Substanzwert
DerSubstanzwert (englischasset value) ist in derBetriebswirtschaftslehre einWert, der überwiegend bei derUnternehmensbewertung zugrunde gelegt wird.DasKompositum Substanzwert setzt sich aus der „Substanz“ alsBestandteil einerSache oder einesRechts und deren „Wert“ zusammen. Der Substanzwert gehört allgemein zumFachgebiet derWertermittlung. Er ist eineBestandsgröße, die auf demSachwert eines Bewertungsobjekts aufbaut. Der zum Substanzwert alternative – und zu Vergleichszwecken herangezogene –Ertragswert ist dagegen eineStromgröße. Als Bewertungsobjekte für den Substanzwert kommenbewegliche Sachen (etwaKunstwerke,Schmuck; hier eher die höher liegenden subjektivenSammlerwerte oderLiebhaberwerte),Sachgesamtheiten (etwaArztpraxis),Grundstücke undgrundstücksgleiche Rechte oder ganzeUnternehmen in Frage. Vor allem bei letzteren ist der Substanzwert von besonderer Bedeutung.
Geschichte
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Erste Arbeiten zurUnternehmensbewertung erschienen bereits im Jahre 1946 vomSchweizerBetriebswirtKarl Käfer.[1] Auch namhaftedeutsche Betriebswirte nahmen sich des Themas an. So propagierteHans Münstermann 1956 das Prinzip der Bewertungseinheit,[2]Günter Siebenpromovierte 1961 mit einer Untersuchung unter dem Titel „Der Substanzwert. Ein Beitrag zur Lehre der Bewertung der Unternehmung“. Sieben verfasste im Jahre 1963 ein weiteres Grundlagenwerk zum Substanzwert.[3] Danach wird von der Mehrzahl der Autoren der Substanzwert nicht nur als eine objektive, sondern auch als eine statische Gegenwartsgröße definiert.[4] Doch bereitsKarl Hax wies 1958 darauf hin, dass der Zukunftserfolgswert der einzig „wahre Wert der Unternehmung“ sei.[5] Heute gilt der Substanzwert als der „Reproduktionswert“ auf Grundlage derWiederbeschaffungskosten (Wiederbeschaffungswert) der Vermögensgegenstände.[6] Reproduktionswert ist der hypothetischeAufwand, der erbracht werden müsste, um das bewertete Unternehmen wiederherzustellen.[7]
Ermittlung
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Ausgangspunkt für die Ermittlung des Substanzwerts istManfred Jürgen Matschke zufolge die Substanz, also das (betriebsnotwendige und nicht betriebsnotwendige) Vermögen des Unternehmens.[8] Es setzt sich ausmateriellen undimmateriellenRealgütern undNominalgütern zusammen. Der Brutto-Substanzwert eines Unternehmens ergibt sich aus der Summe der Einzelwerte aller betrieblichenVermögensgegenstände zumFair value desBewertungsstichtages. Abzüglich derSchulden undRückstellungen[9] ergibt sich der Netto-Substanzwert (englischnet asset value):
- .
Unter dem Begriff desGeschäfts- oder Firmenwerts (englischgoodwill) wird allgemein der Unterschied zwischen dem Netto-Substanzwert und demErtragswert einer Unternehmung verstanden:[10]
- .
Ist der Ertragswert größer als der Netto-Substanzwert, liegt einpositiver Geschäfts- oder Firmenwert vor:
- ,
andernfalls handelt es sich um einennegativen Geschäfts- oder Firmenwert (englischbadwill):
- .
FürAdolf Moxter ist der Substanzwert die Summe der Wiederbeschaffungskosten und Schulden eines gesamten Unternehmens.[11] Bei dieser Definition ist derLiquidationswert der Gegensatz. Während beim Substanzwert dieUnternehmensfortführung unterstellt wird, liegt dem Liquidationswert die Annahme der Zerschlagung des Unternehmens zugrunde.
Kritik
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Dem Substanzwert kommt bei der Ermittlung des Unternehmenswerts keine eigenständige Bedeutung zu.[12] Der Unternehmenswert wird grundsätzlich als Zukunftserfolgswert ermittelt. Dabei haben sich in der Unternehmensbewertungspraxis dasErtragswertverfahren und dieDiscounted Cash Flow-Verfahren als gängige Verfahren herausgebildet.[13]
Steuerlicher Substanzwert
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]DasBewertungsgesetz (BewG) definiert den Substanzwert als die „Summe dergemeinen Werte der zum Betriebsvermögen gehörendenWirtschaftsgüter und sonstigen aktiven Ansätze abzüglich der zum Betriebsvermögen gehörenden Schulden und sonstigen Abzüge der Gesellschaft“ (§ 11 Abs. 2 BewG). Er darf steuerrechtlich nicht unterschritten werden und ist vor allem bei derVererbung von Unternehmen anzuwenden. Er ist nur dann als Mindestwert anzusetzen, wenn der gemeine Wert nach dem vereinfachtenErtragswertverfahren oder mit einem Gutachterwert ermittelt wird.[14] Anwendungen für Substanzwertverfahren sind neben der Bewertung eines zu liquidierenden Unternehmens alle Fälle, in denen regelmäßig hohestille Reserven oder stichtagsbedingtestille Lasten vorhanden sind. Dies betrifft vor allemImmobilien- undBeteiligungsgesellschaften. Der Substanzwert liefert hier eine bessere Aussage über den tatsächlichen Wert des Unternehmens als der bilanziell ausgewieseneBuchwert.
Andere Fachgebiete
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]In anderen Fachgebieten umschreibt der Substanzwert beispielsweise deninneren Wert (englischintrinsic value) in derFundamentalanalyse, denMarktwert,Metallwert von Sachen oder denVerkehrswert.
Siehe auch
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Einzelnachweise
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- ↑Karl Käfer,Zur Bewertung der Unternehmung als Ganzes, in: Rechnungsführung in Unternehmung und Staatsverwaltung, Festgabe für Otto Juzi, 1946, S. 74
- ↑Hans Münstermann,Bewertung ganzer Unternehmen, in: Handwörterbuch der Betriebswirtschaft, Band 1, 1956, Sp. 1061 f.
- ↑Günter Sieben,Der Substanzwert der Unternehmung, 1963, S. 49
- ↑Günter Sieben,Der Substanzwert der Unternehmung, 1963, S. 79
- ↑Karl Hax,Die langfristigen Finanzdispositionen, in: Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaften, Band 1, 1958, S. 453
- ↑Adolf Moxter,Grundsätze ordnungsmäßiger Unternehmensbewertung, 1983, S. 51
- ↑Adolf Moxter,Grundsätze ordnungsmäßiger Unternehmensbewertung, 1983, S. 41
- ↑Manfred Jürgen Matschke/Gerrit Brösel,Unternehmensbewertung, 2013, S. 315
- ↑Gerrit Brösel/Rainer Kasperzak (Hrsg.),Internationale Rechnungslegung, Prüfung und Analyse, 2004, S. 251
- ↑Gerrit Brösel/Rainer Kasperzak (Hrsg.),Internationale Rechnungslegung, Prüfung und Analyse, 2004, S. 251
- ↑Adolf Moxter,Grundsätze ordnungsmäßiger Unternehmensbewertung, 1983, S. 41
- ↑Institut der Wirtschaftsprüfer: „Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen (IDW S 1)“, (Stand: 2. April 2008), Rz. 6.
- ↑IDW, S1 (2008), Rz. 7.
- ↑R B 11.3 Abs. 1 ErbStR 2011