Struma

Struma derSchilddrüse ist diemedizinische Benennung für eine Vergrößerung des Schilddrüsengewebes. Der Ausdruck bezeichnet allgemein die Drüsenschwellung,[1] unabhängig von sichtbarer Gestalt, feingeweblicher Struktur oder Funktionslage der Schilddrüse, die also normal (Euthyreose), erhöht (Hyperthyreose) oder verringert (Hypothyreose) sein kann. EineStruma als die tastbare, sichtbare und messbare Vergrößerung der im Hals befindlichen Schilddrüse wird auchKropf genannt (veraltet:Satthals).
Die Struma ist weltweit die häufigste Erkrankung der Hormondrüsen (eineEndokrinopathie). Die häufigste Ursache für das Entstehen einer Struma ist einJodmangel. Die Behandlungsmöglichkeiten umfassen neben einer medikamentösen Therapie mit Gabe vonJod oderSchilddrüsenhormonen eine Schilddrüsenoperation und eineRadiojodtherapie.
Die Bezeichnung „Kropf“, welche auch eineAussackung der Speiseröhre bei Vögeln bezeichnet, wird auf dasindogermanischegreup zurückgeführt. „Greup“ bedeutet „krümmen“ und verweist auf die auf einer Struma gekrümmt verlaufenden Halsvenen.[2] Die Bezeichnung „Struma“ (struma‚Drüsenschwellung‘; MehrzahlStrumae odereingedeutschtStrumen) wurde 1718 vonLorenz Heister und später vonAlbrecht von Haller in die medizinische Literatur eingeführt.
Einteilung
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Klassifikation nachICD-10 | |
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E01 | jodmangelbedingte Schilddrüsenkrankheiten und verwandte Zustände |
E01.0 | jodmangelbedingte diffuse Struma (endemisch) |
E01.1 | jodmangelbedingte mehrknotige Struma (endemisch) |
E01.2 | jodmangelbedingte Struma (endemisch), nicht näher bezeichnet |
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E04 | sonstige nichttoxische Struma |
E04.0 | nichttoxische diffuse Struma |
E04.1 | nichttoxischer solitärer Schilddrüsenknoten |
E04.2 | nichttoxische mehrknotige Struma |
E05 | Hyperthyreose (Thyreotoxikose) |
E05.0 | Hyperthyreose mit diffuser Struma - Morbus Basedow |
E05.1 | Hyperthyreose mit toxischem solitärem Schilddrüsenknoten |
E05.2 | Hyperthyreose mit toxischer mehrknotiger Struma |
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ICD-10 online (WHO-Version 2019) |
Nach der Ausprägung (morphologisch) wird eineStruma diffusa (gleichmäßig vergrößert) von derStruma nodosa (bereits Knoten vorhanden) unterschieden. DieStruma uninodosa weist einen einzelnen Knoten auf, dieStruma multinodosa mehrere.
Nach der Lage wird dieeutope Struma (normale anatomische Lage) von derdystopen Struma (Struma im Brustkorb (retrosternal), hinter der Luftröhre oder unter der Zunge) abgegrenzt.
Nach ihrerFunktion (funktionell) unterscheidet man dieeuthyreote Struma (normale Stoffwechselwerte) von derhypothyreoten Struma (beiUnterfunktion) undhyperthyreoten Struma odertoxischen Struma (beiÜberfunktion).
Nach ihrem Auftreten (epidemiologisch): Sind innerhalb eines Gebietes mehr als 10 % der Bevölkerung betroffen, spricht man von einerendemischen Struma (endemischer Kropf), sonst von einersporadischen Struma.
Nach ihrerDignität wird zwischen derStruma maligna, die einen bösartigen Tumor enthält, wobei es sich meist um einSchilddrüsenkarzinom handelt, und derblanden Struma unterschieden, bei der es sich um eine nicht entzündliche, gutartige Schilddrüsenvergrößerung bei normaler (euthyreoter) Stoffwechsellage handelt. Eine nach Therapie erneut auftretende Struma heißtRezidivstruma.
DieWeltgesundheitsorganisation (WHO) unterscheidet folgende Struma-Grade nach Größe, die jeweils mit minimalen Unterschieden zitiert werden:
Einteilungen der Struma-Grade | |||
nach Hotze und Schumm-Dräger[3] | nachAWMF-Leitlinie[4] | ||
Grad 0a | Keine Struma | Stadium 0 | Keine Struma |
Grad 0b | Tastbare, aber nicht sichtbare Struma | Stadium 1a | Palpatorische, aber nicht sichtbare Vergrößerung |
Grad I | Tastbare und bei zurückgebeugtem Kopf eben sichtbare Struma | Stadium 1b | Bei maximaler Halsreklination sichtbare Vergrößerung |
Grad II | Sichtbare Struma | Stadium 2 | Bei normaler Kopfhaltung sichtbare Schilddrüse |
Grad III | Große sichtbare Struma | Stadium 3 | Stark vergrößerte Schilddrüse |
Die Einstufung eines Patienten in diese Grade hängt einerseits von subjektiven Faktoren beim Untersucher ab, andererseits vom Ernährungszustand des Patienten und der Ausprägung der Halsmuskulatur. Daher kann sie nur zur orientierenden Beschreibung des Befundes dienen, nicht zur exakten Größenangabe der Schilddrüse.
Ursachen
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Die weltweit häufigste Ursache der Struma ist mit etwa 90 Prozent ein ernährungsbedingter, sogenannter alimentärer,Jodmangel.[5]
Hiervon müssen andere, weniger häufigeätiologische Faktoren abgegrenzt werden. Zu diesen gehörenSchilddrüsenautonomien,Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse (dieAutoimmunthyreopathienMorbus Basedow undHashimoto-Thyreoiditis), bestimmte kropfverursachende, sogenannte strumigene, Medikamente (zum BeispielLithium undThyreostatika) sowie anderestrumigene Substanzen (zum BeispielThiocyanat undNitrate),Entzündungen des Schilddrüsengewebes (Thyreoiditis),Zysten in der Schilddrüse sowie gutartige und bösartigeTumoren der Schilddrüse, wobei es sich bei den bösartigen Veränderungen der Schilddrüse insbesondere umSchilddrüsenkrebs und seltener umMetastasen bösartiger Tumoren anderer Gewebe und Organe des Körpers in die Schilddrüse handelt.
Weitere seltene Ursachen einer Struma sind gutartigeTumoren der Hirnanhangsdrüse (Hypophyse), eineBlasenmole, eineAkromegalie, Störungen der Schilddrüsenhormonsynthese, eineperiphere Schilddrüsenhormonresistenz, eineSarkoidose, eineAmyloidose,Parasiten und weitere. DasRauchen von Tabak und einMangel an Selen werden zudem als Ursachen für eine Struma diskutiert.
Häufigkeit
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Weltweit leben etwa eine Milliarde Menschen in Jodmangelgebieten. Etwa 200 Millionen Menschen leiden an einer durch Jodmangel bedingten Struma. Weil früher die Struma in diesen Jodmangelgebieten so häufig vorkam, spricht man auch von einerendemischen Struma. Etwa 20 Millionen Menschen, die in Gebieten mit ausgeprägtem Jodmangel leben, leiden unter den Folgen eines vorgeburtlichen oder frühkindlichen Jodmangels.[6]
In Deutschland weisen mehr als 30 Prozent der Erwachsenen eine Schilddrüsenvergrößerung oder Schilddrüsenknoten auf. Hotze (2003) kommt unter Berufung auf die Papillon-Studie[7] zu dem Schluss, dass sich frühere Annahmen von einem Nord-Süd-Gefälle der Häufigkeit innerhalb Deutschlands und von einem wesentlichen Häufigkeits-Unterschied zwischen Männern und Frauen nicht bestätigt hätten.[8]
In derSchweiz ist diePrävalenz der Jodmangelstruma deutlich gesunken, da dort wegen der jodarmen Böden das Speisesalz seit 1919 mit Jod angereichert wird.
Entstehung der Jodmangelstruma
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Die Vorstellungen zurPathogenese der Struma haben sich in den letzten Jahrzehnten geändert. Bis in die Mitte der 1980er Jahre ging man davon aus, dass Jodmangel zu einer leichten Hypothyreose führe und dass nachfolgend die Hirnanhangsdrüse (Hypophyse) die Produktion des HormonsTSH erhöht, um die Schilddrüse zum Wachstum, zur Jodaufnahme und zur Schilddrüsenhormonproduktion zu stimulieren. Experimentelle Arbeiten ankultivierten Schilddrüsenzellen haben aber gezeigt, dass ein erhöhter TSH-Spiegel nur dann zurProliferation der Schilddrüsenzellen (Thyreozyten) führt, wenn gleichzeitig innerhalb der Zellen ein Jodmangelzustand herrscht.
Heute können folgende Mechanismen als gesichert gelten: Jodarmes Schilddrüsengewebe setzt bestimmteWachstumsfaktoren frei (denIGF, denEGF, denTNF-α und denFGF), die auf die freisetzenden Zellen selbst und ihr benachbartes Gewebe wirken (autokrine undparakrine Sekretion). Diese Faktoren führen zu einer Zellvermehrung (Hyperplasie) der Schilddrüsenfollikel, sowie zur Vermehrung bestimmter Bindegewebszellen (Fibroblasten) und zum Einsprießen von Blutgefäßen. Ausreichend mit Jod versorgte Thyreozyten produzieren hingegen die wachstumshemmenden FaktorenTGF-b und Jod-Lactone. Das TSH fördert zusätzlich das Wachstum der einzelnen Thyreozyten (Hypertrophie), ändert die Wirkung der einzelnen Wachstumsfaktoren aber durchaus in verschiedene Richtungen.
Diese Vorgänge sind zunächst nicht krankhaft, sondern dienen der normalen (physiologischen) Anpassung der Schilddrüse an Phasen eines relativen Jodmangels. Bei jahrelangem Jodmangel kommt es aber zu zusätzlichendegenerativen Veränderungen der Schilddrüse, in deren Verlaufknotige Veränderungen auftreten, sowie zur Bildungautonomer Areale, die sich vomRegelkreis zwischen Hypophyse und Schilddrüse abgekoppelt haben. Sie reagieren also nicht mehr auf die Steuerungsversuche desTSH.
Beschwerdebild
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Dasklinische Bild eines Struma-Patienten hängt vor allem von der Größe der Schilddrüse und von der Stoffwechsellage ab.
Eine geringe Vergrößerung der Schilddrüse macht meist keine lokalen Beschwerden. Mit zunehmender Größe der Schilddrüse klagen aber immer mehr Patienten über ein Druck-, Enge- oder Kloßgefühl, Missempfindungen beim Tragen enger Kragen, Schluckbeschwerden, Luftnot bei Belastung, Luftnot abhängig von der Position des Kopfes sowie eine Neigung zuBronchitiden. Eine drittgradige Struma kann benachbarte Strukturen (Luftröhre, Halsgefäße,Speiseröhre) mechanisch verdrängen und zu entsprechendenSymptomen führen, wie ausgeprägten Schluckbeschwerden oder Luftnot (eventuell schon in Ruhe) sowieStridor.
Sollte eine stoffwechselbestimmende Schilddrüsenautonomie entstanden sein, klagen die Patienten oft über Beschwerden im Sinne einerHyperthyreose (siehe dort). Insbesondere nach exzessiven Jodgaben in Form von jodhaltigenKontrastmitteln oderAmiodaron droht die Entwicklung einerthyreotoxischen Krise.
Untersuchungen
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Hauptartikel:Untersuchung der Schilddrüse
Neben dem Abtasten (Palpation) des Halses dient vor allem derUltraschall alsdiagnostische Methode, um eine Struma zu erkennen. Dabei kann die Ausdehnung der Schilddrüse in den drei Raumachsen gemessen und daraus das Volumen berechnet werden (Ellipsoid). Neuere Ultraschallgeräte liefern auch eine direkte 3D-Volumetrie der Schilddrüse. Die Schilddrüse hat bei der Frau ein normales Volumen von bis zu 18 ml, beim Mann bis zu 25 ml.
Zur weiteren Abklärung bestimmt man im Labor die SchilddrüsenhormoneT3 undT4, dasThyreotropin (TSH) und eventuellAutoantikörper (TRAK,TPO-AK). Bei Knoten folgen dieSchilddrüsenszintigrafie mit99mTc und bei Verdacht auf einSchilddrüsenkarzinom gegebenenfalls einezytopathologische Untersuchung nachFeinnadelbiopsie. Ein Jodmangel lässt sich durch die Messung der Jodausscheidung imSammelurin oder einfacher durch eine erhöhte Aufnahme desTracers imSzintigramm nachweisen.
Die Röntgen-Zielaufnahme der Luftröhre und der Speiseröhre (gegebenenfalls mitKontrastmittel) wurden weitgehend durch die Ultraschalluntersuchung verdrängt. Bei einem Strumawachstum bis in den Brustkorb hinein wird gelegentlich eineComputertomografie (CT) oder eineKernspintomografie (MRT) notwendig, bei einer dystopen Schilddrüse (abweichende Lage) selten ein Szintigramm mit123I.
Falls eine Operation geplant ist, erfolgt zudem eine Vorstellung beimHals-Nasen-Ohren-Arzt, um bereits bestehende Störungen der Stimmbandbeweglichkeit oder eineRekurrensparese (Lähmung des Stimmbandnerven,Nervus recurrens) auszuschließen.
Behandlung
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Zur Behandlung (Therapie) der Struma stehen folgende Therapieformen zur Verfügung:medikamentöse Therapie,Operation undRadiojodtherapie.
Medikamentöse Therapie
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Entsprechend den Vorstellungen zur Pathogenese (sieheEntstehung der Jodmangelstruma) bestand die medikamentöse Behandlung der Struma bis weit in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts in einer Gabe von Schilddrüsenhormonen in einer Dosierung, die über denthyreotropen Regelkreis zu einer Erniedrigung des TSH-Wertes unter den Normbereich führte (TSH-Suppression). Damit nimmt man für den Patienten aber die negativen Folgen einer latentenHyperthyreose in Kauf, insbesondere die erhöhte Wahrscheinlichkeit für das Auftreten bestimmter Herzrhythmusstörungen (Vorhofflimmern) und den Verlust an Knochenmasse (Osteoporose).
Bei derStruma diffusa sowie derStruma nodosa ohne relevante Autonomie und ohne Karzinomverdacht besteht die Standardtherapie heute aus der Gabe vonJodid oder Kombinationspräparaten aus Jodid undL-Thyroxin, da beide Substanzensynergistisch auf Hypertrophie und Hyperplasie der Schilddrüse wirken. Das PräparatStrumedical der chemischen Fabrik Bavaria inGräfelfing beispielsweise enthielt 0,5 mg Jod pro Pille und wurde zur Jodtherapie der Struma eingesetzt.[9] Als überholt gelten eine TSH-suppressive Therapie und eineMonotherapie einer Struma diffusa mitL-Thyroxin, da diese zu einer weiteren Jodverarmung innerhalb der Schilddrüse und zum erneuten Schilddrüsenwachstum führt, sobald die Medikation beendet wird.[10] Ziel der medikamentösen Therapie ist es, das Entstehen neuer Knoten zu verhindern, weiteres Wachstum eventuell vorhandener Knoten zu verhindern und das nichtknotige Gewebe zu verkleinern. Die gleiche Behandlung erfolgt zur Vorbeugung (Prophylaxe) einerRezidiv-Struma nachStrumaresektion und bei latenter oder manifesterHypothyreose nach Operation oderRadiojodtherapie.
Die tägliche Dosis des Jodids beträgt meist 100 bis 200 µg. Die Menge des verabreichtenL-Thyroxins orientiert sich amTSH-Wert, der im unteren Normbereich liegen, aber nicht supprimiert sein soll. Die Behandlungsdauer beträgt meist 12 bis 18 Monate, dann kann oft auf eine Therapie mit Jodid allein umgestellt werden. Bei Hypothyreose erfolgt die Therapie grundsätzlich lebenslang, nach Schilddrüsenoperation meist ebenfalls lebenslang.
AbsoluteKontraindikationen zur medikamentösen Therapie sind eine vorbestehende latente oder manifesteHyperthyreose wegen der Gefahr einer thyreotoxischen Krise sowie der Verdacht auf ein Schilddrüsenkarzinom. Relative Kontraindikationen sind eine bestehendeAutonomie bei normaler Stoffwechsellage (Euthyreose) oder die Entwicklung einer latenten Hyperthyreose unter der Therapie. Beim Vorliegen einerAutoimmunthyreoiditis wird allein mitL-Thyroxin behandelt. Als Nebenwirkungen werden eine Hyperthyreose bei zu hoher Dosierung desL-Thyroxins und neu auftretende oder sich verschlimmerndeAkne beschrieben.
Operative Therapie
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Die Operation der Schilddrüse ist absolut indiziert bei konkretem Verdacht auf einSchilddrüsenkarzinom sowie bei mechanischer Beeinträchtigung benachbarter Strukturen (Einengung derLuftröhre über 50 %,Tracheomalazie, Einengung oder Verlagerung derSpeiseröhre,obere Einflussstauung). Eine relativeIndikation besteht bei Wachstumstendenz der Schilddrüse trotz medikamentöser Therapie,kalten Knoten ohne konkretenMalignomverdacht und bei dystopem Schilddrüsengewebe sowie aus kosmetischen Gründen.[11]
Die Schilddrüsenoperation wird in der Regel durchgeführt als:
- Strumaresektion (Teilentfernung der Schilddrüse) bei jeder gutartigen (benignen) Knotenstruma
- Thyreoidektomie (vollständige Entfernung aller sichtbaren Anteile der Schilddrüse) bei vorbekanntem oder intraoperativ gesichert bösartigem Tumor (Malignom)
- Hemithyreoidektomie (vollständige Entfernung aller sichtbaren Anteileeines Schilddrüsenlappens) bei einseitig vorliegenden (multiplen oder solitärem) Schilddrüsenknoten mit gesunder Gegenseite
Seltene, aber typischeKomplikationen aller Schilddrüsenoperationen sind die Schädigung des Stimmbandnervs (Rekurrensparese) und eine postoperative Unterfunktion derNebenschilddrüsen (Hypoparathyreoidismus). Das Risiko für diese Komplikationen ist bei einem Zweiteingriff und bei Operationen bösartiger Tumoren der Schilddrüse höher. Durch den Einsatz spezieller Geräte zur intraoperativen Darstellung desNervus laryngeus recurrens (Neuromonitoring) kann die Häufigkeit der Stimmbandnerven-Lähmung bei allen Schilddrüsenoperationen deutlich vermindert werden und liegt in der Hand des erfahrenen Chirurgen bei unter 1 %. Sehr selten treten Nachblutungen, Schädigungen desNervus laryngeus superior und Wundinfektionen nach einer Schilddrüsenoperation auf.
Die verschiedenen Schilddrüsenoperationen beseitigen nicht die Ursache der Strumabildung, sondern verstärken im Gegenteil durch die Verminderung der körpereigenen Möglichkeiten zur Bereitstellung von Schilddrüsenhormonen noch die Wachstumsreize auf das Restgewebe der Schilddrüse. Daher wird als Vorbeugung (Prophylaxe) eines erneuten Schilddrüsenwachstums und einer erneuten Knotenbildung nach der Operation eine meist lebenslange Kombinationsbehandlung mit Jodid undL-Thyroxin gefordert (sieheMedikamentöse Therapie).
Radiojodtherapie
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Hauptartikel:Radiojodtherapie
Die Radiojodtherapie ist ein wirksames Verfahren zur Verkleinerung der Schilddrüse und zur Ausschaltungautonomer Areale sowie zur Behandlung derBasedow-Krankheit. Außerdem wird sie bei der Behandlung derStruma maligna nach zuvor erfolgter Operation eingesetzt. Sie spielt zur Behandlung der gutartigen Struma mit normaler Funktion (blande Struma) eine untergeordnete Rolle, kommt aber zum Einsatz, wenn eine Operation nicht gewollt oder nicht möglich ist.
Vorbeugung
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Zur allgemeinen Vorbeugung (Prophylaxe) der Schilddrüsenvergrößerung werden in zahlreichen Ländern dasSpeisesalz sowie zunehmend auch weitere Lebensmittel und bestimmte Sorten anFuttermittel für verschiedene Nutztiere mit Jod angereichert. Dadurch ist die Jodversorgung der Bevölkerung in den betroffenen Ländern deutlich besser geworden und die Häufigkeit der Struma ist vor allem bei Kindern und Jugendlichen stark zurückgegangen.
Eine Häufung vonAutoimmunerkrankungen der Schilddrüse durch das erhöhte Jodangebot wird diskutiert. So finden sich nach Einnahme von mehr als 500 µg Jod pro Tag über ein Jahr zwar gehäuft Schilddrüsen-Autoantikörper im Blut, aber nicht gehäuft eineHypothyreose.[12] DasBundesinstitut für Risikobewertung (BfR) „sieht kein erhöhtes Risiko für die Verschlimmerung von Schilddrüsen-Erkrankungen oder gar für die Auslösung von Folgeerkrankungen durch die derzeitige Praxis der Verwendung von Jodsalz im Haushalt, in der Gemeinschaftsverpflegung und insbesondere auch bei der Herstellung von Back- und Fleischwaren. Dies gilt auch für den Verzehr von jodhaltigen tierischen Lebensmitteln wie Milch, Käse, Eier oder Fleisch infolge der Jodierung von Futtermitteln.“[13]
EineIndikation zu einer darüberhinausgehenden Gabe von Jodid (in Tablettenform) besteht bei Personen, in deren Familien bereits zu einem früheren Zeitpunkt eine Struma aufgetreten war (positiveFamilienanamnese), währendSchwangerschaft undStillzeit sowie nach Abschluss einer medikamentösen Therapie. Für Kleinkinder und Kinder bis 10 Jahre werden 100 µg/Tag empfohlen, für Kinder über 10 Jahre und Erwachsene 150 bis 250 µg/Tag.
Medizingeschichte
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Älteste Hinweise auf Kropfleiden sind über 4000 Jahre alt und finden sich in China, Indien und Ägypten. In Mitteleuropa war schon früh bekannt, dass es regionale Unterschiede in der Häufigkeit gab. So beschriebVitruv bereits um das Jahr 16 n. Chr. das Vorkommen von Kröpfen bei den Bewohnern derAlpen und derSabiner Berge. Er vermutete die Ursache im Wasser.
Der ChineseSun Si Miao hat bereits im 7. Jahrhundert n. Chr. Strumatherapien mit Arzneien aus tierischen Schilddrüsen durchgeführt. Diese sollen der Quellenlage zufolge zu einer Verkleinerung der Struma geführt haben.[14]
Im 16. Jahrhundert schrieb auchParacelsus[15][16] über den Kropf und war einer der ersten Ärzte, die einen Zusammenhang mit dem Krankheitsbild desKretinismus sahen.[17][18]
Der schottische PhilosophDavid Hume beschrieb 1748 schockiert seine Eindrücke aus derSteiermark: „So ansprechend das Land in seiner Rauheit ist, so wild, entstellt und monströs sind die Bewohner in ihrer Erscheinung. Sehr viele von ihnen haben hässliche geschwollene Hälse. Kretins und Taubstumme tummeln sich in jedem Dorf herum. Der allgemeine Anblick der Leute ist der schockierendste, den ich jemals gesehen habe.“[19]
Wie schon Vitruv, vermutete A. Wichmann 1790[20] die Ursache für den Kropf im Trinkwasser. Weitere, im 19. Jahrhundert publizierte Vermutungen über die Ätiologie des Kropfes waren klimatische Bedingungen, Ausmaß der Sonnenstrahlung, der Luftfeuchtigkeit (so Gosse 1853[21]) und des Sauerstoffgehaltes sowie (so R. Heidenreich 1845) ein Einfluss des Mondes und Auswirkungen der sozialen und ökonomischen Lage. Auch Bakterien und andere Mikroorganismen im Trinkwasser wurden als Ursache diskutiert.[22][23]
Im Jahr 1791 führtePierre-Joseph Desault als vermutlich erster Arzt die operative Entfernung eines vergrößerten Schilddrüsenlappens durch. Erste systematische Untersuchungen zur regionalen Verteilung der Struma gab es 1845 im Königreich Sardinien. Nicht nur in den Alpenländern, sondern auch im Norden Europas finden sich Kropfbildungen.[24][25]
Erste Therapieversuche mit dem kurz zuvor entdeckten Jod führte 1820Jean-Francois Coindet (1774–1834), nachdem er 1818Jean-Baptiste Dumas mit der chemischen Untersuchung verkohlterSchwämme auf Jodgehalt und dieser Jodtinktur und Kaliumjodid als Arzneimittel vorgeschlagen[26] hatte, in der Schweiz durch und fand eine günstige Wirkung bei Kropf.[27] Andere Mediziner empfahlen um diese Zeit Meerwasserumschläge, Einreibungen mit Natrium-Hydrojodicum sowie zur innerlichen Anwendung denMeerschwamm.[28] Ab 1850 wurden in Frankreich Jodgaben zur Prophylaxe (Vorbeugung) versucht. Aufgrund einer viel zu hohen Dosierung gab es aber zum Teil tödlich endende Therapieverläufe. In den 1850er Jahren hieltLouis Pasteur den Kropf für eineInfektionskrankheit.Moritz Schiff führte 1880 Versuche mit Schilddrüsenextrakten von Schafen durch. 1901 behandeltePhilipp Schech Kropfpatienten mit „Thyrojodin“, Schilddrüsensubstanzen von Hammel oder Schwein.
In der Schweiz führtenOtto Bayard 1918 imMattertal undHans Eggenberger 1922 imKanton Appenzell Ausserrhoden das richtig dosierteJodsalz ein. 1924 wurde entsprechendes Jodsalz auch in denUSA, 1963 inÖsterreich und 1976 in der Bundesrepublik Deutschland eingeführt, wobei in der Bundesrepublik Deutschland dieses bis 1981 mit dem Warnhinweis „Nur bei ärztlich festgestelltem Jodmangel zu verwenden“ versehen war. Ab 1983 wurde in derDDR das Speisesalz flächendeckend jodiert. Übergangsregelungen für die neuen Bundesländer galten bis 1991.
Kulturelle Aspekte
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Zu früheren Zeiten dachte man, die Ursache eines Kropfes liege in erlittenem Ärger und dem damit verbundenen Anhalten des Atems. Aus dieser Vorstellung resultieren verschiedeneRedensarten.Sich den Kropf leeren bedeutet seine Meinung sagen, allen Ärger ablassen.Etwas ist überflüssig wie ein Kropf weist auf den hinderlichen Charakter einer Sache hin.[29] Eine Verwendung dieser Redensart stammt aus der Sozialdemokratischen Bibliothek, Band 3, von 1890: „Ein solcher Bourgeois, für die menschliche Gesellschaft, für den Staatso überflüssig wie ein Kropf, so schädlich wie ein fressendes Krebsgeschwür, herrscht eben in diesem Staat …“[30]
Die GemeindeRiehen erhielt wegen des bis weit ins 20. Jahrhundert häufigen Auftretens des Kropfes den ÜbernamenChropfheim.[31]
DasKropfband ist als Schmuckstück Teil derbayerischen und österreichischenTracht. Seinen Ursprung soll das Kropfband imSalzburger Land haben. Der dortige Jodmangel führte seit Jahrhunderten gehäuft zur Vergrößerung der Schilddrüse. Mindestens seit dem 19. Jahrhundert wurden von den Frauen zu festlichen Anlässen Kropfbänder getragen, die entweder den Kropf selbst oder aber die Narben nach einer Kropfoperation verdecken sollten.[32]
Literatur
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Lothar-Andreas Hotze, Petra-Maria Schumm-Draeger:Schilddrüsenkrankheiten. Diagnose und Therapie. BMV, Berlin 2003,ISBN 3-88040-002-4.
- Christian Hessler:Schilddrüse. In: Franz Xaver Sailer, Friedrich Wilhelm Gierhake (Hrsg.):Chirurgie historisch gesehen: Anfang – Entwicklung – Differenzierung. Dustri-Verlag, Deisenhofen bei München 1973,ISBN 3-87185-021-7, S. 200–203
- Wieland Meng:Schilddrüsenerkrankungen. Pathophysiologie - Diagnostik - Therapie; mit 57 Tabellen. G. Fischer, Jena 1992,ISBN 3-334-60392-X.
- Franz Merke:Geschichte und Ikonographie des endemischen Kropfes und Kretinismus. Bern u. a. 1971.
- Torsten Kuwert:Schilddrüse. In: Torsten Kuwert,Frank Grünwald,Uwe Haberkorn, Thomas Krause (Hrsg.):Nuklearmedizin. Georg Thieme Verlag, Stuttgart 2008,ISBN 978-3-13-118504-4.
- J. Larry Jameson, Anthony P. Weetman (für die deutsche Ausgabe: Jens Zimmermann und George Kahaly):Erkrankungen der Schilddrüse. In: Manfred Dietel, Joachim Dudenhausen, Norbert Suttorp (Hrsg.):Harrisons Innere Medizin. Mc-Graw-Hill, London, ABW Wiss. Verl. Berlin 2009,ISBN 3-936072-10-8.
- Bronchocele. In:Johann Heinrich Zedler:Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste. Band 4, Leipzig 1733, Sp. 1466–1468.
Weblinks
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Geschichtlicher Überblick bei schilddruesenguide.de
Einzelnachweise
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- ↑EintragStruma auf duden.online.
- ↑Ursus-Nikolaus Riede, Martin Werner, Hans-Eckart Schäfer (Hrsg.):Allgemeine und spezielle Pathologie. Thieme, Stuttgart 2004. S. 1014.ISBN 3-13-683305-8
- ↑Lothar-Andreas Hotze, Petra-Maria Schumm-Draeger:Schilddrüsenkrankheiten. Diagnose und Therapie. Berlin 2003,ISBN 3-88040-002-4, S. 152
- ↑Veraltete Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Kinderchirurgie: Struma (Memento vom 31. März 2008 imInternet Archive)
- ↑R. Hörmann:Schilddrüsenkrankheiten. ABW-Wissenschaftsverlag, 4. Auflage 2005, Seite 15–37.ISBN 3-936072-27-2
- ↑Lothar-Andreas Hotze, Petra-Maria Schumm-Draeger:Schilddrüsenkrankheiten. Diagnose und Therapie. Berlin 2003,ISBN 3-88040-002-4, S. 149
- ↑Christoph Reiners et al.:Prevalence of thyroid disorders in the working population of Germany. (PDF; 152 kB); abgerufen am 8. Mai 2017
- ↑Lothar-Andreas Hotze, Petra-Maria Schumm-Draeger:Schilddrüsenkrankheiten. Diagnose und Therapie. Berlin 2003,ISBN 3-88040-002-4, S. 149ff
- ↑Strumedical. In:Münchener Medizinische Wochenschrift. Band 95, Nr. 1, 2. Januar 1953, S. XXXV (Anzeige).
- ↑Dagmar Führer, Andreas Bockisch, Kurt Werner Schmid:Euthyreote Struma mit und ohne Knoten – Diagnostik und Therapie. In:Deutsches Ärzteblatt, 2012, 109(29–30), S. 506–516.doi:10.3238/arztebl.2012.050
- ↑G. Heberer, L. Schweiberer:Indikation zur Operation. Springer-Verlag, 2013,ISBN 978-3-642-87054-5 (Volltext in der Google-Buchsuche).
- ↑R. Gärtner:Hat Jod einen Einfluss auf die Entstehung und den Verlauf einer Hashimoto-Thyreoiditis? Jodversorgung aktuell 2007
- ↑Bundesinstitut für Risikobewertung (PDF; 146 kB)
- ↑Cheng-Tsai Liu, Liu Zheng-cai, Ka Hua:A Study of Daoist Acupuncture & Moxibustion. 1999,ISBN 1-891845-08-X, S. 20–21
- ↑Karl Sudhoff (Hrsg.):Theophrast von Hohenheim, gen. Paracelsus: Sämtliche Werke. Abt. I: Medizinische, naturwissenschaftliche und philosophische Schriften. 14 Bände, München und Berlin 1922–1933; hier: Band IV, S. 222–225.
- ↑Joseph S. Strebel (Hrsg.):Paracelsus: Sämtliche Werke. Sankt Gallen 1944–1949; hier: Band II, S. 227–233.
- ↑Paul Cranefield, Walter Federn:Paracelsus in goiter and cretinism: a translation and discussion of „De Struma, Vulgo Der Kropf“. In:Bulletin of the History of Medicine 37, 1963, S. 463–471.
- ↑J. S. Strebel:Paracelsus über Kropf und Kropfentstehung. In:Nova Acta Paracelsica 6, 1952, S. 10–18.
- ↑Ernest Campbell Mossner:The Life of David Hume. 2. Auflage. Clarendon Press, Oxford 1980,ISBN 0-19-924336-0,S. 338 (englisch):... as much as the Country is agreeable in its Wildness; as much are the Inhabitants savage & deform'd & monstrous in their Appearance. Very many of them have ugly swelld Throats: Idiots, & Deaf People swarm in every Village; & the general Aspect of the People is the most shocking I ever saw.
- ↑A. Wichmann:Ideen zur Diagnostik. Band 1. 1794, S. 107.
- ↑J. Gosse:De l’étiologie du goitre et du crétinisme. Genf 1853.
- ↑Eugen Bircher:Die Ätiologie des endemischen Kropfes. In:Ergebnisse der Chirurgie und Orthopädie. Band 5, 1913, S. 133.
- ↑Christian Hessler:Schilddrüse. 1973, S. 201 f.
- ↑Isidor Greenwald:The history of goitre in the Netherlands. In:Janus 49, 1960, S. 285–299.
- ↑Isidor Greenwald:Notes on the history of goitre and of thyrotoxicosis in Denmark. In:Centaurus 12, 1968, S. 192–196.
- ↑Albert Faulconer, Thomas Edward Keys:Jean Baptiste André Dumas. In:Foundations of Anesthesiology. 2 Bände, Charles C Thomas, Springfield (Illinois) 1965, Band 1, S. 459.
- ↑Otto Westphal,Theodor Wieland, Heinrich Huebschmann:Lebensregler. Von Hormonen, Vitaminen, Fermenten und anderen Wirkstoffen. Societäts-Verlag, Frankfurt am Main 1941 (=Frankfurter Bücher. Forschung und Leben. Band 1), S. 9–35 (Geschichte der Hormonforschung), hier: S. 21–24 (Die Schilddrüse).
- ↑Christian Hessler:Schilddrüse. 1973, S. 201.
- ↑Lutz Röhrich:Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten. Freiburg 2006,ISBN 978-3-451-05400-6
- ↑Sozialdemokratische Bibliothek, Band 3 (1890)
- ↑Luzia Knobel:Kropf. In: Gemeinde Lexikon Riehen
- ↑Kropfband bei planet-wissen.de