Slutshaming
Slutshaming (engl. fürSchlampen-Beschämen) ist eine Praxis, mit der Menschen, insbesondere Frauen und Mädchen, angegriffen und beleidigt werden. Die Angreifenden unterstellen dabei ihren Opfern, nicht dem von der Gesellschaft erwarteten Verhalten und äußeren Erscheinungsbild in Bezug aufSexualität zu entsprechen. Betroffen sind beispielsweise Personen, die aus Sicht der Beleidiger „sexuell provokativ“ wahrgenommene Kleidung tragen, durch das Nutzen vonEmpfängnisverhütung als sexuell aktiv eingeordnet werden, voreheliche Sexualität praktizieren, wechselnde Sexualpartner haben oder in der Prostitution tätig sind. Ein weiteres Beispiel ist dasVictim blaming, bei dem dem Opfer eine „Schuld“ zugeschrieben wird, beispielsweise Opfern einerVergewaltigung oder anderersexuellen Nötigung. Dabei werden Frauen zu Verursacherinnen der jeweiligen Taten erklärt, da sie zum Beispiel „aufreizend“ gekleidet gewesen seien oder sich aufFlirts oder andere sexuelle Annäherung eingelassen hätten. Somit ist Slutshaming Bestandteil derRape Culture. Der Begriff wird auch im Zusammenhang mitschwulen Männern verwendet, die für ein eventuellespromiskuitives Verhalten verurteilt werden. Slutshaming wird von Frauen und Männern praktiziert.[1][2][3][4]
Entstehung des Begriffs
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Im Jahr 1999 veröffentlichte die FeministinLeora Tanenbaum das BuchSlut!: Growing Up Female with a Bad Reputation, in dem sie sich mit der Praxis des Beschämens sexuell aktiver Frauen und ihren eigenen Erfahrungen damit beschäftigte. Sie verwendete dafür den Begriff Slutbashing, der später durch Slutshaming ersetzt wurde.[5]
Vermutlich wurde der Begriff Slutshaming ab 2011 verwendet und durch dieSlutwalks bekannt. Nachdem ein Polizist in Toronto bei einer Präventionsveranstaltung in derYork University gesagt hatte, Frauen sollten sich nicht wie Schlampen kleiden, um vor Sexualverbrechen besser geschützt zu sein, formierte sich ein weltweiter Protest gegen Slutshaming. Auf Demonstrationen forderten Frauen ihr Recht auf sexuelle Selbstbestimmung ein und protestierten gegenTäter-Opfer-Umkehr. Ziel der Slutwalks war eine Sensibilisierung für Slutshaming sowie eine positiv definierte Aneignung (als gewählte Selbstbezeichnung) des Begriffs Slut/Schlampe.[6][7]
Beispiele für Slutshaming
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]1998 gerietMonica Lewinsky, damals Praktikantin imWeißen Haus, wegen einer kurzen Affäre mit dem US-PräsidentenBill Clinton in den Fokus der Öffentlichkeit. Der Ausdruck war damals zwar noch nicht verbreitet,[8] die Vorgänge werden aber als prominenter Fall von Slutshaming gewertet: Die Medien unterstellten Lewinsky promiskuitives Verhalten und der SenderFox führte sogar eine Zuschauer-Umfrage durch, ob sie ein „Durchschnittsmädchen“ (average girl) oder „ein Flittchen auf der Suche nach Abenteuern“(a tramp looking for adventures) sei. DasWall Street Journal bezeichnete sie als „Vollidiotin“(tard). DieNew-York-Times-Autorin Maureen Dowd wurde für einen Artikel mit demPulitzer-Preis ausgezeichnet, in dem sie Lewinsky eine „dumme, räuberische Weißes-Haus-Praktikantin“ nannte(ditzy, predatory White House intern). Lewinsky gab später an, dass sie unter diesen öffentlichen Schmähungen sehr gelitten habe. Sie habe eineposttraumatische Belastungsstörung und Suizidabsichten entwickelt, Arbeitsstellen seien ihr verweigert worden. Das Slutshaming habe nie aufgehört.[8][9]
In einer Studie über Promiskuität, bei der 810 Collegestudentinnen in den USA befragt wurden, stellte man fest, dass junge Frauen mit vielen Sexualkontakten deutlich mehr von Slutshaming, Mobbing und Stigmatisierung betroffen seien als andere. Andererseits hätten sie aber auch oft gute Freundschaften zu anderen, was auf einen eher extrovertierten Charakter zurückzuführen sei.[10][11] Slutshaming könne Separation von anderen Menschen, Misstrauen, soziale Ängste und eine generelle Unsicherheit bei den Betroffenen hervorrufen.[12]
In den USA wurden Kleidervorschriften für Mädchen an Schulen zum Teil ebenfalls als Slutshaming gewertet und kontrovers diskutiert. Wenn etwa eine Schülerin vom Unterricht ausgeschlossen werde, weil ihre Kleidung zu aufreizend sei (beispielsweise ein Top mitSpaghettiträgern), erhalte sie das Signal, selbst verantwortlich für eventuelle sexuelle Übergriffe in ihrem Leben zu sein.[13] Auch in Deutschland legen einige Schulen Vorschriften für die Bekleidung von Mädchen fest. Begründet wird dies in der Regel damit, die Ordnung der Schule aufrechterhalten zu wollen.[14] In einer Broschüre derRosa-Luxemburg-Stiftung zum Thema „Sexismus“ wurde dies 2017 als Förderung von „Vergewaltigungsmythen“ bezeichnet.[15] DieFrauenrechte-OrganisationPinkstinks Germany kritisierte 2019 die Ungleichbehandlung von Mädchen und Jungen bei diesem Thema.[16]
Siehe auch
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Racheporno (veröffentlicht ohne Einwilligung aller Beteiligten)
- Rape Culture (soziale Milieus oder Gesellschaften mit Formen sexualisierter Gewalt)
- eve teasing (sexuelle Belästigung von Frauen auf öffentlichen Plätzen in Südasien)
- Slutwalk (Demonstration gegen Täter-Opfer-Umkehr, sogenanntesvictim blaming)
Literatur
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Leora Tanenbaum:Slut!: Growing Up Female with a Bad Reputation, 1999.
- Leora Tanenbaum:I am not a Slut. Slut-Shaming in the Age of the Internet, 2015
Einzelnachweise
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- ↑Slut Shaming. In: Feminismus 101. 6. Juni 2012, abgerufen am 25. Juli 2020 (deutsch).
- ↑Slut Shaming und Online-Dating - frauenseiten.bremen. 22. April 2020, abgerufen am 25. Juli 2020 (deutsch).
- ↑Olga Khazan: There's No Such Thing as a Slut. In: The Atlantic. 28. Mai 2014, abgerufen am 25. Juli 2020 (amerikanisches Englisch).
- ↑Slut-Shaming – FUMA Fachstelle Gender & Diversität. Abgerufen am 25. Juli 2020 (deutsch).
- ↑The Shaming of Monica: Why We Owe Her an Apology. In: Time.com. Abgerufen am 25. Juli 2020.
- ↑Alexandra Eul: Protest: Slutwalks in Deutschland. In: Emma. Abgerufen am 25. Juli 2020.
- ↑Slutwalk : Hunderte Frauen demonstrieren gegen sexuelle Gewalt. In: Die Zeit (online). Abgerufen am 25. Juli 2020.
- ↑abThe Shaming of Monica: Why We Owe Her an Apology. In: Time. 9. Mai 2014, abgerufen am 25. Juli 2020.
- ↑Monica Lewinsky: Monica Lewinsky: Emerging from “the House of Gaslight” in the Age of #MeToo. In: Vanity Fair. Abgerufen am 25. Juli 2020 (englisch).
- ↑Nina Bahadur: What Your Sex Life Could Say About Your Social Life. In: Huffington Post. 8. April 2015, abgerufen am 25. Juli 2020 (englisch).
- ↑Do Promiscuous People Really Have Fewer Friends? In: Psychology Today. Abgerufen am 25. Juli 2020 (englisch).
- ↑The Long-Term Effects Of Slut-Shaming. In: Bustle. Abgerufen am 25. Juli 2020 (englisch).
- ↑The problem with slut shaming in schools. In: L.A. Times. 22. Februar 2016, abgerufen am 25. Juli 2020 (englisch).
- ↑Meldung:Ansage an Schülerinnen: „Hotpants sind zu krass, schulterfrei ist okay“. In:Die Welt. 5. Juli 2018, abgerufen am 11. August 2020.
- ↑Rosa-Luxemburg-Stiftung (Hrsg.):Ist doch ein Kompliment … Behauptungen und Fakten zu Sexismus. 2., korrigierte Auflage. In:luxemburg argumente. Nr. 9, Berlin, Dezember 2017, S. 17 (PDF: 2,2 MB, 44 Seiten auf rosalux.de).
- ↑Nils: Darf meine Tochter in Hot Pants in die Schule? In: Pinkstinks.de. 12. März 2019, abgerufen am 11. August 2020.