Schalenweichtiere
Schalenweichtiere | ||||||||||||
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![]() Weinbergschnecke (Helix pomatia) | ||||||||||||
Systematik | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Conchifera | ||||||||||||
Gegenbaur, 1878 | ||||||||||||
Klassen | ||||||||||||
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Schalenweichtiere (Conchifera) sind alleWeichtiere mit einem primären, flächig ein- oder zweiklappigen oder gehäuseartigenAußenskelett auf der (ursprünglichen) Rückenseite des Körpers. Neben diesem Merkmal wird die Gruppe vor allem begründet durch den Besitz von Kiefern und paarigenStatocysten sowie das Fehlen einer dünnen, überwiegend chitinösen Schutzschicht (Cuticula) auf der Rückenseite des Körpers. Die Conchiferen stellen den weit überwiegenden Teil aller rezenten und fossil bekannten Weichtiere und weisen eine große Formenvielfalt auf.
Aufbau, Wachstum und Funktion der Schale
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Beim Aufbau des geschlossenen Außenskeletts der Conchifera, auchSchale genannt, werden zwei Schichten unterschieden: DasPeriostracum, die äußere, sehr dünne Schicht, auch Schalenhäutchen genannt, bestehend aus organischer Substanz (Conchiolin), und die dicke innere Schicht, bestehend ausCalciumcarbonatkristallen, die in eine Conchiolin-Matrix eingebettet sind. Die innere Schicht gliedert sich bei zahlreichen Weichtieren (Perlbooten, einige Schnecken, einige Muscheln) weiter in dasOstracum (Prismenschicht), die äußere, unmittelbar unterhalb des Periostracums befindliche Calciumcarbonat-Schicht, mit relativ großen, senkrecht zur Schalenoberfläche orientierten Prismen ausAragonit oderCalcit, und dasHypostracum (Perlmuttschicht), die innere Calciumcarbonat-Schicht, mit sehr kleinen, tafeligen Aragonit-Prismen – das entsprechende,irisierende mineralisch-organische Verbundmaterial wirdPerlmutt genannt. Bei anderen Vertretern ist die Calciumcarbonat-Schicht weitgehend homogen aufgebaut, wobei prismatische Strukturen und, bei reinen Aragonitschalern, Kreuzlamelle (winklig zueinander angeordnete, mit einer dünnen „Conchiolin“-Schicht umhüllte Aragonitnadeln) sowie Perlmutt unterschieden werden. Neben Calcit und Aragonit können Molluskenschalen auch das CalciumcarbonatmineralVaterit in geringen Mengen enthalten.[1][2]
Die Schalen der Conchiferen haben in erster Linie eine Schutzfunktion und weisen eine enorme Formenvielfalt auf. Sie können einfache, mützen- oder napfartige „Panzer“ bilden oder aber röhrenförmige, nicht selten spiralig gewundene Gehäuse, in die sich das Tier bei Gefahr vollständig zurückziehen kann (siehe z. B. → Schneckenhaus). Viele gehäusetragende Conchiferen bilden deckelartige Strukturen aus, mit denen sie die Öffnung des Gehäuses (Apertur) verschließen können, wodurch sich die Schutzwirkung erhöht (beispielsweise die Kopfkappe der Perlboote oder dieOpercula bestimmter Schnecken). Muscheln haben zwar keine „echten“ Gehäuse, aber die aus zwei Klappen bestehendeMuschelschale erfüllt die gleiche Funktion. Die Ausbildung der Schale ist eng mit der Lebensweise ihrer Besitzer verknüpft. So brauchenNapfschnecken keine „echten“ Gehäuse, da sie auf felsigem Untergrund leben und zum Schutz die flachkegelige Schale an den Fels pressen. Die allgemein freischwimmenden Perlboote sowie ihre engeren und weniger engen fossilen Verwandten (vgl. → Nautiloideen, → Ammoniten) haben ein gekammertes Gehäuse, dass größtenteils mit einem luftähnlichen Gasgemisch gefüllt ist und als Auftriebskörper fungiert (vgl. → Phragmokon).
Die Schale wird bereits früh in derIndividualentwicklung angelegt. Typischerweise verdicken sich zunächst die Zellen einer demUrmund (Blastoporus) gegenüberliegenden Region desEktoderms, des sogenannten Schalenfeldes, und anschließend stülpt sich der zentrale Teil des Schalenfeldes insBlastocoel ein und bildet die Schalendrüse. Oft stülpt sich ein Teil der Schalendrüse anschließend knospenartig wieder aus. Schalendrüse bzw. Schalenfeld scheiden entweder erst nach der Ausstülpung oder bereits vorher die Embryonalschale, dasuhrglasförmige Protoconch I, ab. Durch Wachstum des Embryos bzw. des auf den Schlupf folgenden Larvenstadiums vergrößert sich das Schalenfeld zum larvalen Mantelepithel und das Protoconch I wird durch randliche Anlagerung von Schalenmaterial zur Larvalschale, dem Protoconch II, erweitert. Ein ausgeprägtes Protoconch II weisen vor allem Schalen von Conchiferen mit relativ langlebiger, planktotropherVeliger-Larve auf. Bei Muscheln wird das Protoconch zweiklappig angelegt und daher auch als Prodissoconch bezeichnet. Auch im Adultstadium erfolgt das Flächenwachstum der Schale ausschließlich randlich. Der während des Adultstadiums gebildete Teil der Schale wird Teleoconch genannt. Beim randlichen Schalenwachstum scheidet die rinnenartig in den Mantelrand eingesenkte Periostracaldrüse das Periostracum ab und Zellen des randlichen Mantelepithels sezernieren die äußere Calciumcarbonatschicht. Da das Flächenwachstum nicht ganz kontinuierlich, sondern in Schüben erfolgt, zeichnen sich Molluskenschalen durch typische Anwachsstreifen an ihren Außenflächen auf. Zellen des Mantelepithels, die weiter entfernt vom Mantelrand liegen, scheiden das Calciumcarbonat der inneren Schalenschichten ab und sorgen somit für weiteres Dickenwachstum der Schale. Daher zeigen die Innenflächen keine Anwachsstreifen.Tintenfische haben ihre Schale ins Innere des Körpers verlegt oder stark reduziert. Bei ihnen wird die embryonale Schalendrüse von aufgefaltetem, umliegendem Ektoderm überwachsen und schließlich abgeschnürt.[3]
Systematik
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]Zu den Schalenweichtieren gehören dieEinschaler (Monoplacophora), dieSchnecken (Gastropoda), dieKopffüßer (Cephalopoda) sowie dieKahnfüßer (Scaphopoda) und dieMuscheln (Bivalvia). Außerdem werden die ausgestorbenenSchnabelschaler (Rostroconchia) und dieHelcionelliden (Helcionellida) zu den Schalenweichtieren gerechnet.
Die traditionelle Einteilung der Schalenweichtiere in Gekrümmtschaler (Cyrtosoma) und Gestrecktschaler (Diasoma), unter anderem anhand unterschiedlicher Tendenzen bei der Schalenausbildung, ist heute nicht mehr aktuell.
Als Schwestergruppe werden den Schalenweichtieren dieStachelweichtiere (Aculifera) gegenübergestellt. Das untenstehende Kladogramm stützt sich auf die im Jahr 2011 in der ZeitschriftNature veröffentlichten Ergebnisse zweier molekulargenetischer Verwandtschaftsanalysen der Mollusken.[4][5]
Weichtiere |
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Literatur
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- Gerhard Haszprunar, Klaus-Jürgen Götting:Mollusca, Weichtiere. S. 305–362 in: Westheide, Rieger (Hrsg.):Spezielle Zoologie Teil 1: Einzeller und Wirbellose Tiere. 2. Auflage. Spektrum Akademischer Verlag (Elsevier), München 2007,ISBN 978-3-8274-1575-2
Einzelnachweise
[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]- ↑Nicole Spann, Elizabeth M. Harper, David C. Aldridge:The unusual mineral vaterite in shells of the freshwater bivalveCorbicula fluminea from the UK. Naturwissenschaften. Bd. 97, Nr. 8, 2010, S. 743–751,doi:10.1007/s00114-010-0692-9 (alternativer Volltextzugriff:carbonateresearch.com).
- ↑Gernot Nehrke, Harald Poigner, Dorothee Wilhelms-Dick, Thomas Brey, Doris Abele:Coexistence of three calcium carbonate polymorphs in the shell of the Antarctic clam Laternula elliptica. Geochemistry, Geophysics, Geosystems. Bd. 13, Nr. 5, 2012,doi:10.1029/2011GC003996 (Open Access).
- ↑Absatz i.e.L. nach Andreas Wanninger, Tim Wollesen:Mollusca. S. 103–154 in: Andreas Wanninger (Hrsg.):Evolutionary Developmental Biology of Invertebrates 2: Lophotrochozoa (Spiralia). Springer, 2015,ISBN 978-3-7091-1870-2, S. 131 ff.
- ↑Kevin M. Kocot, Johanna T. Cannon, Christiane Todt, Mathew R. Citarella, Andrea B. Kohn, Achim Meyer, Scott R. Santos, Christoffer Schander, Leonid L. Moroz, Bernhard Lieb, Kenneth M. Halanych:Phylogenomics reveals deep molluscan relationships. Nature. Bd. 477, 2011 S. 452–456,doi:10.1038/nature10382
- ↑Stephen A. Smith, Nerida G. Wilson, Freya E. Goetz, Caitlin Feehery, Sónia C. S. Andrade, Greg W. Rouse, Gonzalo Giribet, Casey W. Dunn:Resolving the evolutionary relationships of molluscs with phylogenomic tools. Nature. Bd. 480, 2011, S. 364–367,doi:10.1038/nature10526