übersetzte. Später erlangte die Wartburg noch einmal Bedeutung für die liberalen und nationalen Studentenbewegungen des 19. Jahrhunderts, da hier 1817 dasWartburgfest stattfand.
Ein bekanntes Burgenensemble sind dieDrei Gleichen zwischen Erfurt, Arnstadt und Gotha. Zu ihnen gehört mit derMühlburg das älteste erhaltene Gebäude Thüringens aus dem Jahr 704. Weitere mächtige Anlagen sind dieBurg Creuzburg über dem Werratal beiCreuzburg, dieLeuchtenburg über dem Saaletal inSeitenroda sowie dieOsterburg über dem Elstertal beiWeida. Eine Weiterentwicklung der mittelalterlichen Burgen waren neuzeitliche Festungen. Mit derZitadelle Petersberg erhebt sich in der Erfurter Altstadt eine der größten erhaltenen frühneuzeitlichen Festungsanlagen Mitteleuropas.
Im Jahr 1918 gab es in Thüringen noch acht Monarchien mit eigener Residenz. Diese Residenzen sind heute die größten und bedeutendsten Schlösser Thüringens. Hauptsitz derErnestiner war Weimar, wo das heute zum Weltkulturerbe zählende klassizistischeWeimarer Stadtschloss ein umfangreiches Museum beherbergt. DasSchloss Friedenstein in Gotha war Sitz des Herzogs vonSachsen-Gotha und ist heute ebenfalls großenteils als Museum genutzt. Weitere ernestinische Residenzen waren dasSchloss Altenburg in Altenburg und dasSchloss Elisabethenburg inMeiningen. Zusätzlich unterhielt dieses Herzogsgeschlecht viele kleine Landschlösser, die in ganz Thüringen verstreut liegen. Bekannte unter ihnen sind vor allem dieDornburger Schlösser über dem Saaletal, die SchlösserTiefurt,Ettersburg undBelvedere bei Weimar undSchloss Molsdorf bei Erfurt sowieSchloss Altenstein mit seinem großenLandschaftspark bei Bad Liebenstein.
Dom und Severikirche in ErfurtGotische Marienkirche in Mühlhausen
Die bedeutendsten der etwa 2500 Sakralbauten Thüringens stammen aus derGotik und stehen in den Zentren der historischen Städte. In Erfurt liegt mit demErfurter Dom die größte Kirche Thüringens, die mit der benachbartenSeverikirche ein sehenswertes Ensemble bildet. Darüber hinaus stehen in der Erfurter Altstadt etwa 25 weitere, meist gotische, Pfarrkirchen, die das Stadtbild maßgeblich prägen. Deshalb trägt Erfurt historisch auch den Beinamen „Stadt der Türme“ (lateinischErfordia turrita, türmereiches Erfurt).[77]
Als gotische Bauwerke bedeutend sind die beiden Hauptkirchen der früheren ReichsstadtMühlhausen. DieMarienkirche war ein Zentrum des Bauernkriegs von 1525 und besitzt den höchsten Kirchturm im Freistaat (86 Meter). DieDivi-Blasii-Kirche war eine Wirkungsstätte des KomponistenJohann Sebastian Bach und ist die gotische Hauptkirche Mühlhausens; dem Vorbild ihrerChorfensterfronten sind die Pfeiler derBrooklyn-Bridge inNew York City nachempfunden; die Brücke wurde von dem gebürtigen MühlhäuserIngenieurJohann August Röbling entworfen.[78]
Erwähnenswert in der Kirchenlandschaft sind vor allem dieOberkirche inBad Frankenhausen mit dem um vier Meter aus der Senkrechten geneigten Turm sowie dieRussisch-Orthodoxe Kapelle in Weimar, die einst für HerzoginMaria Pawlowna errichtet wurde und zu den ältesten orthodoxen Kirchen Deutschlands gehört.
Die Klöster des Landes verloren im Wesentlichen mit der Reformation am Beginn des 16. Jahrhunderts ihre Macht, woraufhin viele aufgelöst wurden. Daher sind heute vor allem romanische und gotische Klosterruinen erhalten. Historisch bedeutend waren hierbei etwa das KlosterReinhardsbrunn bei Gotha (Grablege und Hauskloster der Landgrafen von Thüringen) sowie dasErfurter und dasSaalfelder Peterskloster. Architektonisch interessant sind die Klosterruinen inKloster Veßra,Paulinzella,Göllingen oderStadtroda. Ein bekanntes Thüringer Kloster ist das 1996 wiederbezogene ErfurterAugustinerkloster, in dem Martin Luther einige Jahre seines Lebens verbrachte. In den katholischen Gegenden des Landes (Eichsfeld und teilweise Stadt Erfurt) bestanden einige Klöster noch bis zurSäkularisation der napoleonischen Zeit, ehe auch sie aufgelöst wurden. Seit 1800 bestehen nur noch sehr vereinzelt weitergeführte Anlagen wie beispielsweise dasUrsulinenkloster Erfurt oder dasFranziskanerklosterHülfensberg beiGeismar im Eichsfeld.
Die bekanntesten Denkmäler im Land sind zum einen das in der GemarkungSteinthaleben gelegeneKyffhäuserdenkmal, ein 81 Meter hohes, weithin sichtbares Denkmal auf dem gleichnamigen Gebirge beiBad Frankenhausen. Es wurde zwischen 1890 und 1896 errichtet und nimmt Bezug auf die Kyffhäusersage, wobeiKaiser Wilhelm I. als Reichseiniger in direkten Bezug zuFriedrich Barbarossa gesetzt und als Wahrer seines Vermächtnisses dargestellt wird. Nach demVölkerschlachtdenkmal in Leipzig und demDenkmal an der Westfälischen Pforte ist das Denkmal auf dem Kyffhäuser das drittgrößte in Deutschland.
Das 33 Meter hoheBurschenschaftsdenkmal bei Eisenach von 1902 erinnert an die deutschen Burschenschaften des frühen 19. Jahrhunderts, die unter anderem beimWartburgfest von 1817 eine Rolle spielten.
Die2-Euro-Gedenkmünze „Wartburg–Thüringen“, gestaltet vonOlaf Stoy, wurde am 1. Februar 2022 in einer Auflage von 30 Millionen Exemplaren in Umlauf gebracht.[79]
Jürgen John:Quellen zur Geschichte Thüringens. Landeszentrale für politische Bildung, Erfurt 1997,ISBN 3-931426-14-9.
Bernhard Post,Volker Wahl (Hrsg.):Thüringen-Handbuch. Territorium, Verfassung, Parlament, Regierung und Verwaltung in Thüringen 1920 bis 1995. Weimar 1999,ISBN 3-7400-0962-4.
Frank Boblenz:Abriß der Territorialgeschichte des preußischen Thüringen. In:Das preußische Thüringen. Abhandlungen zur Geschichte seiner Volksvertretungen (= Schriften zur Geschichte des Parlamentarismus in Thüringen. Band 17). Rudolstadt 2001,ISBN 3-89807-020-4, S. 9–45.
Dehio-Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler: Thüringen. 2. Auflage, Deutscher Kunstverlag, Berlin/München 2003,ISBN 3-422-03095-6.
Hans Müller:Thüringen (=DuMont Kunstreiseführer). Ostfildern 2005,ISBN 3-7701-3848-1.
Nikolaus Huhn:Thüringen in kleinen Schritten. Notizen vom Hörenden Fußmarsch. Mitteldeutscher Verlag, Halle 2015,ISBN 978-3-95462-407-2.
Kulturelle Entdeckungen. Musikland Thüringen. Hrsg. von der Sparkassen Kulturstiftung Hessen-Thüringen, Verlag Schnell & Steiner, Regensburg 2020,ISBN 978-3-7954-3502-8.
↑1 Geologische Grundlagen. Geologische Landesaufnahme. In: tlug-jena.de. Geologischer Landesdienst, archiviert vom Original am 9. September 2017; abgerufen am 14. Juni 2022.
↑Paul Wappler:Die Täuferbewegung in Thüringen von 1526–1584. Hrsg.: Verein für Thüringische Geschichte und Altertumskunde (= Beiträge zur neueren Geschichte Thüringens.Band2). Verlag von Gustav Fischer, Jena 1913,DNB363010467.
↑Christian Hege und Christian Neff:Mennonitisches Lexikon.Band4. Eigenverlag, 1959,S.324–327.
↑Brückenschlag. 4. November 2014, abgerufen am 28. Februar 2023.
↑Pia Lucchesi:Bald liegt ein echter Stoy in jedem Portemonnaie – in Form einer vom Künstler gestalteten Münze. In:Morgenpost am Sonntag. Dresden, 13. Juni 2021, S. 14–15.