Fast alle Staaten betreiben Spionage (z. B. Deutschland durch denBundesnachrichtendienst, BND), bestrafen aber die gegen das eigene Land gerichtete Spionage (z. B. Deutschland nach §§ 93 bis 101aStGB, sieheLandesverrat).
Des Weiteren gibt es im Bereich derWirtschaft, derFirmen undKonzerne dieWirtschaftsspionage und es gibt den Beruf des (Privat-)Detektivs, der sich auch nachrichtendienstlicher Techniken und Methoden bedient. Im allgemeinen Sprachgebrauch ist entsprechend auch von Ausspionieren undBespitzeln die Rede.
Das WortSpion wurde im 16. Jahrhundert aus dem Italienischenspione ‚Beobachter, Kundschafter‘ (Augmentativum zuspia ‚Späher‘) entlehnt und verbreitete sich während desDreißigjährigen Krieges in der deutschen Sprache. Später bildete man dazu die Wörterspionieren (Ende 17. Jahrhundert, nach französischespionner) undSpionage (1. Hälfte des 18. Jahrhunderts, französischespionnage).[1]
Spionage zur verdeckten Erlangung von Erkenntnissen über eine feindliche oder konkurrierende Macht wird schon seit alters her betrieben. Frühe konkrete Zeugnisse darüber finden sich zum Beispiel imAlten Testament.[2]
Der Beginn der Spionage durch spezielleNachrichtendienste geht im deutschsprachigen Raum aufMajor Heinrich von Brandt zurück, der um 1866/1867 Leiter des zeitweilig eingerichteten militärischen Nachrichtenbüros des kaiserlichen Generalstabes war. Dieses wurde dann 1873 nach Beendigung desDeutsch-Französischen Krieges aus Effizienzgründen kurzzeitig wieder aufgelöst. Mit der Kabinettsorder vom 24. Mai 1883 wurde fürPreußen bestimmt, die Sammlung von Nachrichten und statistischen Materials über fremde Heere als permanente Aufgaben zu realisieren.[3] 1889 wurde dieAbteilung III b im Großen Generalstab gegründet, die diesem Zweck diente.
In Frankreich entwickelte sich 1894 dieDreyfus-Affäre vom vorgeblichen Spionagefall zugunsten desDeutschen Kaiserreichs zum vollwertigen Justiz- und Militärskandal.
Um die Jahrhundertwende ließen sich im europäischen Raum bereits etwa 17 militärische Nachrichtendienste nachweisen. Dazu gehörten unter anderem: derSecret Intelligence Service, derSecurity Service imVereinigten Königreich, der aus derOchrana hervorgegangene Militärnachrichtendienst desRussischen Kaiserreichs, das österreichische k.u.k.Evidenzbüro und weitere. Von besonderem Gewicht zur Entwicklung und deutlicheren Qualifizierung nachrichtendienstlicher Arbeit war derRussisch-Japanische Krieg 1905/1906, der bereits einige wesentliche Elemente des späteren Ersten Weltkrieges in sich barg. So gab es die ersten bedeutenden Spionageaktivitäten bereits lange vor Ausbruch desErsten Weltkrieges. Allein in den Jahren 1907 und 1908 wurden in Deutschland wegen des Spionageverdachts 66 Personen festgenommen und davon 12 wegen des Deliktes der Spionage gerichtlich verurteilt.
Lange vor demZweiten Weltkrieg bereiteten sich in Deutschland die entsprechenden Einrichtungen desReichswehrministeriums wie dieAbwehr desOberkommandos der Wehrmacht, des Auswärtigen Amtes, desSicherheitsdienstes des Reichsführers SS (SD), der Politischen Polizei, derGestapo, desReichssicherheitshauptamtes (RSHA) gezielt auf die nachrichtendienstliche Aufklärung seiner Gegner, deren Bekämpfung aber auch die Spionageabwehr vor. In den Jahren zwischen dem Ersten und Zweiten Weltkrieg existierten allein auf deutschem Territorium über 80 nachrichtendienstlich arbeitende Organisationen unterschiedlicher Struktur und politischer Ausrichtung. Neben der klassischen Spionagetätigkeit erlangten dabei neue Methoden, die auf dem rasanten technischen Fortschritt beruhten, zunehmende Bedeutung. Hierzu zählten zum Beispiel dieFernmeldeaufklärung sowie dieKryptographie bzw.Steganographie und ihre Entschlüsselung mithilfe von rechnergestützten Verfahren. Solche Aktivitäten übten einen wesentlichen Einfluss auf den Verlauf des Zweiten Weltkriegs aus; die Öffentlichkeit erlangte indes erst Jahrzehnte später davon genauere Kenntnis (z. B.Operation Ultra).
Trotz des Zusammenbruchs im Zweiten Weltkrieg blieben die zuvor deutscherseits von derAbteilung Fremde Heere Ost aufgebauten Spionagenetze imOstblock teilweise intakt und wurden danach imKalten Krieg – vermittelt vom ehemaligen AbteilungsleiterReinhard Gehlen – vom amerikanischen Geheimdienst bzw. später demBundesnachrichtendienst genutzt.[4] In dieser Zeit kam es zu einer massiven gegenseitigen Spionage zwischen denVereinigten Staaten und ihren Alliierten einerseits sowie derSowjetunion und der VolksrepublikChina und deren Verbündeten andererseits. Insbesondere die Geheimnisse um den Bau vonKernwaffen und die militärische Aufklärung waren dabei von gegenseitigem Interesse.
Eine wesentliche Rolle hierbei spielte auch die Funkspionage beider Seiten. So wurdenRichtfunk-Verbindungen von und nachWest-Berlin sowie innerhalb Westdeutschlands durch Horchposten entlang derinnerdeutschen Grenze systematisch abgehört. Federführend auf Seiten derDDR waren hierbei dasMinisterium für Staatssicherheit und derMilitärische Nachrichtendienst der Nationalen Volksarmee. Die größte Abhörstation der Sowjetunion befand sich in unmittelbarer Grenznähe auf demBrocken imHarz und wurde bald nach derWende abgebaut. Das amerikanische Gegenstück inBad Aibling blieb hingegen weiterhin in Betrieb. Nach dem Ende des Kalten Krieges konzentrierte sich die Spionage vermehrt auf Informationen aus der Industrie (Wirtschaftsspionage, siehe unten), wobei immer wieder auch der Verdacht der „Spionage unter Freunden“ geäußert wird.[5]
In jüngerer Zeit hat der Einsatz von speziellenAufklärungssatelliten die Spionagetechnik weiter verfeinert. Ein ganz neu entstandener Spionagezweig ist die Cyberspionage, die die weltweiteVernetzung von Informationen im Zuge derGlobalisierung ausnutzt, nicht zuletzt durch dasInternet.[6]
Die Tätigkeit vonSpionen oderAgenten, die zumeist von den eigenen Nachrichtendiensten angeworben oder geführt werden, ist nur ein Teilaspekt der nachrichtendienstlichen Tätigkeit. Viele Staaten unterscheiden zudem
militärische und zivile (und im Weiteren auch polizeiliche) Informationsgewinnung;
Nachrichtengewinnung, die eigentliche Spionage und die zugehörige Spionageabwehr gegen entsprechende Maßnahmen fremder Dienste, meist auch mit nachrichtendienstlichen Mitteln.
Neben Spionage mit dem Ziel der Gewinnung industrieller und militärtechnischer Geheimnisse durch Staaten existieren auf diesem Gebiet auch in Einzelfällen Spionageaktivitäten durch private Organisationen, insbesondere Wirtschaftsunternehmen.
Auch heute werden Kommunikationswege wieSatelliten,Glasfaser, Richtfunk sowieMobilfunk-Verbindungen durch Nachrichtendienste überwacht und ausspioniert. Dies auch bei befreundeten Staaten.[7]
Informationssammlungen mit nachrichtendienstlichen Mitteln wurden nach dem Zusammenbruch desOstblocks vor allem auf die Bekämpfung derProliferation von Waffen, des illegalenDrogenhandels und desTerrorismus gerichtet, allerdings gewinnt Wirtschaftsspionage immer mehr an Bedeutung.[8]
In den Jahren 2010 bis 2023 (bis 9. September) wurden insgesamt 383 Personen in Deutschland der Spionage, der geheimdienstlichen Agententätigkeit oder verwandter Delikte, bei denen der Generalbundesanwalt Ermittlungsverfahren einleitete, beschuldigt. Davon wurden 37 verurteilt.[9]
Wirtschaftsunternehmen, die Spionage betreiben oder Zugriff auf nachrichtendienstlich erlangte Informationen haben, erlangen einen wirtschaftlichen Vorteil gegenüberWettbewerbern, da sie etwa fremde Forschungsergebnisse ausnutzen können, ohne dass eine eigenständige Forschungsarbeit erfolgen müsste. Spioniert wird auch, um zum Beispiel einen Konkurrenten bei Ausschreibungen knapp unterbieten zu können.
Bei der Anwerbung von Staatsangehörigen fremder Mächte zur Spionage werden in der Forschung vier Motive identifiziert, die mit dem englischenAkronymMICE (engl. Mäuse) umschrieben werden:[11]
Money (‚Geld‘): Manche Spione wollen mit zusätzlichem Einkommen einen verschwenderischen Lebensstil finanzieren, wie der US-AmerikanerAldrich Ames, oder ließen sich aus finanzieller Not anwerben, wieMata Hari.[12]
Ideology (‚Ideologie‘): Wer sich bestimmtem Gedankengut verpflichtet fühlt, wird eher bereit sein, jenen zu helfen, die dieses Gedankengut vertreten, so begab sichWitold Pilecki sogar freiwillig in dasKZ Auschwitz. Während des Kalten Krieges agierten u. a.Kim Philby undGeorge Blake aus ideologischer Überzeugung.
Coercion (‚Zwang‘): Fallweise werden potenzielle Agenten eingeschüchtert, bedroht oder erpresst, um sie zur Kooperation zu bewegen. So wurde z. B.Alfred Redl mit Enthüllung seiner Homosexualität undEdgar Feuchtinger mit der Enthüllung seiner Desertion erpresst.
Ego: Ein Spion ist in seinerSelbstwahrnehmung eine wichtige und einflussreiche Person, was ihn von der Masse der Menschen unterscheidet, auch wenn diesen seine Rolle nicht bekannt ist; er kann in dieser Rolle auch anderen (z. B. Vorgesetzten) etwas „heimzahlen“. Nach diesem Motiv handelte etwaRobert Hanssen.
Clifford Stoll:Kuckucksei: Die Jagd auf die deutschen Hacker, die das Pentagon knackten. Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt 1998,ISBN 3-596-13984-8.
Albrecht Charisius undJulius Mader:Nicht länger geheim – Entwicklung, System und Arbeitsweise des imperialistischen deutschen Geheimdienstes. Deutscher Militärverlag, Berlin-Ost 1969,DNB456264531.
Markus Mohr,Klaus Viehmann (Hrsg.):Spitzel. Eine kleine Sozialgeschichte. Assoziation A, Berlin/Hamburg 2004,ISBN 3-935936-27-3.
AbschnittAus dem Geheimdienst. in:Wolfgang Foerster:Kämpfer an vergessenen Fronten. Feldzugsbriefe, Kriegstagebücher und Berichte. Kolonialkrieg, Seekrieg, Luftkrieg, Spionage. Berlin (Deutsche Buchvertriebsstelle. Abteilung für Veröffentlichungen aus amtlichen Archiven) 1931, S. 422–606.
Paul von Lettow-Vorbeck (Hrsg.):Die Weltkriegsspionage. Authentische Enthüllungen über Entstehung Art, Arbeit, Technik, Schliche, Handlungen, Wirkungen und Geheimnisse der Spionage vor, während und nach dem Kriege auf Grund amtlichen Materials aus Kriegs-, Militär-, Gerichts- und Reichsarchiven. Vom Leben und Sterben, von den Taten und Abenteuern der bedeutendsten Agenten bei Freund und Feind. Justin Moser Verlag, München 1931.
Thomas A. Reppetto:Battleground New York City. Countering spies, saboteurs, and terrorists since 1861. Potomac Books, Washington, D.C. 2012,ISBN 978-1-59797-677-0 (englisch).
Norman Polmar/Lee J. Mathers/Thomas A. Brooks:Spy Ships. One Hundred Years of Intelligence Collection by Ships and Submarines, Lincoln (Potomac Books) 2023.ISBN 978-1-64012-591-9.ISBN 978-1-64012-475-2
Phillip Knightley: Die Geschichte der Spionage im 20. Jahrhundert. Aufbau und Organisation, Erfolge und Niederlagen der großen Geheimdienste. Bern, München, Wien 1986.
Nicole Glocke:Im Auftrag von US-Militäraufklärung und DDR-Geheimdienst. Die Lebensgeschichten zweier gegnerischer Agenten imKalten Krieg. Verlag Dr. Köster, Berlin 2010,ISBN 978-3-89574-725-0.
Bernd Michels:Spionage auf Deutsch. Wie ich über Nacht zum Top-Agenten wurde. Zebulon Verlag, Düsseldorf 1992,ISBN 3-928679-06-6.
Harold Keith Melton:Die Welt der Spione. Im Auftrag der Geheimdienste. Paletti, Köln 2004,ISBN 3-8336-0134-5.
K. Lee Lerner, Brenda Wilmoth Lerner:Encyclopedia of espionage, intelligence, and security. Thomson Gale, Detroit u. a. 2004 (3 Bände)(Vollversion bei archive.org)
Krieg in den Wolken – Luftspionage über der DDR. Dokumentation, 2007, 45 Min., ein Film von Jan Lorenzen, Michael Marten, John Goetz und Claudia Schön, Produktion:MDR, Erstsendung: 20. November 2007,Inhaltsangabe (Memento vom 3. Januar 2008 imInternet Archive) des MDR
James Bond – Agent007, ist ein vonIan Fleming erfundenerGeheimagent. Es gibt sowohl Bücher als auch Filme und Spiele über den für denMI6 tätigen Spion.
Seit 2015 bietet dasDeutsche Spionagemuseum inBerlin einen Überblick zur Welt der Spionage von der Antike bis zur Gegenwart.
↑Walter Rothschild: Spionage in der Bibel. Jüdisches Europa, abgerufen am 21. Mai 2022 (deutsch).
↑Johannes Ehrengruber, Geheim- und Nachrichtendienste des Deutschen Kaiserreichs vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges, GRIN Verlag München, 2013, S. 6ff.
↑Bundesregierung will jetzt befreundete Staaten überwachen. Lange wurde gezögert, jetzt soll die Bundesregierung den Beschluss gefasst haben: Amerikanische und britische Geheimdienste dürfen auf deutschem Boden observiert werden. In: zeit.de. 23. Juli 2014, abgerufen am 31. Mai 2018.