Seekatzen

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Seekatzen

Gefleckte Seeratte (Hydrolagus colliei)

Systematik
Stamm:Chordatiere (Chordata)
Unterstamm:Wirbeltiere (Vertebrata)
ohne Rang:Kiefermäuler (Gnathostomata)
Überklasse:Knorpelfische (Chondrichthyes)
Klasse:Holocephali
Ordnung:Seekatzen
Wissenschaftlicher Name
Chimaeriformes
Obruchev, 1953

DieSeekatzen (Chimaeriformes), auchChimären („Mischwesen“, vgl.Chimära),Spöken,Seedrachen,Seeratten oderGeisterhaie, sind neben denHaien undRochen das dritte Großtaxon derKnorpelfische (Chondrichthyes). Sie sind wenig bekannte Meeresfische, die vor allem dieKontinentalabhänge bevölkern. Seekatzen sind die einzigenrezenten Vertreter derKlasseHolocephali. Man unterscheidet insgesamt etwa 55 Arten, die drei Familien zugeordnet werden.

Inhaltsverzeichnis

Verbreitung und Lebensraum

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Seekatzen leben in allen Weltmeeren, vomNordpolarmeer über die Tropen bis zurSubantarktis. Sie kommen vor allem in Tiefen von 200 bis 2000 Metern, maximal bis 3000 Meter Tiefe vor. In den tropischen Meeren sind die Chimären artenarm, die wenigen dort lebenden Arten halten sich vor allem in der Tiefsee auf.Pflugnasenchimären kommen nur auf der Südhalbkugel der Erde in geringeren Tiefen von zehn bis etwa 375 Metern vor.[1] Der Lebensraum der Seekatzen sind vor allem die Kontinentalabhänge und die Ozeanböden, keine lebtpelagisch im offenen Ozean, einige jedoch nah bei Inselgruppen, z. B. beiHawaii.

Merkmale

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Hydrolagus alberti mit fadenartigem Schwanz.
Australische Pflugnasenchimäre (Callorhinchus milii) mit haiähnlicher Schwanzflosse.

Seekatzen ähneln äußerlich denGrenadierfischen (Macrouridae) und denTiefseequappen (Ateleopodidae), zwei Familien derKnochenfische, die ebenfalls in der Tiefsee leben, mit denen die Seekatzen aber nicht verwandt sind. Sie sind Knorpelfische ohne Knochenskelett, ohne knöcherneFlossenstrahlen und ohneKnochenschuppen. Seekatzen werden 40 Zentimeter bis 1,50 Meter lang. Weibchen sind im Allgemeinen größer als Männchen. Ihr Rumpf ist seitlich etwas abgeflacht, die Brustflossen sind breit, blattförmig,distal (vom Körperzentrum weg) zugespitzt und werden von zartenCeratotrichia gestützt. Zur langsamen Fortbewegung werden die Brustflossen wie Flügel bewegt.[2]

Alle Seekatzen haben zwei Rückenflossen, die erste ist kurz und hoch und wird von einem schlanken, mit Giftdrüsen in Verbindung stehenden, beweglichen Stachel geschützt, der schmerzhafte Verletzungen verursachen kann. Die zweite ist als langgestreckter Saum ausgebildet, flach und stachellos. Eine Afterflosse kann vorhanden sein oder fehlen. Der Schwanz der Seekatzen ist länglich, läuft spitz zu und endet oft in einem langen, peitschenartigen Endfaden. Bei denKurznasen- undLangnasenchimären ist dieSchwanzflosse diphycerc und besteht aus zwei Teilen oberhalb und unterhalb der Wirbelsäule, bei denPflugnasenchimären ist sieheterocerk (das Ende der Wirbelsäule biegt sich nach oben und stützt den oberen größeren Teil der Schwanzflosse), wie die der Haie.

Mit Ausnahme von einigenPlacoidschuppen auf dem Rücken – bei einigen Arten sind auch sichelförmige Schuppen entlang derSeitenlinie vorhanden[3] – ist die Haut der Seekatzen unbeschuppt. Im Unterschied zu den Verhältnissen bei Haien und Rochen, wo die Seitenlinie unter der Haut verborgen ist, sind die offenen Seitenlinienkanäle der Chimären gut sichtbar. Männliche Seekatzen tragen in Höhe der Bauchflossen ein Paar walzenförmige oder gegabelteKlaspern (Begattungsorgane), die der inneren Befruchtung dienen. Vor den Klaspern befinden sich paarige, aus Falten ausklappbare Tentacula, die wahrscheinlich als Halteorgan während der Kopulation dienen. Ein weiteres türklopferartiges Tentaculum befindet sich auf der Stirn der Männchen. Es dient wahrscheinlich als Reizorgan vor oder während der Paarung. Bei weiblichen Seekatzen wurden zum Kopftentaculum passende Narben gefunden. Die Spitzen der Klasper und der Tentacula sind mit Placoidschuppen besetzt. Bei den Weibchen sind die Tentacula nur rudimentär vorhanden.

Seekatzen haben keine Wirbelkörper, sondern nur eine kräftigeChorda dorsalis, die sich bis in die Schwanzspitze erstreckt. Außer bei den Pflugnasenchimären wird die Chorda pro Zentimeter von elf bis zwölf verkalktenWirbelbogen geschützt, ab dem Becken sind diese dorsal nicht mehr geschlossen. Hinter demNeurocranium finden sich zwölf zusammengewachsene Wirbelbogen (Synarcuale), die die erste Rückenflosse und ihren davor liegenden Stachel tragen.[4] Wie alle Knorpelfische besitzen Seekatzen keineSchwimmblase. ImVerdauungstrakt ist kein deutlich ausgebildeterMagen erkennbar.[5]

Kopf

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Kopf vonChimaera monstrosa
1. Rostrum, 2. Brustflosse, 3. Maul mit Zahnplatten, 4. Nasenöffnungen
Südamerikanische Pflugnasen­chimäre (Callorhinchus callorhynchus)
Harriotta raleigh

Im Unterschied zu Haien und Rochen haben die Seekatzen nur vier Kiemenbögen auf jeder Kopfseite. Alle Kiemenbögen werden von einem einzigen Kiemendeckel geschützt, der im Unterschied zu dem der Knochenfische nicht verknöchert, sondern nur verknorpelt ist, und nur eine Kiemenspalte offen lässt. Der Kiemendeckel reicht bis zur Brustflossenbasis. Die Augen der Seekatzen sind groß, einSpiraculum wird nur vorübergehend, während derOntogenese angelegt[3] und ist bei erwachsenen Fischen nicht mehr vorhanden. Das Maul ist unterständig, klein und durch tiefe Gruben, die Wasser von denNasenöffnungen zum Maul leiten, mit diesen verbunden. Die Zähne sind zu ständig wachsenden Zahnplatten zusammengewachsen, zwei Paar im Oberkiefer und ein Paar im Unterkiefer. Sie werden nicht ständig ersetzt, wie bei Haien und Rochen. Die wie Nagezähne hervorragenden Zähne erinnern an die Schneidezähne der Nagetiere und führten zum Alternativnamen Seeratten.

Die Schädelanatomie der Seekatzen ist einzigartig unter den Fischen. Ähnlich wie bei denSäugetieren ist bei ihnen, als Anpassung an ihre Schalentiernahrung, der Oberkiefer (das Palatoquadratum, auch Viscerocranium (Kieferschädel, vonLat.:Viscera = Eingeweide +Gr.:kranion = Schädel) genannt) völlig mit demNeurocranium („Gehirnschädel“) verschmolzen, ein Zustand der Holostylie genannt wird ("holocephal" bedeutet: Schädel aus einem Stück).[6]

DasEndhirn (Telencephalon) ist nur durch einen langen Stiel, dem sogenannten Endhirnstiel (Pedunculus cerebri, Praethalamus) mit demZwischenhirn (Diencephalon) verbunden. Ursache für die Bildung des langen Endhirnstiels sind wahrscheinlich die großen Augen. Die beiden Hälften desVorderhirns sind nur ventral (bauchseitig) und medial (in der Mitte) im Bereich derCommissura anterior und derHippocampi miteinander verbunden. DieRiechkolben (Bulbi olfactorii) sind ungewöhnlich gut entwickelt und deuten auf eine große Bedeutung desGeruchssinnes hin. Jeder Riechkolben ist in einem dorsalen (rückseitigen) und ventralen Bereich geteilt, denen jeweils ein Riechbulbus zuzuordnen ist. Die Bulbusabschnitte sind jeweils über einen dorsalen und ventralenNervus olfactorius mit derNase verbunden. Die hinteren drei Hirnteile (Zwischenhirn,Mittelhirn,Kleinhirn) sind aus Platzgründen (kurzer Schädel) übereinander angeordnet.[7]

Ernährung

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Seekatzen ernähren sich von hartschaligen, bodenbewohnenden, wirbellosen Tieren, darunterSeeigel, Muscheln, Schnecken und verschiedene Krebstiere, wieKrabben, Garnelen,Fangschreckenkrebse undMeerasseln, aber auch von kleineren Fischen.

Fortpflanzung

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Einige Seekatzenarten wandern zum Ablaichen in flaches Wasser. Sie sindovipar (eierlegend), die Eier sind langgestreckt, spindel- oder flaschenförmig, aber abgeflacht. Die Eikapseln können bis zu 20 Zentimeter lang sein. Ihre Oberfläche weist Atemporen auf und ist skulpturiert. Das ausdoppelbrechenden Schichten bestehende Schalenmaterial ist von dem der Haieikapseln chemisch verschieden. Die Schale wird wahrscheinlich von einer Schalendrüse und dem caudalen (hinteren) Eileiterabschnitt gebildet. Die Eier werden einzeln oder paarweise abgelegt, danach dunkeln sie rasch nach. Bis zum Schlupf der Jungfische können acht bis zwölf Monate vergehen. Die Jungfische gleichen, bis auf die längeren Schwänze, den Alten schon sehr.[8]

Äußere Systematik

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Die Seekatzen sind die einzige überlebende Ordnung derHolocephali, einer Unterklasse der Knorpelfische, zu der vor allem ausgestorbene Taxa gehören. Die Holocephali waren imKarbon eine artenreiche Fischgruppe und stellten zu der Zeit einen großen Teil der Fischfauna. Zu ihnen gehören verschiedene Gruppen und Ordnungen, die haiähnliche Zähne, die laufend ersetzt wurden, hatten, und die ÜberordnungHolocephalimorpha, zu der die Seekatzen und einige ausgestorbene Gruppen gehören, die sich das Merkmal der Zahnplatten teilen.

Die im Unterkiefer mit einer spiraligen Zahnbatterie ausgestattetenEugeneodontida, hierParahelicoprion, sind wahrscheinlich näher mit Seekatzen verwandt als mit den Haien.
  Knorpelfische  

 Plattenkiemer (Elasmobranchii) (Haie, Rochen und ausgest. haiähnliche Fische)


  Holocephali  

 basale Holocephali


   

 basale Holocephali


  Holocephalimorpha  

 Psammodontiformes


   

 Copodontiformes


   

 Chondrenchelyiformes


   

 Cochliodontiformes


   

 Seekatzen (Chimaeriformes)


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Innere Systematik

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Man unterscheidet etwa 55 Arten, die dreiFamilien mit einer, zwei und drei Gattungen zugeteilt werden. Außerdem sind noch drei Familien beschrieben worden, zu denen ausschließlich ausgestorbene Gattungen gehören.

Phylogenie der rezenten Seekatzen nach M. Licht et al.[9]

 Chimaeriformes 
 Callorhinchidae 

Callorhinchus


   
 Chimaeridae 

Chimaera & Hydrolagus


 Rhinochimaeridae 

Neoharriotta


   

Harriotta


   

Rhinochimaera






Fossil der ausgestorbenen KurznasenchimäreIschyodus avitus imAmerican Museum of Natural History.

Fossilbericht

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Fossilien von Seekatzenähnlichen Fischen finden sich ab demUnterkarbon. Eine besonders reichhaltigeFossillagerstätte aus dieser Zeit ist der schottischeBear-Gulch-Kalkstein. Von den rezenten Familien erscheinen die Pflugnasenchimären und die Langnasenchimären im frühenJura, die Kurznasenchimären in der frühenKreidezeit[10][11].

Nutzung

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Das Fleisch der Seekatzen ist genießbar, das der Pflugnasenchimären gilt als ausgezeichnet. Sie werden auch zur Fischmehlproduktion genutzt, aus der Leber wird Schmieröl hergestellt.[12] In den USA wird die auch im kühlen Flachwasser vorkommendeGefleckte Seeratte (Hydrolagus colliei) in mehreren öffentlichen Schauaquarien gezeigt. In Australien gelang die Nachzucht derAustralischen Pflugnasenchimäre (Callorhinchus milii).[13]

Literatur

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Einzelnachweise

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  1. Nelson (2006), S. 45.
  2. Goldschmid (2006), S. 206.
  3. abCarroll (1993), S. 85.
  4. Goldschmid (2006), S. 204.
  5. Goldschmid (2006), S. 207.
  6. Goldschmid (2006), S. 202–203.
  7. Fiedler (1991), S. 243.
  8. Fiedler (1991), S. 243–244.
  9. Martin Licht, Katharina Schmuecker, Thomas Huelsken, Reinhold Hanel, Peter Bartsch, Martin Paeckert:Contribution to the molecular phylogenetic analysis of extant holocephalan fishes (Holocephali, Chimaeriformes). Organisms Diversity & Evolution, Dezember 2012, Volume 12, Issue 4, S. 421–432,DOI:10.1007/s13127-011-0071-1
  10. Nelson (2006), S. 45–47.
  11. Karl Albert Frickhinger:Fossilien Atlas Fische, Mergus-Verlag, Melle, 1999,ISBN 3-88244-018-X
  12. Fiedler (1991), S. 244.
  13. W. E. Engelmann:Zootierhaltung - Tiere in menschlicher Obhut - Fische. S. 218, Verlag Harri Deutsch, 1. Auflage, 2005,ISBN 3-8171-1352-8

Weblinks

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Commons: Seekatzen (Chimaeriformes) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Normdaten (Sachbegriff):GND:4609156-7(lobid,OGND,AKS)
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