DieTempelrolle ist ein antiker jüdischer Text, der sich mehrfach unter denSchriftrollen vom Toten Meer fand:
Beduinen hatten im Februar 1956 Höhle 11 entdeckt und komplett ausgeräumt,[2] darunter auch die Rolle 11QTa. Sie gelangte in den Besitz des Antikenhändlers „Kando“ in Bethlehem. Als israelische Truppen 1967 das Westjordanland eroberten, veranlassteYigael Yadin, dass ein Kommando Kandos Laden durchsuchte (der später finanziell dafür entschädigt wurde). Die Tempelrolle wurde gefunden und konfisziert. Sie steckte in einem Schuhkarton unter den Fußbodenbrettern, ein schlechter Aufbewahrungsort, denn sie hatte dort durch eingesickertes Putzwasser erheblichen Schaden genommen.[3]
Die Rolle wird heute zusammen mit anderen Qumranschriften imSchrein des Buches präsentiert, der zumIsrael Museum inJerusalem gehört.
Der Text, dessen Anfang verloren ist, gibt sich als direkte Gottesrede und überbietet damit dieTora desMose.Halachische Stoffe, die in der Tora an verschiedenen Stellen thematisiert werden, hat die Tempelrolle systematisch angeordnet:[1]
Yadin sah in der Tempelrolle eine Collage biblischer Texte, zumal sie sich oft eng an denMasoretischen Text anschließt und ihn lediglich als Gottesrede umformuliert. Die Mehrheit der Forscher ist ihm darin gefolgt, obwohl die Tempelrolle auch außerbiblische Quellen verarbeitet hat.[1] Unklar ist, ob die Verfasser der Tempelrolle im Sinn hatten, die Tora zu ersetzen, oder ob es ihnen um eine Aktualisierung des biblischen Textes für ihre Zeit ging. Das unter dem StichwortRewritten Scripture (ein vonGéza Vermes geprägter Begriff:Rewritten Bible) diskutierte Problem stellt sich auch bei anderen zeitgenössischen Texten, z. B. demJubiläenbuch.
Viele Forscher vermuten, dass die Endredaktion der Tempelrolle in der frühen Hasmonäerzeit (2. Hälfte 2. Jahrhundert v. Chr.) stattgefunden hat, weil sie das Königsgesetz (Spalten LVI bis LIX) als Kritik an denHasmonäern interpretieren.[4] Das ist aber nicht zwingend.
Yadin sah in der Tempelrolle eine Schrift derEssener, eine Ansicht, die heute kaum noch vertreten wird.[5] Vorsichtig vermutet man, dass hinter der Tempelrolle Kreise standen, die mit den Gruppen in Verbindung waren, aus denen später derJachad entstand.
In der Geschichte der Qumranforschung war die Publikation der Tempelrolle durch Yadin aufIvrit im Jahr 1977 ein Wendepunkt. Man nahm wahr, dass sich dieser umfangreiche Text ganz derHalacha widmet. „Plakativ gesagt folgt dreißig Jahren christianisierender Lektüre der Rollen nun eine Epoche der ‚Rejudaisierung‘, einer Heimholung Qumrans in die jüdischen Studien.“[6] Außerdem war die Tempelrolle die erste große Schriftrolle, bei der viele Forscher anzweifelten, ob Essener ihre Urheber waren.