Heidemarie Rebecca Horn (*24. März1944 inMichelstadt; †6. September2024[1] inBad König) war eine deutscheBildhauerin, Aktionskünstlerin und Filmemacherin. Ihre Arbeit bewegte sich oftmals im Grenzbereich verschiedener künstlerischer Disziplinen und umfassteInstallationen,Performances, skulpturaleRaum-Installationen,kinetische Objekte, poetische Texte, Film und Zeichnung. Rebecca Horn erhielt zahlreiche Auszeichnungen und galt international als eine der profiliertesten deutschen Künstlerinnen der Gegenwart.
Rebecca Horn wurde am 24. März 1944 als Tochter eines Kaufmanns und Textildesigners im hessischen Michelstadt imOdenwald geboren.Schon im frühen Kindesalter träumte sie davon, Künstlerin zu werden. Inspiriert wurde sie von ihrem rumänischen Kindermädchen, einer Malerin, die sie im Zeichnen unterrichtete, sowie von ihrem Onkel, der ebenfalls Künstler war und ein unstetes Leben führte.
Nach dem Besuch eines Internats sollte Rebecca HornVolkswirtschaft studieren, um die elterliche Textilfabrik zu übernehmen, die seit mehreren Generationen im Familienbesitz war. Doch sie brach das Studium nach sechs Monaten ab und begann 1963, vorerst ohne Wissen der Eltern, ein Philosophie- und Kunststudium an derHochschule für bildende Künste Hamburg.[2]
1967 begann sie Abgüsse für eine Skulptur ausGlasfasern undPolyesterharz (glasfaserverstärkter Kunststoff) herzustellen. Allerdings wurde sie nicht vor giftigen Dämpfen gewarnt und zur Verwendung einer Atemschutzmaske angehalten. Daher erlitten Rebecca Horn und zwei weitere Kommilitoninnen eine schwere Lungenvergiftung, woraufhin Horn lange Zeit im Krankenhaus und ein Jahr imSanatorium verbrachte.[3] Nach ihrer Rückkehr an die Universität verwendete Rebecca Horn daraufhin nur noch leichtere und überwiegend organische Materialien wie Baumwolle, Bandagen und insbesondere Federn.
Zwischen 1968 und 1972 entstanden eine Reihe von Aktionen undPerformances, die einem kleinen Personenkreis vorbehalten waren. Ihr erstes Projekt 1968 war die Arm-Extension, in der sie das Gleichgewicht zwischen Mensch und Raum auslotete.[5] 1969 beendete Horn ihr Studium an der Hamburger Kunsthochschule. Ein einjährigesDAAD-Stipendium ermöglichte einen Studienaufenthalt amCentral Saint Martins College of Art and Design inLondon.
Sie arbeitete in den 1970ern zur Sichtbarmachung innerer Spannungen mit Metallkrallen und kinetischen Skulpturen.[6] So befestigte sie im Jahr 1970 zur mythologischen Vergrößerung ihrer selbst ein mehr als ein Meter langes Horn auf dem Kopf und stellte sich auf ein Feld.[6]
Im Jahr 1972 wurde ihr Werk zum ersten Mal auf der vonHarald Szeemann kuratierten, kontrovers diskutiertenDocumenta 5 ausgestellt, bei der erstmalsFluxus undHappening-Kunst sowie Nicht-Kunst und Bildbeiträge aus der Psychiatrie Berücksichtigung fanden. Sie war die jüngste Künstlerin der Ausstellung.
Im selben Jahr zog Horn nachNew York und ließ sich inSoHo nieder, einem Stadtteil vonManhattan, der seit den 1960er Jahren durch junge Künstler und Freiberufler geprägt war. Hier trafen sich Protagonisten derFluxus- undExperimentalfilm-Szene und veranstalteten in heruntergekommenen leerstehenden Fabriketagen Dichterlesungen,Happenings und Performances. Fast zehn Jahre lang pendelte Horn zwischenBerlin und New York.
In den 1980er und 1990er Jahren schuf sie Installationen zur Sichtbarmachung verborgener Negativkräfte, darunter 40 Meter lange Aschewände für dasKZ Buchenwald und reversive Konzerte, die in einem NS-Gefängnisstadtmauerturm in Münster dargestellt waren.[6] Eine Weiterentwicklung in ihrem Schaffen war die Verwendung mechanisch spielender Musikinstrumente (Klaviere, Violinen), die sich wie Raubvögel vom Himmel stürzten.[6] Die dissonanten Klänge in ihren Filmen und Videos nahmen oftmals ohrenbetäubende Ausmaße an.[6]
Sie erstellteArtwork zu demLiedSecret World[8] des 1992 erschienenenAlbumsUs[9] vonPeter Gabriel. Dieses zeigt einen offenen, weitgehend leeren älterenReisekoffer. Gabriel lud Rebecca Horn ein, das Kunstwerk fürSecret World zu entwerfen, das später in dieLiner Notes des AlbumsUs aufgenommen und 1993 auf derLondon Contemporary Art Fair ausgestellt wurde.[10] Nachdem sie denSong zum ersten Mal gehört hatte, kaufte Horn auf einemFlohmarkt inBerlin einen Koffer und befestigte verschiedene Objekte an dessen Innenseite, darunter einenGeigenbogen, einFernglas und eine Vorrichtung mitFedern, die einemSchmetterling ähnelte.[11]
Rebecca Horn stellte mehrere Male auf derDocumenta inKassel aus und wurde mit wichtigen Kunstpreisen ausgezeichnet. So wurde sie 1992 als erste Frau Trägerin desKaiserrings von Goslar. Seit 1993 war Horn Mitglied derAkademie der Künste in Berlin. Dort ist ihre RauminstallationDie drei Grazien in den drei Lichtkuppeln der Wandelhalle desBundesratsgebäudes seit dem Umzug der Institution und der Wiedereröffnung des Gebäudes im September 2000 Teil der künstlerischen Neugestaltung des früheren Sitzes desPreußischen Herrenhauses.[12]
Der im Wiesbadener Museum zu sehendeRabenbaum, bestehend aus anMedusa erinnernde Kupferschlangen und Trichter-Schnäbeln voll Kohle, zeigt Horns Fähigkeit, Unbehagen hervorzurufen.[6]
2015:Rebecca Horn – Black Moon Mirror, Galerie Thomas Modern,München; u. a. mit den InstallationenKonzert der Seufzer (konzipiert für die Biennale 1997) undGesang des Lichts (2005), der kinetischen ArbeitDer Ast zentriert im Sonnengeflecht sowie Gedichten[15][16]
2017/2018:Rebecca Horn – Hauchkörper als Lebenszyklus,Lehmbruck Museum, Duisburg
1993: Solomon R. Guggenheim Museum, New York. Die Ausstellung reiste danach zum Stedelijk Van Abbemuseum, Eindhoven; Nationalgalerie, Berlin; Kunsthalle Wien; Tate Gallery und Serpentine Gallery, London und das Musée de Grenoble.
mitJoachim Sartorius:Das Wirbelsäulen Orakel. Texte von Rebecca Horn, Nachwort von Joachim Sartorius. Hatje Cantz Verlag, Berlin 2014,ISBN 978-3-7757-3888-0.
Bodylandscapes. Zeichnungen, Skulpturen, Installationen 1964–2004. Mit Beiträgen vonArmin Zweite, Katharina Schmidt, Doris van Drathen, Annette Kruszynski und einem Gespräch zwischen Rebecca Horn undJoachim Sartorius sowie Gedichten von Rebecca Horn. K 20 Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen. Hatje Cantz Verlag, Ostfildern o. J.
Georg Franzen:Psychische Energien bildender Kunst. Ein psychodynamisch-phänomenologischer Zugang am Beispiel des Werkes von Rebecca Horn. In: ders. (Hrsg.):Kunst und Seelische Gesundheit. Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Berlin 2009,ISBN 978-3-939069-96-6, S. 57–68.
↑Jeanette Winterson: The bionic woman. She made her name dressing her friends as unicorns. Now she creates 'machines with souls'. Jeanette Winterson meets Rebecca Horn. The Guardian, 23. Mai 2005, abgerufen am 9. September 2024 (britisches Englisch).
↑abZeitschrift für Kultur (Hrsg.):Rebecca Horn – Feinmechanik der Seele. Oktober 2006,S.70 (Chronik von Leben und Werk).
↑Rebecca Horn ist tot. Sie galt als eine der international einflussreichsten deutschen Künstlerinnen der Gegenwart, nun ist Rebecca Horn gestorben. Sie schuf Filme, Performances und Skulpturen. Horn wurde 80 Jahre alt. In: Der Spiegel.msn.com, 8. September 2024, abgerufen am 9. September 2024 (deutsch): „1993 bekam sie als erste Frau eine Einzelausstellung im New Yorker Guggenheim Museum“
↑Evelyn Vogel:Vermessung der Seele. Rebecca Horn mit einer fulminanten Einzelausstellung bei Thomas Modern. Hrsg.:Süddeutsche Zeitung.Nr.39, 17. Februar 2015,ISSN0174-4917, Scratch My Back,S.R16.