Die Bemühungen zur Errichtung eines internationalen Strafgerichtshofs reichen bis in dieZwischenkriegszeit zurück. Nach demErsten Weltkrieg und vor dem Hintergrund derVersailler Friedensverhandlungen wollten die Alliierten und mit ihnen verbündete Mächte Verfahren gegen einzelne Deutsche führen, die bei der Kriegführung desDeutschen Reiches eine tragende Rolle gespielt hatten. Dieses Vorhaben scheiterte zwar, doch in der Folge formierten sich internationalVölkerstrafrechtler, um mit je nach ihrer Herkunft unterschiedlichem Antrieb die Gründung eines internationalen Strafgerichtshofs zu forcieren – der Versuch dieser Gruppe scheiterte im Jahre 1937 mit der internationalen Ablehnung einer entsprechenden Initiative desVölkerbundes. Charakteristisch für die früheren Bemühungen um einen transnationalen Strafgerichtshof war die Tatsache, dass der Schutz staatlicher Strukturen und deren Souveränität gegenüber außerstaatlicher Aggression den Vorrang vor dem Schutz des Einzelnen vor dem eigenen Staat hatte. In diesem Sinne ging es auch in denNürnberger Prozessen von 1945 um die Bestrafung der Mitwirkung anAngriffskriegen und umKriegsverbrechen, also um Verbrechen im zwischenstaatlichen Bereich.Verbrechen gegen die Menschlichkeit wurden nur verfolgt, wenn sie sich in Zusammenhang mit einem Angriffskrieg oder mit Kriegsverbrechen bringen ließen. Vor dem Hintergrund desKalten Krieges scheiterten Versuche zur Installierung eines Strafgerichtshofes am Widerstand insbesondere derUSA und derSowjetunion; nicht zuletzt weil sie fürchteten, dass eigenes Verhalten Gegenstand eines internationalen Straftribunals werden könnte. In den siebziger Jahren dann wurde die Menschenrechtsbewegung zu einem wichtigen Akteur internationaler Beziehungen. Es kam zu einem Wiedererstarken der völkerstrafrechtlichen Idee. Die Menschenrechtsbewegung lenkte die öffentliche Aufmerksamkeit zudem intensiver auf Menschenrechtsverletzungen, die jenseits von Kriegen von Regierungen an der eigenen Bevölkerung begangen wurden. Die Amnestiepolitik ehemals diktatorisch regierter Staaten wie u. a.Argentinien,Uruguay oderPortugal gegenüber ehemaligen Regierungsvertretern, die eine juristische Verfolgung ihrer Verbrechen unmöglich machte, sorgte dafür, dass sich die Menschenrechtsbewegung seit Ende der achtziger Jahre verstärkt bemühte, innenpolitische Hürden bei der Ahndung von Menschenrechtsverletzungen zu überwinden. Nach dem Ende des Kalten Krieges entdeckten auch Regierungen das Völkerstrafrecht für sich, darunter auch die USA, die das Römische Statut dennoch bis heute nicht ratifiziert haben.[1]
Das Römische Statut geht außerdem zurück auf zahlreiche Resolutionen derGeneralversammlung der Vereinten Nationen, die zu einer Kodifizierung von Prinzipien über die Bestrafung vonKriegsverbrechen undVerbrechen gegen die Menschlichkeit aufriefen, sowie auf verschiedene Vorarbeiten derVölkerrechtskommission. Im Juni und Juli 1998 fand in Rom eine Staatenkonferenz statt, die das dort ausgearbeitete Statut am 17. Juli 1998 annahm.[2] Es konnte sodann bis zum 31. Dezember 2000 unterzeichnet werden – eine Möglichkeit, von der insgesamt 139 Staaten Gebrauch machten. Seitdem war bzw. ist noch immer ein Beitritt möglich.
Nach seinem Art. 126 tritt das Statut am ersten Tag des Monats in Kraft, der auf den sechzigsten Tag nach Hinterlegung der sechzigsten Ratifikations- bzw. Beitrittsurkunde beimGeneralsekretär der Vereinten Nationen folgt. Diese Bedingung war erfüllt, als am 11. April 2002 zehn Staaten gleichzeitig ihre Ratifikationsurkunden hinterlegten, sodass das Statut am 1. Juli 2002 in Kraft treten konnte.
IStGH-Mitgliedstaat Staat, der das Statut unterzeichnet, aber bisher nichtratifiziert hat Unterschrift zurückgezogen Ehemaliger Mitgliedstaat Nicht-Mitgliedstaat
125 Staaten sind dem Rom-Statut zum Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) beigetreten (Stand Januar 2025). Es handelt sich dabei um 33 afrikanische, 19 asiatisch-pazifische, 20 osteuropäische, 28 lateinamerikanische und karibische sowie 25 westeuropäische und andere Staaten.[3] 31 Staaten unterzeichneten das Statut, ratifizierten es aber nicht. Von den5 ständigen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrates ratifizierten die USA, Russland und die Volksrepublik China das Statut nicht.[4]
DieUS-Regierung unterzeichnete im Jahr 2000 das Statut des IStGH. PräsidentBill Clinton argumentierte aber zugleich, dass er das Rom-Statut nicht ratifizieren wolle, solange den USA keine ausreichende Möglichkeit geboten würde, den Internationalen Strafgerichtshof und dessen Funktionsweise über einen längeren Zeitraum zu überprüfen.[5] 2002 erklärte die US-Regierung die völkerrechtlich unübliche, aber zulässige Rücknahme der Unterzeichnung und setzte zudem am 2. August 2002 denAmerican Service-Members’ Protection Act zum Schutz von US-Bürgern vor dem IStGH in Kraft. Israel schloss sich dem Verhalten der USA an und nahm seine Unterzeichnung ebenfalls nachträglich zurück.
Von den 193 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen sind damit 121 dem Statut beigetreten (dieCookinseln sind kein UN-Mitgliedstaat; diepalästinensischen Autonomiegebiete sind Staat mit Beobachterstatus), 31 haben es unterzeichnet, aber nicht ratifiziert, und 41 haben das Statut nicht unterzeichnet.
Das IStGH-Statut legt Funktion und Struktur des Gerichts sowie die Regeln für seineRechtsprechung fest, das sich mit den schlimmsten Verbrechen von Individuen beschäftigen soll. Insbesondere begründet es eineGerichtsbarkeit für diestrafrechtliche Verfolgung vonVölkermord,Verbrechen gegen die Menschlichkeit,Kriegsverbrechen sowie dasVerbrechen der Aggression. Die Zuständigkeit des Gerichtshofes ist weiterhin auf Verbrechen beschränkt, die auf dem Territorium eines Vertragsstaates oder durch einen Staatsangehörigen eines Vertragsstaates sowie zeitlich nach Inkrafttreten des Statuts begangen wurden. Dies gilt jedoch nur unter der Bedingung, dass die zuständigenationaleStrafgerichtsbarkeit keine Ermittlungen durchführt oder angemessene Ermittlungen durchgeführt hat oder nicht willens oder in der Lage ist, eine angemesseneStrafverfolgung durchzuführen.Einen Sonderfall stellt eine Überweisung eines Falls an den IStGH durch denSicherheitsrat der UN dar. In solch einem Fall ist weder das Territorialitätsprinzip noch das Personalitätsprinzip für die Zuständigkeit des IStGHs notwendig. Umstritten zwischen Völkerrechtlern ist, ob bei einer Überweisung des Sicherheitsrates auch die Untätigkeit nationaler Gerichte notwendig ist.Das IStGH-Statut, das der IStGH-RichterHans-Peter Kaul als den wichtigsten internationalen Vertrag neben derUNO-Charta einstuft,[4] legt außerdem die für das Gericht geltenden allgemeinen Grundsätze des Strafrechts fest, wieNulla poena sine lege,Rückwirkungsverbot, individuelle strafrechtliche Verantwortlichkeit, Unerheblichkeit der amtlichen Eigenschaft.
Versammlung der Vertragsstaaten und Weiterentwicklung des Statuts
Der IStGH wird institutionell von der Versammlung der Vertragsstaaten des Rom-Statuts überwacht. Sie trifft sich jährlich einmal am Sitz des IstGH oder der UN. Jeder Vertragsstaat hat einen stimmberechtigten Vertreter. Staaten, die das Rom-Statut oder die Schlussakte unterzeichnet haben, können als Beobachter an der Versammlung teilnehmen.
Die Versammlung hat insbesondere die Verwaltungsaufsicht über das Präsidium, den Ankläger und den Kanzler des IStGH, sie beschließt das Budget des IStGH und gibt Empfehlungen ab. Sie wählt den Ankläger und die 18 Richter des Gerichtshofes. Sie ist auch zuständig für den Erlass der Prozessordnung.
Die erste Tagung fand im September 2002 in New York statt. Die 1. Überprüfungskonferenz des Römischen Statuts tagte vom 31. Mai bis 11. Juni 2010 in Kampala (Uganda).[6] Die 12. Versammlung vom 20. bis 28. November 2013 in Den Haag[7] stand unter massivem politischen Druck der afrikanischen Vertragsstaaten. Sie erzwangen in der Prozessordnung des IStGH eine Ausnahme von der Anwesenheitspflicht des Angeklagten. Angeklagte, die «ausserordentliche öffentliche Verpflichtungen auf höchster nationaler Ebene» wahrnehmen, dürfen sich neu durch einen Anwalt vertreten lassen.[8]
Änderungen des Statuts richten sich nach den in den Artikeln 121 und 122 vorgesehenen Verfahren. Eine Änderung muss von einem Vertragsstaat wiederum ratifiziert werden, damit sie für ihn in Kraft tritt.
ZweiÄnderungen des Römischen Statuts wurden an der 1. Überprüfungskonferenz in Kampala von den Vertragsstaaten einstimmig angenommen. Es handelt sich dabei um die am 10. Juni 2010 angenommenen Änderungen des Artikels 8 und um die am 11. Juni 2010 angenommenen Änderungen in Bezug auf dasVerbrechen der Aggression.[9]
Otto Triffterer (Hrsg.):Commentary on the Rome Statute of the International Criminal Court. Observers’ Notes, Article by Article. 2. Auflage. C. H. Beck u. a., München u. a. 2008,ISBN 978-3-406-57841-0.
Hannah Lea Pfeiffer:Das Rom-Statut, in: Quellen zur Geschichte der Menschenrechte, herausgegeben vom Arbeitskreis Menschenrechte im 20. Jahrhundert, Mai 2015, abgerufen am 11. Januar 2017.
↑Hannah Lea Pfeiffer: Das Rom-Statut. In: Quellen zur Geschichte der Menschenrechte. Arbeitskreis Menschenrechte im 20. Jahrhundert, Mai 2015, abgerufen am 11. Januar 2017.
↑Meret Baumann:Wie am Stadtrand von Den Haag ein „Weltgericht“ entstand. In:Neue Zürcher Zeitung – Internationale Ausgabe, Samstag, 30. Juni 2012 (Nr. 150), S. 9.