Der Kunsthistoriker in seinem 59. LebensjahrDas Grab von Richard Hamann und seiner Ehefrau Emily geborene Mac Lean im Familiengrab auf dem Hauptfriedhof Marburg
1924 erschien imMarburger Jahrbuch für Kunstwissenschaft seine wegweisende Arbeit über die deutsche Plastik des Mittelalters; in ihr brachte er erstmals das in der Chronik desThietmar von Merseburg beschriebene Kreuz aus der Zeit des Kölner ErzbischofsGero mit dem imKölner Dom befindlichen Kreuz – heute alsGerokreuz bekannt – in Zusammenhang.
Hamann gab entscheidende Anregungen für das Konzept des „Jubiläumsbaus“, der 1927 aus Anlass des 400-jährigen Bestehens der Universität alsGebäude für die Kunst- und Kulturwissenschaften nebst ihren zugehörigen Sammlungen fertiggestellt wurde.
Hamann gründete auch dasBildarchiv Foto Marburg, die fotografische Abteilung des Kunstgeschichtlichen Seminars, für das er beständig Bildmaterial sammelte. Zu seinen zahlreichen wissenschaftlichen Publikationen gehört auch das zweibändige StandardwerkGeschichte der Kunst, das in vielen Auflagen erschien (1933–1959).
Seine Berufung nach Ost-Berlin 1947 an die Humboldt-Universität als Nachfolger des 1945 entlassenenWilhelm Pinder war ein politisches Zeichen. 1949 wurde Hamann zum ordentlichen Mitglied derAkademie der Wissenschaften der DDR gewählt. Außerdem wurde er mit demNationalpreis der DDR ausgezeichnet. Im Jahr 1954 gründete er an der Akademie die Arbeitsstelle für Kunstgeschichte, die mit grundlegenden und langfristig konzipierten Forschungen auf dem Gebiet der DDR begann. 1956 musste Hamann aber nach einem politischen Kurswechsel aufgrund des neuen StaatssekretärsWilhelm Girnus den Lehrstuhl nach seiner Entpflichtung aufgeben und verließ die DDR wieder.[2][3] Sein Nachfolger auf dem Lehrstuhl wurdeGerhard Strauss. Nach Hamanns Tod übernahmEdgar Lehmann die Leitung der Forschungsstelle, die 1971 ihre Arbeit einstellen musste.Zu Hamanns Schülern gehörten u. a.Hermann Deckert undGustav André. Auch Hamanns Sohn Richard wurde Kunsthistoriker, nannte sich aber 1939 nach dem Geburtsnamen seiner Mutter inHamann-Mac Lean um, um bei wissenschaftlichen Publikationen Verwechslungen mit seinem Vater zu vermeiden.[4] Auch der in den USA lehrende Kulturhistoriker und GermanistJost Hermand war langjähriger Mitarbeiter und Schüler von Hamann.
Zu Hamanns – zumindest aus eigener Sicht – verbindenden Wirken als „Grenzgänger“ zwischen West und Ost fand 2008 in Marburg eine Tagung statt.
Zu Hamanns Gedächtnis vergibt die Universität Marburg den nach ihm benanntenRichard-Hamann-Preis. Anlässlich des 2009 in Marburg stattfindendenDeutschen Kunsthistorikertages wurde er erstmals für herausragende wissenschaftliche Leistungen verliehen.[5] Erster Preisträger war der Berliner WissenschaftlerHorst Bredekamp.[6]
Fritz Cremer schuf 1954 eine Porträtbüste Hamanns in Bronze, die von der Nationalgalerie Berlin verwahrt wird.[7]
Das Symbol. Dissertation Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin. W. Hecker, Gräfenhainichen 1902.
Ein Gang durch die Jahrhundert-Ausstellung, 1775–1875. Reimer, Berlin 1906.
Die Frührenaissance der italienischen Malerei. E. Diederichs, Jena 1909.
mitFelix Rosenfeld:Der Magdeburger Dom. Beiträge zur Geschichte und Ästhetik mittelalterlicher Architektur, Ornamentik und Skulptur. G. Grote, Berlin 1910.
Ästhetik. B. G. Teubner, Leipzig 1911 (2. Auflage 1919).
Rembrandts Radierungen. Bruno Cassirer, Berlin 1914.
Krieg, Kunst und Gegenwart. Aufsätze. Elwert, Marburg 1917.
Die deutsche Malerei vom 18. bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts. B. G. Teubner, Leipzig 1925.
mit Hans Weigert:Das Strassburger Münster und seine Bildwerke. Deutscher Kunstverlag, Berlin 1928.
Geschichte der Kunst von der altchristlichen Zeit bis zur Gegenwart. Knaur, Berlin 1933 (weitere Aufl. 1934, 1935).
Die Elisabethkirche zu Marburg. A. Hopfer, Burg bei Magdeburg 1938.
Ägyptische Kunst. Wesen und Geschichte. Knaur, Berlin 1944.
Rembrandt. Eduard Stichnote, Potsdam 1948.
Griechische Kunst, Wesen und Geschichte. Droemer, München 1949.
Tierplastik im Wandel der Zeiten. Akademie-Verlag, Berlin 1949.
Die Abteikirche von St. Gilles und ihre künstlerische Nachfolge. Akademie-Verlag, Berlin 1955f.
Geschichte der Kunst. 1. Band:Von der Vorgeschichte bis zur Spätantike. 2. Band:Von der altchristlichen Zeit bis zur Gegenwart. Droemer, München (u. Akademie-Verlag, Berlin) 1959.
mitJost Hermand:Deutsche Kunst und Kultur von der Gründerzeit bis zum Expressionismus. 5 Bände (Gründerzeit,Naturalismus,Impressionismus,Stilkunst um 1900,Expressionismus), Akademie-Verlag, Berlin 1959ff.
auch bei Nymphenburg, München 1971ff. mit geändertem Titel:Epochen der deutschen Kultur von 1870 bis zur Gegenwart.
Richard Hamann 70 Jahre alt. In: Bildende Kunst, Berlin, 6/1949, S. 200
Hans Kauffmann:Nachruf auf Richard Hamann. In: Kunstgeschichtliche Gesellschaft zu Berlin:Sitzungsberichte, Oktober 1960 bis Mai 1961. Berlin 1961, S. 9–11.
Edgar Lehmann (Hrsg.):Richard Hamann in memoriam. Mit zwei nachgelassenen Aufsätzen und einer Bibliographie. Akademie, Berlin 1963.
Jost Hermand:Der Kunsthistoriker Richard Hamann. Eine politische Biographie. Böhlau, Köln / Weimar / Wien 2009,ISBN 978-3-412-20398-6.
Ruth Heftrig, Bernd Reifenberg (Hrsg.):Wissenschaft zwischen Ost und West. Der Kunsthistoriker Richard Hamann als Grenzgänger. (=Schriften der Universitätsbibliothek Marburg. Nr. 134). Jonas, Marburg 2009,ISBN 978-3-89445-427-2.
Angela Matyssek:Kunstgeschichte als fotografische Praxis. Richard Hamann und Foto Marburg. Gebr. Mann, Berlin 2009,ISBN 978-3-7861-2584-6.
Anke Scharnhorst:Hamann, Richard. In:Wer war wer in der DDR? Band 1, Ch. Links, Berlin 2010,ISBN 978-3-86153-561-4.
Ruth Heftrig:Fanatiker der Sachlichkeit: Richard Hamann und die Rezeption der Moderne in der universitären deutschen Kunstgeschichte 1930–1960. Walter de Gruyter, Berlin/Boston 2014.
Reiner Zeeb:Eine Idee der gotischen Gesellschaft. Richard Hamanns Vermächtnis. In: Reiner Zeeb:Kunstrevolution und Form. Aufsätze. Ludwig, Kiel 2017, S. 7–35.
↑Richard Hamann als Grenzgaenger (Nicola Hille). In: ArtHist.net. 5. August 2008, abgerufen am 13. Oktober 2021 (Tagungsbericht für H-ArtHist von Nicola Hille, Tübingen von der Tagung in der Universitätsbibliothek Marburg, 13.-14.06.2008).