Signoria
AlsSignoria (Signorie) wird in der historischen Forschung eine Form der Herrschaftsausübung bezeichnet, die in denKommunen Ober- und Mittelitaliens zwischen dem 13. und 15. Jahrhundert weit verbreitet war. Signoria bezeichnet dabei die Regierung durch einenHerrn (signore[1]) an der Spitze einer Versammlung von Entscheidungsträgern, die aber oftmals nicht dem Adel, sondern aus dem örtlichenPatriziat entstammte.Signoria nannte sich gewöhnlich auch die Ratsversammlung, die densignore und andere Beamte wählte.
Dieser Artikel behandelt die allgemeine Form dieser Stadtregierung. Spezielle Formen der Signoria finden sich in der historischenRepublik Venedig sowie der historischen Stadtregierung vonFlorenz (sieheGonfaloniere).
Geschichte
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Die Kommunen im mittelalterlichen Ober- und Mittelitalien (außer imKirchenstaat und auch nicht Venedig) unterstanden zunächst seit dem 10. Jahrhundertde iure demKaiser desHeiligen Römischen Reiches. Da jedoch einzelne Familien aus dem Volk durch Handwerk und Handel immer einflussreicher wurden, kam es in vielen Gemeinden zu offenen Machtkämpfen um die Regierungshoheit. Häufig unterlag der vom Kaiser eingesetzteMagnat dempopolo, der organisierten Bürgerschaft.
Mit dem Tod KaiserFriedrichs II. Ende 1250 setzte auch der Zerfall der kaiserlichen Verwaltung inReichsitalien ein. Der bereits zu Lebzeiten desStaufers herrschende Kampf zwischenGhibellinen und Guelfen nahm an Intensität zu. Die Gleichsetzung von „Ghibellinen“ mit „kaisertreu“ und „Guelfen“ mit „kaiserfeindlich“ ist nur teilweise richtig. Selbst die Guelfen inFlorenz spalteten sich um 1300 in zwei Gruppierungen auf. Oft diente die Bezeichnung nur als Kennzeichen unterschiedlicher Gruppen in einer Kommune. Dabei spielten auch soziale Probleme eine nicht unbedeutende Rolle, da die Macht der Konsularfamilien, die traditionell eine wichtige Rolle spielten, von „Aufsteigern“, beispielsweise aus der Schicht der Kaufleute, in Frage gestellt wurde. Die Gruppe der Ghibellinen rekrutierte sich in der Regel aus Gruppen, die von der Reichsherrschaft profitieren wollten. Dies betraf etwa die Feudalherren in der Begegnung mit der Macht der Kommunen oder schwache Kommunen, die von expandierenden Nachbarn bedroht waren. In den zeitgenössischen Staatstraktaten bieten dieMonarchia und stellenweise das zuvor erschienene WerkConvivio vonDante Alighieri Reaktionen auf den Niedergang, verbunden mit der Hoffnung auf Erneuerung der kaiserlichen Macht.
Eine direkte Folge war die Zunahme sowohl von Gewalttaten innerhalb bestimmter Kommunen als auch von Kämpfen zwischen verschiedenen Städten in Reichsitalien. Zur Lösung dieser problematischen Situation wurde nun wiederholt auf die Übertragung der Machtbefugnisse auf den Signore zurückgegriffen und neue Verfahren wie dasKonklave etabliert, um von äußeren Einflüssen und innerem Parteienstreit unabhängig Ämter zu besetzen. Diese konnten von Anführern der bedeutendsten Gruppe in der Kommune besetzt werden, von angesehenen, möglichst neutralen Personen aus der Kommune, von Klerikern oder auch Ortsfremden. Da Venedig nicht zum Kaiserreich gehörte und sich auch sonst zu den Machtkämpfen innerhalb und zwischen den italienischen Kommunen oft neutral verhielt, wurden oftvenezianische Nobilhòmini zu städtischen Machthabern berufen, wozu auch der Ruf Venedigs, ein sehr korrektes und gut funktionierendes Rechtssystem zu haben, beitrug. Vom Signore wurde nicht nur die Wiederherstellung von Ruhe und Ordnung in der Kommune erwartet, sondern auch die Herstellung eines sozialen Friedens durch die Teilhabe der „Aufsteiger“ an der politischen Macht in der Kommune.
Eine Frühform der Signoria wurde vonEzzelino III. da Romano errichtet, jedoch ohne dass Ezzelino einen Rückhalt in der Stadt selbst gewonnen hatte. Die erste formaljuristische städtische Signorie wurde schließlich 1264Obizzo II. d’Este inFerrara von der Kommune in einer – allerdings von Obizio arrangierten – feierlichen Vollversammlung übertragen.[2] Nach dem Tod Friedrichs II. wurden auch unter anderem inVerona,Mantua undMailand Signorien errichtet, meistens von Familien, die sowohl imcontado (dem Umland) als auch in der Stadt selbst präsent waren. Die formale Absicherung des jeweiligen Signore erfolgte oft durch die Bekleidung der wichtigen Ämter desPodestà[3] und desCapitano del popolo[4] mehrmals in Folge bzw. teils auf Lebenszeit.
Um eine zusätzliche Machtlegitimation zu erhalten, bemühten sich die neuen Machthaber oft um die Verleihung einesVikariats durch den Papst oder den römisch-deutschen Kaiser. Vor allem der ItalienzugHeinrichs VII. (1310 bis 1313) sorgte für eine Ausweitung der Herrschaftsform der Signorie auf weitere Kommunen, da Heinrich oft auf ortsansässige Personen zurückgriff, um die kaiserlichen Interessen zu wahren. Ein bekanntes Beispiel dafür sind etwa dieVisconti in Mailand.[5] Andere Ghibellinen setzten nach dem Tod des Kaisers im August 1313 den Kampf gegen die Guelfen fort und errichteten in der Folgezeit eigene Herrschaften (siehe etwaCastruccio Castracani). Von Heinrichs EnkelKarl IV. wurden diese Vikariate auf seinen Italienzügen teils bestätigt. In manchen Städten sicherte sich derSignore die faktische Erblichkeit seines Amtes von der Bevölkerung zu, sodass es vereinzelt zur Bildung von Dynastien kam. Durch diese Faktoren war in der Folgezeit das Verschwinden der traditionellen kommunalen Institutionen in die Bedeutungslosigkeit verbunden. DerFürst setzte an ihre Stelle einen eigenen Verwaltungsapparat und löste auch die Milizen zu Gunsten ihm ergebener Söldnerverbände auf. Allerdings kam es keineswegs in allen Kommunen, die teilweise ebenfalls durch innere Streitigkeiten gespalten waren, zur Bildung einer Signorie, wie die AusnahmenGenua,Siena oderLucca zeigen. Auch war die Rückgewinnung der vollen Kompetenzen der Kommune bei Desavouierung dessignore oder bei Aussterben seiner Dynastie nicht ausgeschlossen.
Bis ins15. Jahrhundert wurde eine Reihe von Städten so mächtig, dass sie zu autonomen Regionalstaaten wurden. Weder dem Reich noch demPapst gelang es, diese Entwicklung durch Gewalt zurückzudrängen. Stattdessen verteilten sie Privilegien und Adelstitel, um die Signorie an sich zu binden. Mit großem Erfolg gelang das jedoch erstCesare Borgia.
Viele Städte wurden so zu erblichenFürstentümern. Andere wurden von den großenTerritorialstaaten geschluckt, die sich im 15. Jahrhundert erfolgreich ausdehnten (Herzogtum Mailand, dieRepublik Venedig,Herzogtum Florenz (späterHerzogtum Toskana),Königreich Neapel und derKirchenstaat).
Literatur
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- John Larner:Italy in the Age of Dante and Petrarch, 1216–1380. Longman, London u. a. 1980,ISBN 0-582-48366-2 (=A Longman History of Italy. Band 2).
- M. Lunari:Signorien und Fürstentümer. In:Lexikon des Mittelalters. Bd. 7, Sp. 1891–1894.
- Michael Jones (Hrsg.):The New Cambridge Medieval History. Bd. 6, Cambridge 2000, speziell Kapitel 15 (Italy in the Age of Dante and Petrarch), S. 442 ff.
- Philip Jones:The Italian City-State. From Commune to Signoria. Clarendon Press, Oxford u. a. 1997,ISBN 0-19-822585-7.
- Signoria. In:Dizionario di Storia, Rom 2010.
- Jean-Claude Maire Vigueur (Hrsg.):Signorie cittadine nell’Italia comunale. Viella, Rom 2013,ISBN 978-88-6728-049-0.
Weblinks
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Signoria. In:Enciclopedia on line. Istituto della Enciclopedia Italiana, Rom.
- Signoria. In: Encyclopædia Britannica. Abgerufen am 24. Januar 2024 (englisch).
- Signoria auf britannica.com (englisch)
- Repertorio delle signorie cittadine italiane (RESCI) auf italiacomunale.org (italienisch)
Anmerkungen
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- ↑In Wortherkunft von lat.senior, „der Ältere“, „der Hehrere“.
- ↑Volker Reinhardt:Die Renaissance in Italien. Geschichte und Kultur. C.H. Beck, München 2002, S. 44.
- ↑Dies war eine seit dem 12. Jahrhundert aufkommende Amtsbezeichnung für eine Person, welche die Führung in einer vorher von Konsuln regierten Kommune übernahm. In der Signorie wurde teils ebenfalls ein Podestà ernannt, dessen Aufgaben nun aber weitgehend technischer Natur waren.
- ↑Dieser vertrat die Interessen despopolo gegenüber dem Podestà, oft oblag ihm auch die Führung des „Militärs“ der Kommune.
- ↑Vgl. William M. Bowsky:Henry VII in Italy. Lincoln 1960, speziell S. 96 ff.