34.502030555556112.93Koordinaten:34° 30′ 7,3″ N,112° 55′ 48″ O
Shaolin
Shaolin (chinesisch少林,PinyinShàolín) ist der Name eines buddhistischenMönchsordens in China und seiner Mitglieder. Ebenso bezeichnetShaolin das Ursprungskloster des Ordens, das am BergSongshan im OrtDengfeng in der ProvinzHenan im HerzenChinas liegt. Es ist berühmt für seinenKampfkunststil少林拳 (Shàolínquán, „Faust der Shaolin“), besser bekannt als „Shaolin Kung Fu“. Das Kloster gilt außerdem als die Geburtsstätte des historischenChan-Buddhismus, des Vorläufers desZen (kor.Seon,viet.Thien,sanskritDhyana).
Den NamenShaolin-Tempel (少林寺,Shàolín Sì) tragen daneben auch eine Reihe andererKlöster in der Volksrepublik China, Korea (Sorim),Indochina und Japan (Shorinji).
Im Westen sind der Orden und das Kloster vor allem durch die Filmgestalt des Mönchs „Kwai Chang Caine“ (gespielt vonDavid Carradine) aus der in den 1970er Jahren entstandenen FernsehserieKung Fu und aus zahlreichen weiterenEastern bekannt geworden, auch wenn die Darstellung der Mönche in der Regel nicht viel mit der Realität zu tun hat. Bekannt geworden sind auch verschiedene „Shaolin“-Showgruppen, die mit ihren akrobatischen Leistungen und beeindruckenden Fähigkeiten durch viele Länder touren, obwohl in der Show vor allemmodernes Wushu und ästhetische Showeinlagen von eigens dafür engagierten Darstellern demonstriert werden, die wenig mit den Mönchen des Klosters zu tun haben.
Der Orden der Shaolin hat in den 1980er Jahren in China und im Westen eine Reihe von Tempeln wieder in Betrieb genommen bzw. gegründet. Er versteht sich als Schule des Chan-Buddhismus; die Kampfkunst gilt dabei als Teil der buddhistischen Praxis.
Der Name des Tempels lautet auf Chinesisch少林寺Shàolín Sì. Das Schriftzeichen少shǎo bzw.shào trägt die Bedeutung „wenig“ bzw. „jung“, ist aber auch der Name des BergesShaoshi (少室山), an dessen nördlichem Fuß das Kloster steht. Das Schriftzeichen 林lín bedeutet „Wald“,寺si bedeutet „Tempel“. Der Name Shaolin kann damit also entweder als „Tempel im jungen Wald“ übersetzt werden, reflektiert aber wahrscheinlich die Lage als „Tempel im Wald am Berg Shaoshi“.[1]
496n. Chr. stattete der KaiserXiao Wen (孝文帝, 471–499) derNördlichen Wei-Dynastie den in Indien geborenen Mönch Batuo (跋陀), in chinesischen Quellen auch Fotuo (佛陀) genannt, mit Geldmitteln aus, um das Shaolin-Kloster im Songshan-Gebirge in der ProvinzHenan zu errichten. Unter der Leitung von Batuo entwickelte sich das Shaolin-Kloster zu einem Zentrum der buddhistischen Lehre. Batuo gründete eineSutra-Übersetzungshalle (Fanjing Tang –翻經堂) in derSutrenübersetzer wieRatnamati undBodhiruci Sutren aus dem Sanskrit ins Chinesische übertrugen. Der Ruhm dieser Übersetzungs-Akademie war so groß, dass der buddhistische PilgermönchXuanzang (603–664) in einer Petition den KaiserTaizong (599–649) derTang-Dynastie bat, im Shaolin-Kloster wohnen zu dürfen. Xuanzang gab als Grund für seine Wahl die Leistungen Bodhirucis an.[1]
Der Legende nach lehrte der indischeMönchBodhidharma (菩提達摩,Pútídámó), Begründer und erster Patriarch desChan- bzw.Zen-Buddhismus, der um das Jahr 527 in das Shaolin-Kloster kam, die Grundlagen derShaolin-Kampfkunst, die dann im Kloster weiterentwickelt und tradiert wurden. Während derTang-Dynastie (618 -907 n. Chr.) erlangten die Shaolin-Mönche im chinesischen Reich großes Ansehen. An der Stele vom Jahre 728 ist es historisch belegt, dass das Shaolin-Kloster 13 kämpfende Mönche entsandte, um die bedrängte Dynastie zu unterstützen.[2] Als Dank für die guten Dienste, die diese Mönche leisteten, wurden dem Kloster einige Privilegien zugestanden, unter anderem, einige Mönche als Krieger auszubilden.
Von 1368 bis 1644 erlebte das Shaolin-Kloster und seine Kampfkunst, das von der regierendenMing-Dynastie gefördert wurde, einen enormen Aufschwung. Die Armee des Klosters war etwa 2.500 Mann stark, und die Kampfkünste des Klosters wurden in unzähligen Varianten und Techniken ausgeübt. In diesem Zusammenhang wird auch von der Blütezeit des Shaolin-Tempels gesprochen.
Der Tempel wurde im Verlauf seiner Existenz etliche Male zerstört, geplündert und wieder aufgebaut.
Am bekanntesten ist die angebliche Zerstörung des Tempels in derQing-Dynastie durch KaiserKangxi (1654–1722). Er soll aus Angst vor der Kampfkraft der Mönche die Zerstörung des Tempels und die Ermordung vieler Mönche veranlasst haben. Tatsächlich war Kangxi wohl eher ein Unterstützer des Tempels, dessen über dem Haupttor des Tempels angebrachtekalligraphische Inschrift noch heute dort hängt.
Die letzte Zerstörung des Klosters erfolgte im Jahre 1928, als verschiedene Kriegsfürsten ihre Streitigkeiten auf dem Gebiet des Tempels ausfochten. Dabei ging ein großer Teil der religiösen Kunstschätze und Schriften des Tempels verloren; nur kleine Teile des Tempels wurden wieder aufgebaut.
Legenden berichten von einem zweiten, südlichen Shaolinkloster inFujian, das bis ins 18. Jahrhundert bestanden haben soll. Möglicherweise bezieht sich die Legende über die Zerstörung des Shaolinklosters während der Regierungszeit des KaisersKangxi auf dieses Kloster. Das südliche Shaolinkloster wird als Ursprungsort der südchinesischen Kampfkunststile (z. B.Wing Chun,Weng Chun,Hung Kuen) betrachtet.
Der genaue historische Standort des südlichen Klosters ist unbekannt und wird von mindestens drei Orten in China beansprucht.[3]
InQuanzhou, in der südöstlichen ProvinzFujian, wurde das Shaolinkloster offiziell während derTang-Dynastie (618–907) gegründet. Eine Überlieferung besagt, dass Mönche aus dem nördlichen Shaolin-Tempel in den Süden kamen, um im Kampf gegen Piraten zu helfen. Andere Überlieferung tradieren, die Mönche seien nach dem Sturz derMing-Dynastie im 17. Jahrhundert aus dem Norden geflohen.[4]
DerPagodenwald liegt auf einem Hügel mehr als 280 Meter südwestlich des Shaolin-Tempels und erstreckt sich über eine Fläche von fast 20.000 Quadratmetern. Da der Pagodenwald des Shaolin-Tempels eine historische Datenbank für das Studium antiker Skulpturen undKalligraphiekünste ist, hat es eine wichtige wissenschaftliche und historische Bedeutung. Chu Zu'an liegt 1,3 Kilometer nördlich des Shaolin-Tempels. Es handelt sich um ein Gedenkgebäude, das in derSong-Dynastie zum Gedenken an Bodhidharma, den ersten Vorfahren des Zen-Buddhismus, errichtet wurde. Da Bodhidharma oft zwischenSongluo reiste und seine Meditation hauptsächlich darin bestand, ruhig mit dem Gesicht zur Wand zu sitzen, wird dieses Nonnenkloster auch „Dharmas Nonnenkloster mit Blick auf die Wand“ genannt. Der Zweite Ahnentempel befindet sich auf dem Gipfel des Zhuyu, gegenüber der ständigen Residenz des Shaolin-Tempels. Es wurde zum Gedenken an den zweiten VorfahrenHuike erbaut, liegt gegenüber dem Tempel des ersten Vorfahren im Norden des Shaolin-Tempels und heißt Nan'an. Die Bodhidharma-Höhle ist eine Natursteinhöhle. Bodhidharma, der Begründer desZen-Buddhismus, verbrachte neun Jahre damit, in dieser Höhle vor der Wand zu stehen, daher wird sie „Dharma-Höhle“ oder „Dharma-Höhle mit Blick auf die Wand“ genannt.
Nach der Gründung derVolksrepublik China durchMao Zedong 1949 ließ man die Mönche anfangs gewähren. Im Zug derKulturrevolution ab 1966 wurden der Tempel aber zerstört und die Mönche verfolgt und vertrieben. Die Ruinen des Klosters waren jahrelang nur von wenigen Mönchen bewohnt. 1982 wurde der Tempel durch den FilmShaolin Temple mitJet Li im Westen bekannt und auch für den Tourismus entdeckt. Die chinesische Regierung ließ den Tempel wieder aufbauen und erlaubte, im Zuge einer allgemeinen Liberalisierung der Religionsausübung, nun auch wieder den buddhistischen Mönchen, dort legal zu praktizieren.
Im Jahr 1999 wurde der MönchShi Yongxin als Abt des Klosters inthronisiert. Neben zahlreichen Aktivitäten zur Wiederbelebung der Kultur der Shaolin machte er auch durch den umstrittenen Abriss von „Shaolin Village“ von sich reden. Bis 2001 waren in der direkten Umgebung des Tempels zahlreiche Kampfkunstschulen zu finden, die nur wenig Verbindung zum Tempel hatten, sich aber mit dem Namen „Shaolin“ schmückten. Dies förderte einerseits die Bekanntheit des Tempels, aus Sicht des Abtes Shi Yong Xin schädigte es aber die traditionellen Werte, da diese Schulen keine Verbindung mit dem Tempel hatten. Im Einverständnis mit der kommunistischen Regierung der Volksrepublik China ließ er daher im September 2001 fast alle Wushu-Schulen in Shaolin enteignen und abreißen. Die betroffenen Schulen wurden zwar mit entsprechenden Grundstücken im nahegelegenenDengfeng (chin. 登封) entschädigt, zahlreiche Schulen wurden aber gegen ihren Willen vertrieben. Deren Grundstücke, die dem Staat gehören, wurden meist zu Feldern oder Grasflächen. Nur die staatliche Wushu-Schule „Wushu-Guan“, die als Teil des Shaolin-Klosters tätig ist, blieb bestehen.
Das Shaolin-Kloster und seine Umgebung sind heute auch eine Touristen-Attraktion. Stündlich finden vor dem Wushuguan Wushu-Vorführungen statt. Im vorderen Bereich des Tempels selbst wurde der Servicebereich „Shaolin The Stage of Joy“ errichtet, mit Souvenirläden, einem Tourismusbüro sowie einem Restaurant. Der Abriss der Schulen sowie der Aufbau einer zentralisierten Infrastruktur mit Wushu-Schule, eigenemMerchandising und Gastgewerbe werden von Beobachtern teils als Hinweis auf eine kommerzielle Ausrichtung des Shaolin-Klosters gedeutet.[5]
Neben dem üblicherweise als Ursprungskloster des Shaolin-Ordens angesehenen Kloster am Songshan gibt es sowohl in China als auch außerhalb verschiedene Tempel und Kloster, die den NamenShaolin tragen oder getragen haben. Insbesondere in der Zeit der Kulturrevolution, als viele Mönche aus China flohen, wurden von diesen häufig solche Klöster und Tempel in anderen Ländern gegründet.
Seit der Einsetzung des Abtes Shi Yongxin und seiner Bemühungen, das Kloster bekannter und moderner zu machen, gibt es darüber hinaus verschiedene „offizielle“ Ausgründungen des Klosters in der ganzen Welt. Diese stehen nicht selten in Konflikt mit den bereits etablierten „Shaolin“-Klöstern, da das Ausgangskloster in Henan mittlerweile versucht, die Verwendung des NamensShaolin weltweit auf die mit dem Hauptkloster vertraglich verbundenen Einrichtungen zu begrenzen.[6]
In Deutschland gibt es einen Shaolin-Tempel, der offiziell als Vertreter des chinesischen Muttertempels gegründet wurde, denShaolin-Tempel Deutschland in Berlin. Hinzu kommt das 2019 inKöln von Großmeister Shi Yan Po gegründete Shaolin Kulturzentrum von Köln als weiterer, legitimierter Ableger.
Am 1. September 2010 wurde die „Shaolin Europe Association (SEA)“ durch den Ehrwürdigen Großmeister Shi Yong Xin, Abt des Shaolin-Tempels Henan (China), in Wien gegründet. DieShaolin Europe Association ist eine Dachorganisation zur Förderung der Verbreitung authentischer Shaolin-Kultur in Europa und hat ihren Hauptsitz in Berlin.
Seit Ende der 2000er Jahre berichteten deutschsprachige Medien auch über einen Shaolin-Tempel in Kaiserslautern, der inzwischen in einem Anwesen inOtterberg ansässig ist.[7] Es handelt sich demnach um ein durch Angehörige des Shaolin-Ordens betriebenes Ausbildungszentrum für Jugendliche und junge Erwachsene.[8][9][10] Seit einiger Zeit wird diskutiert, ob derShaolin Tempel in Otterberg anerkannt war oder ist.[7] Das Zentrum bezeichnet sich selbst als „Shaolin-Tempel“ und wird durch Monroe Coulombe unter dem chinesischen NamenShi Heng Zong betrieben, der sich Abt nennt und behauptet, der erste nichtchinesische Mönch des Shaolin-Ordens seit 200 Jahren zu sein.[11][12] Nach Aussage des Ordens ist Coulombe weder Mönch noch Abt der Shaolin.[11] Coulombe zählt zu den Mitbegründern des Shaolin Tempel Kaiserslautern im Jahre 1995.[7]Auf die Aufforderung des Berliner „Shaolin Tempel Deutschland“, seinen Namen zu ändern, reagierte Coulombe nie. Ein Verfahren wegen Verdachtes auf Betrug wurde durch die Staatsanwaltschaft „mangels hinreichendem Verdacht“ eingestellt. Im Jahr 2010 schaltete sich das Landesjugendamt ein.[11]
DerShaolin-Tempel Österreich ist ein buddhistischer Tempel des chinesischen Ordens der Shaolin und hat seinen Sitz inWien. Er wurde 2011 von Großmeister Shi Yan Liang, Dharma Meister des Tempels in Henan, gegründet. Shi Yongxin weihte den Tempel am 1. Oktober 2011 ein. In Österreich ist es der einzige Ableger des Shaolin-Tempels in Henan.[13] Der Tempel in Wien ist eines der größten chan-buddhistischen Zentren außerhalb Chinas.
Rechtsträger des Shaolin-Tempel Österreich ist der Shaolin Kulturverein mit Sitz in Wien. Der Tempel ist weiterhin Mitglied derShaolin Europe Association, die am 1. September 2010 ebenfalls durch Shi Yong Xin in Wien gegründet wurde.[14]
Bernhard Moestl:Shaolin – Du musst nicht kämpfen, um zu siegen. Droemer/Knaur, München 2008,ISBN 3-426-64566-1 (eine Einführung in die 12 Lebensprinzipien der Shaolin-Mönche).
Robert Egger, Hartmut Zwick, Shi Yong Chuan, Sabine Knoll:Mehr Energie durch Shaolin Qi Gong. Springer-Verlag, Wien 2006,ISBN 3-211-33549-8 (eine Vorstellung der energetischen Übungen der Shaolin-Mönche).
Roger Stutz, Claudio Brentini:Die Tugenden des Shaolin Kung Fu. DGS-Druck- u. Graphikservice, Wien 2016,ISBN 978-3-033-05905-4.
↑abMeir Shahar:The Shaolin Monastery: History, Religion, and the Chinese Martial Arts. University of Hawai'i Press, Honolulu 2008,ISBN 0-8248-3110-1,S.11.
↑Meir Shahar:The Shaolin Monastery: History, Religion, and the Chinese Martial Arts. 2008, S. 33–34.