Während Ungarn 1514 durch denBauernaufstand desGyörgy Dózsa und dessen Niederschlagung seine für den Kampf gegen die Osmanen benötigten Verteidigungskräfte geschwächt hatte, hatten die Osmanen 1521 ihr Reich durch dieEroberung Belgrads in nordwestliche Richtung erweitert. Bereits 1526 folgte ein weiterer Feldzug, der sich gegen Ungarn richtete. Süleyman hatte von UngarnTribut gefordert; als Ungarn die Zahlung verweigerte, marschierte er mit einer etwa 60.000 bis 70.000 Mann starken Armee (zu der 10.000 Reiter („Sipahis“) und 12.000Janitscharen als Elitetruppen gehörten) Richtung Norden. König Ludwig brach am 15. August mit seinem Heer von Tolna aus auf. Dem rumänischen HistorikerNicolae Iorga zufolge bestand das Heer, insgesamt etwa 25.000 bis 40.000 Mann, zum größten Teil aus Bauern.[1] Demgegenüber weist der deutsche Historiker Michael Klein darauf hin, dass sich die ungarische Bauernschaft im Türkenkrieg passiv verhalten hatte. Nachdem sie im Gefolge des niedergeschlagenen Aufstands von 1514 in dieLeibeigenschaft gezwungen worden waren, sahen die Bauern keinen Unterschied zwischen der Unterdrückung durch die ungarischen Magnaten und der durch die Türken. Da der Adel wiederum den Bauern nicht vertraute, habe das in die Schlacht ziehende Heer über nur sehr wenigeFußtruppen verfügt.[2]
DasHeerlager wurde in der Nähe des Dorfes Mohács aufgeschlagen; hier wollte man auf weitere Truppen warten. So hatte der siebenbürgische FürstJohann Zápolya mehrfach die Aufforderung erhalten, mit seinen Truppen zum König zu stoßen. Er ließ aber auf sich warten. Dasosmanische Heer überschritt am 20. August den FlussDrau und stand am 29. dem ungarischen Heer gegenüber.
Die Ungarn wollten die Osmanen ohne vorherige Kenntnis derosmanischen Schlachtordnung in die Flucht schlagen. Als sich dann eine osmanische Einheit von Sipahis zeigte, griff die gesamteschwere Reiterei der Ungarn an, obwohl erst ein Teil des ungarischen Heeres (28.000 bis 30.000 Mann) kampfbereit aufgestellt worden war. Die Sipahis aber zogen sich geordnet zurück und lockten die Ungarn in einenHinterhalt osmanischerArtillerie (Topçu). Im Geschützfeuer wurden zahlreiche Ungarn getötet, eine allgemeine Panik setzte ein. Die fliehenden ungarischen Einheiten wurden von den nachrückenden Osmanen in die Sümpfe getrieben. 12.000 Ungarn wurden enthauptet. König Ludwig II. ertrank im Bach Csele (seine Leiche wurde zwei Monate später gefunden). Insgesamt fielen 24.000 Männer in dieser Schlacht, darunter 4000 Panzerreiter. Das Dorf Mohács wurde niedergebrannt, Bauern, die in der Nähe waren, und alle Gefangenen wurden zur Abschreckung getötet.[3] Süleyman erreichte am 10. SeptemberBuda, zog sich dann aber wieder zurück und führte mehr als 100.000 Ungarn in dieSklaverei.[4]
Die Schlacht, bei der zehntausende Menschen ums Leben kamen, verschaffte den Habsburgern ein größeres Herrschaftsgebiet. Durch den Tod des ungarischen KönigsLudwig II. fielen aufgrund derWiener Doppelhochzeit Böhmen und Ungarn an den späteren KaiserFerdinand I.[5]
DieHabsburger waren nach 1526 gewählte Könige Ungarns, die bei der Krönung einenEid auf die Verfassung des Königreichs Ungarn schworen. Nachdem nach 1683 das osmanische Ungarn von den Habsburgern erobert worden war, wurde der BegriffKönigliches Ungarn nicht mehr benutzt. Stattdessen bezeichneten die habsburgischen Könige nach der Eroberung des osmanischen Teils ihre ungarische Besitzung fortan wieder alsKönigreich Ungarn.
Schon die Zeitgenossen maßen der Schlacht von Mohács große Bedeutung bei. Sultan Süleyman empfing, bevor er 1529 gegenWien vorrückte, seinenVasallen, KönigJohann Zápolya, auf dem Schlachtfeld, um seinen Handkuss zu empfangen.[7] Als sich in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts einGesandtenwesen ausgebildet hatte, pflegten die österreichischen Gesandten auf ihrem Weg durch Ungarn zur Besichtigung des Schlachtfelds in Mohács Halt zu machen, wo bald auch ein erster Gedenkstein errichtet worden war.[8]
In späteren Jahrhunderten bekam die Niederlage von Mohács für die ungarische Geschichte eine ähnlich zentrale Bedeutung wie dieSchlacht auf dem Amselfeld (1389) für die serbische oder dieSchlacht am Weißen Berg (1620) für die tschechische Geschichte. Alle drei Niederlagen wurden zunationalen Mythen, zu Symbolen, in denen sich im Zeitalter des aufkommendenNationalismus diekollektive Identität verdichtete. Wenn man auf Ungarisch ausdrücken möchte, dass es auch hätte schlimmer kommen können, wird noch heute dasSprichwort gebraucht:Több is veszett Mohácsnál – „Mehr ging bei Mohács verloren“. Mohács ist der Archetyp derKatastrophe geworden.[9]
In den Schulbüchern des 19. Jahrhunderts wurde immer wieder die Geschichte des jugendlichen Königs erzählt, der ohne den nötigen Rückhalt seiner Magnaten in die Schlacht zieht, von seinen Getreuen zur Flucht gedrängt wird und schließlich in einem Bach ertrinkt. Dabei wurde immer wieder darauf verwiesen, dass Ludwig angeblich schon mit sechzehn Jahren graue Haare hatte, was man als Zeichen seiner Frühvollendung deutete. Auch dass er auf die Frage seines Kochs, wo das Mittagessen serviert werden solle, geantwortet haben soll: „Gott weiß, wo wir unser Mittagsmahl halten werden“, kam alsVorzeichen seines Todes immer wieder vor. Je nach tagespolitischer Ausrichtung wurde der Geschichte von der Niederlage je ein anderer Sinn abgerungen: Nach der Niederschlagung derRevolution von 1848 erschien das angeblich treulose Verhalten der Magnaten, die am Türkenkrieg nicht teilnehmen mochten, als typisch auch für die Gegenwart. Nach derErringung der nationalen Gleichberechtigung mit den Österreichern 1867, als es unangemessen schien, vom „Tod der ungarischen Nation“ zu sprechen, wurde Mohács als Mahnung zurVaterlandsliebe umgedeutet.
Auch in der ungarischenHistorienmalerei des 19. Jahrhunderts wurden Szenen aus der Niederlage bei Mohács ausgemalt. 1856 schuf der MalerMór Than im Pariser Exil eine Darstellung der Schlacht, in deren Mittelpunkt der heldenhaft fallende junge König steht. Aus der Zeit um 1856 stammt das GemäldeSoma Orlai Petrichs, das in melodramatischer Weise die Beerdigung der ungarischen Gefallenen zeigt, im Mittelpunkt mit zum Himmel erhobenen Händen die Frau eines ebenfalls gefallenen Palatins. Von 1860 bis 1866 malteBertalan Székely gleich mehrere Darstellungen der Schlacht, die alle in derUngarischen Nationalgalerie in Budapest hängen: Das eine zeigt die Auffindung der Leiche König Ludwigs, in einem anderen stellt er die grausige Szene dar, in der der Adlige Mihály Dobozi seine Frau lieber eigenhändig erdolcht als sie in die Hände der siegreichen Türken fallen zu lassen. Auf einem dritten Gemälde malt Székely in kräftigen Hell-Dunkel-Kontrasten den Triumph der Osmanen und die Nacht heraus, in der die Staatlichkeit Ungarns infolge der Schlacht für 150 Jahre versinken sollte.
Zur 450. Wiederkehr des Tages der Schlacht wurde 1976 an ihrem Schauplatz ein staatliches Denkmal errichtet, das der ArchitektGyörgy Vadász entworfen hatte.[10]
György Dalos:Ungarn. Mythen – Lehren – Lehrbücher, in: Monika Flacke (Hrsg.):Mythen der Nationen. Ein europäisches Panorama. Eine Ausstellung des Deutschen Historischen Museums unter der Schirmherrschaft von Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl. Begleitband zur Ausstellung vom 20. März 1998 bis 9. Juni 1998, Köhler & Amelang, München und Berlin 1998, S. 544–548
↑Nicolae Iorga:Geschichte des Osmanischen Reiches. Nach den Quellen dargestellt. Zweiter Band. Nachdruck der Ausgabe von 1909. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1990, S. 398 f.
↑Michael Klein:Geschichtsdenken und Ständekritik in apokalyptischer Perspektive. Hamm 2004,S.101, 102 (fernuni-hagen.de [PDF;841kB; abgerufen am 20. Februar 2013]Dissertation an derFernuni Hagen).
↑Klaus-Peter Matschke:Das Kreuz und der Halbmond. Die Geschichte der Türkenkriege. Artemis & Winkler, Düsseldorf und Zürich 2004, S. 242.
↑Spencer C. Tucker (Hrsg.):A Global Chronology of Conflict. From the Ancient World to the Modern Middle East. ABC Clio, Santa Barbara 2010,S. 498
↑Historiker bezeichnen die 15 Jahre zwischen der Schlacht von Mohács und dem endgültigen Fall Budas als ungarischen Bürgerkrieg, in: Peter F. Sugar, Péter Hanák,Tibor Frank:A History of Hungary,S. 84
↑Klaus-Peter Matschke,Das Kreuz und der Halbmond. Die Geschichte der Türkenkriege, Artemis & Winkler, Düsseldorf und Zürich 2004, S. 248
↑Klaus-Peter Matschke,Das Kreuz und der Halbmond. Die Geschichte der Türkenkriege, Artemis & Winkler, Düsseldorf und Zürich 2004, S. 287ff
↑auch zum Folgenden György Dalos,Ungarn. Mythen – Lehren – Lehrbücher, in: Monika Flacke (Hrsg.):Mythen der Nationen. Ein europäisches Panorama. Eine Ausstellung des Deutschen Historischen Museums unter der Schirmherrschaft von Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl. Begleitband zur Ausstellung vom 20. März 1998 bis 9. Juni 1998, Köhler & Amelang, München und Berlin 1998, S. 544–548.