Steffen Woas

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Woas (Mitte) im Jahr 1986 in der südwestdeutschen StadtEppingen im Gespräch mit den beiden Geologen Günter Fuchs (1935–1989; links) undLászló Trunkó (1935–2022; rechts).

Steffen Woas (*1944) ist eindeutscherBiologe, der sich aufMilbenkunde (Acarologie) spezialisiert hat. Er gilt als einer der führenden Experten in Hinblick auf dieOrdnung derHornmilben (Oribatida).

Inhaltsverzeichnis

Leben

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Ausbildung

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Woasimmatrikulierte sich 1966 für ein Studium an derChristian-Albrechts-Universität zu Kiel. Dort belegte er Kurse inZoologie,Botanik,Geologie sowie – beiKarl KrömmelbeinPaläontologie und erhielt 1970 seinDiplom. Betreut vonDoktorvaterReinhart Schuster (1930–2023) wurde er schließlich 1975 mit der acarologischenDissertationBeitrag zurMorphologie,Taxonomie undPhylogenie derGattung HermanniaNicolet zumDr. rer. nat.promoviert.[1][A 1][A 2]

Berufliche Karriere

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Den Einstieg ins außerakademische Berufsleben fand er 1975 als Biologielehrer amPrivatgymnasiumKönigshofen in derhessischenTaunusgemeindeNiedernhausen, wo er bis 1977 blieb. Zwischen 1978 und 2001 war er dann zunächst alswissenschaftlicher Volontär und anschließend alswissenschaftlicher Mitarbeiter in der Arbeitsgruppe für Bodenzoologie undTropenökologie vonLudwig Beck (1935–2022) amStaatlichen Museum für Naturkunde Karlsruhe[A 3] tätig. Unterbrochen wurde das Engagement inKarlsruhe von einem zweijährigen Aufenthalt zwischen 1985 und 1987 als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zoologischen Institut derEberhard-Karls-Universität Tübingen. Seit seinemVorruhestand 2001 ist er dem Naturkundemuseum Karlsruhe durch fortgesetzteehrenamtliche Tätigkeit im Referat für Zoologie verbunden.

Forschungsschwerpunkte

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„Er [Woas] trägt die Auseinandersetzung mit den theoretischen Konzepten der Taxonomie und Phylogenie und prägt die praktische taxonomische Arbeit der Gruppe mit seiner Formenkenntnis, mit kritischem Vorbehalt gegenüber jeder vorschnellen Kategorisierung und mit großem zeichnerischem Talent.“

Arbeitsgruppenleiter Ludwig Beck 1990 über Steffen Woas.[2]

Anfangs war Woas nicht ausschließlich acarologisch tätig und beschäftigte sich – seinem Studium entsprechend – mit unterschiedlichen biologischen Fragestellungen. So forschte er beispielsweise botanisch und publizierte im Jahr 1970 zusammen mitErnst-Wilhelm Raabe (1913–1982) einenBestimmungsschlüssel zu den inSchleswig-Holstein vorkommendenArten aus derPflanzengattung derKressen (Lepidium).[3] Erst in den darauffolgenden Jahren wandte er sich exklusiv den Milben zu.

Am Naturkundemuseum Karlsruhe erfolgten seine erstentaxonomischen undphylogenetisch-systematischen Arbeiten über Hornmilben im Rahmen des von derDeutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanzierten Projektes „Zur Rolle derBodenfauna beim Abbau derLaubstreu in einemBuchenwald“, für das man Langzeituntersuchungen im StadtwaldEttlingen beim StadtteilSchluttenbach durchführte.[4] In der ersten Hälfte der 1980er Jahre wurde dem Museum von der DFG darüber hinaus ein Antrag hinsichtlich dertaxonomisch-systematischen Bearbeitung mitteleuropäischer Hornmilben bewilligt. Somit konnte das Fach Bodenzoologie dort sowohl in seiner museumsspezifischen taxonomisch-systematischen Grundlage wie auch in seiner umweltbezogenen Anwendung intensiv bearbeitet werden.[4] Im Laufe der Jahrzehnte zeichnete Woas maßgeblich mit verantwortlich für den Aufbau und die Pflege derHornmilbensammlung des Karlsruher Naturkundemuseums. Diese umfasst etwa 250.000 Belege von über 950Taxa, darunterTypusexemplare von 60 Arten.

Ab 1995 war Woas in mehrere Forschungsprojekte auf Landes- und Bundesebene involviert, wobei ihm in allen Fällen die Untersuchung der Hornmilben oblag. So wirkte er beispielsweise zunächst im Jahr 1995 an einer Studie für dieLandesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg (LfU) mit, in der die Auswirkungen des Einsatzes vonDimilin undBacillus thuringiensis auf Struktur und Funktion der Bodenfauna analysiert wurden.[5] Ein Jahr darauf war er 1996 Mitautor einer ebenfalls für die LfU – diesmal für deren Zentralen Fachdienst für Wasser, Boden, Abfall und Altlasten – verfassten Literaturstudie, in deren Rahmen Arbeiten über das Vorkommen von Bodentieren, abhängig von physikalischen, chemischen und natürlich- sowie anthropogisch-biologischen Faktoren inBöden ausgewertet wurden. Dabei stellten die Wissenschaftler Klassifikationssysteme vonBodenbiozönosen vor und schlugen davon ausgehend Klassifizierungen vor, die an natürlichen Standorten geprüft worden waren.[6] Mit finanziellen Fördermitteln aus dem „Baden-Württemberg-Programm Lebensgrundlage Umwelt und ihre Sicherung“ (BWPLUS) entstand 2001 für dasForschungszentrum Karlsruhe eine bodenökologische Inventur und Beurteilung ausgewählter Standorte in Baden-Württemberg.[7]

Zeitlich teilweise überschneidend liefen auf Bundesebene imUmweltforschungsplan zwei Projekte für dasBundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) im Auftrag desUmweltbundesamtes. Woas war hierbei in die Beprobung von neun Standorten inBaden-Württemberg,Bayern,Rheinland-Pfalz,Hessen undNordrhein-Westfalen eingebunden. In dem bis Ende Juli 1999 abgeschlossenen ersten Projekt für denwissenschaftlichen BeiratBodenschutz beim BMU erarbeitete man auf der Basis sowohl bodenbiologisch definierter Kriterien als auch einer exemplarischen Erfassung derMeso- undMakrofauna anhand von acht Organismengruppen ein Konzept der bodenbiologischen Standortklassifikation (BBSK) für die Bewertung der imBundes-Bodenschutzgesetz aufgeführten natürlichenBodenfunktion „Lebensgrundlage und Lebensraum für Bodenorganismen“.[8] Diesem Vorhaben schloss sich bis Ende August 2001 eine Forschung des gleichen Teams zur Entwicklung von bodenbiologischen Bodengüteklassen für Acker- und Grünlandstandorte an.[9]

Ansichten zur Wissenschaftskultur

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Woas ist Befürworter desOpen Access für freien Zugang zuwissenschaftlicher Literatur und vehementer Kritiker der Beurteilung von Forschern lediglich anhand der Anzahl ihrer Publikationen. Darüber hinaus bemängelt er die – aus seiner Sicht – oftmals unzureichende Bereitschaft vieler Museen zur kostenfreien Ausleihe ihrer Sammlungsobjekte, wodurch effektive internationale Forschung erschwert werde. Zu den aufgrund ihrer taxonomischen Akkuratesse von ihm besonders hochgeschätzten Fachkollegen zählen der Franzose François Alfred Grandjean (1882–1975) sowie die Kanadierin Valérie M. Behan-Pelletier (* 1948). Demphylogenetischen Artkonzept steht Woas kritisch gegenüber, da mit diesem seiner Meinung nach zu rasch und zu zahlreich neue Arten beschrieben würden.

Ehrungen

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In Anerkennung seiner Leistungen im Bereich der Hornmilbentaxonomie wurden bislang zweiMilbenarten und eine-gattung beziehungsweise -untergattung nach Steffen Woasbenannt:

Publikationen (Auswahl)

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Seit Anfang der 1970er Jahre veröffentlichte Woas Aufsätze und Kapitel in zahlreichen nationalen und internationalenwissenschaftlichen Fachzeitschriften undSammelwerken – beispielsweise in denKieler Notizen zur Pflanzenkunde in Schleswig-Holstein in denAbhandlungen und Berichten desNaturkundemuseums Görlitz, in denVerhandlungen der Gesellschaft für Ökologie, inFreiburger Forstliche Forschung, in derCarolinea, imAndrias, imEuropean Journal of Soil Biology, inPedobiologia, imJournal of Biogeography, in denScientific Reports, inAcarologia, inSystematic & Applied Acarology, inZoologica, inAmazoniana, in derRevista Brasileira de Biologia sowie inGenus.

Beiträge in internationalenSammelwerken

  • Elizabeth Franklin; Joachim Adis; Steffen Woas:The Oribatid mites. In: Wolfgang J. Junk (Hrsg.):The Central Amazon floodplain. Ecology of a pulsing system. In der Reihe: „Ecological Studies“, Band 126.Springer-Verlag, 1997,ISBN 978-3-540-59276-1, Seiten 331–349.
  • Steffen Woas:Mosaikverteilung der Merkmale basaler Höherer Oribatiden. Die Gattungen Passalozetes und Scutovertex (Acari, Oribatei). In: Ernst Ebermann (Hrsg.):Arthropod biology. Contributions to morphology, ecology and systematics. In der Reihe: „Biosystematics and Ecology Series“, Band 14.Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften,Wien, 1998, Seiten 291–313.
  • Steffen Woas:Acari: Oribatida. Morphological organization and systematic groups of Oribatida. In: Joachim Adis (Hrsg.):Amazonian Arachnida and Myriapoda. Pensoft-Verlag,Sofia, 2002,ISBN 978-954-642-118-0, Seiten 21–291.
  • Andreas Prinzing; Steffen Woas:Habitat use and stratification of collembola and oribatid mites. In: Yves Basset; Vojtech Novotny; Scott E. Miller; Roger L. Kitching (Hrsg.):Arthropods of tropical forests. Spatio-temporal dynamics and resource use in the canopy.Cambridge University Press, 2003,ISBN 978-0-521-08784-1, Seiten 271–281.
  • Ludwig Beck; Jörg Römbke; Franziska Meyer; Jörg Spelda; Steffen Woas:Bodenfauna. In: Marc Meyer; Evelyne Carrières (Hrsg.):Erfassung der Biodiversität imWaldgebiet „Schnellert“ (GemeindeBerdorf). Travaux scientifiques du Musée national d’histoire naturelle, Luxembourg, 2007, Seiten 67–130.

Weiterführend

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Anmerkungen

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  1. Reinhart Schuster war zwischen 1967 und 1971 Professor für Zoologie in Kiel und wechselte dann an dieUniversität Graz. Seine in Kiel begonnenen Promotionsbetreuungen führte er aber zu Ende.
  2. DieMilbengattungHermanniaNicolet, über die Woas promovierte, ist vom SchweizerEntomologen undArachnologenHercule Nicolet (1801–1872) nach dem französischen Naturforscher und MedizinerJean-Frédéric Hermann (1768–1793) benannt worden. In derbiologischen Nomenklatur ist es üblich, den Namen des benennenden Autors an den wissenschaftlichen Namen des jeweiligenTaxons anzuhängen.
  3. Das Museum durchlief während Woas’ Berufsleben mehrere Namenswechsel: Als er dort 1978 seine Arbeit aufnahm, war es zunächst noch alsLandessammlungen für Naturkunde bekannt. Im Januar 1979 wurde der ZusatzMuseum amFriedrichsplatz beigefügt und später hieß es schlichtNaturkundemuseum Karlsruhe. Im Zug der Umwandlung in einenLandesbetrieb desLandesBaden-Württemberg trägt es seit dem 1. Januar 2009 die offizielle BezeichnungStaatliches Museum für Naturkunde Karlsruhe. Umgangssprachlich ist aber nach wie vor die Benennung alsNaturkundemuseum Karlsruhe am geläufigsten.

Einzelnachweise

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  1. Ernst Ebermann:Reinhart Schuster – Forscher und Lehrer. In: Entomologica Austriaca. Band 18, 2011, Seiten 181–195.
  2. Ludwig Beck:Bodenzoologie und Taxonomie in Karlsruhe. Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Friedrich Schaller zum 70. Geburtstag gewidmet. In: Andrias. Band 7: „Taxonomie und Phylogenie von Arthropoden“, 1990, Seiten 5–8.
  3. Ernst-Wilhelm Raabe; Steffen Woas:Bestimmungsschlüssel der Lepidium-Arten Schleswig-Holsteins. In: Kieler Notizen zur Pflanzenkunde. Band 2/8, 1970, Seiten 14–15.
  4. abLudwig Beck:25 Jahre in der Geschichte des Staatlichen Museums für Naturkunde Karlsruhe – Berichte aus den Abteilungen. Die zoologische Abteilung. In: Carolinea. Band 58, 2000, Seiten 51–59.
  5. Ludwig Beck; Jörg Römbke; Andrea Ruf; Michael Scheurig; Steffen Woas:Auswirkungen des Einsatzes vonDimilin undBacillus thuringiensis auf Struktur und Funktion der Bodenfauna. Bericht für dieLfU Karlsruhe. ECT Oekotoxikologie GmbH,Flörsheim am Main, 1995, 57 Seiten.
  6. Jörg Römbke; Ludwig Beck; Bernd Förster; Heinz-Christian Fründ; Franz Horak; Andrea Ruf; Krzysztof Rosciczweski; Michael Scheurig; Steffen Woas:Handbuch Boden. Boden als Lebensraum für Bodenorganismen: bodenbiologische Standortklassifikation. Literaturstudie. In der Reihe: „Texte und Berichte zum Bodenschutz“, Band 4.Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg (Hrsg.), Karlsruhe, 1997,ISBN 3-88251-251-2, 403 Seiten.
  7. Ludwig Beck; Jörg Römbke; Roland Paulus; Andrea Ruf; Michael Scheurig; Jörg Spelda; Steffen Woas:Bodenfauna und Umwelt. Bodenökologische Inventur und Beurteilung von ausgewählten Standorten in Baden-Württemberg. Karlsruhe, Mai 2001, 132 Seiten.
  8. Jörg Römbke; Peter Dreher; Ludwig Beck; Wolfram Hammel; Kerstin Hund; Harald Knoche; Werner Kördel; Werner Kratz; Thomas Moser; Silvia Pieper; Andrea Ruf; Jörg Spelda; Steffen Woas (2000):Bodenbiologische Bodengüte-Klassen. In der Reihe des Umweltbundesamtes: „Texte“, Band 6/2000. Forschungsbericht des Umweltforschungsplans 297 74 006/01-02, Umweltbundesamt-Forschungsbericht 000033. Berlin, April 2000, 276 Seiten.
  9. Jörg Römbke; Peter Dreher; Ludwig Beck; Kerstin Hund-Rinke; Stephan Jänsch; Werner Kratz; Silvia Pieper; Andrea Ruf; Jörg Spelda; Steffen Woas:Entwicklung von bodenbiologischen Bodengüteklassen für Acker- und Grünlandstandorte. In der Reihe des Umweltbundesamtes: „Texte“, Band 20/2002. Forschungsbericht des Umweltforschungsplans 299 74 294, Umweltbundesamt-Forschungsbericht 000268. Berlin, Mai 2002, 273 Seiten.
  10. Carlos Pérez-Íñigo Quintana:Oribatid mites (Acari, Oribatei) from the Azores Islands, II. In: Açoreana. Band 7, № 3, 1992, Seiten 345–370.
  11. abElizabeth Franklin; Steffen Woas:Some oribatid mites of the family Oppiidae (Acari; Oribatei) from Amazonia. In: Andrias. Band 9: „Taxonomie und Phylogenie von Arthropoden“, 1992, Seiten 5–56.
  12. János Balogh; Péter Balogh:Identification keys to the oribatid mites of the extra-holarctic regions. I. Well-Press Publishing,Miskolc, 2002,ISBN 963-86251-8-X.
  13. Sergey G. Ermilov; Umukusum Ya. Shtanchaeva; Luis S. Subías; Alexander E. Anichkin:The oribatid mite genus Hammerella, with description of a new subgenus and species from Vietnam (Acari: Oribatida: Granuloppiidae). In: Acarina. Band 20, № 2, 2012, Seiten 159–166.
  14. Elizabeth A. Hugo-Coetzee:New species of Aleurodamaeus Grandjean, 1954 (Oribatida: Aleurodamaeidae) from South Africa. In:Zootaxa. Band 3670, № 4, Seiten 531–556.
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Personendaten
NAMEWoas, Steffen
KURZBESCHREIBUNGdeutscher Milbenforscher
GEBURTSDATUM1944
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