
Sønderjysk oderSüdjütisch (sønderjysk:Synnejysk, deutsch auch:Südjütländisch) ist eindänischer Dialekt, der im Raum des ehemaligenHerzogtums Schleswig beiderseits der heutigen deutsch-dänischen Grenze gesprochen wird bzw. gesprochen wurde. Auf Deutsch wird Sønderjysk in Anlehnung an den BegriffPlattdeutsch manchmal vereinfachend als „Plattdänisch“ bezeichnet; demgegenüber steht „Hochdänisch“ (korrekter: Standarddänisch oder Reichsdänisch, da.rigsmål). Sønderjysk wird bzw. wurde in mehreren Varianten gesprochen. So bezeichnet man beispielsweise die Variante desAngelner undSchwansener Gebietes alsAngeldänisch(Angeldansk).
Linguistisch wird Sønderjysk derjütischen Dialektgruppe innerhalb desDänischen zugerechnet. Innerhalb dieser Gruppe ist es am engsten mit demWestjütischen verwandt, hat aber auch Merkmale mit den Dialekten der südlichen dänischen Inseln gemeinsam. Der Wortschatz ist von niederdeutschem Einfluss geprägt, dies gilt in gewissem Maße auch für die Aussprache (sieheEigenschaften).
Vereinzelt gibt es die Auffassung, dass Sønderjysk eine eigene Sprache oder eine jütisch-niederdeutsche Mischsprache sei. Zum Teil greift diese Hypothese auf die sprachlichen Theorien vonJacob Grimm zurück, nach denen die ursprünglich westgermanischenJüten undAngeln im 5. Jahrhundert durch eingewanderte nordgermanischeDänen verdrängt oder mit ihnen vermischt wurden, wodurch eine nordgermanische Sprachenform auf westgermanischemSubstrat entstanden wäre. Als wichtiges Argument galt, dass der bestimmte Artikel nicht angehängt (wie sonst im Skandinavischen), sondern vor das Substantiv (wie im Deutschen, Friesischen, Niederländischen und Englischen) gesetzt wird. Jedoch wird der Artikel auch imOst- undNordjütischen angehängt, ähnlich wie imInseldänischen.Runeninschriften sowie frühe schriftliche Quellen bezeugen, dass der Artikel zu jener Zeit (5. Jahrhundert) in den germanischen Sprachen noch nicht vorkam, sondern erst Jahrhunderte später entstanden ist. Auch ist im Südjütischen kein westgermanischerRestwortschatz nachgewiesen, der die Substrattheorie rechtfertigen könnte; die niederdeutschen und hochdeutschen Lehnwörter sind späteren Einflüssen zuzuschreiben.
Die westgermanische Hypothese spielte auch im Streit um dieGoldhörner von Gallehus eine Rolle. Die Runeninschrift auf den aus der Zeit um 400 n. Chr. stammenden Hörnern wird nach heutiger Interpretation weder als spezifisch west- noch nordgermanisch angesehen; jedoch deutet das Pronomenek eher auf eine nordgermanische Verbindung hin (die westgermanische Form wäreik).
Als sich im Laufe derVölkerwanderung die nordgermanischen und westgermanischen Dialekte auseinanderentwickelten, bildete sich dazwischen kein weicher Übergang (Sprachkontinuum), sondern eine harte Sprachgrenze aus. Nach einer Theorie erfolgte die Trennung der Sprachen einer geografischen Trennung, z. B. wegen des Vordringens slawischer Stämme, die in den Raum zwischen Dänen/Jüten/Angeln und Sachsen vordrangen und Kontakte zwischen Nord und Süd unterbrachen. Die unbestreitbar harte Sprachgrenze zwischen Deutsch und Nordgermanisch spricht eher gegen die Theorie, wonach Sønderjysk eine Mischsprache sei.
Es bleibt jedoch zu klären, welchen Ursprung der vorangestellte Artikel im Süd- und Westjütischen hat. Nach Auffassung der traditionellen dänischen Dialektologie handelt es sich kaum um eineEntlehnung aus dem Deutschen oder Englischen, sondern um eine selbständige jütländische Entwicklung. Neuerdings befassen sich einige Linguisten und Historiker mit den Sprach- und Kulturkontakten im Nordseeraum, z. B. zwischenJüten,Friesen undHolländern, aber auch hier ist die Frage des vorangestellten Artikels noch nicht weiter erforscht worden.
Die augenfälligste Eigenschaft, die sich auch im Westjütischen findet, ist der vorangestellte bestimmte Artikelæ, der statt des suffigierten bestimmten Artikels, der typisch für die skandinavischen Sprachen ist, verwendet wird; z. B.æ barn „das Kind“, hochdänischbarnet, oderæ hjørn „die Ecke“, hochdänischhjørnet.
Der Dialekt hat wie das Reichsdänische zwei grammatische Geschlechter.
AufRømø,Als und imSundeved hat sich der skandinavischetonale Akzent erhalten. Heute sind jedoch wegen der größeren Mobilität der Bevölkerung die traditionellen geografischen Grenzen zwischen Gebieten mit und ohneStoßton bzw. mit musikalischem Akzent schwerer zu erkennen.
Im Auslaut werdenb undg zuf- undch-Lauten. Das langee, ø undo wird etwasdiphthongiert wieei, øy undou ausgesprochen. Dies sind Merkmale desNiederdeutschen. DasReichsdänische etwa verfügt über keinen der plattdeutschench-Laute.
Der Wortschatz ist von mehr Lehnwörtern aus dem Niederdeutschen und Hochdeutschen geprägt, als es in anderen dänischen Dialekten der Fall ist. Der Anteil dieser deutschen Lehnwörter variiert je nach geographischer, historischer und kultureller Lage. So ist die südlich der Grenze gesprochene Variante stärker von deutschen Wörtern durchsetzt als die in Dänemark gesprochene Variante. Nach dem dänischen Verlust imDeutsch-Dänischen Krieg (1864) und der Eingliederung Schleswigs in Preußen nahm die Anzahl der deutschen Lehnwörter mit dem deutschen Schulunterricht zu; bei Sprechern, die nach der Abtretung Nordschleswigs an Dänemark (1920) geboren wurden, nahm der deutsche Wortschatz wieder etwas ab. Ein besonderes Beispiel ist das Grußwortmoin, das anfänglich als deutscher Eindringling in Nordschleswig empfunden wurde, weil es das jütischegodaw (guten Tag, dänischgoddag) verdrängte. In den letzten Jahrzehnten hat sich das Moin (auf Dänischmojn) aber stark durchgesetzt, und es wird heute meist als typisch Sønderjysk gesehen. Auch nordschleswigsche Sprecher des Reichsdänischen verwenden es.
Der Einfluss des Deutschen ist aber nicht eindeutig. Teilweise hat Sønderjysk einen sehr konservativen Wortschatz, indem es alte skandinavische Wörter bewahrt hat, die in anderen dänischen Dialekten und im Standarddänischen durch Neuerungen oder sogar durch deutsche Lehnwörter ersetzt wurden. Beispiele sind Sønderjyskfikk (≈ Tasche, schwedischficka, niederdeutschficke, dänischlomme),grander (≈ Klug, dänischklog, älteres dänischgran, isländischgrannur),snel (≈ freundlich, dänischflink, schwedischsnäll, isländischsnjall).
Das Wort fürich (Reichsdänisch undInseldänischjeg, gesprochen [jɑɪ]) heißt auf Sønderjyskæ [ɛ], im nördlichsten Nordschleswig jedocha wie im größten Teil Jütlands. Im östlichen Nordschleswig wird es in Richtung [e] ausgesprochen, ebenso auf der Insel Als.
Als Dialekte werden unterschieden:[1]
EinSchibboleth-artiger Satz für das Südjütische ist der folgende, der aus neun aufeinanderfolgenden Vokalen besteht:A æ u å æ ø i æ å „Ich bin draußen auf der Insel in der Au“.[3]
Bis zum Ende des Mittelalters war Sønderjysk die alleinige Umgangssprache im nördlichen und mittleren Schleswig bis zur Linie Husum-Dannewerk-Eckernförde, was die Ortsnamen im mittleren und östlichen Schleswig bezeugen. Südlich dieser Linie, auf demFræzlæt, wurde das Land erst im Hochmittelalter durch die von Süden kommendenSachsen besiedelt. Auf den friesischen Inseln wurde Nordfriesisch gesprochen, im Küstenrandgebiet teils Nordfriesisch und teils Sønderjysk.
DerSprachwechsel zum Niederdeutschen fand auf der HalbinselSchwansen im 17. und 18. Jahrhundert statt, inAngeln erst im 19. Jahrhundert. Man vermutet, dass die Einwohner dieser Gebiete schon einige Jahrhunderte vor dem Sprachenwechsel aktive Kenntnis des Niederdeutschen (und passive Kenntnis des Hochdeutschen) hatten.[4] Überlagernd mit den nationalen Auseinandersetzungen im 19. Jahrhundert wechselten die Angeliter zum Niederdeutschen, ein Vorgang, der innerhalb weniger Jahrzehnte vollzogen wurde. Mitte des 19. Jahrhunderts war die dänische Regierung bemüht, durch die sogenanntenSprachreskripte von 1851 in Angeln und auf der GeestReichsdänisch alsAmts-, Kirchen- undSchulsprache neben dem Hochdeutschen zu etablieren und so den Sprachwechsel zum Deutschen aufzuhalten. Es wird diskutiert, ob und inwieweit der Sprachwechsel der deutschen Gesinnung den Weg bahnte oder umgekehrt. Als weitere Ursache des Sprachwechsels wird hervorgehoben, dass den Kindern durch die Vermittlung des Niederdeutschen das spätere Erlernen der hochdeutschen Schul- und Kirchensprache erleichtert werden sollte, und dass Südjütisch mit niedrigem sozialem Status verbunden wurde. Um 1900 wurde es nur noch in einigen Dörfern an der Flensburger Förde verwendet. DieAngeliter Variante des Südjütischen, auch Angeldänisch genannt, war dem Dialekt aufSundewitt undAlsen (nördlich derFlensburger Förde) sehr ähnlich.
Länger hielt sich Südjütisch auf derGeest zwischen Husum und Schleswig, wo der dänische Dialekt vonViöl lange eineSprachinsel bildete. Diese südliche Variante hatte altertümliche Züge wie die vollständige Zahlen- und Personenbeugung der Verben beibehalten, nachdem sie längst in anderen dänischen Dialekten verschwunden waren. Die letzten Sprecher des Viöl-Dänischen – desFjoldemål – starben in den 1930er Jahren.
Mit der Ankunft vieler Heimatvertriebener aus den deutschen Ostgebieten in den Jahren nach 1945 sowie Ansiedlungen im Zuge des 1953 initiiertenProgramms Nord[5] wurde das Südjütische als Alltagssprache jedoch südlich der Grenze nahezu vollständig vom Hochdeutschen verdrängt.

Diejenigen, die in Nordschleswig heute einen südjütländischen Dialekt sprechen, kommen sowohl aus der dänischen Mehrheit wie der deutschen Minderheit. Viele eignen sich später Reichsdänisch in den dänischen Schulen bzw. Hochdeutsch und Reichsdänisch in den Einrichtungen der deutschen Minderheit an. Sønderjysk ist also in nationaler Hinsicht neutral.[6] Nach Einschätzungen desBundes Deutscher Nordschleswiger bedienen sich etwa zwei Drittel der Angehörigen der deutschen Minderheit des Sønderjysk als Alltagssprache, wobei Sønderjysk für diese Gruppe einen besonders identitätstragenden Wert hat.
Die Mobilität und der höhere Status des Reichsdänischen führen jedoch dazu, dass zunehmend dialektale Ausdrücke durch standardsprachliche Ausdrücke ersetzt und aus der Alltagssprache verdrängt werden. Stärker als die Dialekte in anderen Teilen Dänemarks wird Sønderjysk aber in Amateurtheatervorstellungen, lokalen Satiren, Erzählungen, Liedern und in der Werbung verwendet. Der vielgelobte SpielfilmKunsten at græde i kor aus dem Jahre 2006 wurde vollständig auf Sønderjysk gedreht.
Südlich der Grenze existiert Sønderjysk nur noch in einigen grenznahen Gemeinden zwischenFlensburg undNiebüll. Die Sprache war lange eineLingua Franca, die unabhängig von nationaler Überzeugung gesprochen wurde und die auch für die Kontakte über die Grenze verwendbar war. Die Verbreitung des Sønderjysk ist bei Angehörigen derdänischen Minderheit schätzungsweise nicht größer als bei der deutschen Mehrheit, da erstere zumeist Hochdeutsch, Niederdeutsch oder Reichsdänisch verwenden.
Zwar handelt es sich bei Sønderjysk um eine vorwiegend gesprochene Mundart, doch wird sie gelegentlich auch in Literatur und Medien benutzt. Im Jahr 2000 gründete sich mitÆ Synnejysk Forening ein sprachpolitisch aktiverVerein, für den sich auch viele Angehörige derdeutschen Minderheit einsetzen. Südlich der Grenze gibt es seit 1972 mitÆ Amatøer ausLeck ein südjütisches Amateurtheater.
Von offizieller Seite wird die Sprache weder in Dänemark noch in Deutschland gefördert und ist infolge der rückgehenden Anzahl der Sprecher gefährdet.