Sedierung
Sedierung bezeichnet in der Medizin dieDämpfung von Funktionen deszentralen Nervensystems durch einBeruhigungsmittel (Sedativum oderSedativ). Seltener wird auch die BezeichnungSedation alsSynonym zu Sedierung benutzt (vonlateinischsedare‚beruhigen‘). Der Begriff wird insbesondere in derIntensivmedizin und bei der Anwendung vonPsychopharmaka verwendet.
Wird zusätzlich einSchmerzmittel(Analgetikum) verabreicht, spricht man von einerAnalgosedierung.
Der Übergang von einer Sedierung zu einerAllgemeinanästhesie(Narkose) ist fließend, bei letzterer ist der Patient nicht mehr erweckbar für die Dauer der Narkose.
In derPalliativmedizin kann eine sogenannteterminale Sedierung eingesetzt werden. Im Gegensatz zuNeuroleptika undAntidepressiva sollen Sedativa keine spezifische Wirkung auf psychiatrische Krankheiten haben. In der Geschichte der Psychiatrie wurden sie jedoch häufig auch dafür eingesetzt.[1] Umgangssprachlich wird bei Drogen mit sedierender Wirkung auch vonDownern gesprochen.[2]
Anwendung
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Unruhe ist ein häufig bei körperlichen undpsychischen Erkrankungen anzutreffendesSymptom. Unruhezustände können häufig durch die gezielte Gabe von Sedativa gelindert werden. Sedativa sind im Allgemeinen schlaffördernd und bewirken in höhererDosierung eine Ausschaltung derbewusstenWahrnehmung, damit im Idealfall eine Distanzierung von verschiedenenÄngsten. Eine gezielte Behandlung der Angst wird demgegenüber alsAnxiolyse bezeichnet (sieheTranquilizer).
Vor größeren diagnostischen oder therapeutischen Eingriffen ist eine Sedierung angezeigt, um die Stressbelastung für den Patienten zu reduzieren und dessen Ansprechbarkeit dennoch zu gewährleisten und so die bestmögliche Zusammenarbeit mit dem Untersucher oder Therapeuten zu ermöglichen. Es sind geeignete Vorsichtsmaßnahmen zum Schutz des Patienten zu treffen, um das Risiko möglicher Komplikationen zu minimieren, insbesondere eines unbeabsichtigten Bewusstseinsverlustes, einer Beeinträchtigung oder gar Aufhebung derSchutzreflexe (wie desHustenreflexes) oder einer Kreislauf- oder Atemdepression.[3]
Sedativa werden auch bei der Behandlung von Krämpfen eingesetzt.[4] Ist eine tiefere Sedierung notwendig oder muss mit einem Übergang in eineNarkose gerechnet werden, bedarf der Patient einer entsprechenden intensiven Überwachung und Unterstützung, sodass einAnästhesist hinzugezogen werden muss, der neben dem geeigneten Sedativum häufig bei Bedarf noch einAnalgetikum verabreicht. Eine überwachte Sedierung mit Analgesie wird als „Analgosedierung“ bezeichnet.[5]
Im Rahmen derIntensivmedizin wird beibeatmeten Patienten die Verabreichung von Sedativa zumeist nötig, da eine Beatmung ohne solcheMedikamente häufig nicht toleriert wird, insbesondere beim nichttracheotomierten Patienten. Die gewünschte Sedierungstiefe wird je nach Situation vom Arzt anhand derRichmond Agitation Sedation Scale (früher derRamsay-Skala) festgelegt, regelmäßig kontrolliert und bei Bedarf angepasst. Man geht nach den von derDGAI erstellten Leitlinien vor.[6]
Substanzen
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Benzodiazepine wieDiazepam,Midazolam,Temazepam,Nitrazepam,Flunitrazepam
- Antidepressiva wieTrazodon,Doxepin,Trimipramin,Amitriptylin,Mirtazapin,Mianserin,Agomelatin
- Narkotika undHypnotika wieThiopental,Etomidat,Ketamin undPropofol
- Barbiturate wiePhenobarbital werden in heutiger Zeit kaum noch als Beruhigungsmittel eingesetzt; sie dienen vielmehr alsAntiepileptika
- Volatile Anästhetika wieIsofluran,Sevofluran undDesfluran
- Neuroleptika wiePhenothiazine (z. B.Promethazin),Thioxanthene wieChlorprothixen,Butyrophenone wieHaloperidol und andere wieProthipendyl
- Opioide wieFentanyl,Morphin undSufentanil
- Alpha-2-Adrenozeptor-Agonisten wie etwaClonidin, in der TiermedizinXylazin,Dexmedetomidin oderMedetomidin
- Valnoctamid
- H1-Antihistaminika der ersten Generation wieHydroxyzin,Diphenhydramin undDoxylamin
- Pflanzliche Sedativa (Phytotherapie): häufigBaldrian,Zitronenmelisse,Hopfen undPassionsblume,Linarin,Echtes Johanniskraut sowie auch Kombinationen aus diesen, seltener z. B.Kava
Probleme
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Viele Sedativa führen zurToleranz (Gewöhnung), so dass im Verlauf der Anwendung die Dosis erhöht oder ein anderes Sedativum eingesetzt werden muss, um die gewünschte Sedierungstiefe aufrechtzuerhalten. Viele Sedativa haben deshalb ein Missbrauchspotential in der Daueranwendung (gilt nicht für Neuroleptika), das bis zurSucht führen kann.
Der oben beschriebene Vorteil von Sedativa, die Ausschaltung des Bewusstseins, wirkt sich jedoch auch nachteilig auf den Organismus aus. So muss gegebenenfalls der Reduzierung desAtemantriebs mitBeatmung entgegengewirkt sowie mitKatecholaminen der Kreislauf aufrechterhalten werden.
Ferner gibt esparadoxe Reaktionen: DasArzneimittel erreicht nicht die erwünschteWirkung, der Patient wird unruhig und nicht mehr führbar.
Literatur
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- H. A. Adams, E. Clausen, B. Gebhardt, J. Biscoping, G. Hempelmann:Die Analgosedierung katecholaminpflichtiger Beatmungspatienten mit Ketamin und Midazolam. In:Der Anaesthesist. Band 40, 1991, S. 238–244.
- H. A. Adams:Konzepte zur Analgosedierung: Ketamin und Propogol. In:Anästhesiologie Intensivmedizin. Band 35, 1994, S. 97–100.
- S. Fitzal:Medikamentöse Therapie, Inhalationstherapie. In: J. Kilian, H. Benzer,Friedrich Wilhelm Ahnefeld (Hrsg.):Grundzüge der Beatmung. Springer, Berlin u. a. 1991,ISBN 3-540-53078-9; 2., unveränderte Auflage ebenda 1994,ISBN 3-540-57904-4, S. 290–304, hier: S. 290–295(Sedierung/Analgesierung und Relexation).
- W. E. Müller:Sedativa als Beispiel für die Besonderheiten der Psychopharmakotherapie im Alter. In: Hans Förstl (Hrsg.):Lehrbuch Gerontopsychiatrie. Thieme, Stuttgart 2002, S. 220–226.
Weblinks
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Einzelnachweise
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- ↑Hans Bangen:Geschichte der medikamentösen Therapie der Schizophrenie. Berlin 1992,ISBN 3-927408-82-4, S. 22–27.
- ↑Interview mit Psychologen Wulf Mirko Weinreich über das Bewusstseinsmodell von Ken Wilber und die Zukunft der Drogenkultur
- ↑Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin:Leitlinie zur Sedierung und Analgesie (Analgosedierung) von Patienten durch Nicht-Anästhesisten. In:Anaesth Intensivmed.Band 10, 2002,S. 639–641 (narkosearzt-hamburg.de [PDF]).
- ↑K. H. Wollinsky, H.-H. Mehrkens, S. Haas:Der traumatologische Notfallpatient im Rettungsdienst. Kritische Beurteilung von 718 Notarzteinsätzen. In:Der Anaesthesist. Band 33, Heft 1, Januar 1984, S. 47–55, hier: S. 51
- ↑Analgesie, Sedierung und Delirmanagement in der Intensivmedizin – Langfassung, Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) und der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) (PDF; 1,7 MB).
- ↑S3-LeitlinieAnalgesie, Sedierung und Delirmanagement in der Intensivmedizin derDGAI undDIVI. In:AWMF online (Stand 12/2009).