Siel

EinSiel ist ein verschließbarer Gewässerdurchlass in einemDeich durch den überschüssiges Wasser aus dem Binnenland imFreigefälle ins Meer abfließen kann. Der Vorgang des Abfließens durch das Siel wird alsSielzug bezeichnet.[1] Der BegriffSiel ist wahrscheinlich eine aus demFriesischen stammende Wortbildung, die auf das Verbseihen zurückgeht, und bezeichnet demnach dieStelle, wo Wasser ausfließen kann.[2]
Funktion
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Historisch sind im Sielbauwerk paarweiseSchlagtore ohneAntrieb verbaut worden. Bei Neubauten werden nach WasserstandgesteuerteHubtore alsVerschluss eingesetzt. Vermehrt sind an derNordsee für diese Aufgabe Sielpumpwerke im Einsatz, die alsSchöpfwerke bezeichnet werden. Sie sind von Vorteil, wenn die Zeit derEbbe für einen natürlichen Wasserabzug nicht ausreicht oder wenn bei lang andauerndenFlutwasserständen (z. B.Sturmflut)Überschwemmungen im Binnenland drohen.
Das Öffnen und Schließen von Schlagtoren erfolgt selbsttätig infolge der Wasserbewegung durch dieTide. Bei Flut und höherem Wasserstand auf der Meerseite werden durch den höheren Druck und die Strömung die Tore geschlossen. Als Folge kann das Wasser nicht mehr abfließen und staut sich auf der Binnenseite. Mit Einsetzen der Ebbe und ablaufendem Wasser erhöht sich der Druck auf der Binnenseite, wodurch sich die Tore öffnen und ein freier Abfluss ins Meer entsteht. Ein Siel ist daher einVentil zur passiven Entwässerung des hinter dem Deich gelegenen Binnenlandes, besonders als Teil des Entwässerungssystems vonMarschgebieten.
Bauweisen
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Zur Einbindung des Entwässerungsweges in den Deich gibt es verschiedene Möglichkeiten, das Kumpsiel, das Ständersiel und gedeckte steinerne Siele.
Kumpsiel
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Beim Kumpsiel wird in den überwiegend aus Sand oder anderem Erdmaterial bestehenden Deich ein Rohr eingelegt. Historisch bestand dieses Rohr zumeist aus zwei ausgehöhlten Baumstammhälften. Der seeseitige Ausgang wird mit einer Klappe geschützt, die von ausströmendem Binnenwasser aufgedrückt und von anflutendem Seewasser zugedrückt wird. Mancherorts gab es viele derartige Kumpsiele, mit denen einzelne Anrainer ihre direkt hinter dem Deich gelegenen Ländereien entwässerten.[3]
Ständersiel
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Ein Ständersiel hat ein großes, zumeist zweiflügeligesFluttor, dessen Torflügel inAngeln hängen. Jene können an schweren, in den Deich eingebauten Holzpfosten oder an Mauerwerk befestigt sein. Ständersiele waren schon in früher Zeit so dimensioniert, dass bei Ebbe, wenn die Tore offen standen, kleine Schiffe in die hinter dem Deich angelegten Kanäle einfahren konnten.
Gewölbesiel
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Da alle hölzernen Teile eines Siels der Verrottung und dem Angriff vonSchiffsbohrmuscheln ausgesetzt waren, ging man bei großen Sielen dazu über, die festen Teile aus Stein zu bauen. Sturmflutbeständiger als steinerne Ausführungen von Ständersielen waren Gewölbesiele. Hier baute man einen gewölbten Torweg durch den Deich. Große Gewölbesiele können auch von kleineren Schiffen, z. B.Küstenmotorschiffen durchfahren werden. Mancherorts sind die (zwei- bis dreifachen) so angeordnet, dass das Siel auch alsKammerschleuse verwendet werden kann. Ein Beispiel für beides ist die ehemaligeHadelner Kanalschleuse inOtterndorf.

Betrieb als Spülschleuse
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Ein Siel mit gezielter Öffnung und Schließung des Sielverschlusses ist dieSpülschleuse. Dazu wird beiFlut das Wasser hereingelassen und in einem Flutgraben hinter dem Deich gespeichert. Erst vor dem Erreichen derEbbe wird das gestaute Wasser alsSchwall abgelassen, damit sichSchlick undSedimente aus dem Sielhafenbereich ausspülen.
Archäologie
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Spuren eines Kumpsiels aus dem 3. Jahrhundert wurden beiValkenburg (Zuid-Holland) gefunden.
- Ein großer Teil eines Kumpsiels aus dem 14. Jahrhundert konnte im Deichrest beiStollhammer Ahndeich geborgen werden. Dieser Sielfund inButjadingen im KreisWesermarsch ist der älteste an der niedersächsischen Nordseeküste. Das Siel muss vor derZweiten Marcellusflut von 1362 („Grote Mandränke“) gebaut worden sein. Infolge der Flut wurde es dann unbrauchbar.
- Es war mindestens 14 m lang. Der seeseitige Teil bestand aus einem hohlen Eichenstamm von etwa 10,5 m Länge, der auf runden Querhölzern ruhte. Zum Aushöhlen hatte man den Stamm längs geteilt. Die Hälften wurden danach wieder zusammengesetzt. Zur Verbindung nagelte man Bretter über die Naht. Die Mündung des Siels besaß am seeseitigen Ende einelichte Weite von etwa 80 cm. Die Halterung der Klappe, die das Siel bei Flut gegen auflaufendes Wasser schloss, war noch in Form einer durchbohrten, oberhalb der Mündung angebrachten Leiste erhalten. Ein Fund aus Valkenburg bei Leiden belegt, dass diese Bauweise bereits im 3. Jahrhundert genutzt wurde.
- InSeriem,Landkreis Wittmund, wurde ein Teil eines Ständersiels aus dem späten 15. Jahrhundert ausgegraben. Das 8,80 m lange und 1,60 m breite Bauwerk gehörte zu einem heute nicht mehr erhaltenen Einlagedeich 200 m vor der heutigen Deichlinie und ist damit der einzige sicher datierbare Bestandteil eines Deiches im heutigen Wattenmeer.
Geschichte
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Sagenhaft sind Nachrichten vomSchlicker Siel „mit bronzenen Toren“ südlich des heutigenWilhelmshaven, Teil desGoldenen Rings um Friesland, des ersten zusammenhängenden Seedeichs zwischenWeser undEms. Mit dem Bruch des Schlicker Siels um 1218, so die örtliche Überlieferung, habe die Entstehung desJadebusens begonnen.[5]
- 1374 einigten sich acht zwischenBremen (bzw. dessen Altstadt) und derLesum gelegene Dörfer, an der Lesum einen neuen Deich zu bauen und mit einem Siel zu versehen. Das Siel sollte eine Weite von zehnFuß bekommen, etwa 3 Meter. Es wurde also ein Ständersiel, breit genug für die Durchfahrt eines kleinen Kahns.[6]
Ortsnamen
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]VieleOrtsnamen entlang der deutschenNordseeküste haben bezugnehmend auf dortige Anlagen die Endung „-siel“. Es gibt heute auch im Binnenland gelegene Sielorte, da sich durch Eindeichungen in früheren Jahrhunderten die Küstenlinie verschoben hat.
Entsprechende Orte sind imLandkreis Friesland etwaAltgarmssiel,Crildumersiel,Ellensendammersiel,Horumersiel,Hooksiel,Mariensiel,Neugarmssiel sowie an der AußenweserDreisielen,Fedderwardersiel,Golzwardersiel,Hollersiel,Kleinensiel,Neuenhuntorfersiel,Neuenlandersiel undOverwarfersiel. InOstfrieslandAltfunnixsiel,Altharlingersiel,Bensersiel,Carolinensiel,Dornumersiel,Friederikensiel,Greetsiel,Harlesiel,Hilgenriedersiel,Neßmersiel,Neufunnixsiel,Neuharlingersiel,Rüstersiel,Sophiensiel,Wapelersiel undWesteraccumersiel, und inNordfrieslandKatingsiel,Schlüttsiel undBongsiel sowieTammensiel undOstersiel auf der nordfriesischen InselPellworm. Schülperneuensiel und Schülperaltensiel sind Ortsteile der GemeindeSchülp imKreis Dithmarschen.
Sielhafenorte ohne entsprechende Namen sindPapenburg (Drostensiel),Neustadtgödens,Bremen-Vegesack undNeuhaus (Oste). AuchEmden (Faldern- oder Rotesiel, Gasthaussiel),Larrelt,Knock,Norden (Alte en Große Siel),Cuxhaven,Glückstadt,Friedrichstadt undRudbøl hatten im 16. oder 17. Jahrhundert ihre Sielhäfen. InOldersum undTönning sind sie noch vorhanden. Die Pläne, um 1619 einen Sielhafen vorBredstedt zu bauen, sind fehlgeschlagen.
Keine Orte oder Ortsteile entstanden bei den Sielen vonGroßensiel (Nordenham),(Neue) Lunesiel,Blexer,Brake,Büttel,Cappel,Coldeborg,Dangast,Drepte,Eckwarden,Friedeburg,Hamburg-Neuenfelde (Vier Sielen Schleuse oderDer Siel), Hohenstief oderSankt Joost (Wangerland),Hoyer,Knock,Spieka-Neufeld,Neues Strohausersiel,Ohmstede,Petkum,Bockhorn-Steinhausen,Stollhamm,Gotteskoog (Südersiel),Ueterlande,Varel,Waddens undWremen und bei vielen kleineren Sielen. 1983 entstanden der Holmer Siel und der Lüttmoorsiel imBeltringharder Koog.
Dieniederländische Endung „-zijl“, Westfriesisch „-syl“ verweist ebenfalls auf Orte, die an einem Siel liegen bzw. lagen, z. B.Delfzijl. Als technischer Begriff heißt das Siel allerdings auf Niederländischspuisluis (etwa „Auslassschleuse“ –spuien heißt „ablassen“,spugen heißt „speien“), was in deutschen Beschreibungen niederländischer Küstenschutzbauten leicht eine ungenaue Terminologie bewirkt.
Betrieb
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Das in Entwässerungsgräben angesammelte Niederschlagswasser fließt durchSielzug undVorfluter (auch:Tief) zum Sielbauwerk. Ein Sielbauwerk besteht in der Regel aus:
- dem von außen sichtbaren Sielgebäude,
- dem Antriebsraum und der Hubschützkammer (im Inneren des Sielgebäudes),
- der Sielkammer mit dessen Ein- und Auslaufbauwerken (Verbindungs„tunnel“ zwischen Vorflut und See).

Die Sielkammer ist der eigentliche Durchlass des Wassers vom Binnenland zur See und führt unter dem Deich hindurch. Die Tore eines Sieles sind je nach Wasserstand geöffnet oder geschlossen. Somit kann Wasser aus dem Binnenland aufgestaut werden bzw. frei abfließen.
BeiFlut schließen sich die seeseitig angeordneten Tore (Sielklappe) eines Sieles automatisch durch den Druck des von See auflaufenden Wassers und öffnen sich wieder bei steigendem Innendruck, wenn bei eintretenderEbbe derWasserstand des Flusses oderMeeres unter den Binnenwasserstand fällt. Die Tore werden in der Regel alsAnschlagtore ausgeführt, jedoch existieren auch vereinzeltStemmtore. Die Tore dienen der Deichsicherheit.
Als weitere Deichsicherheit ist in der Regel einHubschütz aus Metall oderHartholz angeordnet, welches über die Schützkammer mit dem Schützraum verbunden ist und bedient wird.
An vielen Sielen gibt es heuteSchöpfwerke; bei niedrigem Wasserstand des Vorfluters wird passiv entwässert, bei hohem Wasserstand wird das Wasser aus den Sielzügen mit Maschinenkraft außendeichs gepumpt. Um allerdings einen möglichst großen Teil der Entwässerung ohne Energieeinsatz bewältigen zu können, gibt es auf der Deichrückseite mancherorts einen Speichersee, in dem sich Wasser während der Flut ansammeln kann, um während der Ebbe abgelassen zu werden. Wichtig ist so ein Speichersee vor allem bei mehrtägigen Sturmfluten. Vor einem Schöpfwerk wird dieser Speichersee alsMahlbusen bezeichnet.
Rechtliche Regelung
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Deutschland
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]In Deutschland bleiben nach Art. 66Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche die landesgesetzlichen Vorschriften, welche dem Deich- und Sielrecht angehören, vombürgerlichen Recht unberührt. Rechtsgrundlage des Sielrechts ist also das jeweilige Landesrecht.
Die Errichtung der Sielbauwerke und die meisten anderen Elemente der ersten Deichlinie wird aus einem Gemeinschaftsfond von Bund und Küstenländern finanziert. Betrieb und Besitz der Siele sind von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich geregelt.
- InSchleswig-Holstein gehört die erste Deichlinie dem Land, und auch die Siele betreibt derLandesbetrieb für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz. Nur die Siele der zweiten Deichlinie werden im nördlichsten Bundesland durch die jeweiligeSielacht betrieben.
- InNiedersachsen undBremen sindDeichverbände und Sielachten auch Besitzer und Betreiber der ersten Deichlinie und ihrer Siele. BeiSturmflutsperrwerken gibt es Unterschiede; in Bremen werden auch die vom jeweiligen Deichverband betrieben, in Niedersachsen vomNLWKN.
Niederlande
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]In denNiederlanden ist für alle Einrichtungen zum Hochwasserschutz derRijkswaterstaat zuständig.
Trivia
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Siel ist alsHamburgensie der korrekte Fachbegriff für dieKanalisation inHamburg.
Siehe auch
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Literatur
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Johannes Ey in: Frank Both (Redaktion):Archäologische Denkmäler zwischen Weser und Ems Isensee, Oldenburger Landesverein für Geschichte, Natur- und Heimatkunde / Staatliches Museum für Naturkunde und Vorgeschichte, Oldenburg 2000, S. 177/9,ISBN 3-89598-752-2 (=Oldenburger Forschungen, Band 13)
- Kai Niederhöfer:Rungholt gab es auch anderswo ... Archäologische Spuren der untergegangenen Ortschaft Otzum. In:Archäologie in Niedersachsen. Band 11, Archäologische Kommission für Niedersachsen, Isensee 2008,ISBN 978-3-89995-522-4, S. 80–83
- Kai Niederhöfer:Archäologische Fundstellen im ostfriesischen Wattenmeer. Siedlungsgeschichte einer untergegangenen Landschaft bis 1570. Rahden/Wstf. 2016, S. 225–227,ISBN 978-3-89646-938-0 (=Beiträge zur Archäologie in Niedersachsen, Band 18)
- Arnold Schultze:Die Sielhafenorte und das Problem des regionalen Typus im Bauplan der Kulturlandschaft. Göttingen 1962 (= Göttinger geographische Abhandlungen, Band 27)
Weblinks
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Sielwerke in Ostfriesland –Friesland und die GrenzbereicheWesermarsch undNiederlande, Historische Sielbauten. In:Sielwerk.de
- Wasserversorgung im nordfriesischen Marschenland. In:Bosy-Online.de
- Deich- und Hauptsielverband Diethmarschen indhsv-dithmarschen.de
Einzelnachweise
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- ↑Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache (DWDS) – sielzug. Abgerufen am 24. Januar 2025.
- ↑DWDS – Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache. Abgerufen am 11. Dezember 2019.
- ↑Heinrich Hoops:Die Geschichte des Bremer Blocklandes, 1927 (Verfügbar im Lesesaal desStaatsarchivs Bremen)
- ↑Sehenswertes Sieltor in Bensersiel
- ↑Oskar Tenge: Der Jeversche Deichband, 1889, Reprint 1999, ISBN 3-98o6956-0-3
- ↑http://brema.suub.uni-bremen.de/content/pageview/26159Bremisches Urkundenbuch III, Nr. 463 (S. 422/423): Bestätigung des Übereinkommens über die Anlage des Waller Siels