Sansibar [ˈzanzibaːɐ̯] (englischZanzibar;arabisch زنجبار,DMGZanǧi-bār; Bedeutung wahrscheinlich „Küste der Schwarzen“, vgl.Zandsch)[1] ist ein halbautonomer Teilstaat des UnionsstaatesTansania in Ostafrika. Seine gleichnamige Hauptstadt istSansibar.
Die in geographischer Hinsicht ebenfalls zum Sansibar-Archipel gerechnete InselMafia ganz im Süden ist nicht Teil des Gebietes, gehörte aber bis 1885 zumSultanat Sansibar.
Bei der Volkszählung im Jahr 2022 betrug die Gesamtbevölkerung 1.889.773.[2]
Die Fauna vonUnguja dokumentiert die Landbrücke der Insel zum afrikanischen Kontinent während der letzten Eiszeit. DerSansibar-Leopard war eine derendemischen Subspezies, die sich als neue Art auf der Insel gebildet haben. Um die Insel finden sichKorallenriffe undSeegraswiesen im küstennahen Bereich.
DerTanzanian Wildlife Act bezieht dieFlora undFauna Sansibars mit ein.
Sansibar spielte, als Drehscheibe und Hafen für Waren wie Gold, Elfenbein und Textilprodukte, eine wichtige Rolle für die Handelsströme des Indischen Ozeans. Im 10. Jahrhundert siedelten sich persische Händler an. Diese Vorfahren derSchirasi verbreiteten vermutlich auch denIslam auf den Inseln. In den folgenden Jahrhunderten stieg der arabische Einfluss, speziell aus dem Oman, immer weiter an. Die Bevölkerung ist bis heute von diesen vielfältigen kulturellen Einflüssen geprägt.[4][5]
1831 verlegteSaid ibn Sultan, Sultan des Oman, seinen Regierungssitz nachStone Town. Die Stadt war zu dieser Zeit der wichtigste Knotenpunkt für denSklavenhandel an der ostafrikanischen Küste. Der Anbau vonGewürznelken undKokosnüssen waren weitere signifikante wirtschaftliche Aktivitäten. 1861 wurde Sansibar zumunabhängigen Sultanat und kontrollierte, zusätzlich zu den beiden Hauptinseln, umfangreiche Gebiete entlang der ostafrikanischen Küste. Unter der Herrschaft des SultansBargasch wurde der Sklavenhandel 1873 auf Druck der Briten hin offiziell verboten, vom Sultan aber inoffiziell bis 1897 weiterbetrieben. DasDeutsche Kaiserreich und dasVereinigte Königreich verleibten die meisten Küstenterritorien ihren Kolonialreichen ein. Nachdem die beiden Großmächte den sogenanntenSansibar-Helgoland-Vertrag unterschrieben hatten, erlangten die Briten 1890 mit der Proklamation eines Protektorats die Kontrolle über das verbliebene Staatsgebiet.[6] Nach dem Tod des pro-britischen SultansHamad bin Thuwaini 1896 kam es zumBritisch-Sansibarischen Krieg, da sein CousinChalid ibn Barghasch staatsstreichartig die Macht ergriffen hatte. Der Krieg, welcher als kürzester Krieg aller Zeiten in die Geschichtsbücher einging, endete mit einem britischen Sieg und der Flucht des Sultans ins Ausland. Der neue Sultan wurde anschließend von der britischen Protektoratsmacht bestimmt.
Am 12. Januar 1964 wurde dieVolksrepublik Sansibar und Pemba ausgerufen, die knapp 110-jährige Herrschaft der Sultane fand damit ihr Ende. Nach einer blutigen Revolution der schwarzen Mehrheitsbevölkerung gegen die arabischstämmige Oberschicht – die Inseln waren von 1698 bis zum 6. April 1861 Teil des SultanatsOman gewesen – erklärte sich Sansibar unabhängig und tendierte sehr bald zumsozialistischen Lager.
Unter starkem politischen Druck von außen schlossen sich Sansibar und das unabhängigeTanganjika am 26. April 1964 zunächst unter dem NamenVereinigte Republik von Tanganjika und Sansibar zusammen. Die Republik wurde dann rund ein halbes Jahr später am 1. November 1964 inVereinigte Republik Tansania umbenannt.[7][8]
Sansibar verfügt alsTeilstaat innerhalb Tansanias über eine eigene Regierung, ein Parlament und einen Präsidenten (seit November 2020Hussein Mwinyi[9]). Sein höchstes Gericht untersteht nicht dem höchsten Gericht der Union Tansania.[10]
Das Gebiet umfasst fünf der insgesamt 31 Verwaltungsregionen Tansanias(mkoa), zwei auf der InselPemba und drei auf der HauptinselUnguja:
Jede dieser Regionen ist wiederum in zwei Distrikte(wilaya) gegliedert, insgesamt bestehen also zehn Distrikte.[11]
Die Distrikte werden ferner inwards (shehia) gegliedert.[12] Mehrere wards bilden jeweils einen Wahlkreis(constituency).[11]
In ländlichen Gebieten gibt es auf der untersten Ebene Dörfer(villages). Einward kann ein oder mehrere Dörfer aufweisen. In städtischen Gebieten ist einward ein Stadtteil.
Sansibar hat als halbautonomer Archipel einen etwas besseren Lebensstandard als das Festland Tansanias. Die Wirtschaft der Insel basiert hauptsächlich auf Tourismus und Landwirtschaft, die den Einheimischen Arbeitsplätze und Einkommen bieten. Dennoch lebt die Mehrheit der Bevölkerung in Armut und hat keinen Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen.[13] Folgen des Tourismus sind außerdem ein hoher Wasserverbrauch und das Entstehen großer Mengen Abwässer. Diese werden wiederum für Cholerafälle auf Sansibar verantwortlich gemacht.[14]
Das Bruttoinlandsprodukt pro Person lag 2021 bei 1.208US-Dollar.[15] Über die Hälfte der Bevölkerung lebt unterhalb derArmutsgrenze. DieKindersterblichkeit in Sansibar beträgt 54 von 1000 Lebendgeburten. Man schätzt, dass etwa 12 % der Kinder unter akuter Mangelernährung leiden.[16]
Die Lebenserwartung bei der Geburt lag 2010 bei 54 Jahren.[17] Dieser Wert lag unter dem damaligen weltweiten Durchschnittswert von 67 Jahren.
Sansibars Straßennetz hat eine Gesamtlänge von 1600 Kilometer, von denen die wichtigsten Verbindungen asphaltiert oder teilasphaltiert sind. Die restlichen Straßen sind Schotterstraßen oder unbefestigt und werden nur unregelmäßig instand gesetzt.
Es existieren keine öffentlichen Nahverkehrsmittel in Sansibar; es verkehren jedoch privateSammeltaxen, die alsDaladala bezeichnet werden.
In Sansibar haben sich seit dem Ende der 1980er Jahre recht gute Verkehrsverbindungen überwiegend privater Betreiber auf dem Wasserweg zwischen den beiden Hauptinseln und nachDaressalam entwickelt, über den über 90 % des Handels abgewickelt wird. Es gibt auf Unguja und Pemba fünf Häfen, an denen sowohl Frachtschiffe als auch Privatboote anlegen können. DieZanzibar-Port Corporation (ZPC) ist eine öffentliche Einrichtung, die die Häfen autonom betreibt und entwickelt. Die Kaimauern der wichtigsten Seehäfen Sansibars wurden 1989–1991 mit finanzieller Unterstützung der damaligenEuropäischen Wirtschaftsgemeinschaft errichtet.
Sansibars Hauptflughafen,Zanzibar International Airport, liegt in der Nähe der Stadt Sansibar. Von dort gibt es regelmäßige Verbindungen zum Festland, nach Pemba sowie nach Europa und Asien, was zu einem Anstieg des Tourismus auf den Inseln führte.
Von Sansibar aus bestehen Fährverbindungen nach Pemba und Dar es Salaam.[18]
Die Bewohner Sansibars sind unterschiedlicher ethnischer Herkunft, u. a. vom Volk derSchirazi. Die Bevölkerung sprichtSwahili, das in weiten Gebieten Ostafrikas alsVerkehrssprache dient.Amtssprachen sind Swahili undEnglisch. Weiterhin wird in vielen GegendenArabisch gesprochen.
Fußball ist die populärste Sportart in Sansibar; der Dachverband heißtZanzibar Football Federation. Diese Organisation ist zwar ein Mitgliedsverband derConfederation of African Football (CAF), jedoch keinFIFA-Mitglied, weshalb das Team auch nicht bei Weltmeisterschaften teilnehmen kann. 1981 wurde eine eigene Liga gegründet.
Die traditionelle Musik der Inseln Sansibar, Pemba und der tansanischen Küste bildet eine Stilregion und unterscheidet sich von denMusikstilen im Landesinnern Tansanias durch einen starken historischen Einfluss derarabischen Musik. Hierzu gehören der Einsatz derVioline und derudi genannten arabischen LauteOud. Diese Instrumente und der arabische Einfluss stehen auch im Zentrum des Musikstilstaarab, der in den 1880er-Jahren unter Sultan Bargasch in Sansibar eingeführt wurde.[19] Die auf Swahili gesungenen Liedgattungenshairi (Themen sind Liebe oder Krieg) undutenzi (epische Erzählungen über religiöse oder historische Themen) sind ebenfalls von der arabischen Kultur beeinflusst. Die jemenitische Schalenhalslauteqanbus ist auf Sansibar alsgabbus bekannt und die Rahmentrommeltar heißt auf Sansibartari, ebenso ein Tanzstil. Eine bedeutende Taarab-Sängerin der 1920er und 1930er Jahre sowie die erste afrikanische Sängerin, die aufSchellackplatten aufgenommen wurde, war die auf Sansibar geborene Siti binti Saad (um 1880–1950).
Eine muslimische Aufführungsform ist dermaulidi (von arabischMaulid an-Nabī, „Geburtstag des Propheten“), bei festlichen Anlässen ohne instrumentale Begleitung vorgetragene Erzählungen aus dem Leben des ProphetenMohammed. Auf öffentlichen Plätzen versammeln sich dazu hunderte Zuhörer. Zwischen den einzelnen Kapiteln der Erzählungen singen KoranschülerQasiden (aus der arabisch-islamischen Tradition stammende Gedichte) auf Arabisch oder Swahili.
Weitere Musikstile stammen ebenfalls aus der arabischen Tradition. Bei dem in seiner originalen Form bereits in den 1990er Jahren selten gewordenensambra bildete die am Roten Meer verbreitete Leiersimsimiyya (Swahiliutari) das zentrale Instrument. Beimsharaha ist die Kegeloboenzumari unverzichtbar. Die zu beiden Stilen gehörenden Rhythmen werden auch imtaarab verwendet. Das typische Rhythmusinstrument für die traditionellen Stile ist die kleine zweifellige Zylindertrommelmirwas, die aus der jemenitischen RegionHadramaut eingeführt wurde.[20]
Musik mit Trogxylophonen, die wie auchLamellophone allgemeinmarimba genannt werden, gehört hingegen zur afrikanischen Tradition.[21]Lewah oderleiwah (von Swahili-lewa, „betrunken werden“) ist ein alter Tanzstil der Swahili-Küste mit mehreren Trommeln und der melodieführenden Kegeloboemizmar, der von Sansibar durch Omanis in den Oman ausgeführt wurde.
Anglikanische Kathedrale in Sansibar, 1873 bis 1880 auf Veranlassung der vonDavid Livingstone gegründetenUniversities’ Mission to Central Africa auf dem Platz des früheren Sklavenmarktes erbaut.
Die Bevölkerung Sansibars besteht neben einer kleinen indischstämmigenhinduistischen Gruppe und etwa 22.000Christen (Stand 2018) fast vollständig aus Muslimen.[23] Unter den männlichen Muslimen sindSufi-Orden stark verbreitet. DieQādirīya ist bis heute in den städtischen und ländlichen Milieus von Sansibar die populärste Tarīqa.[24] Andere Orden, die in Sansibar eine größere Anhängerschaft besitzen, sind dieSchādhilīya, dieRifāʿīya, die Ahmadīya Dandarāwīya, dieNaqschbandīya und dieTarīqa ʿAlawīya. Im 19. Jahrhundert war noch die Schādhilīya die zahlenmäßig stärkste Bruderschaft. Sie war vor allem bei denkomorischen Einwanderern verbreitet, die um die 1850er Jahre nach Sansibar strömten.[25]
Rita Bake (Hrsg.):Hamburg – Sansibar, Sansibar – Hamburg: Hamburgs Verbindungen zu Ostafrika seit Mitte des 19. Jahrhunderts. Landeszentrale für Politische Bildung, Hamburg 2009,ISBN 3-929728-19-2.
Colette Le Cour Grandmaison, Ariel Crozon:Zanzibar aujourd’hui. Karthala, Paris 1998,ISBN 2-86537-792-X.
Amina Ameir Issa:The Legacy of Qādirī Scholars in Zanzibar. In: Roman Loimeier, Rüdiger Sesemann (Hrsg.):The Global Worlds of the Swahili. Interfaces of Islam, Identity and Space in 19th and 20th-Century East Africa. Lit, Berlin / Münster 2006,ISBN 978-3-8258-9769-7, S. 343–361.
Sascha Wisotzki:Sansibar: 1000 Jahre Globalisierung. Edition Weiss, Berlin 2009,ISBN 978-3-9811876-2-5.
↑Ceri Shipton, Alison Crowther et al.:Reinvestigation of Kuumbi Cave, Zanzibar, reveals Later Stone Age coastal habitation, early Holocene abandonment and Iron Age reoccupation. In:Azania: Archaeological Research in Africa. Band 51, Nr. 2, 2016 (Online).
↑Nadra O. Hashim:Language and Collective Mobilization: The Story of Zanzibar. Lexington Books, 2009,ISBN 978-0-7391-3708-6 (englisch,google.com).
↑Rainer Achim Blasius, Wolfgang Hölscher, Daniel Kosthorst:Akten zur auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland 1964. 1. Januar bis 30. Juni 1964.Band1. de Gruyter Oldenbourg, Berlin 1997,ISBN 3-486-56065-4 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche – im Auftrag desauswärtigen Amts von Hans-Peter Schwarz).
↑Wahlen in Tansania. In: Tansania-Information. Mission EineWelt, November 2020, abgerufen am 27. Dezember 2020.
↑Internationales Arbeitsamt, Abteilung für soziale Sicherheit:Sansibar: Sozialschutzausgaben und Performance Review und Sozial Budget. Genf, Januar 2010, S. 22.