DieStändige Impfkommission, kurzSTIKO (amtliche Bezeichnung:Ständige Impfkommission am Robert Koch-Institut), ist eine ehrenamtliche, derzeit 18-köpfige Expertengruppe in der Bundesrepublik Deutschland, die beimRobert Koch-Institut (RKI) inBerlin angesiedelt ist. Die Kommission trifft sich zweimal jährlich, um sich mit den gesundheitspolitisch wichtigen Fragen zu Schutzimpfungen undInfektionskrankheiten inForschung und Praxis zu beschäftigen und entsprechende Empfehlungen (darunter auch den jeweils gültigenImpfkalender) herauszugeben. Die Empfehlungen der STIKO, die in der Regel jährlich imEpidemiologischen Bulletin des RKI veröffentlicht werden, dienen denLändern als Vorlage für ihreöffentlichen Impfempfehlungen.
Die STIKO wurde 1972 am damaligenBundesgesundheitsamt (BGA) in Berlin eingerichtet. Nach derWiedervereinigung erlangte das damaligeBundes-Seuchengesetz Gültigkeit in denNeuen Ländern, die STIKO wurde mit Experten aus den neuen Ländern erweitert.[1] DieGesundheitsministerkonferenz beschloss 1991, dass die Empfehlungen der STIKO offiziell in allen Ländern als Grundlage dienen sollen.[1] Nach der Auflösung des BGA 1994 wurde die STIKO dem Robert Koch-Institut angegliedert.[1] Sie gehört somit zum Geschäftsbereich desBundesministeriums für Gesundheit.
Rechtsgrundlage für die Einrichtung der STIKO ist dasInfektionsschutzgesetz (§ 20 Absatz 2 IfSG), sie wurde damit 2001 dort verankert. An den Sitzungen der Kommission dürfen neben den Mitgliedern der STIKO auch Experten des Bundes- und der Landesgesundheitsministerien, des Robert Koch-Instituts und desPaul-Ehrlich-Instituts in beratender Funktion teilnehmen.[2]
DerBundesgerichtshof entschied 2017,[3] dass die STIKO Nutzen und Risiken von Impfungen beurteilen könne, die Impfempfehlungen gelten als „medizinischer Standard“.[4]
Das Bundesgesundheitsministerium beschränkte 2023 die maximale Dauer der Berufung in die STIKO auf 9 Jahre bzw. 3 jeweils dreijährige Berufungsperioden. Diese Begrenzung haben 12 der gegenwärtigen 17 STIKO-Mitglieder bereits überschritten, darunter der damalige STIKO-VorsitzendeThomas Mertens. Diese Mitglieder mussten die STIKO daher 2024 verlassen. Mitglieder der STIKO berichteten, sie seien von dieser Änderung „sehr überrascht worden“ und teilten dem Ministerium mit, dass diese Änderung „für die Qualität der Arbeit nicht gut“ sei.[5] Seit März 2024 istReinhard Berner Vorsitzender der STIKO.[6]
Aufgabe der Kommission ist es, auf wissenschaftlicher Grundlage Empfehlungen für die notwendigen Schutzimpfungen in Deutschland vorzubereiten. 1972 veröffentlichte sie als erste Empfehlung die Einhaltung bestimmter Abstände zwischen verschiedenen Impfungen.[7] In den darauf folgenden Jahren gab die STIKO dann erste Impfempfehlungen für Masern (1974)[8], Tollwut (1974)[9] sowie Keuchhusten (1975)[10] heraus, bis sie schließlich 1976[11] den erstenImpfkalender erstellte. Aufgrund der Bedeutung ihrer Impfempfehlungen wurde die STIKO mit demInfektionsschutzgesetz ab dem Jahr 2001 gesetzlich verankert. Entsprechend der Zielsetzung des Infektionsschutzgesetzes sind dabei insbesondere Schutzimpfungen mit Bedeutung für den öffentlichen Gesundheitsschutz relevant. Aktuell äußert sich die Stiko auch zu den Impfungen anlässlich des Einsatzes derCOVID-19-Impfstoffe.[12]
Wirtschaftliche Kosten-Nutzen-Bewertungen gehören nicht zum gesetzlichen Auftrag der STIKO und sind keine primäre Entscheidungsgrundlage für Impfempfehlungen. Die Empfehlungen erfolgen insbesondere auf der Basis von Wirksamkeitsangaben und Informationen zu möglichen Impfrisiken sowie unter Einbeziehung der epidemiologischen Nutzen-Risiko-Abwägung (§ 1 Geschäftsordnung der Ständigen Impfkommission beim Robert Koch-Institut[13]). Darüber hinaus entwickelt die STIKO Kriterien zur Abgrenzung einer üblichenImpfreaktion und einer über das übliche Maß hinausgehendengesundheitlichen Schädigung.
Von der STIKO empfohlene Impfungen werden nach Umsetzung durch denGemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) in einer Richtlinie gem.§ 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 15 SGB V von denKrankenkassen bezahlt (§ 20i Abs. 1 Satz 3 SGB V). Wenngleich die Empfehlungen der STIKO bisher weit überwiegend vom G-BA übernommen wurden, finden sich jedoch zum Teil leicht unterschiedliche Formulierungen und Unterschiede in den Richtlinien.[14]
Die Mitglieder werden für jeweils drei Jahre vom Bundesministerium für Gesundheit imBenehmen mit den obersten Landesgesundheitsbehörden in das Gremiumberufen.[15] Die Anzahl der Mitglieder ist gesetzlich nicht normiert.[16]
Im Februar 2024 gab das Bundesgesundheitsministerium die Zusammensetzung des Gremiums für die nächste Dreijahresperiode bekannt.[17] Neu ist die Erweiterung um die Expertise in den Bereichen Modellierung und Kommunikation.[18]
Die neue STIKO kam am 12. und 13. März 2024 zu ihrer konstituierenden Sitzung zusammen und wählte dabei auch als VorsitzendenKlaus Überla und als seine Stellvertreterin Marianne Röbl-Mathieu.[19] Im Oktober 2024 legte Überla aus persönlichen und beruflichen Gründen seine Mitgliedschaft in der STIKO und damit auch den Vorsitz der Kommission nieder. Diesen übernahmReinhard Berner.[20]
Folgende Mitglieder gehören der Kommission an:
Nicht mehr Mitglied seit Oktober 2024:Klaus Überla, Virologisches Institut Klinische und Molekulare Virologie,Universitätsklinikum Erlangen
Von den insgesamt 18 Mitgliedern gehörten mit Jörg J. Meerpohl, Marianne Röbl-Mathieu, Gudrun Widders und Ursula Wiedermann vier bereits der vorherigen Kommission an.
In den Jahren 2007–2009 wurde den Mitgliedern der STIKO von einigen Kritikern mangelnde finanzielle Unabhängigkeit von der pharmazeutischen Industrie sowie mangelnde Transparenz bei Arbeitsweise und Nebentätigkeiten vorgeworfen.[21][22][23]
Ende Oktober 2008 wurde auf die Vorwürfe reagiert und die Geschäftsordnung geändert, um Zweifel an der Unvoreingenommenheit zu beseitigen; außerdem soll verhindert werden, dass „persönliche Auffassungen, Interessenkonflikte oder Lobbyisten der Impfstoffhersteller Einfluss auf die Entscheidungen“ nehmen können.[24] So müssen mittlerweile STIKO-Mitglieder vor jeder Sitzung alle möglichen Verbindungen zu Pharmakonzernen umfassend offenlegen.[24] Bei Zweifel dürfen STIKO-Mitglieder nicht an der Beratung teilnehmen:
„Ein Mitglied, bei dem ein sonstiger Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen eine unparteiische Amtsausübung zu rechtfertigen (Besorgnis der Befangenheit), darf insoweit nicht an der Beratung und Beschlussfassung der Kommission mitwirken.“
Seit 2008 gibt es im Berufsfeld der Veterinärmedizin eineStändige Impfkommission Veterinärmedizin (StIKo Vet.), welche beimBundesverband praktizierender Tierärzte e. V. angesiedelt ist[26] und Impfempfehlungen für Pferde, Hunde, Katzen, Kaninchen, Frettchen usw. ausarbeitet.
In Deutschland sind von derDeutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) für Turnierpferde Impf-Intervalle von sechs Monaten gegenPferdeinfluenza und zwei Jahren gegenTetanus vorgeschrieben.[27] In der Schweiz ist vomSchweizerischen Verband für Pferdesport (SVPS) für Sportpferde die jährliche Wiederholungsimpfung gegen Pferdeinfluenza und Tetanus vorgeschrieben.
Im Jahre 2007 gab es imLandtag von Baden-Württemberg kritische Stimmen bezüglich der Impfvorschriften für Turnierpferde.[28] Fachautoren hinterfragten die kurzen Impfintervalle am Beispiel von Pferden.[29] DieHerpesimpfung für Pferde ist (Stand 2012) unter Medizinexperten nicht unumstritten.[30]
Neben der STIKO haben einzelne Länder eigene Impfkommissionen eingerichtet.