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Regentschaft Tunis

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Regentschaft Tunis
ایالت تونس (osmanisch)
إيالة تونس (arabisch)
1574–1881
Regentschaft Tunis (rot) in Nordafrika um 1609
AmtsspracheOsmanisch undArabisch
HauptstadtTunis
Staats- und RegierungsformMonarchie
Vorlage:Infobox Staat/Wartung/NAME-DEUTSCH

DieRegentschaft Tunis bzw. dasEyâlet Tunis (osmanischایالت تونس,arabisch إيالة تونس,Eyālet Tūnis) war von 1574 bis 1881 ein nominell demOsmanischen Reich unterstelltes Staatswesen inNordafrika. Sie entstand aus der osmanischen Eroberung des zuvor von denHafsiden regiertenIfriqiya (Tunesien) und wurde anfangs von osmanischen Statthaltern (Paschas) regiert. Bald entwickelte das Land jedoch de facto eine weitgehende Autonomie unter lokalen Dynastien vonBeys und gehörte zu denBarbareskenstaaten. In den rund drei Jahrhunderten ihrer Existenz erlebte die Regentschaft Phasen wirtschaftlichen Aufschwungs (u. a. durchKorsarenhandel), dynastische Machtkämpfe sowie Reformbemühungen im 19. Jahrhundert, bevor sie 1881 in ein französischesProtektorat umgewandelt wurde.

Geschichte

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Osmanische Eroberung und frühe Phase (1574–1705)

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Abbildung der Belagerung von Tunis (1574)

Im Jahr 1574 eroberte der osmanische GroßadmiralSinan Pascha mit Unterstützung von KorsarenführerKılıç Ali Pascha die StadtTunis von denSpaniern und beendete damit die Herrschaft der Hafsiden-Dynastie. Tunis wurde als Provinz (Eyâlet) in das Osmanische Reich eingegliedert. Die erste Zeit der osmanischen Herrschaft war durch die Präsenz eines vom Sultan entsandten Gouverneurs (Pascha) und einer Janitscharengarnison in Tunis geprägt. Doch bereits 1591 übernahm das lokaleJanitscharenkorps faktisch die Macht, indem es – nach einer Armeerevolte – einen eigenen Militärkommandanten einsetzte: denDey von Tunis, dem ein Bey als Verwalter des Steuerwesens und der Provinzen zur Seite stand.[1] In den folgenden Jahrzehnten entstand eine duale Machtstruktur, in der der Dey die Stadt Tunis und die Janitscharentruppen kontrollierte, während die Beys (anfangs ernannt, später faktisch erblich) die Steuereinnahmen einzogen und Feldzüge ins Landesinnere führten.

Im Verlauf des 17. Jahrhunderts verlagerte sich die Macht zusehends von den Deys auf die Beys.Murad, ein zum Islam konvertierterKorse, wurde 1612 zum Bey ernannt und begründete die Dynastie derMuraditen. Er machte sich einen Namen durch erfolgreiche Feldzüge gegen aufständische Stämme im Hinterland, wofür ihm vom Sultan der Pascha-Titel verliehen wurde.[2] Seine Nachfolger – darunterMurad II. (reg. 1659–1675) – stärkten ihre Position weiter, wodurch die Autorität des Deys nachließ. In der Spätphase der Muradiden kam es jedoch zu blutigen Thronstreitigkeiten innerhalb der Herrscherfamilie, was benachbarte Mächte auf den Plan rief: Um 1700 griff der Dey vonAlgier in einen Erbfolgekrieg in Tunis ein und besetzte zeitweise das Land. In diesem Machtvakuum konnte sich 1705 der osmanische OffizierHusain ibn Ali, ein Kavallerieoberst der türkischen Truppen in Tunis, durchsetzen.[1] Er schlug die Algerier zurück und übernahm selbst die Herrschaft, womit er die Dynastie derHusainiden begründete. Gleichzeitig schaffte er das Dey-Amt ab, womit Tunis fortan von den Beys in quasi-monarchischer Funktion regiert wurde.[1] Er konnte sich die Loylität der Berber-Stämme sichern und bevorzugte dieislamische Rechtsschule derMalikiten gegenüber den vorher dominantenHanafiten.[2]

Husainiden-Dynastie und relative Autonomie (1705–1830)

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Unter den Husainiden-Beys erlangte Tunis eine Phase relativer Stabilität und weitgehender Autonomie, obwohl es formal weiterhin unter osmanischer Oberhoheit stand.Husain I. ibn Ali (reg. 1705–1740) sicherte die Erbfolge seines Hauses ab (1710 erließ er ein Thronfolgegesetz) und führte die Regierungsgeschäfte ohne unmittelbare osmanische Einmischung. So schloss er eigenständige Verträge mit europäischen Mächten – etwa mitFrankreich (1710),Großbritannien (1716),Spanien (1720) und denNiederlanden (1728).[3] Innenpolitisch blieb die Lage jedoch spannungsreich: Nach Husains Abdankung 1735 entbrannte ein Nachfolgestreit zwischen seinem SohnMuhammad und seinem NeffenAli, der in einen fünfjährigen Bürgerkrieg mündete. Ali Bey ging zunächst als Sieger hervor und übernahm 1735 die Macht, doch wurde seine Herrschaft im Jahr 1756 von einer algerischen Intervention beendet – die Truppen des Deys von Algier besetzten Tunis, ließen Ali Bey hinrichten und zwangen der Regentschaft zeitweilig Tribut auf. In der Folge gelangte Husains Sohn als Muhammad I. an die Macht.[1][3]

Die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts gilt als Blütezeit der Husainiden-Regentschaft. UnterAli II. Bey (reg. 1759–1782) undHammuda Bey (reg. 1782–1814) konsolidierte Tunis seine Herrschaft über das gesamte Landesgebiet: Erst jetzt wurde die Kontrolle der Zentralregierung auch auf das ehemals schwer zugängliche Hinterland ausgedehnt, indem rivalisierende Clanführer und Stammesfürsten unterworfen oder eingebunden wurden. Hammuda Bey, der als fähiger und energischer Herrscher gilt, erreichte den Höhepunkt der faktischen Unabhängigkeit von Istanbul. Er weigerte sich, Tribute an dieHohe Pforte zu entrichten, und titulierte sich selbstbewusst als nahezu souveräner Fürst. Zugleich behauptete er sich militärisch gegen äußere Bedrohungen: Angriffe des benachbarten Algerien schlug er 1807 und 1813 zurück, und 1811 setzte er dem politisch einflussreich gewordenen Janitscharenkorps ein Ende, indem er dessen verbleibende Truppen entwaffnen und auflösen ließ.[1][3] Damit war das osmanisch-türkische Element im Militär ausgeschaltet, und die Macht der Beys stand auf ihrem Höhepunkt.

Wirtschaftlich erlebte Tunis im 17. und 18. Jahrhundert Phasen des Aufschwungs. VertriebeneMoriscos aus Spanien, die sich ab 1609 in Tunis niederließen, brachten landwirtschaftliche Kenntnisse ein und erschlossen neue Ackerflächen in der fruchtbarenMedjerda-Ebene und auf demCap Bon. Die städtischen Märkte lebten nach den Wirren des 16. Jahrhunderts wieder auf; so wurde die heilige StadtKairouan neu besiedelt und zu einem Handels- und Handwerkszentrum ausgebaut. Gleichzeitig florierte die Piraterie: Bis ins frühe 19. Jahrhundert blieb die Kaperei imMittelmeer die einträglichste Einnahmequellen für Tunis.[1] Europäische Handelsschiffe wurden gekapert und die Besatzungen als Sklaven verkauft oder gegen Lösegeld freigepresst. Diese als „Barbaresken-Korsaren“ berüchtigten Unternehmungen brachten der Regentschaft beträchtliche Einkünfte, provozierten aber auch militärische Vergeltungsaktionen der europäischen Seemächte. Infolge des wachsenden Drucks – insbesondere nach demWiener Kongress 1815 – sah sich Tunis 1819 gezwungen, den Sklavenraub und wenige Jahre später auch die Korsarenraubzüge offiziell zu verbieten.[4][3]

Modernisierungsbemühungen bis zum französischen Protektorat (1830–1881)

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Abbildung derMedschba-Revolte (1864)

Im späten 18. Jahrhundert und dem frühen 19. Jahrhundert geriet Tunis durch den Niedergang der Piraterie in eine Krise. Hungersnöte und Pandemien erschütterten das Land. Nach der französischen Eroberung Algiers (1830) geriet Tunis verstärkt in den Fokus der europäischen Kolonialmächte.[1] Gleichzeitig unternahmen die Beys des 19. Jahrhunderts Reformen, um Staat und Gesellschaft zu modernisieren.Ahmad Bey (reg. 1837–1855) reorganisierte das Heer nach europäischem Vorbild (bereits 1837 mit Hilfe französischer Militärberater, schickte Offiziersanwärter zur Ausbildung nach Frankreich) und richtete eine neue Militärschule ein. Er schaffte 1841 den Verkauf afrikanischer Sklaven und 1846 dieSklaverei insgesamt ab und beseitigte zahlreiche diskriminierende Sonderauflagen für diejüdische Bevölkerungsgruppe. Er begründete außerdem die säkulare Bildung in Tunesien und baute eine eigene Flotte mit 12 von Frankreich erworbenen Fregatten auf. Diese ehrgeizigen Projekte überstiegen jedoch bald die finanziellen Möglichkeiten des Landes: Zur Finanzierung erhöhte Ahmad Bey die Steuern, was 1840–1843 regionale Aufstände nach sich zog.[5]

Sein NachfolgerMuhammad II. Bey (reg. 1855–1859) erließ 1857 den sogenannten Fundamental-Pakt (Ahd al-Aman), ein Gesetz, das allen Einwohnern, Muslimen, Christen und Juden, gleiche bürgerliche Rechte sowie den Schutz ihres Eigentums garantierte. Im Jahr 1861 erhielt Tunis als erstes Land der arabischen Welt eine Verfassung, die einConseil (Parlament) und rechtsstaatliche Prinzipien vorsah. Dieses damals bahnbrechende Reformwerk konnte jedoch nicht dauerhaft umgesetzt werden; die traditionellen Machteliten lehnten die Einschränkung ihrer Privilegien ab, und schon nach kurzer Zeit wurde die Verfassung suspendiert.[6][1]

Die 1860er-Jahre brachten das Land an den Rand des Bankrotts. Eine drastische Erhöhung der Kopfsteuer, um die leere Staatskasse zu füllen, entzündete 1864 einen großen Aufstand der Landbevölkerung (Medschba-Revolte), den die Regierung nur mit Mühe und unter großen Verlusten niederwerfen konnte. Gleichzeitig wuchs die Auslandsschuld durch Kredite für die Modernisierung; 1863/65 nahm der Staat neue Darlehen in Paris und London auf, deren Bedienung bald die Einnahmen überstieg. 1869 musste Tunis einer internationalen Finanzkontrolle zustimmen: Eine von Frankreich, Großbritannien und Italien besetzte Schuldenkommission überwachte fortan die Staatsfinanzen und sicherte die Ansprüche der europäischen Gläubiger.[1] Diese Eingriffe markierten de facto einen teilweisen Verlust der Souveränität und leiteten die offene ausländische Einflussnahme ein.

In den 1870er-Jahren wuchs das kolonialpolitische Interesse an Tunis rapide. Frankreich, seit langem wirtschaftlich in Tunis engagiert, konkurrierte dabei mit Italien, das ebenfalls umfangreiche Handelsinteressen und eine große Ansiedlergemeinde in der Region besaß. Europäische Investoren erhielten in dieser Zeit bedeutende Konzessionen und Ländereien, während die Bindungen der Regentschaft an das Osmanische Reich immer schwächer wurden. Auf demBerliner Kongress (1878) erkannte Großbritannien die“besonderen Interessen” Frankreichs in Tunesien an, ein diplomatisches grünes Licht für Paris. 1881 nutzte Frankreich einen Grenzzwischenfall als Vorwand: Im April überschritten französische Truppen von Algerien aus die Ostgrenze, angeblich um gegen räuberische Stämme vorzugehen. Der regierende BeyMuhammad III. al-Husain (reg. 1859–1882), isoliert und militärisch unterlegen, sah sich gezwungen, am 12. Mai 1881 denVertrag von Bardo zu unterzeichnen. Dieses Abkommen machte Tunis faktisch zum französischen Protektorat, indem es die auswärtige Souveränität und die Verteidigung des Landes an Frankreich übertrug. In den nächsten beiden Jahren wurden Widerstände gegen die neuen Herrscher von französischen Truppen niedergeschlagen. Mit derKonvention von La Marsa vom 8. Juni 1883 schließlich wurde das Protektoratsregime auch formell institutionalisiert und die verbleibende Autonomie des Beys weiter beschnitten.[1][7]

Während dieser Zeit der Kolonialherrschaft blieb die Institution des Beys bestehen, wobei der Husainiden-Bey als nominelles Staatsoberhaupt fungierte, während die Franzosen das Land faktisch regierten. Nach Erlangung der vollen Unabhängigkeit erklärte sich Tunesien 1957 zurRepublik, was zur Auflösung des Bey-Amtes und zum Ende der Husainiden-Dynastie führte.[8]

Staat und Gesellschaft

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Die Staatsordnung der Regentschaft Tunis entwickelte sich im Verlauf der osmanischen Herrschaft eigenständig weiter. Zunächst blieb Tunis ein vom Sultan gelenktesPaschalık (Eyālet), doch nach 1591 etablierten dieJanitscharen eine quasi autonome Militärregierung unter dem Dey und seinem beigeordneten Bey. Spätestens mit Gründung der Husainiden-Dynastie 1705 wandelte sich das Regierungssystem zu einer erblichen Monarchie unter osmanischerSuzeränität. Der Bey von Tunis fungierte als absoluter Herrscher im Inland, führte den Titel einesBeylerbey (Generalgouverneur) und erhielt vom osmanischen Sultan Investiturschreiben sowie ehrenhalber den Pascha-Rang verliehen. Tatsächlich agierten die Beys jedoch weitgehend selbständig. Sie residierten imBardo-Palast bei Tunis, wo sich auch derDiwan (Regierungsrat) befand. Diesem Gremium gehörten hohe Würdenträger und Berater an – im 19. Jahrhundert gab es formal die Ämter eines Großwesirs (Premierminister) und verschiedener Minister (für Finanzen, Kriegswesen, Justiz, Auswärtiges usw.). Die Verwaltungsgliederung umfasste mehrere Provinzen und territoriale Untereinheiten, an deren Spitze sogenannteKaids (lokale Statthalter) standen. Diese Kaids wurden meist aus einheimischen Notablen oder Stammesführern rekrutiert und vom Bey eingesetzt, um in den Regionen Steuern einzutreiben und für Ruhe und Ordnung zu sorgen.

Die Bevölkerung der Regentschaft setzte sich aus verschiedenen ethnischen und rechtlichen Gruppen zusammen. An der Spitze der Hierarchie stand die aus der osmanischen Eroberung hervorgegangene türkische Oberschicht – die Offiziere, Beamten und Janitscharen und deren Nachkommen (Kuloğlu). Diese bildeten in der Hauptstadt Tunis und einigen Küstenstädten eine städtische Elite, die osmanisch-türkische Sprache und Lebensweise pflegte. Die große Mehrheit der Bevölkerung hingegen waren arabischsprachige Einheimische, teils sesshafte Ackerbauern in den Küstenebenen, teils halbnomadische Hirtenstämme (darunter Reste berberischer Gruppen) im Binnenland. Zwischen der türkischstämmigen Herrenschicht und der einheimischen Mehrheitsbevölkerung bestanden deutliche kulturelle und soziale Unterschiede. Die osmanischen Türken blieben lange eine privilegierte Kaste und wurden in den ländlichen Gebieten als Fremdherrscher wahrgenommen; umgekehrt galten viele Stämme als lose an den Staat gebunden. Im Laufe der Zeit kam es jedoch zu einer gewissen Vermischung. Daneben spielte die Schicht der sogenanntenMamluken aus der christlichen Welt, ursprünglich importierter Sklaven, die am Hofe zu Offizieren und Beamten aufstiegen, eine wichtige Rolle. Während die große Mehrheit sunnitische Muslime waren, gab es eine jüdische Minderheit sowie christliche Sklaven.

Das Osmanische Reich nahm großen Einfluss auf Kultur, Religion, Sprache und Küche Tunesiens. Nach der Etablierung der osmanischen Herrschaft in der Region wurde die Architektur in Tunesien und Algerien stark vomOsmanischen Stil beeinflusst, insbesondere in den Küstenstädten, wo der osmanische Einfluss am stärksten war. Zusätzlich flossen europäische Einflüsse ein, vor allem durch den Import von Materialien wieMarmor aus Italien.[9]

Wirtschaft

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Lösegeldübergabe für Christen, die im 17. Jahrhundert von Kosaren gefangen gehalten wurden.

Die Landwirtschaft bildete traditionell die Grundlage der Wirtschaft in Tunis. Hauptsächlich wurden Getreide (Weizen, Gerste) und Oliven angebaut, dazu regionale Produkte wie Datteln, Feigen, Wein und Gemüse in den Oasen und Küstenebenen. Dank der Bewässerung durch Flüsse wie die Medjerda zählten die Böden im Norden zu den ertragreichsten Nordafrikas. Die eingewandeten andalusischen Bauern (Morisken) verbesserten im 17. Jahrhundert Anbaumethoden und führten neue Kulturpflanzen ein. Gleichwohl blieb die Landwirtschaft von klimatischen Schwankungen abhängig, Dürreperioden führten wiederholt zu Hungersnöten und beeinträchtigten die Staatseinnahmen.[1]

Neben der Agrarproduktion war vom 16. bis ins frühe 19. Jahrhundert die Kaperei (Piraterie) ein wichtiger Wirtschaftszweig der Küstenstädte. Von Tunis,Bizerte,Sousse und anderen Häfen stachen Korsarenschiffe in See, um im Mittelmeer feindliche (vor allem europäische) Handelsfahrzeuge zu kapern. Beute, sei es in Form von Waren, Lösegeld oder Sklaven, trug erheblich zum Einkommen der lokalen Händler und der Staatskasse bei. Die Bey-Regierung erhob Abgaben auf die Kapergewinne und rüstete zeitweise selbst Piratenflotten aus. Allerdings war das Korsarentum riskant und politisch brisant: Es provozierte militärische Vergeltungsschläge der betroffenen Seemächte. England, die Niederlande, Spanien, Frankreich und (im 19. Jh.) auch die USA versuchten mit diplomatischem Druck, Tributzahlungen oder Gewaltaktionen das Treiben der Barbareskenpiraten einzudämmen. Im frühen 19. Jahrhundert musste Tunis schließlich die Piraterie einstellen.[1]

Im 19. Jahrhundert geriet die einheimische Wirtschaft durch billige Importe aus dem sich industrialisierenden Europa ins Hintertreffen. Frankreich und Italien spielten als Handelspartner eine dominierende Rolle; allerdings überlastete die Modernisierungsbemührungen (z. B. Bau der EisenbahnstreckeTunis-Goulette-Marsa) das Land. So geriet Tunis durch ungünstige Handelsbilanzen und teure Kredite in die Finanzkrise. Die Auslandsgläubiger nutzten diese Lage, um politischen Druck auszuüben, ein Umstand, der letztlich in die Einrichtung des Protektorats mündete.[1]

Militär

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Das Militärwesen der Regentschaft Tunis war anfangs stark vom osmanischen System geprägt. Den Kern bildeten die in der Hauptstadt stationierten Janitscharen-Einheiten. Doch mit dem Erstarken der Beys wurde die osmanische Militärmacht schrittweise zurückgedrängt. Hammuda Bey ließ 1811 das rebellische Janitscharenkorps vollständig entmachten und auflösen, nachdem es gegen seine Herrschaft opponiert hatte. An die Stelle der Janitscharen traten einerseits persönliche Garden der Beys (häufig aus Mamluken bestehend) und andererseits neu aufgebaute, einheimisch geprägte Truppen. Die Regimentsstreitkräfte der Regentschaft wurden in vielfältige Konflikte verwickelt. Nach der osmanischen Eroberung 1574 und der Abwehr spanischer Rückeroberungsversuche (bis 1581) kam es vor allem mit dem benachbartenRegentschaft Algier zu Rivalitäten, obwohl beide nominell den Osmanen unterstanden. Immer wieder kam es zu Kriegen zwischen Tunis und Algier; zeitweise sah sich Tunis sogar gezwungen, Tribut an Algier zu entrichten. Des Weiteren mussten die Beys immer wieder militärisch gegen rebellierende Stämme oder Aufständische im Inland vorgehen. Bis 1815 unterhielt der Bey von Tunis eine Korsarenflotte, um europäische Schiffe anzugreifen, Küstenstädte an der nördlichen Mittelmeerküste zu plündern und sich gegen Einfälle aus Algier oderTripolis zu verteidigen. Nach 1815 versuchte Tunis mit mäßigem Erfolg, eine moderne Marine aufzubauen.

Im 19. Jahrhundert wurden Anstrengungen unternommen, das Militärwesen zu modernisieren. Unter Ahmad Bey begann ab 1837 eine umfassende Modernisierung des Heeres. Europäische Offiziere – vornehmlich Franzosen – wurden als Ausbilder verpflichtet, und tunesische Kadetten zur Schulung nach Frankreich entsandt. So beteiligte sich Tunis sogar an der Seite des Osmanischen Reiches an internationalen Kriegsanstrengungen: Ahmad Bey entsandte 1855 ein Kontingent von etwa 8.000 bis 10.000 tunesischen Soldaten zur Unterstützung der Alliierten imKrimkrieg gegen Russland.[5] Gegen Ende der Regentschaft war die veraltete Armee jedoch nicht mehr in der Lage, dem hochgerüsteten Frankreich Widerstand zu leisten. Der französische Invasion 1881 konnten die Truppen des Bey kaum etwas entgegensetzen.

Literatur

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  • Rudolf Fitzner:Die Regentschaft Tunis Streifzüge und Studien. Allgemeiner Verein für Deutsche Litteratur, 1897 (archive.org). 
  • Leïla Temime Blili:The Regency of Tunis, 1535–1666: Genesis of an Ottoman Province in the Maghreb. American University in Cairo Press, 2021,ISBN 978-1-64903-049-8. 

Weblinks

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Commons: Regentschaft Tunis – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. abcdefghijklmÉditions Larousse: Tunisie : histoire - LAROUSSE. Abgerufen am 12. November 2025 (französisch). 
  2. abTunisia: The Ottomans of Africa. In: The MENA Chronicle | Fanack. Abgerufen am 12. November 2025 (amerikanisches Englisch). 
  3. abcdḤusaynid dynasty | North Africa, Tunisia, Beylik | Britannica. Abgerufen am 12. November 2025 (englisch). 
  4. Adrian Tinniswood:Pirates of Barbary. Corsairs, Conquests, and Captivity in the Seventeenth-Century Mediterranean. Riverhead Books, New York 2010,ISBN 978-1-59448-774-3.
  5. abAḥmad | Reformer, Modernization, Independence | Britannica. Abgerufen am 12. November 2025 (englisch). 
  6. Fundamental Pact | Tunisia [1857] | Britannica. Abgerufen am 12. November 2025 (englisch). 
  7. Le Dessous des Dates | 12 mai 1881, quand la Tunisie devient une possession française. Abgerufen am 12. November 2025 (fr-FR). 
  8. Kenneth J. Perkins:Tunisia : crossroads of the Islamic and European worlds. Boulder, Colo. : Westview Press ; London : C. Helm, 1986,ISBN 978-0-86531-591-4,S. 61–67, 85. (archive.org [abgerufen am 12. November 2025]). 
  9. Jonathan M. Bloom:Architecture of the Islamic West: North Africa and the Iberian Peninsula, 700-1800. Yale University Press, 2020,ISBN 978-0-300-21870-1,S. 215 (google.de [abgerufen am 12. November 2025]). 
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